Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 30.06.2016, Az.: 9 LC 131/15

Erschließungsanlage; Schienenweggrundstück; Sondervorteil; Straßenreinigung; Straßenreinigungsgebühren; Straßenreinigungsgebührenpflicht; öffentliche Zweckbestimmung

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
30.06.2016
Aktenzeichen
9 LC 131/15
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2016, 43048
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 21.07.2015 - AZ: 1 A 44/15

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Unter der Voraussetzung, dass ein Zugang zur gereinigten Straße tatsächlich vorhanden oder zumindest tatsächlich und rechtlich möglich ist oder dass von dem Grundstück eine nicht völlig unerhebliche Verschmutzung der angrenzenden Straße ausgeht, ist auch der Eigentümer eines Schienenweggrundstücks straßenreinigungsgebührenpflichtig.

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Osnabrück - 1. Kammer - vom 21. Juli 2015 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich gegen ihre Heranziehung zu Straßenreinigungsgebühren durch die Beklagte.

Die Klägerin ist Eigentümerin von insgesamt 13 Schienenweggrundstücken im Stadtgebiet der Beklagten, die parallel zu Straßen verlaufen, deren Reinigung die Beklagte durchführt. Die Beklagte setzte mit 13 Bescheiden vom 23. Januar 2015 - wie in den Vorjahren - auch für das Jahr 2015 gegenüber der Klägerin für diese Grundstücke Straßenreinigungsgebühren in Höhe von insgesamt 18.059,52 EUR fest und forderte die Klägerin zur Zahlung der festgesetzten Beträge auf.

Die Klägerin hat dagegen am 23. Februar 2015 Klage erhoben und im Wesentlichen vorgetragen, dass ihre Schienenweggrundstücke selbst Verkehrswege seien, in keinerlei sachlicher oder funktionaler Beziehung zu den parallel verlaufenden Straßen stünden und deren Reinigung keine Vorteile für sie mit sich bringe. Ihre Grundstücke würden nicht durch die öffentlichen Straßen erschlossen. Zu- oder Abgangsverkehr gebe es nicht. Es bestünden keine tatsächlichen Zugangsmöglichkeiten. Auch Betriebsangehörige würden die Grundstücke nicht von der Straßenseite aus betreten. Zudem sei der Zugang wegen des Betretungsverbotes des § 62 EBO rechtlich ausgeschlossen. Eine verkehrliche oder wirtschaftliche Nutzung ihrer Grundstücke von den gereinigten Straßen aus sei damit nicht möglich. Für die Annahme eines wirtschaftlichen Vorteils reiche es auch nicht aus, wenn in Einzelfällen auf den Grundstücken anfallende Äste oder Zweige nach einem Rückschnitt über die Straße abtransportiert würden. Es werde in Abrede gestellt, dass von ihren Grundstücken mehr als eine nur völlig unerhebliche Verschmutzung der Straßen ausgehe. Die Beklagte habe bei der Veranlagung ihrer Grundstücke weder nach den tatsächlichen Zugangsmöglichkeiten zur Straße noch nach der Möglichkeit von Verschmutzungen der jeweiligen Straße durch Bewuchs auf dem jeweiligen Schienenweggrundstück differenziert.

Die Klägerin hat beantragt,

die Bescheide der Beklagten vom 23. Januar 2015
betreffend die Objekte
Erich-Maria-Remarque-Ring (Buchungszeichen 5.0100.269122.0), Heideweg (Buchungszeichen 5.0100.269123.9),
Am Eversburger Bahnhof (Buchungszeichen 5.0100.269124.7),
Wissinger Straße (Buchungszeichen 5.0100269125.5),
Tannenburgstraße (Buchungszeichen 5.0100.269126.3),
Kiefernweg (Buchungszeichen 5.0100.269127.1),
Bramscher Straße (Buchungszeichen 5.0100.259128.0),
Ziegelstraße (Buchungszeichen 5.0100.269129.8),
Buersche Straße (Buchungszeichen 5.0100.269130.1),
Hamburger Straße (Buchungszeichen 5.0100.269131.0),
Frankenstraße (Buchungszeichen 5.0100.269132.8),
Dammstraße (Buchungszeichen 5.0100.269133.6) und
Turnerstraße (Buchungszeichen 5.0100.269135.2) aufzuheben.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen,

und im Wesentlichen erwidert: Die Benutzereigenschaft der Klägerin als Eigentümerin der angrenzenden Grundstücke werde fingiert. Auf den Begriff der Erschließung komme es im niedersächsischen Landesrecht nicht an. Auf den Schienenweggrundstücken der Klägerin befänden sich zahlreiche Büsche und Bäume, von denen eine mehr als nur unerhebliche Verschmutzung der anliegenden Straßen ausgehe. Eine sachliche Beziehung der Grundstücke zu den Straßen sei auch deshalb vorhanden, weil das dort anfallende Strauchwerk und die dort zurückgeschnittenen Äste über die Straßen abtransportiert würden.

Das Verwaltungsgericht hat durch Urteil vom 21. Juli 2015 die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen Folgendes ausgeführt: An der für die Straßenreinigungsgebührenpflicht erforderlichen objektiven Beziehung des Anliegergrundstücks zu der zu reinigenden Straße fehle es nur, wenn ein Zugang vom Grundstück zur Straße tatsächlich nicht vorhanden und rechtlich nicht möglich sei und wenn eine mehr als nur völlig unerhebliche Straßenverschmutzung durch das Grundstück ausgeschlossen erscheine. Unter diesen Voraussetzungen bestehe eine Gebührenpflicht auch für Schienenweggrundstücke. Dies sei nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 10.5.1974 - VII C 56.72 -) auch mit Bundesrecht vereinbar. Durch Bundesrecht werde dem zuständigen Landesgesetzgeber nicht verboten, bei der Heranziehung der Straßenanlieger zu Straßenreinigungsgebühren zu berücksichtigen, dass der Straßenanlieger zur Verschmutzung der Straße vor seinem Grundstück beiträgt. Der zu Bundeswasserstraßen geäußerten Auffassung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts (Urteil vom 6.4.1993 - 12 L 141/90 -), dass sich die Straßenreinigungspflicht nicht auf Grundstücke beziehen könne, die selbst dem öffentlichen Verkehr gewidmet seien, folge die Kammer nicht. Die Klägerin sei für ihre Schienenweggrundstücke straßenreinigungsgebührenpflichtig. Mangels Entscheidungserheblichkeit könne dahingestellt bleiben, ob Zugänge von den Grundstücken der Klägerin zu den jeweiligen parallel verlaufenden Straßen vorhanden seien. Denn es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass eine mehr als nur völlig unerhebliche Straßenverschmutzung durch die Grundstücke der Klägerin ausgeschlossen sei. Sowohl auf den in den Verwaltungsvorgängen enthaltenen Fotos als auch auf den von der Klägerin vorgelegten Luftbildaufnahmen sei auf sämtlichen im Streit befindlichen Schienenweggrundstücken Begleitgrün in Gestalt von Bäumen und / oder Büschen zu erkennen, was einen erheblichen jährlichen Laubanfall zur Folge haben dürfte.

Die Klägerin hat am 1. September 2015 Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts eingelegt, die von diesem wegen einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache im Hinblick auf die Frage, ob Schienenweggrundstücke als Flächen öffentlicher Verkehrswege prinzipiell von der Gebührenpflicht auszunehmen sind, und wegen einer Abweichung von einem Urteil des 12. Senats des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 6. April 1993 (12 L 141/90) gemäß § 124 a Abs. 1 Satz 1  i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 und 4 VwGO zugelassen worden ist. Zur Begründung ihrer Berufung trägt sie im Wesentlichen vor: Das erstinstanzliche Urteil stehe im Widerspruch zu der Entscheidung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 6. April 1993 (12 L 141/90). Es sei anerkannt, dass das Schienengelände als öffentliche Verkehrsfläche zu qualifizieren sei. Diese öffentliche Zweckbestimmung schließe eine weitergehende bauliche Nutzung und die Annahme aus, dass den mit den Gleisanlagen versehenen Flächen durch die Straßenreinigung ein die Beitragserhebung rechtfertigender Sondervorteil zuwachse. Deshalb wäre es in gleicher Weise, wie dies für Bundeswasserstraßen angenommen worden sei, willkürlich, die Eigentümerin dieser Flächen zu Straßenreinigungsgebühren heranzuziehen. Soweit das Verwaltungsgericht aufgrund der vorgelegten Luftbildaufnahmen angenommen habe, auf sämtlichen im Streit befindlichen Schienenweggrundstücken sei Begleitgrün in Gestalt von Bäumen oder Büschen zu erkennen, fehle es an konkreten Feststellungen, inwieweit das Begleitgrün sich überhaupt auf ihren Grundstücken und nicht auf den Straßengrundstücken befinde. Ihre Belastung mit Straßenreinigungsgebühren habe im Übrigen zur Folge, dass die dadurch bei ihr anfallenden Mehrkosten nach dem Inhalt der Verkehrsverträge für den Nahverkehr an die Auftraggeber weitergereicht würden, was im Ergebnis die Haushalte der Bundesländer belasten würde.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

das angefochtene Urteil zu ändern und nach dem Klageantrag zu erkennen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie erwidert im Wesentlichen: Das Bundesverwaltungsgericht habe bereits mit Urteil vom 10. Mai 1974 (VII C 56.72) festgestellt, dass unter der Voraussetzung, dass eine wirtschaftliche oder verkehrliche Nutzung des Anliegergrundstückes durch die Straße möglich sei oder von dem Anliegergrundstück eine konkrete, nicht völlig unerhebliche Verschmutzung der Straße ausgehe, ohne Verletzung des Artikels 3 Abs. 1 GG auch die Deutsche Bundesbahn mit ihren an den zu reinigenden Straßen angrenzenden Schienenweggrundstücken nach Maßgabe des anzuwendenden Landesrechts zu Straßenreinigungsgebühren herangezogen werden könne. Nach der Rechtsprechung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts reiche es für die Annahme der für die Straßenreinigungsgebührenpflicht erforderlichen objektiven Beziehung des Anliegergrundstückes zur zu reinigenden Straße, wenn eine mehr als nur völlig unerhebliche Straßenverschmutzung durch das Grundstück nicht ausgeschlossen erscheine. Dies sei hier der Fall. Soweit die Klägerin pauschal in Abrede gestellt habe, dass von ihren Grundstücken eine mehr als nur völlig unerhebliche Verschmutzung der Straße ausgehe, habe sie keine konkreten örtlichen Verhältnisse benannt und nicht substantiiert vorgetragen, welche im Streit befindlichen Schienengrundstücke kein Begleitgrün aufwiesen. Das Verwaltungsgericht habe daher auf der Grundlage der vorgelegten Luftbildaufnahmen zu Recht angenommen, dass eine von den Grundstücken der Klägerin ausgehende und mehr als völlig unerhebliche Straßenverschmutzung nicht ausgeschlossen sei. Unerheblich sei in diesem Zusammenhang, dass etwaige Mehrkosten nach dem Inhalt der Verkehrsverträge für den Nahverkehr an die Aufgabenträger weitergereicht würden. Es gebe zahlreiche im Eigentum von Bund, Ländern und Gemeinden stehende Grundstücke, deren Eigentümer zu Benutzungsgebühren, wie zum Beispiel auch für die Straßenreinigung, ebenso wie die Eigentümer von im privaten Eigentum stehenden Grundstücken herangezogen würden. Auch in diesen Fällen würden die jeweiligen öffentlichen Haushalte entsprechend belastet.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung der Klägerin, über die der Senat aufgrund des Einverständnisses der Beteiligten gemäß §§ 125 Abs. 1 Satz 1, 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann, ist unbegründet.

Denn das Verwaltungsgericht hat die Klage der Klägerin gegen die 13 Bescheide der Beklagten vom 23. Januar 2015, mit denen diese die Straßenreinigungsgebühren für die darin bezeichneten Schienenweggrundstücke bezogen auf das Jahr 2015 ihr gegenüber festgesetzt und sie zur Zahlung der festgesetzten Beträge aufgefordert hat, zu Recht abgewiesen.

Führen die Gemeinden - wie hier die Beklagte - die Straßenreinigung selbst durch, können sie die Eigentümer der anliegenden Grundstücke, die gemäß § 52 Abs. 3 Satz 1 NStrG für die der Reinigung unterliegenden Straßen als Benutzer einer öffentlichen Einrichtung im Sinne des kommunalen Abgabenrechts gelten, nach Maßgabe der §§ 2, 5 NKAG auf der Grundlage einer Satzung zu Straßenreinigungsgebühren heranziehen (Lichtenfeld in Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand: März 2016; § 6 Rn. 762). Hier regelt § 9 Abs. 1 Satz 1 der Satzung der Beklagten über die Reinigung der öffentlichen Straßen und über die Erhebung von Straßenreinigungsgebühren vom 18. Juli 2006 in der hier maßgeblichen Fassung der Änderungssatzung vom 28. September 2010 - StrRGS -, dass für die Benutzung der Straßenreinigungsanstalt eine Straßenreinigungsgebühr erhoben wird. Gebührenschuldner sind nach § 9 Abs. 2 Satz 1  i.V.m. § 8 Abs. 1 StrRGS die Eigentümer von an öffentlichen Straßen, die von der Straßenreinigungsanstalt gereinigt werden, anliegenden Grundstücken. Hierzu zählt auch die Klägerin mit ihren an die gereinigten öffentlichen Straßen innerhalb der geschlossenen Ortslage der Beklagten (Straßenreinigungsgebiet gemäß § 1 StrRGS) angrenzenden Schienenweggrundstücken.

Auch die weiteren Voraussetzungen für die Gebührenerhebung sind erfüllt, wie sich aus dem Folgenden ergibt:

Das aus Art. 3 Abs. 1 GG abzuleitende Willkürverbot verlangt eine objektive Beziehung des Grundstücks zur Straße, die es sachlich rechtfertigt, die Eigentümer der angrenzenden Grundstücke zu Straßenreinigungsgebühren heranzuziehen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Urteil vom 10.5.1974 - VII C 56.72 - Rn. 11 ff. in juris) wird die für die Erhebung von Straßenreinigungsgebühren erforderliche sachliche Beziehung des Grundstücks zur Straße grundsätzlich durch das Angrenzen geschaffen, weil das Angrenzen in aller Regel die durch die Straße gegebene Möglichkeit der wirtschaftlichen oder verkehrlichen Nutzung des Grundstücks, insbesondere die Möglichkeit der Schaffung eines Zugangs oder einer Zufahrt, mit sich bringt, bei deren Vorliegen die Straßenreinigung für den Eigentümer des angrenzenden Grundstücks sich in aller Regel auch vorteilhaft auswirkt und demgemäß ein objektives Interesse des “Angrenzers“ an der Reinhaltung der Straße besteht. Ferner ist eine Straßenreinigungsgebührenpflicht der Eigentümer der angrenzenden Grundstücke auch beim Fehlen eines Zugangs oder einer Zufahrt sachlich gerechtfertigt, wenn die konkrete - nicht nur hypothetische - Möglichkeit einer nicht völlig unerheblichen Straßenverschmutzung durch das Anliegergrundstück zu bejahen ist. Dementsprechend geht der Senat in ständiger Rechtsprechung (Senatsbeschlüsse vom 1.10.2008 - 9 LA 205/07 - Rn. 5 in juris, vom 29.4.2009 - 9 LA 1/08 -, vom 20.8.2015 - 9 LA 38/14 -, vom 25.8.2015 - 9 LA 39/14 / 9 LA 40/14 -, vom 15.12.2015 - 9 LA 95/15 - 3. Leitsatz und Rn. 8 in juris und vom 24.2.2016 - 9 LA 191/15 -) davon aus, dass es an der notwendigen Beziehung zwischen einem Anliegergrundstück und der zu reinigenden Straße nur dann fehlt, wenn ein Zugang vom Grundstück zur Straße tatsächlich nicht vorhanden und rechtlich nicht möglich ist und wenn eine mehr als nur völlig unerhebliche Straßenverschmutzung durch das Grundstück ausgeschlossen erscheint (so auch bereits der 3. Senat des Oberverwaltungsgerichts für die Länder Niedersachsen und Schleswig-Holstein, Urteil vom 25.6.1985 - 3 OVG A 96/83 -).

Bei Schienenweggrundstücken wird häufig bereits die erstgenannte (alternative) Voraussetzung für die Annahme einer hinreichenden objektiven Beziehung zwischen dem Grundstück und der Straße gegeben sein. Denn in vielen Fällen wird ein Zugang von der Straße zum Schienenweggrundstück tatsächlich und rechtlich möglich sein. Die Einschränkung des § 62 Abs. 1 der Eisenbahn- Bau- und Betriebsordnung (EBO), dass die Bahnanlagen nur insoweit von Personen betreten oder benutzt werden dürfen, als sie dem allgemeinen Verkehrsgebrauch dienen oder ein besonderes Nutzungsverhältnis dazu berechtigt, gilt ausweislich des Wortlauts dieser Vorschrift nicht für Personen, die amtlich dazu befugt sind. Mitarbeiter der Deutschen Bahn dürfen daher zur Wahrung des ordnungsgemäßen Betriebs der Bahn von der Straße aus Schienenweggrundstücke betreten, beispielsweise zu Wartungs-, Bergungs- oder Rettungszwecken sowie zu Freischneidearbeiten an Bäumen, Sträuchern und Gräsern (Wichmann, Straßenreinigung und Winterdienst in der kommunalen Praxis, 7. Aufl., Rn. 174, Seite 278, und Rn. 331, Seite 528). Auch bei Schienenweggrundstücken kann daher die - gereinigte - Straße die Möglichkeit der wirtschaftlichen oder verkehrlichen Nutzung des Grundstücks vermitteln, die sich für dessen Eigentümer objektiv vorteilhaft auswirkt (Wichmann, a.a.O., Rn. 174, Seite 278, und Rn. 331, Seite 528). Insofern ist es unerheblich, ob die Klägerin an der Nutzung der jeweiligen Straße durch ihre Bediensteten interessiert ist, da es allein auf die objektive Möglichkeit des Zugangs zur Straße ankommt (vgl. BVerwG, Urteil vom 10.5.1974 - VII C 56.72 - Rn. 19 in juris).

Da jedoch hier die Schienenwege ausweislich der in den Verwaltungsvorgängen befindlichen Fotos sowie der von der Klägerin im erstinstanzlichen Verfahren mit Schriftsatz vom 5. Mai 2015 vorgelegten Fotos teilweise auf einem Damm verlaufen, der zur Straße hin teilweise durch senkrechte Mauern abgestützt ist, besteht für die betreffenden Schienenweggrundstücke keine tatsächliche Möglichkeit des Zugangs von der Straße aus. Im Unterschied zu den Grundstücken, bei denen ein Zugang von der Straße aus besteht, wie zum Beispiel nach den Feststellungen der Beklagten bei dem am Erich-Maria-Remarque-Ring (Buchungszeichen 5.0100.269122.0) angrenzenden Grundstück der Klägerin in dem Teilbereich zwischen Bramscher Straße und Hasetorbahnhof, können diese Grundstücke daher weder wirtschaftlich noch verkehrlich durch die Straße genutzt werden (so auch BVerwG, Urteil vom 10.5.1974 - VII C 55.72- Rn. 17 in juris zu einem ähnlich gelagerten Fall). Gleichwohl besteht für alle Schienenweggrundstücke der Klägerin die Straßenreinigungsgebührenpflicht, da jedenfalls die zweite (alternative) Voraussetzung für die Annahme einer objektiven Beziehung zwischen Grundstück und Straße gegeben ist, was auch bei Schienenweggrundstücken für die Begründung der Straßenreinigungsgebührenpflicht ausreichend ist (so auch bereits der 3. Senat des Oberverwaltungsgerichts für die Länder Niedersachsen und Schleswig-Holstein, Urteil vom 25.6.1985 - 3 OVG A 96/83 -). Denn es erscheint eine mehr als nur völlig unerhebliche Straßenverschmutzung durch diese Grundstücke keineswegs ausgeschlossen.

Dies ergibt sich zum einen aus den in den Verwaltungsvorgängen befindlichen zahlreichen Fotos, die die Situation der einzelnen Grundstücke anschaulich wiedergeben, und den von der Klägerin mit Schriftsatz vom 5. Mai 2015 im erstinstanzlichen Verfahren vorgelegten Fotos und Luftbildaufnahmen. Denn ausweislich dieser Fotos und Luftbildaufnahmen befinden sich auf den Schienenweggrundstücken der Beklagten parallel zu den Schienen zahlreiche Bäume, Sträucher und Gräser. So zeigen insbesondere die von der Klägerin vorgelegten Luftbildaufnahmen zum Teil deutlich das “Schienenbegleitgrün“ innerhalb der (eingezeichneten) Grundstücksgrenzen. Außerdem sind die zum Teil steilen Böschungen zu den Straßen hin mit Sträuchern und Gräsern stark bewachsen. Auch die genannten Stützmauern sind ausweislich der Fotos mit Rankgewächsen überwuchert.

Zum anderen hat die Beklagte entgegen der Behauptung der Klägerin im erstinstanzlichen Verfahren keineswegs pauschal sämtliche Grundstücke der Klägerin herangezogen, ohne dabei nach dem tatsächlichen Angrenzen an die Straße sowie nach der Möglichkeit der Verschmutzung der jeweiligen Straße durch Bewuchs auf dem jeweiligen Schienenweggrundstück zu differenzieren. Die Beklagte hat vielmehr ausweislich der Verwaltungsvorgänge hinsichtlich der einzelnen Schienenweggrundstücke geprüft, inwieweit diese an die jeweilige Straße angrenzen und von diesen die Möglichkeit einer Verschmutzung der Straße ausgeht. So hat sie beispielsweise bei der Wissinger Straße (Buchungszeichen 5.0100269125.5) festgestellt, dass das Schienenweggrundstück der Klägerin „lediglich mit einer Front von 161,12 m“ an die Straße angrenzt. Auch bei den anderen Grundstücken hat die Beklagte ausweislich der Verwaltungsvorgänge die jeweilige Frontmeterzahl konkret ermittelt. Als weiteres Beispiel sind die detaillierten Feststellungen der Beklagten zu dem am Erich-Maria-Remarque-Ring (Buchungszeichen 5.0100.269122.0) angrenzenden Grundstück der Klägerin zu nennen. Diesbezüglich hat sie festgestellt, dass sie selbst „direkt angrenzend an das Grundstück oberhalb der Straßenfront ebenfalls einen Grünstreifen“ im Eigentum hat, von diesem vorrangig die Verschmutzung ausgeht und aus diesem Grund „für diesen Bereich keine Straßenreinigungsgebühren gefordert“ werden, dagegen „das Teilstück zwischen dem Hasetorbahnhof und dem Nonnenpfad“ zu Straßenreinigungsgebühren herangezogen wird, „weil von den Grünpflanzen an den Bahnschienen eine Verschmutzung ausgeht und die Blumenkübel zur Mauer der Bahn gehören“. Außerdem hat die Beklagte bezüglich dieses Grundstücks Folgendes festgestellt: „Vom Teilstück zwischen der Bramscher Straße und im Hasetorbahnhof geht klar eine Verschmutzung aus bzw. es gibt sogar eine Zuwegungsmöglichkeit auf das Grundstück“. Dass die Feststellungen der Beklagten zu den einzelnen Grundstücken der Klägerin fehlerhaft sind, hat diese weder im erstinstanzlichen Verfahren noch im Berufungsverfahren konkret dargelegt. Dahingehende Anhaltspunkte sind auch nicht ersichtlich.

Das Verwaltungsgericht hat daher im Ergebnis zu Recht festgestellt, dass von sämtlichen im Streit befindlichen Schienenweggrundstücken der Klägerin, soweit diese an die jeweils zu reinigende Straße angrenzen und von der Beklagten veranlagt worden sind, die Möglichkeit einer Verschmutzung der angrenzenden Straßen ausgeht.

Der Gebührenerhebung gegenüber der Klägerin als juristischer Person des Privatrechts steht nicht entgegen, dass die in ihrem Eigentum stehenden Schienenweggrundstücke als öffentliche Verkehrsflächen zu qualifizieren sind. Diese öffentliche Zweckbestimmung schließt nicht die Annahme aus, den mit Gleisanlagen versehenen Grundstücken wachse durch die Straßenreinigung ein die Gebührenerhebung rechtfertigender Sondervorteil zu (vgl. zum Erschließungsbeitragsrecht BVerwG, Urteil vom 11.12.1987 - 8 C 85.86 - Rn. 27 in juris). Dieser besteht darin, dass die vom Grundstück ausgehende Verschmutzung der Straße beseitigt und die Straße vor dem Grundstück insgesamt in einen sauberen Zustand versetzt wird. Auch gibt es weder im Beitragsrecht noch im Gebührenrecht eine allgemeine Beitrags- bzw. Gebührenfreiheit im Hinblick auf Grundstücke oder Sachen, die öffentlichen Aufgaben dienen (vgl. BVerwG, Urteil vom 11.12.1987 - 8 C 85.86 - Rn. 23 in juris). Für die Beantwortung der Frage, ob ein Grundstück von der Straßenreinigung bevorteilt ist, kommt es deshalb nicht darauf an, ob seine Nutzung privaten oder - wie im Falle des Schienenweggrundstücks - öffentlichen Zwecken dient. Sofern eine - nach dem oben Gesagten hinreichende - objektive Beziehung des Grundstücks zur Straße besteht, die es sachlich rechtfertigt, den Eigentümer des angrenzenden Grundstücks zu Straßenreinigungsgebühren heranzuziehen, kann nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteile vom 10.5.1974 - VII C 55.72 - Rn. 15 ff. und - VII C 56.72 - Rn. 17 ff. in juris) daher auch die Deutsche Bundesbahn (bzw. jetzt A.) als Eigentümerin von an Straßen angrenzenden Schienenweggrundstücken ohne Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG nach Maßgabe des jeweiligen Landesrechts zu Straßenreinigungsgebühren herangezogen werden (entgegen Freese in Rosenzweig/Freese/von Waldthausen, NKAG, Kommentar, Stand: Februar 2016, § 5 Rn. 400, hat das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 21.4.1972 - VII C 43.70 -, juris, nicht grundsätzlich die Auffassung vertreten, dass für Schienenweggrundstücke keine Straßenreinigungsgebühren erhoben werden können, da darin lediglich festgestellt worden ist, dass es mit Art. 3 GG im Einklang steht, wenn der Eigentümer eines Schienenweggrundstücks nach Landesrecht nicht der Straßenreinigungsgebührenpflicht unterliegt). Ist - wie hier - die konkrete Möglichkeit einer nicht völlig unerheblichen Verschmutzung der angrenzenden Straßen durch die an diesen anliegenden Schienenweggrundstücke gegeben, besteht die Notwendigkeit der Reinigung der betreffenden Straßen in demselben Maße wie dies bei Straßen der Fall ist, an denen “normale“ Grundstücke anliegen (vgl. BVerwG, Urteil vom 5.8.1965 - I C 78.62 -, BVerwGE 22, 26, 31). Die objektive Beziehung zwischen (Schienenweg-) Grundstück und Straße unterscheidet sich in diesen Fällen daher nicht von der Beziehung zur Straße bei anderen “normalen“ Grundstücken.

Keiner Entscheidung bedarf vorliegend die Frage, unter welchen Voraussetzungen die Eigentümer von Grundstücken mit Erschließungsanlagen im Sinne des § 123 Abs. 2 BauGB straßenreinigungsgebührenpflichtig sind. Denn bei Schienenwegen handelt es sich nicht um Erschließungsanlagen im Sinne dieser Vorschrift, weil sie nicht der Erschließung von Grundstücken innerhalb eines bestimmten örtlichen Gebiets dienen, sondern in erster Linie eine überörtliche Verbindungsfunktion haben (vgl. BVerwG, Urteil vom 11.12.1987 - 8 C 85.86 - Rn. 21 in juris)

Mit der vorliegenden Entscheidung weicht der Senat nicht von der Auffassung des 12. Senats des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts in dessen Urteil vom 6. April 1993 (12 L 141/90) ab. Denn der 12. Senat hatte sich in diesem Urteil ausschließlich zu der Frage der Reinigungspflicht und nicht zu der hier maßgeblichen Frage der Gebührenpflicht der Benutzer einer öffentlichen Einrichtung im Sinne des § 52 Abs. 3 Satz 1 NStrG in dem Fall, dass die Gemeinde die Straßenreinigung durchführt, verhalten (vgl. BVerwG, Urteil vom 21.4.1972 - VII C 43.70 -, juris, zu einem ähnlich gelagerten Fall).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO  i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 709 Satz 2, 711 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.