Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 08.11.2000, Az.: 2 W 112/00
Anforderungen an die Durchführung eines Insolvenzverfahrens; Annahme eines Versagungsgrundes für die Erteilung der Restschuldbefreiung
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 08.11.2000
- Aktenzeichen
- 2 W 112/00
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2000, 31041
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2000:1108.2W112.00.0A
Rechtsgrundlagen
- § 7 Abs. 1 InsO
- § 290 Abs. 1 Nr. 1 InsO
- § 561 Abs. 2 ZPO
Fundstellen
- NZI 2001, 37
- NZI 2001, 58
- NZI 2001, 155-156
- NZI 2001, 5
- OLGReport Gerichtsort 2001, 82-83
- ZInsO 2000, 657 (amtl. Leitsatz)
- ZInsO 2000, 667-668 (Volltext mit amtl. LS)
Amtlicher Leitsatz
- 1.
Eine Entscheidung des Beschwerdegerichts, die keine Sachverhaltdarstellung enthält, ist im Verfahren der sofortigen weiteren Beschwerde nach § 7 Abs. 1 InsO aufzuheben und zurückzuverweisen, weil es dem Rechtsbeschwerdegericht aufgrund der Verweisung auf § 561 ZPO in § 7 Abs. 1 Satz 2 InsO verwehrt ist, sich selbst einen Sachverhalt aus den Akten zu bilden, ebenso wie das Rechtsbeschwerdegericht keine neuen Tatsachen zu berücksichtigen hat.
- 2.
Die Entscheidung des Beschwerdegerichts muss auch erkennen lassen, dass sich die Kammer mit der Beschwerde inhaltlich auseinandergesetzt hat; auch das Fehlen jeglicher Begründung der Entscheidung müsste im Hinblick auf § 551 Nr. 7 ZPO zur Aufhebung und Zurückverweisung der Sache führen.
- 3.
Es kann offen bleiben, ob die Berücksichtigung von Verurteilungen wegen einer Insolvenzstraftat im Rahmen des § 290 Abs. 1 Nr. 1 InsO auf solche Verurteilungen beschränkt ist, deren Tilgungsfrist im Bundeszentralregister noch nicht abgelaufen ist oder ob sogar ein konkreter Bezug zwischen dem Gegenstand der Verurteilung im Strafverfahren und dem aktuellen Insolvenzverfahren bestehen muss. Der Senat neigt allerdings zu der Annahme, dass nicht jede Verurteilung wegen eines Bankrottdelikts unabhängig von den Tilgungsfristen im Bundeszentralregister ohne jede zeitliche Grenze zur Versagung der Restschuldbefreiung nach § 289 Abs. 1 InsO i.V.m. § 290 Abs. 1 Nr. 1 InsO führen kann.
Gründe
Die sofortige weitere Beschwerde des Schuldners ist gem. § 7 Abs. 1 InsO zuzulassen, weil die Entscheidung des LG keine subsumtionsfähige Sachverhaltsdarstellung enthält. Auf die Frage, ob eine weiter gehende Gesetzesverletzung vorliegen könnte, die darin bestehen könnte, dass das LG die Voraussetzungen für die Anwendung des Versagungsgrundes des § 290 Abs. 1 InsO fehlerhaft angewendet hat, wie in der Begründung der sofortigen weiteren Beschwerde ausgeführt wird, kommt es derzeit noch nicht an, weil der angefochtene Beschluss jegliche Sachverhaltsdarstellung vermissen lässt. Eine Prüfung der Frage, ob das LG mit einer rechtsfehlerfreien Begründung die Annahme eines Versagungsgrundes für die Erteilung der Restschuldbefreiung nach § 290 Abs. 1 Nr. 1 InsO durch das Insolvenzgericht bestätigt hat, ist dem Senat auf Grund der einschließlich der Kostenentscheidung aus nur 4 Sätzen bestehenden Begründung des landgerichtlichen Beschlusses nicht möglich.
I.
Trotz der inzwischen unübersehbaren Vielzahl von veröffentlichten obergerichtlichen Entscheidungen zur Erforderlichkeit einer Sachverhaltsdarstellung in Beschwerdeentscheidungen des LG im insolvenzrechtlichen Instanzenzug (s. OLG Köln, NZI 2000, 80; OLG Köln, NZI 2000, 133; OLG Köln, NZI 2000, 165; OLG Köln, ZInsO 2000, 393[OLG Köln 14.06.2000 - 2 W 85/00] = NZI 2000, 480; OLG Celle, ZInsO 2000, 556[OLG Celle 13.09.2000 - 2 W 85/00]; OLG Celle, ZInsO 2000, 557[OLG Celle 11.09.2000 - 2 W 87/00] = ZIP 2000, 1898; BayObLG, NZI 2000, 434 = ZInsO 2000, 865 [LS]); dazu auch Pape, ZInsO 2000, 548 f.) enthält der Beschl. des LG überhaupt keine Ausführungen zu dem der Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt. Allein dieses Fehlen einer subsumtionsfähigen Sachverhaltsdarstellung stellt eine Gesetzesverletzung i.S.d. § 7 Abs. 1 InsO dar, die den Senat zur Zurückverweisung der Sache zwingt, da der Senat im Rechtsbeschwerdeverfahren nur dasjenige Vorbringen zu beurteilen hat, was sich aus dem Sachverhalt der angefochtenen Entscheidung entnehmen lässt (§ 561 Abs. 1 Satz 1 ZPO i.V.m. § 7 Abs. 1 Satz 2 InsO) und ferner gem. § 7 Abs. 1 Satz 2 InsO i.V.m. § 561 Abs. 2 ZPO an die tatsächlichen Feststellungen des Beschwerdegerichts gebunden ist (s. BayObLG, NZI 2000, 434; Kirchhof, in: Heidelberger Kommentar zur InsO, § 7 Rn. 18 f.). Auf Grund der entsprechenden Anwendung der Revisionsvorschriften und der engen Anlehnung des Rechtsbeschwerdeverfahrens des § 7 InsO an die weitere Beschwerde gem. 27 FGG, ist das Rechtsbeschwerdegericht nicht befugt, den Sachverhalt, von dem das LG ausgegangen ist, aus den Akten zu ermitteln und in seiner rechtlichen Prüfung zu Grunde zulegen (vgl. OLG Köln, NZI 2000, 133). Zulässig ist allenfalls eine Bezugnahme auf bestimmte Teile der Akten, die jedoch eine Sachverhaltsdarstellung ebenfalls nicht vollständig ersetzen kann (vgl. Pape, ZInsO 2000, 548), da vom LG wenigstens das Beschwerdevorbringen mitgeteilt werden muss, wenn sich der Sachverhalt im übrigen vollständig aus den konkret in Bezug genommenen Aktenteilen ergibt. In Betracht kommt allenfalls die eigene Feststellung der Voraussetzungen der Zulässigkeit der Erstbeschwerde durch das Rechtsbeschwerdegericht aus den Akten (s. Senatsbeschl. v. 13.9.2000 - 2 W 85/00 -, ZInsO 2000, 556[OLG Celle 13.09.2000 - 2 W 85/00]).
Hier liegt jedoch keiner der genannten Ausnahmefälle vor. Das LG hat weder auf einzelne bestimmte Aktenteile konkret Bezug genommen, noch geht es allein um die Feststellung der Voraussetzungen der Zulässigkeit der Erstbeschwerde. Vielmehr verweist das LG im Wesentlichen nur auf die Entscheidung des Insolvenzgerichts, die jedoch ebenfalls keine Sachverhaltsdarstellung enthält. Damit ist weder der äußere Verfahrensgang zu erkennen noch ergibt sich aus dem Beschluss, was Gegenstand der Entscheidung ist (zur Erforderlichkeit dieser Darstellung eingehend auch OLG Köln, ZInsO 2000, 393, 394[OLG Köln 14.06.2000 - 2 W 85/00] mit zahlreichen weiteren Nachweisen).
II.
Die sofortige weitere Beschwerde ist damit auch begründet. Das Fehlen einer Sachverhaltsdarstellung muss zwingend zur Zurückverweisung der Sache führen, da eine Überprüfung der Entscheidung des Beschwerdegerichts in rechtlicher Hinsicht nicht möglich ist.
III.
Für das weitere Verfahren weist der Senat vorsorglich darauf hin, dass - soweit ersichtlich - noch keine Entscheidung des Insolvenzgerichts über die Frage der Abhilfe der Beschwerde des Schuldners ergangen ist. Eine solche Entscheidung ist jedoch gem. § 6 Abs. 2 Satz 2 InsO im Verfahren der sofortigen Beschwerde gegen einen Beschluss des Insolvenzgerichts in einer Insolvenzsache erforderlich. Insoweit wird das Beschwerdegericht zu prüfen haben, ob es die Sache zunächst zur Herbeiführung einer Nichtabhilfeentscheidung an das Insolvenzgericht zurückgibt.
Ferner weist der Senat vorsorglich darauf hin, dass eine Gesetzesverletzung auch dann vorliegen kann, wenn die Beschwerdeentscheidung nicht mit einer Begründung versehen ist. Auch § 551 Nr. 7 ZPO ist gem. der Verweisung des § 7 Abs. 1 Satz 2 ZPO im Verfahren über die sofortige weitere Beschwerde in Insolvenzsachen anzuwenden (vgl. Prütting, in: Kübler/Prütting, InsO, § 7 Rn. 24). Das Fehlen einer Begründung der Entscheidung des Beschwerdegerichts stellt deshalb einen besonders schweren Verfahrensverstoß dar, der zu der unwiderlegbaren Vermutung führt, die Beschwerdentscheidung beruhe auf einer Gesetzesverletzung (s. Prütting, in: Kübler/Prütting, InsO, § 7 Rn. 24). Das LG wird deshalb bei einer erneuten Entscheidung eine lediglich formelhafte Begründung, die gar keine Auseinandersetzung mit dem Beschwerdevorbringen erkennen lässt, zu vermeiden haben. Es wird sich insbesondere mit der Frage auseinanderzusetzen haben, ob § 290 Abs. 1 Nr. 1 InsO streng nach seinem Wortlaut anzuwenden ist, sodass jede Verurteilung wegen einer Insolvenzstraftat unabhängig von dem Zeitpunkt, zu dem sie erfolgt ist, bei der Entscheidung über die Restschuldbefreiung zu berücksichtigen wäre (so Wenzel, in: Kübler/Prütting, InsO, § 290 Rn. 8/8 a), oder ob es Einschränkungen bei der Verwertung früher Verurteilungen geben muss. Es wird dabei etwa zu prüfen haben, ob als zeitliche Grenze der Verwertbarkeit der Ablauf der Tilgungsfristen im BZRG zu beachten ist (dafür etwa Hess, InsO, § 290 Rn. 27; Häsemeyer, Insolvenzrecht, 2. Aufl., Rn. 26.19; Döbereiner, Die Restschuldbefreiung nach der InsO, S. 121 f.; Hoffmann, Verbraucherinsolvenz und Restschuldbefreiung, S. 14; Nerlich/Römermann, InsO, § 290 Rn. 33 f.) und ob daneben auch zu verlangen ist, dass die Verurteilung in einem konkreten Bezug zum aktuellen Insolvenzverfahren stehen muss, in dem die Restschuldbefreiung von vornherein versagt werden soll (i.d.S. Ahrens, in: Frankfurter Kommentar zur InsO, 2. Aufl., § 290 Rn. 15; Landfermann, in: Heidelberger Kommentar zur InsO, § 290 Rn. 4). Eine vollkommen uneingeschränkte Berücksichtigung früherer Verurteilungen wird hierbei - ohne dass der Senat diese Frage schon jetzt endgültig entscheiden könnte, da der dem Beschluss zu Grunde zu legende Sachverhalt fehlt - wohl kaum in Betracht kommen. Dass Verurteilungen bei der Entscheidung der Frage, ob es eine Restschuldbefreiung des Schuldners überhaupt geben kann, auch dann noch zu berücksichtigen sind, wenn sie im Zentralregister bereits gelöscht sind und im Übrigen nicht mehr gegen den Schuldner verwendet werden können, dürfte schon jetzt als ausgeschlossen anzusehen sein.
Gerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind im Hinblick auf § 8 GKG nicht zu erheben, da das Verfahren des LG an einem schwerwiegenden Mangel leidet, der bei Beachtung der zahlreichen auch schon vor dem Erlass des Beschlusses ergangenen und veröffentlichten Entscheidungen zur InsO ohne weiteres hätte vermieden werden können und müssen.