Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 29.06.2016, Az.: 11 ME 100/16
Anordnung des Sofortvollzuges; Begründungserfordernis; Begründungspflicht; Beschuldigteneigenschaft; erkennungsdienstliche Behandlung; Ermessen, intendiertes; Geeignetheit; Interessenabwägung; Verhältnismäßigkeit; Vollzugsinteresse, besonderes; Wiederholungsgefahr
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 29.06.2016
- Aktenzeichen
- 11 ME 100/16
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2016, 43435
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG - 02.05.2016 - AZ: 5 B 66/16
Rechtsgrundlagen
- § 81b Alt 2 StPO
- § 80 Abs 1 S 1 Nr 4 VwGO
- § 80 Abs 3 S 1 VwGO
- § 80 Abs 5 S 1 VwGO
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Die der Anordnung erkennungsdienstlicher Maßnahmen nach § 81b Alt. 2 StPO zugrunde liegende Prognose der Wiederholungsgefahr rechtfertigt in der Regel auch die Anordnung der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes.
Tenor:
Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Lüneburg - 5. Kammer - vom 2. Mai 2016 geändert.
Der Antrag des Antragstellers auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des gesamten Verfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller wendet sich gegen die Anordnung einer erkennungsdienstlichen Behandlung gemäß § 81b Alt. 2 StPO.
Mit Bescheid vom 19. Februar 2016 ordnete die Antragsgegnerin nach vorheriger Anhörung unter Anordnung der sofortigen Vollziehung die erkennungsdienstliche Behandlung des Antragstellers an. Zur Begründung führte sie aus: Die erkennungsdienstliche Behandlung des Antragstellers sei notwendig. Gegen den Antragsteller werde wegen des Verdachts einer gemeinschaftlichen Sachbeschädigung und des Vortäuschens einer Straftat am 7. September 2015 strafrechtlich ermittelt. Außerdem seien gegen den Antragsteller in der Vergangenheit strafrechtliche Ermittlungsverfahren wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung, Nötigung, Bedrohung und Körperverletzung geführt worden.
Auf den Antrag des Antragstellers auf Gewährung vorläufigen Rechtschutzes hat das Verwaltungsgericht mit dem angefochtenen Beschluss die aufschiebende Wirkung der zugleich gegen den genannten Bescheid der Antragsgegnerin erhobenen Klage wiederhergestellt. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht im Wesentlichen ausgeführt, es sei bereits zweifelhaft, ob die Anordnung der sofortigen Vollziehung gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO hinreichend begründet worden sei. Jedenfalls sei die Anordnung der sofortigen Vollziehung voraussichtlich materiell rechtswidrig. Rechtliche Bedenken bestünden gegen die Anordnung der erkennungsdienstlichen Behandlung trotz Vorliegens der Beschuldigteneigenschaft und einer hinreichenden Wiederholungsgefahr hinsichtlich der Geeignetheit der Maßnahmen. Jedenfalls sei ein besonderes öffentliches Vollzugsinteresse angesichts des zwischen der Einleitung des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens im September 2015 und der erst im Februar 2016 angeordneten erkennungsdienstlichen Behandlung verstrichenen Zeitraums von fünf Monaten nicht gegeben.
II.
Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Antragsgegnerin hat Erfolg.
Die Antragsgegnerin hat dem Begründungserfordernis des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO genügt, sodass die Anordnung der sofortigen Vollziehung nicht formell rechtswidrig ist (dazu 1.). Die im Rahmen des § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO anzustellende Interessenabwägung geht zu Lasten des Antragstellers aus, sodass der Sofortvollzug auch in materieller Hinsicht rechtmäßig ist (dazu 2.). Nach der hier allein gebotenen summarischen Prüfung spricht Überwiegendes dafür, dass der streitgegenständliche Bescheid der Antragsgegnerin vom 19. Februar 2016 rechtmäßig ist (dazu 2.1). Schließlich ist das besondere öffentliche Vollzugsinteresse gegeben (dazu 2.2). Daher ist der Beschluss des Verwaltungsgerichts zu ändern und der Antrag des Antragstellers auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes abzulehnen.
1. Hinsichtlich der formellen Rechtmäßigkeit der Anordnung der sofortigen Vollziehung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO bestehen keine Bedenken. Die Begründung des Sofortvollzuges der Anordnung erkennungsdienstlicher Maßnahmen in dem streitgegenständlichen Bescheid genügt den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO.
Die Begründungspflicht soll der Behörde im Sinne einer Selbstvergewisserung und dem Betroffenen sowie dem Verwaltungsgericht nachvollziehbar machen, warum im Einzelfall nach Auffassung der Behörde mit dem Vollzug des Verwaltungsaktes nicht bis zu seiner Bestandskraft bzw. bis zu dem Zeitpunkt zugewartet werden kann, in dem der Verwaltungsakt gemäß § 80b Abs. 1 VwGO kraft Gesetzes vollziehbar wird. Deshalb muss die Begründung zwar - wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat - schriftlich abgefasst werden und inhaltlich bestimmte formelle Voraussetzungen erfüllen. Im Bereich der Gefahrenabwehr wie hier der Anordnung erkennungsdienstlicher Behandlung liegt es aber in der Natur der Sache, dass die Voraussetzungen für ein Einschreiten auch den Grund für die Notwendigkeit einer im Regelfall gebotenen Anordnung der sofortigen Vollziehung bilden können. Ob die von der Behörde angeführte Begründung die Anordnung der sofortigen Vollziehung in der Sache trägt, ist demgegenüber eine Frage der inhaltlichen Richtigkeit und damit des materiellen Rechts.
Hiervon ausgehend hat die Antragsgegnerin im vorliegenden Fall dem formellen Begründungserfordernis des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO genügt, indem sie darauf abgestellt hat, dass wegen der bei dem Antragsteller vorliegenden Wiederholungsgefahr ein besonderes öffentliches Interesse an dem sofortigen Vollzug der Anordnung der erkennungsdienstlichen Behandlung besteht. Soweit das Verwaltungsgericht in diesem Zusammenhang ausgeführt hat, dass die Antragsgegnerin erst mehr als fünf Monate nach Einleitung der polizeilichen Ermittlungen tätig geworden sei und bereits über erkennungsdienstliche Unterlagen des Antragstellers verfüge, sind diese Umstände nicht schon im Rahmen des formellen Begründungserfordernisses des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO, sondern erst im Rahmen der materiellen Überprüfung der Anordnung des Sofortvollzuges von Bedeutung.
2. Die im Rahmen des § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO anzustellende Abwägung der Interessen des Antragstellers an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage einerseits und dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung der streitgegenständlichen Maßnahme andererseits geht zu Lasten des Antragstellers aus.
2.1 Die von der Antragsgegnerin verfügte Anordnung der erkennungsdienstlichen Behandlung des Antragstellers ist nach der allein gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage voraussichtlich rechtmäßig, da alle Tatbestandsvoraussetzungen der Ermächtigungsnorm vorliegen und Ermessensfehler nicht ersichtlich sind.
Rechtsgrundlage für die erkennungsdienstliche Behandlung des Antragstellers ist § 81b Alt. 2 StPO. Danach dürfen Lichtbilder und Fingerabdrücke des Beschuldigten aufgenommen und Messungen und ähnliche Maßnahmen an ihm vorgenommen werden, soweit es für die Zwecke des Erkennungsdienstes notwendig ist.
Materielle Rechtmäßigkeitsvoraussetzung für die Durchführung von erkennungsdienstlichen Maßnahmen nach § 81b Alt. 2 StPO ist zunächst, dass der Betroffene "Beschuldigter" ist. Dazu muss gegen ihn im Zeitpunkt der Anordnung der erkennungsdienstlichen Behandlung ein Straf- oder Ermittlungsverfahren geschwebt haben. Der spätere Wegfall der Beschuldigteneigenschaft durch Einstellung, Verurteilung oder Freispruch lässt die Rechtmäßigkeit der angeordneten Maßnahmen grundsätzlich unberührt (BVerwG, Urt. v. 23.11.2005 - BVerwG 6 C 2.05 -,juris, Rdnr. 20; Senatsurt. v. 17.11.2015 - 11 LB 290/14 -). Diese Voraussetzung hat das Verwaltungsgericht vorliegend zutreffend bejaht.
Für die Annahme, dass eine erkennungsdienstliche Behandlung i.S.d. § 81b Alt. 2 StPO "notwendig" ist, bedarf es einer Wiederholungsgefahr. Dabei ist aufgrund einer - der vollen gerichtlichen Nachprüfung unterliegenden - Gesamtschau unter Berücksichtigung aller Umstände der Anlasstat sowie gegebenenfalls weiterer strafrechtlicher Ermittlungsverfahren zu prüfen, ob hinreichende Anhaltspunkte für die Annahme bestehen, dass der Betroffene künftig als Verdächtiger in den Kreis potentieller Beteiligter an einer noch aufzuklärenden strafbaren Handlung einbezogen werden und die erkennungsdienstliche Behandlung die dann zu führenden Ermittlungen - den Betroffenen überführend oder entlastend - fördern könnte (BVerwG, Urt. v. 19.10.1982 - BVerwG 1 C 29.79 -, BVerwGE 66,192, juris, Rn. 33). Die Wiederholungsgefahr weiterer Straftaten muss sich nicht auf mit dem Anlassverfahren vergleichbare Strafvorwürfe beziehen. In die Gesamtschau sind vielmehr auch Ermittlungsverfahren aufgrund andersgelagerter Vorwürfe einzubeziehen. Entscheidend ist, ob die nicht notwendig gleichgewichtigen und gleichgelagerten Vorgänge in ihrer Gesamtheit die Annahme einer der kriminalpolizeilichen Einschätzung entsprechenden inneren Einstellung bzw. charakterlichen Veranlagung des Betroffenen tragen, sich gelegentlich zum Nachteil anderer über strafbewehrte Rechtsvorschriften hinwegzusetzen, ohne dass sich insoweit deliktsspezifische Verhaltensweisen feststellen ließen (Senatsurt. v. 26.2.2009 - 11 LB 431/08 -, NdsVBl. 2009, 202, juris, Rdnr. 46). Im Fall der Verfahrenseinstellung und eines Freispruchs ist des Weiteren erforderlich, dass noch Verdachtsmomente gegen den Betroffenen bestehen, die die Anordnung der erkennungsdienstlichen Behandlung zur präventiv-polizeilichen Bekämpfung von Straftaten rechtfertigen. In Bezug auf das Erfordernis der Wiederholungsgefahr bedarf es in diesen Fällen einer eingehenden Würdigung aller hierfür relevanten Umstände des Einzelfalls unter Berücksichtigung der Gründe für die Verfahrenseinstellung und der Prüfung, ob die Verdachtsmomente vollständig ausgeräumt sind (BVerfG, Beschl. v. 16.5.2002 - 1 BvR 2257/01 -, NJW 2002, 3231, juris, Rdnr. 11; OVG Saarlouis, Urt. v. 5.10.2012 - 3 A 72/12 -, juris, Rdnr. 61; OVG Nordrh.-Westf., Beschl. v. 14.4.2010 - 5 A 479/09 -, NWVBl. 2010, 436, juris, Rdnr. 37; Sächs. OVG, Beschl. v. 16.11.2009 - 3 B 355/08 -, juris, Rdnr. 4). Das Verwaltungsgericht hat ausgehend von diesen Grundsätzen unter Würdigung der Anlasstat und der weiteren gegen den Antragsteller geführten Ermittlungsverfahren zu Recht eine erhebliche Wahrscheinlichkeit für die Annahme bejaht, dass der Antragsteller als potentiell Verdächtiger in weitere Ermittlungsverfahren einbezogen werden wird. Entgegen der Ansicht des Antragstellers kommt hierbei dem Umstand, dass das Amtsgericht Lüneburg mit Beschluss vom 30. Mai 2016 die aufgrund der Anlasstat erhobene Anklage der Staatsanwaltschaft Lüneburg vom 23. März 2016 nur eingeschränkt zur Hauptverhandlung zugelassen hat, keine entscheidungserhebliche Bedeutung zu.
Auch hinsichtlich der Frage, ob die erkennungsdienstlichen Unterlagen geeignet sind, den Antragsteller zu überführen oder zu entlasten, bestehen keine durchgreifenden Bedenken. Das Verwaltungsgericht hat ausgeführt, im Hinblick auf die Anlasstat und die weiteren gegen den Antragsteller in der Vergangenheit geführten Ermittlungsverfahren fehle es nach den von der Antragsgegnerin vorgelegten Unterlagen an hinreichenden Anhaltspunkten für die Annahme, dass die Ermittlungen durch den Einsatz erkennungsdienstlicher Unterlagen des Antragstellers hätten gefördert werden können. Die erkennungsdienstliche Behandlung nach § 81b Alt. 2 StPO dient nicht der konkreten Aufklärung einer bereits begangenen Straftat, sondern im Sinne präventiv-polizeilicher Tätigkeit der vorsorgenden Bereitstellung von Hilfsmitteln für die künftige Erforschung und Aufklärung von Straftaten. Die Eignung entfällt daher nur dann, wenn konkrete Anhaltspunkte bestehen, dass der Betroffene stets nur in gleicher Weise straffällig wird und dabei stets als Täter zu erkennen ist oder wenn nur eine besondere deliktstypische oder schutzgutspezifische Gefährdungslage gegeben ist, die die Erhebung einzelner oder aller Merkmale überflüssig erscheinen lässt (Senatsurt. v. 17.11.2015 - 11 LB 32/15 - und v. 20.11.2014 - 11 LB 15/14 -, juris, Rdnr.59; Sächs. OVG, Beschl. v. 16.4.2014 - 3 A 274/12 -, juris, Rdnr. 15 m. w. N.). Angesichts der zahlreichen gegen den Antragsteller bisher geführten strafrechtlichen Ermittlungsverfahren wegen unterschiedlicher Delikte ist es jedenfalls nicht ausgeschlossen, dass in künftigen Verfahren erkennungsdienstliche Unterlagen nützlich sein können, um zur Aufklärung des Sachverhalts und zu der Identifizierung des Antragstellers beizutragen.
Ein anderes Ergebnis ist voraussichtlich nicht deshalb gerechtfertigt, weil der Antragsteller bereits im September 2010 erkennungsdienstlich behandelt worden ist. Der Senat hat bei einem Erwachsenen nach einem Zeitablauf von fünf Jahren die Durchführung einer erneuten vollständigen erkennungsdienstlichen Behandlung als zulässig angesehen (Senatsurt. v. 21.2.2008 - 11 LB 417/07 -, juris, Rdnr. 28 ff.; Senatsbeschl. v. 12.11.2015 - 11 LA 76/15 -). Grund hierfür ist, dass - wie hier - Lichtbildaufnahmen aus früheren Jahren nicht mehr geeignet sind, das aktuelle Erscheinungsbild des Betroffenen wiederzugeben, und Finger- und Handflächenabdrücke durch den natürlichen Alterungsprozess Veränderungen unterliegen. Gegen die Erforderlichkeit der erneuten Anfertigung von Lichtbildern und Portraitaufnahmen des Antragstellers spricht nicht, dass die Antragsgegnerin ein aus dem Jahr 2013 herrührendes Portraitfoto des Antragstellers für eine Wahllichtbildvorlage in dem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren eines Dritten verwendet hat. Dieses aus dem Ausländerzentralregister stammende Foto wurde nach Angaben der Antragsgegnerin nicht im polizeilichen Auskunftssystem gespeichert. Zudem ist zweifelhaft, ob es den qualitativen Anforderungen, die bei der erkennungsdienstlichen Behandlung einzuhalten sind, genügt. Außerdem sind für die Zwecke des Erkennungsdienstes auch Profilbilder anzufertigen.
Die erkennungsdienstliche Behandlung des Antragstellers ist nicht unverhältnismäßig. Wegen der Begrenzung der erkennungsdienstlichen Maßnahmen auf das notwendige Maß darf im konkreten Einzelfall die Schwere des mit der konkreten erkennungsdienstlichen Maßnahme verbundenen Grundrechtseingriffs nicht außer Verhältnis zu dem Gewicht des mit der Maßnahme verfolgten öffentlichen Interesses namentlich an der Aufklärung künftiger Straftaten stehen. Das Gewicht des öffentlichen Interesses an der Durchführung erkennungsdienstlicher Maßnahmen bemisst sich wiederum weniger nach der Schwere der in der Vergangenheit erfolgten Anlasstat als vielmehr nach dem Gewicht und der Wahrscheinlichkeit derjenigen Straftaten, bei denen der Betroffene zukünftig zum Kreis der potentiellen Beteiligten gehören kann und zu deren Aufklärung die anzufertigenden Unterlagen dienen sollen (Senatsurt. v. 17.11.2015 - 11 LB 32/15 -, v. 28.6.2007 - 11 LC 372/06 -, juris, Rdnr. 36, und v. 28.9.2006 - 11 LB 53/06 -, NdsVBl. 2007, 42). Hieran gemessen erweist sich die angeordnete erkennungsdienstliche Behandlung des Antragstellers als verhältnismäßig. Sie ist nach den obigen Ausführungen zur Strafverfolgungsvorsorge geeignet und erforderlich. Die erkennungsdienstliche Behandlung ist auch im engeren Sinne verhältnismäßig, da der Antragsteller aktuell zumindest wegen einer Sachbeschädigung und zuvor wegen diverser Taten strafrechtlich in Erscheinung getreten und angesichts seiner Persönlichkeit zu befürchten ist, dass er zukünftig erneut in ähnlicher Weise straffällig werden wird. Die anzufertigenden Unterlagen können dann notwendige Ermittlungen fördern. Nach dem oben Gesagten kommt es nicht entscheidungserheblich (nur) auf die Schwere der Anlasstat an. Zu fragen ist in diesem Zusammenhang vielmehr, ob der Anlasstat und anderen strafrechtlichen Ermittlungsverfahren in ihrer Gesamtheit lediglich Bagatellen zugrunde liegen, bei denen die Anordnung einer erkennungsdienstlichen Behandlung unverhältnismäßig wäre. Hierbei ist des Weiteren zu berücksichtigen, dass nicht nur die Schwere des einzelnen Delikts, sondern gerade auch die Häufigkeit strafrechtlicher Ermittlungen maßgebend sein kann (Senatsbeschl. v. 12.11.2015 - 11 LA 76/15 - m. w. N.).
Ermessensfehler sind weder vom Antragsteller vorgetragen noch sonst ersichtlich. Aus dem angefochtenen Bescheid vom 19. Februar 2016 ist erkennbar, dass die Antragsgegnerin ihr Ermessen erkannt und dieses auch ausgeübt hat. Hinzu kommt, dass es sich bei dem der Polizei bei der Anordnung einer erkennungsdienstlichen Behandlung nach § 81b Alt. 2 StPO eingeräumten Entschließungsermessen um ein sogenanntes intendiertes Ermessen handelt mit der Folge, dass es hier nach positiver Prüfung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 81b Alt. 2 StPO für die vom Gesetz vorgesehene Regelfolge der Anordnung der erkennungsdienstlichen Behandlung keiner weiteren Abwägung durch die Antragsgegnerin bedurfte (Senatsurt. v. 17.11.2015 - 11 LB 32/15 - und v. 30.1.2013 - 11 LB 115/12 -, NdsVBl. 2013, 225, juris, Rdnr. 38 ff.). Von dem Antragsteller sind keine außergewöhnlichen Umstände des Einzelfalles geltend gemacht worden, die im Rahmen des Entschließungs- oder Auswahlermessens zusätzlich hätten berücksichtigt werden müssen.
2.2 Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts besteht ein die Anordnung der sofortigen Vollziehung rechtfertigendes besonderes öffentliches Vollzugsinteresse.
Das Verwaltungsgericht hat zwar zu Recht darauf hingewiesen, dass ausgehend von dem Grundsatz des § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO, wonach einer Anfechtungsklage gegen die Anordnung einer erkennungsdienstlichen Behandlung gemäß § 81b Alt. 2 StPO grundsätzlich aufschiebende Wirkung zukommt, die Anordnung der sofortigen Vollziehung durch die Behörde gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO ein besonderes öffentliches Interesse voraussetzt, dass in der Regel über jenes Interesse hinausgeht, das den Verwaltungsakt selbst rechtfertigt. Zugleich hat das Verwaltungsgericht unter Hinweis auf die obergerichtliche Rechtsprechung unter anderem des Senats (Senatsbeschl. v. 20.11.2008 - 11 ME 297/08 -, juris, Rdnr. 21) aber zutreffend darauf abgestellt, dass die der Anordnung erkennungsdienstlicher Maßnahmen zugrunde liegende Prognose der Wiederholungsgefahr regelmäßig auch die Begründung der sofortigen Vollziehung dieser Maßnahme in sich trägt.
Der Umstand, dass der streitgegenständliche Bescheid der Antragsgegnerin erst fünf Monate nach Einleitung des Ermittlungsverfahrens wegen der Anlasstat ergangen ist, begründet keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angeordneten Sofortvollzugs der erkennungsdienstlichen Behandlung des Antragstellers. Die Antragsgegnerin weist in der Begründung ihrer Beschwerde zu Recht auf die zeitliche Abfolge hin: Die Anlasstat datierte vom 7. September 2015. Der Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts Lüneburg wurde am 18. November 2015 vollstreckt und der Abschlussvermerk der Polizeiinspektion wurde am 7. Januar 2016 gefertigt. Unter dem 4. Januar 2016 hat die Antragsgegnerin den Antragsteller zu der beabsichtigten Maßnahme angehört. Nach Eingang der Stellungnahme des Antragstellers am 18. Januar 2016 prüfte die Antragsgegnerin die Sach- und Rechtslage erneut und erließ schließlich am 19. Februar 2016 den angefochtenen Bescheid. Aus dieser zeitlichen Abfolge wird eine sach- und zeitgerechte Bearbeitungsdauer seitens der Antragsgegnerin deutlich.
In diesem Zusammenhang kommt es zudem weniger auf den „zeitlichen Ablauf“ bei der Aufklärung der Anlasstat als vielmehr darauf an, ob eine besondere Dringlichkeit hinsichtlich der alsbaldigen Verwirklichung der angefochtenen Maßnahme besteht. Eine solche ist bei Verwaltungsakten, die - wie hier - der Gefahrenabwehr dienen, in der Regel dann anzunehmen, wenn die begründete Besorgnis besteht, dass sich die mit dem Verwaltungsakt bekämpfte Gefahr realisieren wird, bevor es zu einer abschließenden Klärung seiner Rechtmäßigkeit kommt (vgl. hierzu Senatsbeschl. v. 28.6.2010 - 11 ME 121/10 - m. w. N.). Von letzterem geht auch das Verwaltungsgericht zu Recht aus. Unschädlich ist deshalb entgegen der Ansicht des Antragstellers, dass zum gegenwärtigen Zeitpunkt seit der Anlasstat fast zehn Monate vergangen sind.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Streitwertes für das Beschwerdeverfahren folgt aus §§ 47 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 2 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).