Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 07.08.2024, Az.: 1 KN 161/21

Mitrechnung die Grundflächen mehrerer in einem engen sachlichen, räumlichen und zeitlichen Zusammenhang aufgestellter Bebauungspläne im Anwendungsbereich des § 13a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BauGB

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
07.08.2024
Aktenzeichen
1 KN 161/21
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2024, 21460
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2024:0807.1KN161.21.00

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Auch im Anwendungsbereich des § 13a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BauGB sind die Grundflächen mehrerer Bebauungspläne, die in einem engen sachlichen, räumlichen und zeitlichen Zusammenhang aufgestellt werden, mitzurechnen.

  2. 2.

    Auch mit Bebauungsplänen, die im Normalverfahren aufgestellt werden, kann ein Zusammenhang mit der Folge bestehen, dass die zulässigen Grundflächen zu addieren sind und das beschleunigte Verfahren nicht anwendbar ist.

Tenor:

Der vom Rat der Antragsgegnerin am 19. März 2020 als Satzung beschlossene Bebauungsplan Wittorf Nr. 5 "Altdorf" ist unwirksam.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Antragsgegnerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Antragsteller vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Antragsteller wendet sich gegen den Bebauungsplan Nr. 5 "Altdorf" der Antragsgegnerin.

Das 12,6 ha große Plangebiet umfasst den nördlichen Teil des Altdorfes von Wittdorf, einer Mitgliedsgemeinde der Samtgemeinde Bardowick. Das Plangebiet entspricht im Wesentlichen dem Zentrum der Gemeinde. Es ist mit landwirtschaftlichen Hofstellen, die teilweise aufgegeben worden sind und als Wohngebäude nachgenutzt werden, im Übrigen mit Wohngebäuden bebaut. Die östliche Grenze des Plangebiets bildet der Fluss Ilmenau, in dessen Überschwemmungsgebiet große Teile des Gebiets liegen.

Die Antragsgegnerin verfolgt seit Jahren das Ziel, die bäuerliche Landwirtschaft in der Ortslage und damit ihren dörflichen Charakter sowie ihr Ortsbild zu sichern. Nutzungskonflikte im Gemeindegebiet aufgrund einer grundsätzlich gewünschten Nutzungsmischung vor allem zwischen Landwirtschaft und Wohnen sollen ausgeschlossen, Umnutzungen ehemals landwirtschaftlicher Gebäude sowie die Nachverdichtung gesteuert und ortsbildverträglich begrenzt werden. Außerdem möchte die Antragsgegnerin einer unterschiedlichen und als ungerecht empfundenen Behandlung vom Bauanträgen einen rechtlichen Rahmen geben. Zu diesem Zweck führte sie im Jahr 2013 eine Bürgerbeteiligung durch und befragte im selben Jahr die ansässigen Landwirte im Hinblick darauf, welche landwirtschaftlichen Aktivitäten diese entfalteten und welche Erweiterungsabsichten sie hegten. Daraus resultierte die Aufstellung sowohl des hier streitgegenständlichen Plans Nr. 5 "Altdorf", dessen Aufstellung der Verwaltungsausschuss der Antragsgegnerin bereits am 13. November 2003 beschlossen hatte, sowie die Aufstellung des Bebauungsplans Nr. 8 "Altdorf-Süd", dessen ca. 23 ha großes Plangebiet unmittelbar südlich an das Plangebiet des Bebauungsplans Nr. 5 angrenzt. Aus der Begründung zum in diesem Verfahren zur Prüfung gestellten Plan Nr. 5 geht hervor, dass die beiden Bebauungspläne von Beginn an aufeinander abgestimmt und einheitlich angelegt worden sind. Beide Pläne wurden zunächst im Normalverfahren aufgestellt. Im vorgesehenen Geltungsbereich des hier streitgegenständlichen Plans Nr. 5 stellte die Antragsgegnerin im Planaufstellungsverfahren Abweichungen vom geltenden Flächennutzungsplan der Samtgemeinde Bardowick fest. Daraufhin beschloss die Antragsgegnerin, den Plan mit einer zulässigen Grundfläche von rund 46.800 m2 auf der Basis von § 13a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BauGB als einen Bebauungsplan der Innenentwicklung aufzustellen, um von der Möglichkeit einer Berichtigung des Flächennutzungsplans Gebrauch machen zu können. Einen Umweltbericht erstellte die Antragsgegnerin demzufolge nicht.

In seiner Sitzung am 19. März 2020 beschloss der Rat der Antragsgegnerin den hier streitgegenständlichen Bebauungsplan Nr. 5 als Satzung. Die amtliche Bekanntmachung erfolgte am 12. November 2020 (Amtsblatt für den Landkreis Lüneburg, S. 352 f.). Den Satzungsbeschluss des Bebauungsplans Nr. 8, der weiterhin im Normalverfahren aufgestellt werden soll, hat die Antragsgegnerin nach ihren eigenen Angaben im Hinblick auf die Entscheidung dieses Verfahrens zurückgestellt.

Mit wenigen Ausnahmen setzt der Plan für alle Grundstücksflächen innerhalb des Plangebiets ein Dorfgebiet als Art der baulichen Nutzung fest. Dabei wird zwischen drei Arten von Dorfgebieten, MD 1 bis MD 3, differenziert, die sich nach dem Grad der Zulässigkeit von geruchsintensiver Landwirtschaft einerseits und der Zulässigkeit der Wohnnutzung andererseits unterscheiden. Während in den als MD 1 und 2 festgesetzten Teilen geruchsintensive Landwirtschaft zulässig, das Wohnen aber in MD 1 unzulässig ist, ist in den Gebieten MD 2 und 3 das sonstige Wohnen uneingeschränkt zulässig und die Zulässigkeit von geruchsintensiven land- und forstwirtschaftlichen Betrieben in MD 3 ausgeschlossen. Zum Teil betreffen Festsetzungen - solche mit einem vorangestellten Ü - nur Flächen im Überschwemmungsgebiet. Die überbaubare Grundstücksfläche wird teils engmaschig am Bestand orientiert durch Baugrenzen festgelegt.

Der Antragsteller ist Eigentümer einer ehemaligen landwirtschaftlichen Hofstelle innerhalb des Plangebiets, die er im Jahr 2013 erworben hat und selbst bewohnt. Sein Grundstück ist im Bereich des Wohnhauses und eines nördlich davon gelegenen, ca. 20 m breiten und ca. 35-40 m langen Streifens als MD 2 festgesetzt, in dem sonstiges Wohnen erlaubt ist, im Übrigen als MD 1. Gegen diese Festsetzung hatte sich der Antragsteller bereits im Planaufstellungsverfahren gewandt und die aus seiner Sicht ungünstige Lage sowie zu geringe Größe des als MD 2 festgesetzten Gebiets bemängelt. Diesen Einwänden sowie seinen Alternativvorschlägen folgte die Antragsgegnerin unter Hinweis auf ihr städtebauliches Konzept, u.a. Freihaltung der rückwärtigen (ehemaligen) Hofflächen von nicht landwirtschaftlicher Bebauung, nicht.

Am 4. November 2021 hat der Antragsteller Normenkontrollantrag gegen den Bebauungsplan gestellt. In formeller Hinsicht rügt er unter anderem eine unzulässige Anwendung des § 13a BauGB. Die Bebauungspläne Nr. 5 und Nr. 8 sollten tatsächlich eine Einheit bilden, sodass die Anwendung des beschleunigten Verfahrens nur zulässig sei, wenn die zulässigen Grundflächen beider Pläne zusammen unterhalb von 70.000 m2 liegen würden, was nicht der Fall sei. Im Übrigen sei der Plan nicht erforderlich, weil es sich um eine reine Verhinderungsplanung handele. Es gehe der Antragsgegnerin nur darum, weitere Wohnnutzung zu verhindern. Der Plan sei auch nicht aus dem Flächennutzungsplan entwickelt und verstoße gegen Ziele der Raumordnung. Mit der Festsetzung von MD 1 bzw. von MD 1-Ü-Gebieten nehme die Antragsgegnerin unzulässig ein Festsetzungserfindungsrecht für sich in Anspruch. Der Bebauungsplan leide im Übrigen an Abwägungsfehlern. Für sein, des Antragstellers, Grundstück werde zu großen Teilen Wohnnutzung ausgeschlossen. Außerhalb des erwähnten Streifens in Nord-Süd-Richtung werde ihm die Errichtung von Wohngebäuden versagt. Die Antragsgegnerin habe seine Absicht, das Grundstück stattdessen in Ost-West-Richtung zu bebauen, nicht abgewogen.

Der Antragsteller beantragt,

den vom Rat der Antragsgegnerin am 19. März 2020 beschlossenen Bebauungsplan Nr. 5 "Altdorf", bekannt gemacht am 12. November 2020, für unwirksam zu erklären.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Sie verteidigt den Plan.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und die Beiakten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

Der zulässige Antrag ist begründet.

1.

Der Bebauungsplan leidet an formellen Fehlern, die zu seiner Unwirksamkeit führen. Er durfte nicht im beschleunigten Verfahren aufgestellt werden; die Voraussetzungen des § 13a Abs. 1 BauGB lagen nicht vor.

Nach § 13a Abs. 1 Satz 1 BauGB kann ein Bebauungsplan für die Wiedernutzbarmachung von Flächen, die Nachverdichtung oder andere Maßnahmen der Innenentwicklung (Bebauungsplan der Innenentwicklung) im beschleunigten Verfahren aufgestellt werden. Gemäß Satz 2 darf ein Bebauungsplan aber nur dann im beschleunigten Verfahren aufgestellt werden, wenn in ihm eine zulässige Grundfläche im Sinne des § 19 Abs. 2 BauNVO von weniger als 20.000 m2 (Satz 2 Nr. 1) oder die zulässige Grundfläche 20.000 m2 bis weniger als 70.000 m2 beträgt, wenn auf Grund einer überschlägigen Prüfung unter Berücksichtigung der in Anlage 2 des BauGB genannten Kriterien die Einschätzung erlangt wird, dass der Bebauungsplan voraussichtlich keine erheblichen Umweltauswirkungen hat, die nach § 2 Abs. 4 Satz 4 in der Abwägung zu berücksichtigen wären (Vorprüfung des Einzelfalls).

Die zu betrachtende zulässige Grundfläche im Sinne des § 19 Abs. 2 BauNVO überschreitet im vorliegenden Fall den Höchstwert von 70.000 m2. Zur zulässigen Grundfläche im Plangebiet des Bebauungsplans Nr. 5 "Altdorf" im Umfang von 46.809 m2 ist die zulässige Grundfläche im Plangebiet Nr. 8 "Altdorf-Süd" hinzuzurechnen. Letztere beträgt nach überschlägiger, nur auf die mittleren und südlichen Dorf- und Wohngebiete beschränkten Rechnung bei Zugrundelegung einer Grundflächenzahl von mindestens 0,5 bereits 35.000 m2, sodass in Summe die Grenze von 70.000 m2 bei weitem überschritten wird.

Die Zusammenrechnung der zulässigen Grundflächen beider Pläne beruht auf der Regelung des § 13a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Hs. 2 BauGB, die auch für Bebauungspläne zwischen 20.000 m2 und 70.000 m2 gilt und deren Anwendung auch nicht entgegensteht, dass der Plan Nr. 8 im Normalverfahren aufgestellt werden soll (dazu unter a). Die Voraussetzungen für eine Zusammenrechnung liegen im konkreten Fall auch vor, weil die Pläne in einem engen sachlichen (dazu unter b), räumlichen (dazu unter c) und zeitlichen Zusammenhang (dazu unter d) aufgestellt wurden bzw. werden sollen. Die aus der fehlerhaften Verfahrenswahl resultierenden Fehler führen zur Unwirksamkeit des Plans (dazu unter e). Im Einzelnen:

a) Gemäß § 13a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Hs. 2 BauGB sind die Grundflächen mehrerer Bebauungspläne, die in einem engen sachlichen, räumlichen und zeitlichen Zusammenhang aufgestellt werden, mitzurechnen. Diese Kumulationsregelung gilt nach allgemeiner Meinung, der sich auch der Senat anschließt, entgegen der systematischen Stellung bei allen Bebauungsplänen im Sinne des § 13a BauGB mit einer durch sie festgesetzten zulässigen Grundfläche unterhalb von 70.000 m2 (Kment, in: Jarass/Kment, BauGB, 3. Aufl. 2022, § 13a Rn. 3; Battis, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 15. Aufl. 2022, § 13a Rn. 6; Rieger, in: Schrödter, BauGB, 9. Aufl. 2019, § 13a Rn. 15; Gierke/Scharmer, in: Brügelmann, BauGB, § 13a Rn. 78, Stand: Oktober 2018; i.E. wohl auch Krautzberger/Kerkmann, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, § 13a Rn. 42, Stand: Februar 2019). Dabei kann offenbleiben, ob § 13a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Hs. 2 BauGB auf die Fälle des § 13a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BauGB analoge Anwendung findet oder sich das Gebot der Zusammenschau mehrerer im Zusammenhang aufzustellender Pläne mit der Folge der Unanwendbarkeit des beschleunigten Verfahrens unmittelbar aus Nr. 1.2 und 2.2 der Anlage 2 zu § 13a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BauGB ergibt. Im Ergebnis steht fest, dass zusammenhängende Pläne gemeinsam zu betrachten sind.

Dies gilt auch dann, wenn der in Betracht zu ziehende andere Bebauungsplan im Normalverfahren aufgestellt wird (so auch Gierke/Scharmer, in: Brügelmann, BauGB, § 13a Rn. 85, Stand: Oktober 2018). Der Gegenansicht, die eine Addition der Grundflächen in einem solchen Fall auf Missbrauchsfälle beschränken will (VGH BW, Urt. v. 29.10.2013 - 3 S 198/12 -, BRS 81 Nr. 43 = NVwZ-RR 2014, 171 = juris Rn. 30; so auch Kröninger, in: Kröninger/Aschke/Jeromin, BauGB, 5. Aufl. 2024, § 13a Rn. 15; Krautzberger/Kerkmann, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, § 13a Rn. 44, Stand: Februar 2019; Rieger, in: Schrödter, BauGB, 9. Aufl. 2019, § 13a Rn. 14), vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Vielmehr ist die Einbeziehung schon europarechtlich geboten.

Gemäß Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie 2001/42/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2001 über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme - Plan-UP-RL - bedürfen Pläne, die die Nutzung kleiner Gebiete auf lokaler Ebene festlegen, nur dann einer Umweltprüfung, wenn die Mitgliedstaaten bestimmen, dass sie voraussichtlich erhebliche Umweltauswirkungen haben. Gemäß Art. 3 Abs. 5 Plan-UP-RL bestimmen die Mitgliedstaaten entweder durch Einzelfallprüfung oder durch Festlegung von Arten von Plänen und Programmen oder durch eine Kombination dieser beiden Ansätze, ob die unter anderem in Abs. 3 genannten Pläne voraussichtlich erhebliche Umweltauswirkungen haben. Zu diesem Zweck berücksichtigen die Mitgliedstaaten näher genannte Kriterien, um sicherzustellen, dass Pläne und Programme, die voraussichtlich erhebliche Umweltauswirkungen haben, von der Richtlinie erfasst werden. Eine gesetzliche Regelung hat aber sicherzustellen, dass das Regelungsziel nicht durch die Aufsplitterung von Projekten umgangen werden kann. Erforderlich ist demnach eine Gesamtbeurteilung (vgl. EuGH, Urt. v. 21.9.1999 - C-392/96 -, ZUR 2000, 284 = juris Rn. 76 zu einer vergleichbaren Regelung im Recht der UVP). Diese Gesamtbeurteilung erfordert die Einbeziehung eines Bebauungsplans unabhängig davon, in welchem Verfahren er aufgestellt wird. Ansonsten hätte es der Satzungsgeber in der Hand, durch einen geeigneten Zuschnitt seiner Plangebiete und entsprechender Verfahrenswahl zu bewirken, dass etwa ein problematischer Teil des Plangebiets aus einem Bebauungsplan ausgegliedert und eigens durch einen Plan gemäß § 13a BauGB ohne Umweltverträglichkeitsprüfung beplant werden könnte. Dass bei Aufstellung eines Bebauungsplans im Normalverfahren für das restliche Plangebiet eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt werden müsste und in deren Rahmen nach Nr. 2 Buchst. b Unterbuchst. ff. der Anlage 1 zum BauGB die kumulierenden Auswirkungen von Vorhaben benachbarter Plangebiete in Betracht gezogen werden würde, würde einen Missbrauch nicht verhindern. Diese Prüfung könnte nämlich nicht verhindern, dass im gemäß § 13a BauGB geplanten Gebiet die eigentlich umweltunverträglichen Vorhaben realisiert würden.

b) Der für die Zusammenrechnung erforderliche sachliche Zusammenhang i.S.v. § 13a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BauGB wird dadurch begründet, dass beiden Plänen ein einheitliches städtebauliches Konzept zugrunde liegt. Wörtlich heißt es in der Planbegründung des Bebauungsplans Nr. 5 "Altdorf":

"Im Süden grenzt das Plangebiet an Flächen mit wohnbaulicher und mit landwirtschaftlicher Nutzung. Es handelt sich dabei um eine Satzung und den im Aufstellungsverfahren befindlichen Bebauungsplan Nr. 8 ,Altdorf-Süd' der Gemeinde Wittorf. B-Plan Nr. 5 und B-Plan Nr. 8 wurden von Beginn an einheitlich angelegt. Die Planungen sind aufeinander abgestimmt, so dass in dieser Hinsicht keine Konflikte zu erwarten sind. Der B-Plan Nr. 8 wird mit paralleler Änderung des FNP im Normalverfahren aufgestellt und befindet sich zum Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses für vorliegenden Bebauungsplan in der Erarbeitung des Vorentwurfs." (S. 20 der Planbegründung zum B-Plan Nr. 5)

In der Entwurfsbegründung des Bebauungsplans Nr. 8 führt die Antragsgegnerin aus:

"Die städtebaulichen Ziele decken sich mit denen des Bebauungsplans Nr. 5 für das angrenzende Altdorf, das als Einheit mit dem Plangebiet betrachtet werden kann." (S. 8 des Entwurfs der Planbegründung zum B-Plan Nr. 8)

und ebenfalls

"Die B-Pläne Nr. 5 und Nr. 8 sind inhaltlich aufeinander abgestimmt." (S. 14 des Entwurfs der Planbegründung zum B-Plan Nr. 8)

c) Der enge räumliche Zusammenhang ergibt sich ohne Weiteres daraus, dass die Plangebiete direkt aneinandergrenzen und jeweils das Altdorf, also ein zusammenhängendes Gebiet, der Antragsgegnerin betreffen.

d) Der notwendige zeitliche Zusammenhang bestand bereits zu Beginn beider Planaufstellungsverfahren. In beiden Fällen ist im März 2013 eine Bürgerbeteiligung durchgeführt worden. Beiden Verfahren ist auch gemein, dass die Antragsgegnerin im Mai 2013 eine Befragung der ortsansässigen Landwirte durchgeführt hat, um unter anderem deren Ausbauabsichten zu ermitteln. Der Zusammenhang ist auch im weiteren Verfahren nicht dadurch aufgehoben worden, dass das Planaufstellungsverfahren bezüglich des Plans Nr. 8 gestoppt wurde. Die Antragsgegnerin hat das Verfahren lediglich angehalten, um den Ausgang des hier zu entscheidenden Normenkontrollverfahrens abzuwarten. Sie hat ihre Planungsabsichten daher nicht - was eine andere Betrachtung rechtfertigen könnte - auf unbestimmte Zeit ausgesetzt, sodass etwa fraglich wäre, ob sie diese Planung noch einmal aufnimmt und zu Ende führen wird. Vielmehr waren auf der Internet-Homepage der Samtgemeinde unter der Rubrik "Beteiligungsverfahren" auch am Tag der mündlichen Verhandlung noch die Unterlagen zum weiteren Planaufstellungsverfahren bezüglich des Bebauungsplans Nr. 8 abrufbar. In der mündlichen Verhandlung haben die Vertreter der Antragsgegnerin bekräftigt, dass sie das Ergebnis dieses Verfahrens lediglich abwarten wollten, um daraus eventuelle Folgerungen für das Parallelverfahren zu ziehen.

e) Der Bebauungsplan leidet aufgrund der Wahl des beschleunigten Verfahrens an beachtlichen Mängeln, weil die Antragsgegnerin - insoweit folgerichtig - weder eine Umweltprüfung vorgenommen (§ 2 Abs. 4 BauGB) noch einen Umweltbericht (§ 2a Satz 2 Nr. 2 BauGB) erstellt hat. Der Fehler ist nach § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BauGB beachtlich, innerhalb der Frist des § 215 Abs. 1 Satz 1 BauGB geltend gemacht worden und führt zur Gesamtunwirksamkeit des Bebauungsplans.

2.

Für den Fall eines Heilungsversuchs weist der Senat vorsorglich auf folgende Punkte hin:

a) Die Planung verstößt nicht gegen § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB. Danach dürfen Bauleitpläne nur aufgestellt werden, sobald und soweit dies für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich ist. Dem Kriterium der städtebaulichen Rechtfertigung kommt nach der Rechtsprechung des Senats dieselbe Funktion zu wie demjenigen der Planrechtfertigung im Planfeststellungsrecht, nämlich die Planung, die ihre Rechtfertigung nicht in sich selbst trägt, im Hinblick auf die damit verbundenen Rechtseinwirkungen in Einklang mit den gesetzlich zulässigen Planungszielen zu bringen und auf diese Weise grundsätzlich zu rechtfertigen. Nicht erforderlich im Sinne des § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB sind danach Pläne, die nicht dem wahren Willen der Gemeinde entsprechen, bei denen also zwischen Planungswillen und Planungsinhalt eine Diskrepanz besteht, sowie Pläne, die einer positiven Planungskonzeption entbehren und ersichtlich der Förderung von Zielen dienen, für deren Verwirklichung die Planungsinstrumente des Baugesetzbuches nicht bestimmt sind. § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB ist ferner verletzt, wenn ein Bebauungsplan aus tatsächlichen oder Rechtsgründen auf Dauer oder auf unabsehbare Zeit der Vollzugsfähigkeit entbehrt. In dieser Auslegung setzt § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB der Bauleitplanung eine erste, wenn auch strikt bindende Schranke, die lediglich grobe und einigermaßen offensichtliche Missgriffe ausschließt. Sie betrifft die generelle Erforderlichkeit der Planung, nicht hingegen die Einzelheiten einer konkreten planerischen Lösung. Dafür ist das Abwägungsgebot maßgeblich, das im Hinblick auf gerichtliche Kontrolldichte, Fehlerunbeachtlichkeit und heranzuziehende Erkenntnisquellen abweichenden Maßstäben unterliegt. Deswegen kann die Abgewogenheit einer Bebauungsplanung und ihrer Festsetzungen nicht bereits zum Maßstab für deren städtebauliche Erforderlichkeit gemacht werden (vgl. zum Ganzen BVerwG, Urt. v. 5.5.2015 - 4 CN 4.14 -, NVwZ 2015, 1537 = juris Rn. 10 m.w.N.).

Daran gemessen verfolgt die Antragsgegnerin zulässige Ziele, die nicht auf eine reine Verhinderungsplanung hinauslaufen. Sie hat sich zum Ziel gesetzt, die bäuerliche Landwirtschaft im Ort zu halten, den Verlust des stellenweise noch intakten Ortsbildes durch eine ungesteuerte Nachverdichtung zu vermeiden, eine bislang mangels Bebauungsplans allein gemäß § 34 BauGB erfolgende Genehmigungspraxis, die zu teilweise als ungerecht empfundenen Ergebnissen geführt hat, in Bahnen zu lenken und Nutzungskonflikte auszuschließen, die aus dem Nebeneinander insbesondere von Landwirtschaft und Wohnen resultieren (Planbegründung Abschnitt 2.1 und 2.2, S. 7 f.). Ihr stehen damit konkrete städtebauliche Ziele vor Augen, die sie mit der Planung verfolgt.

b) Mit der Planung verstößt die Antragsgegnerin auch nicht gegen Ziele der Raumordnung im Sinne des § 1 Abs. 4 BauGB. In Betracht kommt allein ein Verstoß gegen das im Regionalen Raumordnungsprogramm des Landkreises Lüneburg als Ziel ausgewiesene Verbot, unterhalb der Ebene von Grundzentren und ohne Schwerpunktaufgabe "Sicherung vorhandener Infrastruktur" Wohnflächen über die dort genannten Grenzen hinaus auszuweisen (Nr. 2.1 14 RROP 2003 i.d.F.d. 2. Änderung 2016). Nach Sinn und Zweck dieses Ziels soll vermieden werden, unterhalb der genannten Ebene neue Wohngebiete auszuweisen und dadurch eine Zersiedelung herbeizuführen, die ihrerseits einen Bedarf für zusätzliche Infrastruktur (in Form von Straßen, Schulen, etc.) nach sich zieht. Hiermit vereinbar ist aber jedenfalls eine Planung, die gerade einer ungeregelten Ausweitung der Wohnnutzung im Plangebiet entgegenwirken soll, die ohne die Planung auf bisher unbebauten Flächen gemäß § 34 BauGB droht, mit anderen Worten also die zulässige Wohnnutzung nicht erweitert, sondern zurücknimmt.

c) Entgegen den Ausführungen des Antragstellers ist die Festsetzung von drei Dorfgebietstypen MD 1 bis 3 mit dem Ziel, Wohnen nur in Bereichen zuzulassen, in denen keine störende Geruchsbelastung zu erwarten ist, nicht zu beanstanden und stellt insbesondere keinen Verstoß gegen das Verbot des Festsetzungserfindungsrechts dar. In der Rechtsprechung des Senats ist geklärt, dass eine Zonung der Nutzungen nach § 1 Abs. 4 BauNVO mit dem Charakter eines Dorfgebiets grundsätzlich vereinbar ist. Abweichendes mag dann gelten, wenn etwa die für das Wohnen und für die Landwirtschaft vorgesehenen Teilflächen derart weit voneinander entfernt liegen, dass sie sich wechselseitig nicht mehr beeinflussen, mithin bei wertender Betrachtung nicht mehr von "einem" (gegliederten) Baugebiet die Rede sein kann (vgl. Senatsurt. v. 15.6.2023 - 1 KN 122/21 -, ZfBR 2023, 595 = BauR 2023, 1908 = juris Rn. 21). Ein solcher Fall liegt hier indes ersichtlich nicht vor.

d) Der Plan leidet auch nicht an Abwägungsfehlern.

Das in § 1 Abs. 7 BauGB verankerte Abwägungsgebot ist verletzt, wenn eine (sachgerechte) Abwägung überhaupt nicht stattfindet, wenn in die Abwägung Belange nicht eingestellt werden, die nach Lage der Dinge hätten eingestellt werden müssen, wenn die Bedeutung der betroffenen privaten Belange verkannt wird oder wenn der Ausgleich zwischen den von der Planung berührten öffentlichen Belangen in einer Weise vorgenommen wird, der zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht. Innerhalb des so gezogenen Rahmens ist das Abwägungsgebot nicht verletzt, wenn sich die Gemeinde in der Kollision zwischen verschiedenen Belangen für die Bevorzugung des einen und damit notwendig für die Zurückstellung eines anderen entscheidet (BVerwG, Urt. v. 12.12.1969 - IV C 105.66 -, BVerwGE 34, 301 = juris Rn. 29). Zur Unwirksamkeit des Plans führen nur Abwägungsfehler, die offensichtlich und auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen sind (§ 214 Abs. 3 Satz 2, 2. Hs. BauGB).

Derartige Abwägungsfehler sind nicht ersichtlich. Die Antragsgegnerin verfolgt konsequent ihr Ziel, mittels Baufenstern bzw. der Festsetzung von mit Wohngebäuden unbebaubaren Grundstücksflächen als MD 1-Gebiet die Bebauung in zweiter Reihe zu verhindern und die (ehemaligen) rückwärtigen Hofflächen von Wohnbebauung freizuhalten. Die Beschränkungen der Nutzung seines Eigentums bewegen sich auch für den Antragsteller noch in einem Rahmen, der keine unverhältnismäßige Inhaltsbestimmung im Sinne des Art. 14 Abs. 1 GG darstellt. Ihm verbleiben in dem als MD 2 festgesetzten Gebiet noch mehr als 600 m2 bebaubare Fläche, um zu Wohnzwecken Gebäude zu errichten. Auch die Nord-Süd-Ausrichtung der zu Wohnzwecken nutzbaren Fläche ist trotz der vom Antragsteller in der mündlichen Verhandlung nochmals geschilderten Nachteile von der Planungshoheit der Antragsgegnerin gedeckt. Das Ziel, die rückwärtige Hoffläche von Wohnbebauung freizuhalten, damit die Struktur der ehemaligen Höfe im Ortsbild erkennbar bleibt, ist von ausreichendem Gewicht, um das gegenläufige Interesse des Antragstellers zu überwinden. Zwingend ist das jedoch nicht. Im Falle eines Heilungsversuchs könnte die Antragsgegnerin genauso abwägungsfehlerfrei und ohne Abweichung von ihrem Konzept einen um 90° gedrehten, dann einen in Ost-West-Richtung verlaufenden gleich großen Streifen zur Wohnbebauung einräumen.

Soweit der Antragsteller bemängelt, auch sein Bestandsgebäude mit einer Nutzfläche von 480 m2 in maximal zwei Wohnungen unterteilen zu können, hat die Antragsgegnerin solche Fälle bedacht. Nach der textlichen Festsetzung 5.1 kann bei zum Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses bestehenden Gebäuden eine höhere Wohnungszahl ausnahmsweise zugelassen werden, wenn dadurch das äußere Erscheinungsbild des Gebäudes gewahrt bleibt.

Nur ergänzend merkt der Senat schließlich an, dass die Antragsgegnerin ein etwaiges Heilungsverfahren nutzen sollte, um die unstimmige Höhenfestsetzung für das MD 1 zu korrigieren.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 709 Satz 2, 711 Satz 1 und 2 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.

Streitwertbeschluss:

Der Streitwert wird auf 30.000 € EUR festgesetzt.

Der Beschluss ist unanfechtbar (§§ 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Prof. Dr. Lenz
Dr. Tepperwien
Feldmann