Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 15.11.2000, Az.: 9 U 130/00
Voraussetzungen eines Auskunftsanspruchs über die Außenstände beim Weiterverkauf; Verpflichtung des Rechtsmittelgerichts zur Entscheidung über alle Stufen einer Stufenklage; Vereinbarung eines einfachen Eigentumsvorbehaltes als Individualvereinbarung; Konzernvorbehalt in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB); Geltungserhaltende Reduktion bei AGB-Klauseln
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 15.11.2000
- Aktenzeichen
- 9 U 130/00
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2000, 19875
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2000:1115.9U130.00.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Hildesheim 4 O 37/00 vom 20.04.2000
Rechtsgrundlagen
- § 3 AGBG
- § 4 AGBG
- § 9 AGBG
- § 260 BGB
- § 455 BGB
- § 254 ZPO
Fundstelle
- OLGReport Gerichtsort 2001, 101-102
Amtlicher Leitsatz
- 1.
Begehrt der Beklagte mit seiner Berufung die Abweisung der geltend gemachten Stufenklage lediglich bzgl. des Auskunftsanspruchs, ist das Rechtsmittelgericht nicht verpflichtet, die noch beim unteren Gericht anhängigen Ansprüche der zweiten und dritten Stufe an sich zu ziehen und auch insoweit eine (klageabweisende) Entscheidung zu treffen.
- 2.
Dem Vorbehaltseigentümer steht beim verlängerten Eigentumsvorbehalt gegen seinen Vertragspartner ein Auskunftsanspruch über die Außenstände beim Weiterverkauf zu.
- 3.
Ein sogenannter Konzernvorbehalt in AGBs ist auch vor Inkrafttreten des § 455 Abs. 2 BGB zum 1. 1. 1999 wegen Verstoßes gegen § 3 und § 9 Abs. 2 AGBG nichtig.
- 4.
Die Bestätigung der Geltung von AGBs des Verwenders durch den Verbraucher stellt keine Individualvereinbarung dar.
Tenor:
Auf die Berufung des Beklagten wird das am 20. April 2000 verkündete Teilurteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Hildesheim geändert.
Die Klage wird hinsichtlich des Auskunftsanspruchs abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Wert für die Beschwer der Klägerin: Unter 60.000 DM.
Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.
Gründe
Die Berufung des Beklagten ist begründet.
1.
Der Klägerin steht der geltend gemachte Auskunftsanspruch nicht zu, sodass das dem Auskunftsbegehren stattgebende Teilurteil des Landgerichts zu ändern und die Klage insoweit abzuweisen ist. Der Senat sieht sich nicht veranlasst, die in der ersten Instanz noch anhängigen weiteren Stufen der hier erhobenen Stufenklage an sich zu ziehen und auch insoweit eine (klagabweisende) Entscheidung zu treffen. Zwar ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung anerkannt, dass das Rechtsmittelgericht bei Ansprüchen, die in der Form der Stufenklage (§ 254 ZPO) hintereinander gestaffelt sind, die noch beim unteren Gericht anhängigen Ansprüche der 2. und 3. Stufe selbst abweisen kann, wenn es zur Abweisung des Anspruchs der 1. Stufe gelangt, mit dessen Verneinung die durch den ersten Anspruch bedingten weiteren Ansprüche ohne weiteres entfallen (vgl. RG JW 1926, 2539; BGHZ 12, 273 ff [BGH 11.02.1954 - III ZR 312/52]; BGHZ 30, 215 ff [BGH 16.06.1959 - VI ZR 81/58]; BGH FamRZ 1990, 863 ff). Das Rechtsmittelgericht ist aber nicht verpflichtet, von dieser Befugnis Gebrauch zu machen. Dies gilt insbesondere dann, wenn - wie vorliegend - die in erster Instanz zur Auskunft verurteilte Partei im Berufungsverfahren ausdrücklich nur die Abweisung der Klage hinsichtlich der 1. Stufe (hier: des Auskunftsbegehrens) beantragt, zumal die Entscheidung nach Maßgabe der Parteianträge auch im Berufungsverfahren die Regel ist, § 537 ZPO.
2.
Anders als das Landgericht ist der Senat der Auffassung, dass der Beklagte der Klägerin die von dieser begehrte Auskunft nicht erteilen muss. Im Einzelnen gilt Folgendes:
a)
Da ein allgemeiner Auskunftsanspruch weder nach BGB noch nach ZPO besteht, kann die Klägerin - der bloße Umstand, dass bezüglich der gelieferten Stahlrohre ein Kaufvertrag geschlossen worden ist, begründet keine Sonderverbindung zwischen den Parteien dieses Rechtsstreits, aus der sich gemäß § 242 BGB eine Auskunftspflicht ergeben könnte - mit ihrem Begehren nur Erfolg haben, wenn ihr ein besonderes Auskunftsrecht zuzubilligen ist. Dabei ist anerkannt - und dies hat das Landgericht auch zutreffend gesehen - , dass der Vorbehaltseigentümer beim verlängerten Eigentumsvorgehalt gegen seinen Vertragspartner einen Auskunftsanspruch hat, der sich auch auf die Außenstände aus Weiterverkäufen bezieht (vgl. statt vieler die Nachweise bei Palandt/Heinrichs, 59. Aufl. , Rn. 15 zu § 261 BGB) und der im Fall des Konkurses gegen den Konkursverwalter zu richten ist (BGHZ 49, 11 ff). Entgegen der Ansicht des Landgerichts ist ein wirksamer Eigentumsvorbehalt zu Gunsten der Klägerin zwischen den Parteien aber nicht vereinbart worden.
b)
Die allgemeinen Geschäftsbedingungen, die die Rechtsvorgängerin der Klägerin im Jahre 1989 benutzt hatte und die unstreitig Gegenstand der Vertragsbeziehung zwischen der Rechtsvorgängerin der Klägerin und der Gemeinschuldnerin geworden sind, können die Vereinbarung eines Eigentumsvorbehalts nicht begründen. Denn - insoweit besteht zwischen den Parteien Einigkeit - diese allgeeinen Geschäftsbedingungen enthalten in der Ziff. V. 1. einen sog. Konzernorbehalt. Zwar hat der Bundesgerichtshof (vgl. etwa BGH NJW 1988, 1774 ff; BGH NJW 1994, 1154 f [BGH 09.02.1994 - VIII ZR 176/92]) zur Wirksamkeit einer derartigen Klausel keine abschließende Entscheidung getroffen, sondern diese Frage regelmäßig offen gelassen. Das Schrifttum hat sich hingegen nahezu einhellig gegen die Wirksameit derartiger Konzernvorbehalte ausgesprochen (vgl. nur Westermann in Münch. Komm. zum BGB, 3. Aufl. , Rn. 93 zu § 455 m. w. N. ; Tiedke, ZIP. 1988, 784; Weber, BB 1989, 1768; von Westphalen, BB, 1985, 478). Für die Nichtigkeit gemäß §§ 3 bzw. 9 Abs. 2 AGBG spricht beim Konzernvorbehalt vor allem, dass durch diese Klausel Dritte nur deshalb, weil sie Inhaber von Forderungen gegenber dem Kunden sind, in den Genuss der Eigentumsvorbehaltssicherung kommen, wobei dies selbst dann gilt, wenn der Vorbehaltskäufer/AGB-Kunde die Forderung des Vorbehaltsverkäufers/AGB-Verwenders bereits beglichen hatte. Diesen durchreifenden Bedenken hat der Gesetzgeber schließlich Rechnung getragen und mit Schaffung des neuen § 455 Abs. 2 BGB mit Wirkung zum 1. Januar 1999 die Nichtigkeit eines Konzernvorbehaltes ausdrücklich bestimmt.
c)
Entgegen der Auffassung der Berufungserwiderung kommt auch keine geltungserhaltende Reduktion dieser AGB-Klausel in Betracht, die zur Vereinbarung eines einfachen Eigentumsvorbehaltes führen würde. Die Zulässigkeit einer derartigen geltungserhaltenden Reduktion ergibt sich weder aus dem Senatsbeschluss vom 6. September 2000 im Verfahren 9 U 123/00 noch aus der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 18. Mai 1995 (BGHZ 130, 19 [BGH 18.05.1995 - IX ZR 108/94]/34 ff). Beide Entscheidungen betreffen den Sonderfall der formularmäßigen Ausdehnung der Bürgenhaftung über die Forderung hinaus, die Anlass der Verbürgung war, auf alle gegenwärtigen und künftigen Verbindlichkeiten des Hauptschuldners. Die Bejahung der Nichtigkeit der Gesamtklausel, die das AGBG für die Fälle der Vereinbarung einer unwirksamen Klausel als Regelfall vorsieht, würde in diesen Fällen dazu führen, dass die Bürgschaft insgesamt nichtig wäre. Dies würde zu einer - gemessen am Schutzzweck des AGB-Gesetzes - überschießenden Rechtsfolge führen. Letztlich handelt es sich bei der von dem Bundesgerichtshof und dem Senat in den erwähnten Entscheidungen vorgenommenen Auslegung der Klausel nicht um eine geltungserhaltende Reduktion, sondern um eine Umformulierung der Klausel mit dem Zweck, dem Vertrag einen Leistungsinhalt zu erhalten, der überdies demjenigen Leistungsinhalt korrespondiert, der den Vorstellungen des Bürgen bei der Abgabe der Bürgschaftserklärung entspricht. Mit diesen Fällen ist der hier zu entscheidende Fall der Vereinbarung eines verlängerten Eigentumsvorbehalts nicht vergleichbar. Denn der in der Hauptsache zwischen den Parteien vereinbarte Leistungszweck des Vertragsverhältnisses war nicht der Eigentumsvorbehalt, sondern der Warenverkauf. Dieser ist aber ohne Eigentumsvorbehalt ohne weiteres möglich und denkbar. Der Senat verkennt nicht, dass nach der wirtschaftlichen Interessenlage jedenfalls der Klägerin die Vereinbarung eines Eigentumsvorbehaltes wesentlicher Bestandteil des Vertrages sein sollte. Gleichwohl kann dies nicht zur Bejahung der Zulässigkeit einer geltungserhaltenden Reduktion führen. Denn insoweit ist die wirtschaftliche Interessenlage der Klägerin mit der Interessenlage eines Geldkreditgebers vergleichbar, der sich als Sicherungsmittel im Wege der Globalzession sämtliche Forderungen des Schuldners abtreten lässt. Die im Einzelfall unwirksame Globalzession wird aber gleichfalls nicht durch eine geltungserhaltende Reduktion auf eine wirksame Teilabtretung reduziert.
Es muss daher bei dem Grundsatz verbleiben, dass die geltungserhaltende Reduktion bei allgemeinen Geschäftsbedingungen regelmäßig nicht in Betracht kommt, weil anderenfalls der Verwender unangemessener Klauseln risikolos handeln könnte.
d)
Anders als das Landgericht vermag der Senat in dem Schreiben der Gemeinschuldnerin vom 8. November 1989 keine individuelle Vereinbarung eines Eigentumsvorbehaltes zwischen der Rechtsvorgängerin der Klägerin und der Gemeinschuldnerin zu sehen. Die Gemeinschuldnerin wollte in diesem Schreiben durch die Bezugnahme auf die allgemeinen Geschäftsbedingungen der Rechtsvorgängerin der Klägerin ('. . gemäß ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen. . ') nur bestätigen, dass diese Geschäftsbedingungen Vertragsbestandteil werden sollten. Dies kann aber nur dazu führen, dass die Allgemeinen Geschäftsbedingungen als einbezogen im Sinn des § 2 Abs. 1 AGBG zu betrachten sind, nicht aber, dass hierdurch die AGBG als Individualvereinbarung gelten. Anderenfalls würde derjenige, der ausdrücklich die Geltung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen seines Vertragspartners bestätigt, schlechter gestellt werden als derjenige, der hiervon lediglich Kenntnis nimmt. Für eine derartige Differenzierung gibt es aber keinen vernünftigen Grund.
e)
Da der Beklagte die Einbeziehung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin in der später geltenden Fassung in das Vertragsverhältnis zwischen Klägerin und Gemeinschuldnerein bestreitet und die Klägerin zur Art und Weise der Einbeziehung weder hinreichende Tatsachen vorgetragen noch sich - nach Erörterung im Termin zur mündlichen Verhandlung - dazu neue Erkenntnisse ergeben haben, ist die Vereinbarung eines Eigentumsvorbehaltes auf der Grundlage dieser allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht feststellbar.
3.
Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97 Abs. 1; 708 Nr. 10, 713; 546 Abs. 2 ZPO.