Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 30.06.2016, Az.: 10 ME 35/16

Einziehung; Einziehung von Zahlungsansprüchen; Grünland; Pferdehaltung; Pferdeweide; Sofortvollzug; Sofortvollzug, Begründung; Zahlungsanspruch

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
30.06.2016
Aktenzeichen
10 ME 35/16
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2016, 43438
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 04.05.2016 - AZ: 1 B 45/16

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Unionsrecht gebietet es grundsätzlich, nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO die sofortige Vollziehung der Einziehung von Zahlungsansprüchen anzuordnen.

2. Zur hier verneinten Beihilfefähigkeit einer Grünlandfläche, die Dritte im Einvernehmen mit dem Eigentümer und Antragsteller zur Heugewinnung und Pferdehaltung nutzen.

Tenor:

Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Lüneburg - 1. Kammer - vom 4. Mai 2016 geändert.

Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 564,65 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller wendet sich gegen den für sofort vollziehbar erklärten Bescheid der Antragsgegnerin vom 31. März 2016. In diesem Bescheid sind dem Antragsteller vormals zugewiesene Zahlungsansprüche aberkannt und eingezogen worden, und zwar im Vergleich zur Erstzuweisung durch Bescheid vom 17. Dezember 2015 für eine Fläche von insgesamt 4,04 ha. Dies beruht auf dem Ergebnis der im Januar 2016 erfolgten Vor-Ort-Kontrolle. Danach sei der Feldblock C. D. (= Schlag 18) um 0,09 ha zu groß angemeldet worden. Die Feldblöcke C.  E.,  F. und G. (Schläge 10, 11 und 17) seien nicht beihilfefähig, weil sie aufgrund mündlicher Vereinbarungen u.a. im Mai 2015 nicht vom Antragsteller, sondern von den Eheleuten H. (Schläge 10 und 17) bzw. Herrn I. (Schlag 11) jeweils zur Heugewinnung bzw. nachfolgend als Pferdeweide genutzt worden seien.

Das Verwaltungsgericht Lüneburg - 1. Kammer - hat dem gegen den Bescheid vom 31. März 2016 gerichteten Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Halbs. 2 VwGO stattgegeben und die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage vom 20. April 2016 wiederhergestellt. Denn vorliegend sei die effektive Durchsetzung von Regelungen des Unionsrechts nicht gefährdet und es damit unionsrechtlich nicht zwingend erforderlich, die sofortige Vollziehung der Teileinziehung der Zahlungsansprüche nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO anzuordnen. Die Antragsgegnerin habe ihre Anordnung des Sofortvollzuges auf Rechtsvorschriften gestützt, aus denen sich zwar ein öffentliches Interesse am Erlass des Verwaltungsaktes ergebe, aber kein darüber hinausgehendes Interesse am Sofortvollzug.Art. 54 Abs. 1 Verordnung (EU) Nr. 1306/2013 beziehe sich nicht auf die Einziehung von Zahlungsansprüchen und knüpfe zudem an die Nichteinhaltung der darin vorgesehenen Frist von 18 Monaten für die Rückforderung keine unmittelbaren Rechtsfolgen. Im Übrigen könne die Antragsgegnerin zukünftige Überzahlungen selbst anderweitig verhindern, indem sie die Beihilfe an den Antragsteller zukünftig nur in der von ihr aufgrund der Ergebnisse der Vor-Ort-Kontrolle als rechtmäßig angesehenen geringeren Höhe auszahle. Sei die Anordnung der sofortigen Vollziehung somit nicht hinreichend begründet, so habe der Antrag schon deshalb Erfolg.

Zur Begründung ihrer gegen diesen Beschluss gerichteten Beschwerde beruft sich die Antragsgegnerin auf das Vorliegen eines unionsrechtlich begründeten besonderen Vollzugsinteresses.  Als Behörde eines Mitgliedstaates müsse sie nach Art. 58 Verordnung (EU) Nr. 1306/2013 beim Vollzug der „GAP“ die finanziellen Interessen der Union schützen. Zu diesem Zweck müsse sie etwa zu Unrecht gewährte Zahlungen nach Maßgabe der Fristen des Art. 54 Verordnung (EU) Nr. 1306/2013 zurückfordern. Diesen Verpflichtungen könne sie jedenfalls für die Zukunft nur entsprechen, wenn sie als rechtswidrig erkannte Zahlungsansprüche sofort einziehe und damit nicht bis zur ggf. Jahre dauernden Bestandskraft warte; andernfalls müsse sie zwischenzeitlich vom Fortbestand der Zahlungsansprüche ausgehen.

II.

Die zulässige, insbesondere fristgerecht eingelegte und begründete Beschwerde der Antragsgegnerin ist begründet. Die Antragsgegnerin hat i. S. d. § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO hinreichend dargelegt, dass vorliegend das vom Verwaltungsgericht verneinte besondere Vollzugsinteresse gegeben ist. Bei dieser Sachlage sind die übrigen Voraussetzungen für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Halbs. 2 VwGO auch ohne besondere Darlegung zu prüfen (vgl. etwa VGH Bad. -  Württ., Beschl. v. 14.3.2013 - 8 S 2504/12 -, juris; Guckelberger, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl., § 146, Rn. 107 f., jeweils m. w. N.); danach ist auf die Beschwerde der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage abzulehnen.

Ist - wie hier - ein Verwaltungsakt von der Behörde für sofort vollziehbar erklärt worden, so ist auf einen Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Halbs. 2 VwGO zunächst die formelle Rechtmäßigkeit dieser Anordnung zu überprüfen. Die Behörde muss nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung schriftlich begründet haben. Dies ist vorliegend erfolgt.

Die Antragsgegnerin hat - nach den Vorgaben des Fachministeriums - auf ein unionsrechtlich begründetes besonderes Vollzugsinteresse verwiesen. Sie habe den Schutz der finanziellen Interessen der Union zu wahren. Dazu zähle, aus Unionsmitteln zu Unrecht gewährte Direktzahlungen wiedereinzuziehen und zu Unrecht zugesprochene Zahlungsansprüche wiedereinzuziehen (Art. 63 Abs. 1 Verordnung (EU) Nr. 1306/2013). Die Rückforderung habe innerhalb von 18 Monaten zu erfolgen. Diesen Vorgaben könne wegen der andernfalls eintretenden aufschiebenden Wirkung einer Anfechtungsklage effektiv nur durch Anordnung der sofortigen Vollziehung entsprochen werden. Damit hat die Behörde erkannt, dass es besonderer Gründe für die Anordnung bedarf, und diese schriftlich hinreichend einzelfallbezogen bezeichnet. Ob diese Gründe die Anordnung auch inhaltlich tragen, ist hingegen keine Frage der formellen Rechtmäßigkeit der Anordnung der sofortigen Vollziehung (vgl. nur Nds. OVG, Beschl. v. 9.3.2016 - 13 ME 12/16 -, juris, Rn. 3).

Ob das Verwaltungsgericht insoweit anderer Ansicht ist, lässt sich dem Beschluss mangels eindeutiger Obersätze nicht hinreichend entnehmen. Der Verweis darauf, dass die Anordnung der sofortigen Vollziehung nicht hinreichend begründet sei und es damit auf die Erfolgsaussichten des Antrages auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes in der Sache selbst nicht ankomme, könnte jedoch ungeachtet des Meinungsstreits, ob bei formellen Mängeln der sofortigen Vollziehung einem Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO nicht - wie hier erfolgt - uneingeschränkt zu entsprechen, sondern lediglich die Anordnung der sofortigen Vollziehung aufzuheben ist (vgl. etwa Nds. OVG, Beschl. v. 23.1.1996 - 11 M 7713/95 -, juris; Thüringer OVG, Beschl. v. 28.7.2011 - 1 EO 1108/10 -, juris, Rn. 30, sowie die weiteren Nachweise bei Schoch, in: ders./Schneider/Bier, VwGO, § 80, Rn. 442,  Fn. 1916, und BVerfG, Beschl. v. 27.5.2016 – 1 BvR 1890/15 -, Rn. 18), dafür sprechen.

Mit diesem rechtlichen Begründungsansatz des Verwaltungsgerichts hat sich die Antragsgegnerin in der Beschwerde nicht auseinandergesetzt. Ihr ist aber in ihrem Beschwerdevorbringen zu folgen, dass das Verwaltungsgericht dann jedenfalls in der Sache die Begründung des Bescheides zu Unrecht beanstandet hat.

Dabei erkennt auch das Verwaltungsgericht unter Bezug auf die Rechtsprechung des Senats (Beschl. v. 9.5.2012 - 10 ME 43/12 -, juris, m. w. N.) an, dass sich das erforderliche besondere Vollzugsinteresse i. S. d. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO auch aus dem Unionsrecht ergeben kann und es dazu wiederum keiner ausdrücklich so lautenden Norm bedarf, sich eine dahingehende Verpflichtung vielmehr auch aus dem Zusammenhang sowie dem Sinn und Zweck ergeben kann. Entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts ist ein solcher Fall hier gegeben und von der Antragsgegnerin bereits in ihrem Bescheid noch hinreichend dargelegt worden:

Denn die Gewährung der Basis-, der Umverteilungs- sowie der Greeningprämie (Ökologisierungszahlung) beruht nach der Verordnung (EU) Nr. 1307/2013 auf der Zuweisung und folgenden Aktivierung von Zahlungsansprüchen. Nach dem ersten Jahr der Neu- bzw. Erstzuweisung - hier 2015 - lösen sich die Zahlungsansprüche jedoch von einer beihilfefähigen Fläche des Jahres 2015 (vgl. Art. 24 Abs. 2 Verordnung (EU) Nr. 1307/2013) und können mit beliebigen anderen Flächen des ursprünglichen oder nach Übertragung in den Grenzen des Art. 34 Verordnung (EU) Nr. 1307/2013, Art. 8 Durchführungsverordnung (EU) Nr. 641/2014, Art. 25 Delegierte Verordnung (EU) Nr. 639/2014, § 23 InVeKoSV auch eines anderen Antragstellers aktiviert werden; für die Basisprämie ergibt sich dies aus Art. 32 f. Verordnung (EU) Nr. 1307/2013. Der Verweis des Verwaltungsgerichts darauf, dass die Antragsgegnerin zukünftige Überzahlungen vermeintlich verhindern könne, indem sie die Beihilfe an den Antragsteller zukünftig nur in der von ihr aufgrund der Ergebnisse der Vor-Ort-Kontrolle als rechtmäßig angesehenen geringeren Höhe auszahle, verkennt diese rechtlichen Eigenschaften von Zahlungsansprüchen grundlegend und geht daher fehl. Denn solange ein Zahlungsanspruch nicht wirksam bzw. vollziehbar aufgehoben worden ist (vgl. allgemein: Kopp/Schenke, VwGO, 20. Aufl., § 80, Rn. 22 ff., m. w.N.), ist die Antragsgegnerin verpflichtet, ihn weiterhin als bestehend anzusehen. Selbst bei gleicher Lage wie im Jahr 2015 könnte die Antragsgegnerin ohne die umstrittene Anordnung des Sofortvollzuges dem Antragsteller die Bewilligung u.a. der Basisprämie daher nur mit der Begründung einer insoweit auch im Jahr 2016 nicht beihilfefähigen Fläche i. S. d. Art. 32 Verordnung (EU) Nr. 1307/2013, nicht aber unter Bezug auf die hier umstrittenen fehlenden Zahlungsansprüche versagen. Wenn diese Zahlungsansprüche jedoch von dem Antragsteller oder nach wirksamer Übertragung von einem anderen Betriebsinhaber mit anderen Flächen aktiviert werden oder sich die tatsächlichen Verhältnisse hinsichtlich der Beihilfefähigkeit der ursprünglichen Fläche seit dem Jahr 2015 verändert haben, müsste die Antragsgegnerin hierfür weiterhin Direktzahlungen wie die Basisprämie bewilligen und würde damit - für den Fall, dass sich die Zuteilung dieser Zahlungsansprüche als rechtswidrig erweist - weitere potentielle Rückforderungsfälle schaffen. Eine solche Rechtsfolge gilt es schon wegen des damit verbundenen weiteren Verwaltungsaufwandes möglichst zu vermeiden. Zudem widerspräche es dem von der Antragsgegnerin nach Art. 58 Verordnung (EU) Nr. 1306/2013 zu gewährenden effektiven Schutz der finanziellen Interessen der Union, aus deren Mitteln weiterhin Bewilligungen für Direktzahlungen auszusprechen, obwohl sie als Bewilligungsbehörde selbst nicht annimmt, dass die Bewilligungsvoraussetzungen gegeben sind, soweit dazu die Zuteilung von Zahlungsansprüchen gehört. Eine Rechtsgrundlage, um stattdessen die Gewährung nur „vorübergehend“ oder teilweise auszusetzen, ist nicht ersichtlich. Für den jeweiligen Inhaber der umstrittenen Zahlungsansprüche ergeben sich durch ihre Einziehung mit sofortiger Wirkung entgegen dem Vorbringen des Antragstellers keine endgültigen Nachteile. Insbesondere bleibt es ihm unbenommen, sie bis zur Bestandskraft des Einziehungsbescheides vorsorglich zur Wahrung seiner Rechtsposition und zur Vermeidung ihrer Einziehung wegen Nichtnutzung (Art. 31 Abs. 1 b) Verordnung (EU) Nr. 1307/2013) weiterhin im Sammelantrag zu aktivieren. Er muss deshalb keine Sanktion befürchten; sanktioniert wird nach Art. 19 Delegierte Verordnung (EU) Nr. 640/2014 die Übererklärung von Flächen und nicht von Zahlungsansprüchen.

Zu den Maßnahmen, die nach Art. 58 Verordnung (EU) Nr. 1306/2013 zum Schutz der finanziellen Interessen der Union notwendig sind, gehört es daher, eine
(Teil-)Einziehung von Zahlungsansprüchen für sofort vollziehbar zu erklären, soweit - wie regelmäßig - ansonsten mit der weiteren Nutzung dieser Zahlungsansprüche bis zur Bestandskraft des Einziehungsbescheides zu rechnen ist.

Dies gilt unabhängig davon, dass in Art. 54 Abs. 1 Verordnung (EU) Nr. 1306/2013 für die Einziehung von Zahlungsansprüchen nicht ausdrücklich eine Frist benannt worden ist, während diese Form der Rückabwicklung von fehlerhaft zugewiesenen Zahlungsansprüchen in Art. 63 Verordnung (EU) Nr. 1306/2013 dem Grunde nach ausdrücklich vorgeschrieben ist. Vielmehr ist die o.a., unmittelbar nur für die Rückforderung geltende Frist von 18 Monaten jedenfalls in den Fällen erst recht auf die Einziehung von Zahlungsansprüchen anzuwenden, in denen die Überzahlung nur auf der Aktivierung zu Unrecht zugewiesener Zahlungsansprüche beruht; andernfalls ist dann nämlich auch eine Rückforderung ausgeschlossen. Schließlich ist auch die Annahme des Verwaltungsgerichts nicht nachvollziehbar, der Zweck der „europarechtlichen“ Maßnahme sei bei einer Überschreitung der Rückforderungsfrist von 18 Monaten nicht berührt. Denn durch die Rückforderung sollen die zu Unrecht aus dem Unionshaushalt gewährten Mittel diesem wieder zugeführt werden, und dieses schutzwürdige Interesse der Union wird natürlich auch durch die Länge des Rückforderungsverfahrens beeinflusst. Durch eine schnelle Rückforderung soll eine „Anlastung“ zum Nachteil des jeweiligen Mitgliedsstaates wegen „Säumnis“ nach Art. 54 Abs. 2 Verordnung (EU) Nr. 1306/2013 gerade verhindert werden. Dass eine „Anlastung“ nach dieser Vorschrift auch von der Länge eines innerstaatlichen gerichtlichen Verfahrens abhängig ist, ist daher nicht Ausdruck einer aus Sicht der Union fehlenden Eilbedürftigkeit der Rückforderung, sondern trägt dem Umstand Rechnung, dass die Gerichte der Mitgliedstaaten unabhängig sind und die Mitgliedsstaaten, die im Wege der „Anlastung“ die finanziellen Folgen der Dauer anteilig tragen müssen, daher nur begrenzt Einfluss auf die Laufzeiten gerichtlicher Verfahren um die Rechtmäßigkeit einer Rückforderung nehmen können. Eine „Anlastung“ setzt aber nach dem 37. Erwägungsgrund zur Verordnung (EU) Nr. 1306/2013 grundsätzlich „Versäumnisse“ des betreffenden Mitgliedsstaates voraus.

Die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Teileinziehung von Zahlungsansprüchen im Umfang von 4,04 ha ist auch inhaltlich nicht zu beanstanden.

Im Rahmen eines Antrages nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann verwaltungsgerichtlich die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise wiederhergestellt werden. Dabei ist zu prüfen, ob sich neben der Einhaltung der formellen Voraussetzungen für die Anordnung der sofortigen Vollziehung ergibt, dass das Interesse des Antragstellers, von einer Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsaktes bis zur Entscheidung über seine Rechtmäßigkeit in einem Verfahren zur Hauptsache verschont zu bleiben, das Interesse der Allgemeinheit an der sofortigen Durchsetzung überwiegt. Bei der in diesem Rahmen zu treffenden eigenen Entscheidung des Gerichts kommt es maßgeblich darauf an, ob der Rechtsbehelf, dessen aufschiebende Wirkung wiederhergestellt werden soll, voraussichtlich Erfolg haben wird. Bei angenommener Rechtswidrigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts ist dem Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes stattzugeben, weil der Vollzug eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes nicht im öffentlichen Interesse liegen kann. Ein überwiegendes öffentliches Interesse ist hingegen in der Regel dann gegeben, wenn bereits im Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zu erkennen ist, dass der Rechtsbehelf des Antragstellers keine Aussicht auf Erfolg bietet, und ein gesteigertes Interesse an seiner umgehenden Vollziehung besteht. Ist der Ausgang des Verfahrens in der Hauptsache bei der im Aussetzungsverfahren grundsätzlich nur gebotenen summarischen Überprüfung hingegen offen, kommt es auf eine Abwägung der widerstreitenden Interessen an.

Im vorliegenden Fall sind danach die Voraussetzungen, unter denen die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage gegen die Teileinziehung von Zahlungsansprüchen wiederhergestellt werden kann, nicht gegeben.

Diese Teileinziehung erweist sich nach dem gegenwärtigen Verfahrensstand als voraussichtlich rechtmäßig.

Rechtsgrundlage für die Neufestsetzung von Zahlungsansprüchen im Rahmen der Betriebsprämienregelung ist nach der ständigen Senatsrechtsprechung (vgl. zuletzt Urt. v. 31.3.2016 - 10 LB 40/14 -, unter Bezug auf das Urt. v. 17.6.2014 - 10 LC 148/12 -, juris, Rn. 33 ff., m. w. N.) im Ausgangspunkt § 10 Abs. 1 Satz 1 MOG, allerdings modifiziert durch die Vertrauensschutzregelungen in Art. 73a Verordnung (EG) Nr. 796/2004 bzw. Art. 81 Verordnung (EG) Nr. 1122/2009. Ob es bei dieser Ausgangslage überhaupt noch des Rückgriffs auf § 10 Abs. 1 MOG bedarf oder die in Art. 81 Abs. 1 Verordnung (EG) Nr. 1122/2009 enthaltene Regelung, wonach der „betreffende Betriebsinhaber die zu Unrecht zugewiesenen Zahlungsansprüche zurückgeben muss“, nicht auch so verstanden werden kann und muss, dass sie die unmittelbare Rechtsgrundlage für die Rücknahme einer der Zahl nach überhöhten Festsetzung von Zahlungsansprüchen ist, ist vom Senat bislang offen gelassen worden (vgl. auch BVerwG, Urt. v. 16.9.2015 - 3 C 11/14 -, juris, Rn. 11) und auch in diesem Verfahren nicht zu klären.

Denn der tragend auch von der Antragsgegnerin in ihrem Bescheid herangezogene § 10 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 MOG findet weiterhin Anwendung, d.h. auch auf die Aufhebung von rechtswidrigen Zahlungsansprüchen im Rahmen insbesondere der Basisprämienregelung nach Art. 21 ff. Verordnung (EU) Nr. 1307/2013 als Direktzahlung (Art. 1, Anhang I Verordnung (EU) Nr. 1307/2013, § 6 Abs. 1 Nr. 2 MOG). Der in § 10 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 MOG enthaltene Verweis u.a. auf § 48 Abs. 2 bis 4 VwVfG ist unverändert unanwendbar. Denn insoweit ist Art. 23 Durchführungsverordnung (EU) Nr. 809/2014 abschließend, der hinsichtlich der Festsetzung der hier streitigen Zahl von Zahlungsansprüchen keinen Vertrauensschutz vorsieht. Stattdessen kommt nach Abs. 1 UAbs. 2 dieser Norm allenfalls bei einem behördlichen Irrtum kompensatorisch die Erhöhung des Wertes der verbleibenden Zahlungsansprüche in Betracht; ein solcher Fall ist vorliegend aber nicht gegeben, da die in Rede stehende überhöhte Zuteilung von Zahlungsansprüchen auf einer Übererklärung von Flächen und damit auf einem Fehler des Antragstellers, nicht aber auf einem behördlichen Irrtum beruht.

Rechtswidrig war die Zuteilung von Zahlungsansprüchen in dem hier umstrittenen Umfang von 4,04 ha, weil die insoweit vom Antragsteller in seinem Sammelantrag 2015 angegebenen Flächen nicht beihilfefähig waren, Art. 24 Abs. 2 Verordnung (EU) Nr. 1307/2013.  Beihilfefähig waren nach Art. 32 Abs. 2 a) Verordnung (EU) Nr. 1307/2013 nur die am Stichtag 15. Mai 2015 (vgl. § 7 Abs. 1 Satz 2 InVeKoSV) zum Betrieb des Antragstellers gehörenden landwirtschaftlichen Flächen.  Nach der Senatsrechtsprechung noch zur Betriebsprämienregelung (vgl. etwa Beschl. v. 25.9.2014 - 10 LA 59/14 -) gehören Flächen zum Betrieb eines Landwirts,

„wenn dieser befugt ist, sie zum Zwecke der Ausübung einer landwirtschaftlichen Tätigkeit zu verwalten. Im Zusammenhang mit der Betriebsprämienregelung bedeutet der Begriff der Verwaltung nicht, dass dem Landwirt die uneingeschränkte Verfügungsgewalt über die Flächen in Bezug auf deren landwirtschaftliche Nutzung zusteht. Der Landwirt muss jedoch hinsichtlich dieser Fläche über eine hinreichende Selbständigkeit bei der Ausübung seiner landwirtschaftlichen Tätigkeit verfügen [vgl. EuGH, Urteil vom 14.10.2010 - C-61/09 (Bad Dürkheim) -, Slg. 2010, S. I-09763]. Die genannten Vorschriften bestimmen nicht die Art des Rechtsverhältnisses, auf dessen Grundlage die betreffende Fläche vom Landwirt genutzt wird. Nach dem Grundsatz der Vertragsfreiheit können die Parteien das der Nutzung der betreffenden Fläche zugrunde liegende Rechtsverhältnis somit frei gestalten. Mangels einer gegenteiligen Bestimmung steht es ihnen auch frei, eine unentgeltliche Überlassung der Parzellen zu vereinbaren (vgl. EuGH, Urteil vom 14.10.2010, a. a. O.). … Die Abgrenzung zwischen mehreren Nutzern ist einzelfallbezogen nach den … Kriterien für eine landwirtschaftliche Tätigkeit i. S. d. Art. 2 c) Verordnung (EG) Nr. 73/2009 zu treffen, d.h. es ist insbesondere danach zu fragen, wer auf eigenes Risiko und selbstständig die hier in Rede stehende Grünfläche überhaupt bzw. überwiegend gesät, sonst gepflegt und „geerntet“ hat.“

Diese Grundsätze sind auf die Rechtslage ab dem Jahr 2015 grundsätzlich übertragbar. Denn Art. 32 Verordnung (EU) Nr. 1307/2013 setzt für die Bewilligung der Basisprämie - wie zuvor Art. 34 Verordnung (EG) Nr. 73/2009 für die Bewilligung der Betriebsprämie - die „Aktvierung eines Zahlungsanspruches je beihilfefähige Hektarfläche“ i. S. d. jeweiligen Absatzes 2 voraus. Soweit in der dortigen Legaldefinition unter dem Buchstaben a) jeweils auf die landwirtschaftliche Fläche des „Betriebs“ und die Nutzung für eine „landwirtschaftliche Tätigkeit“ abgestellt wird, entsprechen sich im Kern die jeweiligen Legaldefinitionen in Art. 4 b) Verordnung (EU) Nr. 1307/2013  und Art. 2 b) Verordnung (EG) Nr. 73/2009 („Betrieb“) sowie Art. 4 c) i) Verordnung (EU) Nr. 1307/2013 und Art. 2 c Alt. 1 Verordnung (EG) Nr. 73/2009 (vgl. auch die Entsprechungstabelle Anhang XI zur Verordnung (EU) Nr. 1307/2013).

Wird die Zugehörigkeit von Flächen zum Betrieb eines Antragstellers beanstandet, so trägt dieser nach § 11 MOG auch für den Zeitraum von bis zu vier Jahren nach demEmpfang eines rechtlich erheblichen Vorteils, hier der Zuweisung von Zahlungsansprüchen, die Beweislast für das Vorliegen der Bewilligungsvoraussetzungen.

Hieran gemessen spricht entschieden gegen eine Zugehörigkeit der Schläge 10,11 und 17 zum landwirtschaftlichen Betrieb des Antragstellers, dass nicht er, sondern die Eheleute  H. (Schläge 10 und 17) sowie Herr I. (Schlag 11) den Bewuchs dieser Schläge zunächst als ersten Schnitt zur Heugewinnung sowie im Jahresverlauf nachfolgend teilweise unmittelbar als Pferdeweide genutzt haben; der Antragsteller hat den Ertrag der Flächen hingegen nicht unmittelbar selbst genutzt und auch nicht dargelegt, wie das Grünland jeweils nach dem ersten Schnitt genutzt worden sei. Seine Angaben dazu, ob er den Ertrag der Schläge unentgeltlich oder entgeltlich abgegeben hat, schwanken. Mit Schreiben seines damaligen Bevollmächtigten vom 8. Februar 2016 ist mehrfach vorgetragen worden, dass keine Zahlung durch Dritte geleistet worden sei und werde, sondern lediglich unentgeltlich Aufwuchs/Gras überlassen werde. Seine jetzige Prozessbevollmächtigte hat demgegenüber mit Schreiben vom 14. April 2016 vorgetragen, die Eheleute H. hätten seit 2005 alljährlich im Herbst „nur“ 102,25 EUR gezahlt, Herr I. alljährlich im Herbst 150 EUR. Diese Angaben sind dann in der Anlage zum nachgereichten Schriftsatz vom 28. Juni 2016 nochmals modifiziert worden, ohne auf die zuvor durch gerichtliche Verfügung aufgezeigten Widersprüche einzugehen. Jedenfalls hat der Antragsteller aber nicht vorgetragen, das jeweilige finanzielle Risiko einer „Missernte“ getragen zu haben. Stattdessen macht er zuletzt geltend, dass er das Heu jeweils zu einem Festpreis abgegeben habe. Soweit er stattdessen auf eine von ihm durchgeführte Bodenbearbeitung verweist, stellt sich diese Tätigkeit im Verhältnis zu der Ertragsnutzung der Schläge durch andere als untergeordnet dar und ist zudem nicht näher glaubhaft gemacht worden. Schließlich ist auch bei der Gesamtwürdigung nicht zu erkennen, dass es dem Antragsteller um eine eigene wirtschaftliche Nutzung der Grünlandschläge ging. Eine solche ist nach den eigenen Angaben des Antragstellers vielmehr auch nach dem ersten Schnitt unterblieben. Danach spricht Überwiegendes dafür, dass sich ein wirtschaftlicher Ertrag dieser Schläge für den Antragsteller allein aus den Direktzahlungen ergeben sollte und dafür auf die Erhebung eines Pachtzinses verzichtet worden ist. Das widerspricht bei einer tatsächlichen Nutzung durch Dritte zwecks Pferdehaltung aber erkennbar dem Sinn und Zweck der Basisprämienbewilligung, die eigenverantwortliche landwirtschaftliche Tätigkeit zu fördern.

Einwände gegen die Kürzung des Schlages 18 um 0,09 ha hat der Antragsteller trotz gerichtlichen Hinweises nicht erhoben.

Dass an der umgehenden Einziehung der demnach im streitigen Umfang von 4,04 ha zu Unrecht zugewiesenen Zahlungsansprüche, mit deren Aktivierung auch in Folgejahren zu rechnen ist, ein besonderes öffentliches Interesse besteht und dieses Interesse auch das gegenläufige Interesse des Betriebsinhabers, dem die Zahlungsansprüche entzogen werden sollen, überwiegt, ist bereits zuvor ausgeführt worden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 47 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG i. V. m. Ziffer 1.5 Satz 1 Halbs. 1 des sog. Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.