Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 19.07.2001, Az.: 2 W 77/01

Restschuldbefreiung; Insolvenz; Beschwerdeentscheidung; Sachverhaltsdarstellung; Versagungsgründe; Glaubhaftmachung; Rubrum; Verfahrensbeteiligte

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
19.07.2001
Aktenzeichen
2 W 77/01
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2001, 21585
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2001:0719.2W77.01.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG 3 T 5/01
AG 36 IK 11/99

Fundstellen

  • DZWIR 2001, 514-516
  • InVo 2002, 220-221
  • InVo 2002, 316-317
  • KTS 2001, 633-635
  • NZI 2001, 596-597
  • NZI 2002, 35-36
  • OLGReport Gerichtsort 2001, 302-303
  • ZInsO 2001, 852-853 (Volltext mit amtl. LS)

Amtlicher Leitsatz

1. Eine Beschwerdeentscheidung, die keine Sachverhaltsdarstellung enthält, ist aufzuheben.

2. Im Verfahren auf Versagung der Restschuldbefreiung schon vor Einleitung des Restschuldbefreiungsverfahren können nur solche Versagungsgründe berücksichtigt werden, die der widersprechende Gläubiger glaubhaft gemacht hat; eine Prüfung der Versagungsgründe von Amts wegen erfolgt nicht.

3. Das Restschuldbefreiungsversagungsverfahren nach §§ 289, 290 InsO ist als Streitverfahren zwischen den Schuldner und dem oder den widersprechenden Gläubiger(n) zu führen; sämtliche Beteiligten sind im Rubrum der Versagungsentscheidung und eines entsprechenden Beschlusses im Beschwerdeverfahren aufzuführen.

Tenor:

Die sofortige weitere Beschwerde des Schuldners gegen den Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts .... vom 7. Mai 2001 wird zugelassen.

Auf die sofortige weitere Beschwerde des Schuldners wird der Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts ..... vom 7. Mai 2001 aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung - auch über die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens - an das Landgericht .... zurückverwiesen.

Gerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens werden wegen unrichtiger Sachbehandlung nicht erhoben.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 600 DM festgesetzt.

Gründe

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In dem Verfahren geht es um eine Entscheidung des Insolvenzgerichts über einen Antrag auf Erteilung der Restschuldbefreiung. Das Insolvenzgericht hat dem Schuldner im Hinblick auf den Versagungsantrag einer Gläubigerin, seiner geschiedenen Ehefrau, die gegen ihn rückständige Ansprüche hat, in der nach § 289 Abs. 1 Satz 2 InsO zu treffenden Einleitungsentscheidung für das förmliche Restschuldbefreiungsverfahren die Restschuldbefreiung wegen der Versagungsgründe des § 290 Abs. 1 Nr. 5 und 6 InsO vorenthalten.

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I.

Die gegen diese Entscheidung gerichtete sofortige Beschwerde des Schuldners hat das Landgericht zurückwiesen, ohne den dem Beschluss zu Grunde liegenden Sachverhalt und das Vorbringen in der Beschwerde des Schuldners mitzuteilen. Begründet hat das Landgericht seine Zurückweisung im Wesentlichen nur mit einer Wiedergabe des Gesetzestextes des § 290 Abs. 1 Nr. 5 u. 6 InsO sowie dem Hinweis, dass dahingestellt bleiben könne, ob die vom Insolvenzgericht seiner Entscheidung zu Grunde gelegten Tatsachen ausreichen, um die gesetzlichen Versagungstatbestände auszufüllen, weil jedenfalls der Schuldner es grob fahrlässig unterlassen habe, in seinem Vermögensverzeichnis eine Forderung des Finanzamtes .... anzugeben und das Finanzamt als Gläubiger aufzuführen. Ob das Finanzamt ....überhaupt einen Antrag auf Versagung der Restschuldbefreiung nach §§ 289 Abs. 1 Satz 1, 290 Abs. 1 InsO gestellt und die geltend gemachten Versagungsgründe gemäß § 290 Abs. 2 InsO glaubhaft gemacht hat, ist dem Beschluss des Beschwerdegerichts nicht zu entnehmen.

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Gegen diesen Beschluss wendet sich der Schuldner mit seiner sofortigen weiteren Beschwerde mit der er beantragt, das Rechtsmittel zuzulassen und den angefochtenen Beschluss des Landgerichts aufzuheben, weil das Landgericht sich nicht mit dem Vortrag der geschiedenen Ehefrau des Schuldners und eines früheren Geschäftspartners seiner jetzigen Ehefrau befasst habe, unrichtige Angaben bezüglich seines Einkommens gemacht zu haben, die das Insolvenzgericht seiner Entscheidung zu Grunde gelegt habe, sondern vielmehr völlig überraschend die Zurückweisung der sofortigen Beschwer auf nicht mitgeteilte Abgabenrückstände gestützt habe, zu denen es den Schuldner nicht einmal angehört habe. Entgegen dem Beschluss des Landgerichts liege ein schuldhaftes Verhalten bei der Nichtangabe dieser Rückstände im Vermögensverzeichnis nicht vor; der Schuldner sei nämlich davon ausgegangen, dass die vom Finanzamt ....geltend gemachten Steuerrückstände bereits in den von ihm im Vermögensverzeichnis angegebenen Steuerverbindlichkeiten gegenüber seinem Wohnsitz-Finanzamt enthalten gewesen seien.

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II.

Der Antrag auf Zulassung der sofortigen weiteren Beschwerde ist vorliegend schon deshalb begründet, weil das Beschwerdegericht trotz der inzwischen unübersehbaren Zahl von veröffentlichten Entscheidungen zur Erforderlichkeit einer Sachverhaltsdarstellung in der Entscheidung über die sofortige Beschwerde in Insolvenzsachen den seiner Entscheidung zu Grunde liegenden Sachverhalt nicht mitgeteilt hat, sondern sich in der "Begründung" eines Beschlusses auf eine bloße Wiederholung des Gesetzestextes beschränkt hat (zur Erforderlichkeit der Sachverhaltsdarstellung s. nur BayObLG ZInsO 2000, 465; ZInsO 2000, 519; OLG Celle, ZInsO 2000, 667[OLG Celle 08.11.2000 - 2 W 112/00] = NZI 2001, 255 = Nds. Rpfl. 2001, 86; OLG Köln, ZInsO 2000, 117 = NZI 2000, 133; Pape, ZInsO 2000, 548). Da es dem Senat auf Grund der entsprechenden Anwendbarkeit der in § 7 Abs. 1 Satz 2 InsO genannten Revisionsvorschriften untersagt ist, selbst den Sachverhalt aus den Akten festzustellen, kann die Entscheidung des Landgerichts schon deshalb keinen Bestand haben. Sie ist in ihrer vorliegenden Form nicht überprüfbar. Die sofortige weitere Beschwerde des Schuldners muss deshalb - ohne dass dieser Gesichtspunkt in der Begründung der sofortigen weiteren Beschwerde besonders hätte geltend gemacht werden müssen (vgl. BayObLG, ZInsO 2000, 465) - zur Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das Landgericht führen.

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III.

Zwar kommt es im Hinblick auf die ohnehin unumgängliche Zurückverweisung auf die Frage, ob das Landgericht die Zurückweisung der sofortigen Beschwerde auf Gründe hätte stützen dürfen, die seitens der der Restschuldbefreiung widersprechenden Gläubigern wohl gar nicht geltend gemacht worden sind und bezüglich derer von dem betroffenen Finanzamt auch gar kein Versagungsantrag gestellt worden zu sein scheint, nicht unmittelbar an. Der Senat weist aber insoweit vorsorglich darauf hin, dass sich das Landgericht vor einer solchen Entscheidung zumindest mit der Frage hätte auseinander setzen müssen, ob Versagungsgründe, die der widersprechende Gläubiger im Rahmen der §§ 289, 290 InsO gar nicht geltend gemacht hat, überhaupt bei der Entscheidung - auch im Beschwerdeverfahren - berücksichtigt werden können. Dies erscheint schon deshalb höchst zweifelhaft, weil die Geltendmachung von Versagungsgründen gemäß § 290 Abs. 2 InsO deren Glaubhaftmachung voraussetzt, sodass fraglich ist, ob auch andere, als die vom widersprechenden Gläubiger glaubhaft gemachten Versagungsgründe überhaupt zur Grundlage der Versagungsentscheidung gemacht werden können (für die Berücksichtigung anderer als der glaubhaft gemachten Versagungsgründe Wenzel, in: Kübler/Prütting, InsO, § 290 Rz. 4; gegen die Berücksichtigung vom Antragsteller gar nicht geltend gemachter Gründe Ahrens, in: Frankfurter Kommentar zur Insolvenzordnung, 2. Aufl. , § 290 Rz. 64). Eine Prüfung von Versagungsgründen von Amts wegen findet nach § 290 InsO jedenfalls nicht statt. Das Gericht ist bei seiner Prüfung vielmehr an einen Versagungsantrag eines Gläubigers gebunden, dessen tatsächliche Voraussetzungen glaubhaft gemacht werden müssen.

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1. Primär wird sich das Landgericht in jedem Fall mit den von der Gläubigerin geltend und glaubhaft zu machenden Versagungsgründen, deren tatsächliche Grundlagen ebenso mitzuteilen sind, wie das Beschwerdevorbringen des Schuldners, mit dem er sich gegen die Entscheidung des Insolvenzgerichts gewandt hat, auseinander zu setzen haben. In diesem Zusammenhang weist der Senat vorsorglich darauf hin, dass die Kammer die erforderlichen Feststellungen zum Vorliegen dieser Versagungsgründe selbst zu treffen haben wird. Eine Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das Insolvenzgericht nach der Zurückverweisung durch den Senat ist ausgeschlossen (s. OLG Köln, ZInsO 2001, 378[OLG Köln 28.03.2001 - 2 W 60/01] = NZI 2001, 323). Das Beschwerdegericht wird abschließend darüber zu befinden haben, ob die von der widersprechenden Gläubigerin geltend gemachten Versagungsgründe unter Berücksichtigung eines eventuellen Gegenvorbringens des Schuldners glaubhaft gemacht sind und die Versagung der Restschuldbefreiung rechtfertigen.

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2. Das Landgericht wird ferner eindringlich darauf hingewiesen, dass das Verfahren nach §§ 289, 290 InsO nicht als gegnerloses Verfahren zu führen ist, sondern es sich vielmehr um ein Streitverfahren zwischen dem Schuldner, der einen Antrag auf Restschuldbefreiung gestellt hat, und dem Gläubiger, der die Versagung der Restschuldbefreiung im Schlusstermin oder der den Schlusstermin ersetzenden schriftlichen Anhörung im masseunzulänglichen Verfahren - beantragt hat, handelt. Dass es sich um ein Streitverfahren handelt, ist äußerlich - dies gilt auch für das Insolvenzgericht - auch dadurch zum Ausdruck zu bringen, dass im Rubrum der Beschlüsse zur Versagung die Beteiligten vollständig aufgeführt werden. Aus den Gründen des Versagungsbeschlusses muss sich unter anderem auch ergeben, über welche Anträge das Gericht entschieden hat. Im Beschwerdeverfahren sind die widerstreitenden Beteiligten entsprechend ihrer Parteistellung zu beteiligen.

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Soweit gerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens nicht zu erheben sind, ist diese Entscheidung nach § 8 Abs. 1 GKG auf Grund des Verstoßes des Landgerichts gegen die Pflicht zur Sachverhaltsdarstellung geboten. Eine Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten ist derzeit nicht veranlasst, das Landgericht wird bei seiner erneuten Beschlussfassung aber auch die Frage zu überprüfen und näher zu begründen haben, welcher Wert für das Restschuldbefreiungsversagungsverfahren in Ansatz zu bringen ist, bei dem das Interesse des Antrag stellenden Gläubigers an der weiteren Durchsetzung seiner Forderung zu berücksichtigen sein wird. Die Feststellung des Wertes ist insbesondere im Hinblick auf die außergerichtlichen Kosten der am Versagungsverfahren Beteiligten von Bedeutung, die der unterlegene Teil zu tragen hat.

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