Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 14.10.2020, Az.: 13 ME 278/20

Aufenthaltserlaubnis, Ehegattennachzug; IS; Terrorismus

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
14.10.2020
Aktenzeichen
13 ME 278/20
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2020, 71815
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 06.07.2020 - AZ: 12 B 1328/20

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Zu den Voraussetzungen der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung nach § 27 Abs. 3a Nr. 1 AufenthG

Tenor:

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Hannover - 12. Kammer - vom 6. Juli 2020 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 2.500 EUR festgesetzt.

Gründe

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ablehnenden Beschluss des Verwaltungsgerichts Hannover - 12. Kammer - vom 6. Juli 2020 hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend den Antrag der Antragstellerin abgelehnt, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ablehnenden und die Abschiebung androhenden Bescheid der Antragsgegnerin anzuordnen. Die von der Antragstellerin mit der Beschwerde geltend gemachten Gründe, auf deren Prüfung sich der Senat nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zu beschränkten hat, gebieten eine Änderung der angefochtenen erstinstanzlichen Entscheidung nicht.

Die Antragstellerin macht mit ihrer Beschwerde geltend, das Verwaltungsgericht habe den Begriff der Unterstützung des Terrorismus im Sinne des § 27 Abs. 3a Nr. 1 AufenthG zu weit ausgelegt. Der Ehemann der Antragstellerin habe die Moschee des am 14. März 2017 verbotenen Deutschsprachigen C. e.V. nur zur Religionsausübung besucht und von der dortigen Islamistenszene keine Kenntnis gehabt. Der Ehemann sei von der D. zur C. gewechselt, da sein überwiegender Freundeskreis die C. besucht habe und es einen kleineren Konflikt bei der D. gegeben habe. Das vom C. angebotene Seminar in E., bei dem F. gesprochen habe, sei wie ein Jugendherbergs-Ausflug angeboten worden. Der Ehemann selbst sei während des Seminars erkrankt und habe die meiste Zeit im Bett gelegen. Allein aus dem neunmaligen Moscheebesuch und dieser Seminarteilnahme würden sich keine Unterstützungshandlungen ergeben. Der Ehemann sei keine allzu bekannte Person, nicht charismatisch und rede kaum.

Diese Einwände verhelfen der Beschwerde nicht zum Erfolg. Nach der im Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes nur möglichen summarischen Prüfung steht der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke des Familiennachzugs der Versagungsgrund nach § 27 Abs. 3a Nr. 1 AufenthG entgegen. Die Feststellung, dass der C. eine Vereinigung war, die den Terrorismus unterstützt, wird von der Antragstellerin nicht angegriffen. Der Einwand, ihr Ehemann habe den C. nicht unterstützt, überzeugt den Senat nicht.

Die individuelle Unterstützung einer terroristischen Vereinigung oder einer Vereinigung, die eine terroristische Vereinigung unterstützt, im Sinne des § 27 Abs. 3a Nr. 1 AufenthG erfasst alle Verhaltensweisen, die sich in irgendeiner Weise positiv auf die Aktionsmöglichkeiten der Vereinigung auswirken. Darunter kann die Mitgliedschaft in der terroristischen oder in der unterstützenden Vereinigung ebenso zu verstehen sein wie eine Tätigkeit für eine solche Vereinigung ohne Mitgliedschaft. Auch die bloße Teilnahme an Demonstrationen oder anderen Veranstaltungen kann eine Unterstützung in diesem Sinne darstellen, wenn sie geeignet ist, eine positive Außenwirkung im Hinblick auf die missbilligten Ziele zu entfalten. Weiterhin gilt für die Fälle des Unterstützens einer terroristischen Vereinigung ein abgesenkter Gefahrenmaßstab, der auch die Vorfeldunterstützung des Terrorismus erfasst und keine von der Person ausgehende konkrete und gegenwärtige Gefahr erfordert. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist der Unterstützerbegriff weit auszulegen und anzuwenden, um damit auch der völkerrechtlich begründeten Zwecksetzung des Gesetzes gerecht zu werden, dem Terrorismus schon im Vorfeld die logistische Basis zu entziehen. Maßgeblich ist, inwieweit das festgestellte Verhalten des Einzelnen zu den latenten Gefahren der Vorfeldunterstützung des Terrorismus nicht nur ganz unwesentlich oder geringfügig beiträgt und deshalb selbst potenziell als gefährlich erscheint. In subjektiver Hinsicht muss für den Ausländer die eine Unterstützung der Vereinigung, ihrer Bestrebungen oder ihrer Tätigkeit bezweckende Zielrichtung seines Handelns erkennbar und ihm deshalb zurechenbar sein. Auf eine darüberhinausgehende innere Einstellung kommt es nicht an (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.7.2017 - 1 C 28/16 -, juris Rn. 21f. m.w.N. zum inhaltsgleichen § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG).

Unter Anwendung dieses Maßstabs erachtet auch der Senat aufgrund der Gesamtumstände eine derartige Unterstützung einer terroristischen Vereinigung durch den Ehemann der Antragstellerin für glaubhaft.

Mit dem über den Erstkontakt hinausgehenden Besuch der C. und der Teilnahme an einem C.-Seminar sowie die Anreise dorthin im Auto eines der Prediger der C. ist der Ehemann als Unterstützter in diesem Sinne anzusehen. Bereits durch seine nicht nur flüchtige Anwesenheit hat er zu erkennen gegeben, dem C. offen gegenüber zu stehen und so dazu beigetragen, ihn zu legitimieren.

Die bestärkende Wirkung, die wiederholte Moscheebesuche für salafistische Vereinigungen haben, ist nicht zu unterschätzen. Die Rekrutierung und Indoktrinierung von Anhängern wird nicht nur vereinfacht, sondern vielfach erst ermöglicht, wenn derartige Vereinigungen sich als gemeinschaftsstiftende Orte darstellen können und so zu Anlaufstellen für andere Moslems werden. Der Ehemann hat im Aufklärungsgespräch am 5. März 2019 selbst erwähnt, die C. gewählt zu haben, weil diese immer offen gewesen sei. Je mehr Personen sich in diesen Gemeindezentren aufhalten, umso einladender wirken sie auf Außenstehende.

Jedenfalls zusammen mit der Seminarteilnahme und der Anreise dorthin ist von einer Unterstützung auszugehen. Auch wenn der Ehemann selbst keine aktive Rolle bei dem Seminar eingenommen haben sollte, so kann bereits seine körperliche Anwesenheit andere Seminarteilnehmer zur Teilnahme motiviert und bestärkt haben. Der Vortrag, während des Seminars sei der Ehemann nur krank im Bett gelegen, wertet der Senat als unglaubhafte Schutzbehauptung.

Das Verwaltungsgericht hat im angefochtenen Beschluss zudem herausgearbeitet, dass die islamistische Ausrichtung des C. dem Ehemann der Antragstellerin nicht hätte verborgen bleiben können. Der Senat verweist auf die detaillierten Ausführungen des Verwaltungsgerichts (Beschlussabdruck S. 8-10) und macht sie sich zu eigen (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG und Nrn. 8.1 und 1.5 Satz 1 Halbsatz 1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NordÖR 2014, 11).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).