Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 02.11.2000, Az.: 2 W 110/00

Anwendbarkeit der Grundsätze für die Entscheidung und Kostenverteilung bei einseitiger Erledigung des Verfahrens im Insolvenzeröffnungsverfahren

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
02.11.2000
Aktenzeichen
2 W 110/00
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2000, 30845
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2000:1102.2W110.00.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Hannover - 11.09.2000 - AZ: 20 T 1281/00

Fundstellen

  • NZI 2001, 12
  • NZI 2001, 150-151
  • OLGReport Gerichtsort 2001, 96-97
  • ZInsO 2001, 42-43 (Volltext mit amtl. LS)

Amtlicher Leitsatz

Die Grundsätze für die Entscheidung und Kostenverteilung bei einseitiger Erledigung des Verfahrens sind auch im Insolvenzeröffnungsverfahren anzuwenden.

In dem Insolvenzeröffnungsverfahren
hat der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle
durch
die Richter am Oberlandesgericht Rebell, Borchert und Dr. Pape
am 2. November 2000
beschlossen:

Tenor:

Die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegnerin vom 18. Oktober 2000 gegen den Beschluss der 20. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 11. September 2000 wird nicht zugelassen.

Die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegnerin wird auf ihre Kosten verworfen.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 200 DM festgesetzt .

Gründe

1

Die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegnerin ist gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 InsO nicht zuzulassen, weil die Antragsgegnerin nicht dargelegt hat, dass die Entscheidung des Landgerichts auf einer Gesetzesverletzung beruhen könnte und die Überprüfung der Entscheidung zu Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist.

2

Die sofortige weitere Beschwerde selbst war deshalb mangels Zulässigkeit zu verwerfen.

3

I.

Antragstellerin und Antragsgegnerin des Eröffnungsverfahrens streiten um die Übernahme der Kosten des Eröffnungsverfahrens, nachdem die Antragstellerin ihren vom Insolvenzgericht zugelassenen Antrag für erledigt erklärt hatte. Die Antragstellerin hatte als Trägerin der Gesamtsozialversicherung unter Vorlage der Bescheinigung eines fruchtlosen Pfändungsversuches wegen rückständiger Gesamtsozialversicherungsbeiträge einen Insolvenzantrag gestellt. Nach Zustellung des Antrags beglich die Antragsgegnerin die Forderung der Antragstellerin, ohne zu dem Insolvenzantrag weiter Stellung zu nehmen. Die Antragstellerin erklärte daraufhin den Insolvenzeröffnungsantrag für erledigt. Dieser Erklärung schloss sich die Antragsgegnerin ausdrücklich nicht an.

4

Das Insolvenzgericht hatte daraufhin der Antragsgegnerin die Kosten des Eröffnungsverfahrens auferlegt, wobei es ihre Kostenerstattungspflicht aus einem materiell-rechtlichen Schadensersatzanspruch wegen Verzugs mit der Abführung der Sozialversicherungsbeiträge ableitete.

5

Die gegen diesen Beschluss gerichtete sofortige Beschwerde hat das Landgericht mit der Begründung zurückgewiesen, dass Insolvenzgericht habe im Ergebnis zutreffend der Antragsgegnerin die Kosten des Verfahrens auferlegt. Die Grundsätze der einseitigen Erledigung des Verfahrens seien anzuwenden und nach diesen Grundsätzen habe die Antragsgegnerin die Kosten zu tragen. Der ursprünglich zulässige und begründete Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens sei nur auf Grund der späteren Befriedigung der Antragstellerin unbegründet geworden. Die Antragsgegnerin müsse daher die Kosten gemäß § 4 InsO i.V.m. § 91 ZPO tragen.

6

Gegen diese Entscheidung wendet sich die Antragsgegnerin mit ihrer sofortigen weiteren Beschwerde, mit der sie geltend macht, dass die Grundsätze über die Kostenverteilung bei Erledigung des Verfahrens nur im Fall einer übereinstimmenden Erledigungserklärung anzuwenden seien, während bei einer streitigen Erledigungserklärung des antragstellenden Gläubigers dies als Antragsrücknahme gewertet werden müsse. Dies ergebe sich u.a. aus unveröffentlichten Entscheidungen des Landgerichts Hildesheim. Es bestehe deshalb eine Divergenz zwischen den Auffassungen des Landgerichts Hildesheim und des erkennenden Landgerichts, sodass die sofortige weitere Beschwerde zuzulassen sei.

7

II.

Das Rechtsmittel ist ungeachtet der Frage, ob eine sofortige weitere Beschwerde nach § 7 Abs. 1 InsOüberhaupt in Betracht kommt, wenn die Ausgangsentscheidung nicht nach den Vorschriften der Insolvenzordnung, sondern allenfalls nach den Vorschriften anderer Rechtsordnungen überprüfbar ist, mangels Gesetzesverletzung nicht zuzulassen. Die Frage der Statthaftigkeit kann deshalb hier ebenso dahingestellt bleiben, wie die Frage, ob bei einer einseitigen Erledigungserklärung im Insolvenzeröffnungsverfahren eine isolierte Anfechtung der Kostenentscheidung in Betracht kommt, oder ob in diesem Fall nicht auch die Feststellung der Erledigung des Eröffnungsverfahrens, die zumindest schlüssig in der Entscheidung über die Kosten des Verfahrens zu sehen ist, angefochten werden muss, um an der Unzulässigkeit der isolierten Kostenentscheidung nach § 99 Abs. 1 InsO vorbeizukommen (vgl. zur Unzulässigkeit der isolierten Anfechtung der vom Beschwerdegericht getroffenen Kostenentscheidung über Prozesskosten in einer Insolvenzsache Pfälzisches OLG Zweibrücken, Beschl. v. 12. August 2000 - 3 w 138/00, ZInsO 2000, 519 (LS)).

8

Die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegnerin ist schon deshalb nicht zuzulassen, weil das Landgericht völlig zutreffend von der Anwendbarkeit der Grundsätze zur einseitigen Erledigung des Verfahrens ausgegangen ist und deshalb die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin - wenn auch mit anderer Begründung als das Insolvenzgericht - mit Recht zurückgewiesen hat. Zwar mag die Anwendbarkeit der Grundsätze für die Kostenverteilung bei einseitiger Erledigung des Eröffnungsverfahrens früher einmal umstritten gewesen sein. Nach neueren Erkenntnissen zur Konkursordnung bestanden jedoch an der Anwendbarkeit dieser Grundsätze kaum mehr Zweifel (vgl. dazu AG Köln, ZIP 1999, 1889, 1890; Kuhn/Uhlenbruck, KO, 11. Aufl., § 103 Rz. 3 f, g; Pape, in: Mohrbutter/Mohrbutter, Handbuch der Insolvenzverwaltung, 7. Aufl., Rz. II. 27; jeweils m.w.N.). Nach In-Kraft-Treten der Insolvenzordnung ist die Anwendbarkeit der Erledigungsvorschriften so gut wie nicht mehr streitig (s. Haarmeyer/Wutzke/Förster, Handbuch zur Insolvenzordnung, 2. Aufl., Rz. 3.267; Kirchhof, in: Heidelberger Kommentar zur Insolvenzordnung, § 14 Rz. 32; Mönning, in: Nerlich/Römermann, InsO, § 13 Rz. 108 ff.; Pape, in: Kübler/Prütting, InsO, § 13 Rz. 22 ff.; Schmerbach, in: Frankfurter Kommentar zur Insolvenzordnung, 2. Aufl., § 13 Rz. 100 ff.; im Ergebnis auch Smid, InsO, § 13 Rz. 16 ff.).

9

Dies gilt insbesondere auch für die Grundsätze der einseitigen Erledigung, die darin anzuwenden sind, wenn der Schuldner in der Zeit zwischen der Antragstellung und der Entscheidung über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Forderung des antragstellenden Gläubigers begleicht, dieser anschließend das Eröffnungsverfahren für erledigt erklärt, der Schuldner sich dieser Erledigungserklärung aber nicht anschließt. Auch in diesem Fall ist eine Entscheidung über die Erledigung des Eröffnungsverfahrens angezeigt, bei der ggf. festzustellen ist, dass das ursprünglich zulässige und begründete Eröffnungsverfahren durch ein nachträglich vom Schuldner herbeigeführtes Ereignis erledigt ist (s. AG Köln, ZIP 1999, 1889 ff.). Zwar wird vereinzelt auch nach In-Kraft-Treten der Insolvenzordnung die Auffassung vertreten, eine Erledigung der Hauptsache bei Befriedigung nach Insolvenzantragstellung könne es nicht geben (s. AG Kleve, DZWIR 2000, 215 f.). Dieser Entscheidung kommt aber keine praktische Bedeutung zu, weil sie ohne jede Auseinandersetzung mit der gegenteiligen Auffassung in der Rechtsprechung und der gesamten Kommentarliteratur zur Insolvenzordnung ergangen ist, sodass sie praktisch nicht ins Gewicht fällt.

10

Für die Rechtslage nach der Insolvenzordnung ist vielmehr entsprechend der unter Hinzuziehung der Literatur zur Insolvenzordnung wohl begründeten Auffassung des Beschwerdegerichts davon auszugehen, dass die Grundsätze der einseitigen Erledigung entsprechend anzuwenden sind und vorliegend eine Erledigung festzustellen war, nachdem das Insolvenzgericht den unzweifelhaft zulässigen Insolvenzantrag zunächst zugelassen hatte und die Erledigung des Verfahrens erst nach Anhörung der Schuldnerin zum Insolvenzantrag und Befriedigung der Forderung der antragstellenden Gläubigerin erfolgt ist. Im Hinblick auf die Bescheinigung eines fruchtlosen Vollstreckungsversuchs durfte das Insolvenzgericht dabei auch ohne weiteres von der ursprünglichen Zulässigkeit und Begründetheit des Insolvenzantrags ausgehen, sodass eine Gesetzesverletzung, wie sie für die Zulassung der sofortigen weiteren Beschwerde nach § 7 Abs. 1 InsO vorausgesetzt wird, unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt festzustellen ist.

11

Der Antrag auf Zulassung der sofortigen weiteren Beschwerde war demgemäß mit der Kostenfolge der §§ 4 InsO, 97 Abs. 1 ZPO ebenso zurückzuweisen, wie die sofortige weitere Beschwerde selbst als unzulässig zu verwerfen war.

Streitwertbeschluss:

Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 200 DM festgesetzt .

Bei der Festsetzung des Beschwerdewertes ist der Senat dem unbestritten gebliebenen Wertansatz des Landgerichts in seiner Entscheidung gefolgt.