Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 22.10.2020, Az.: 8 ME 99/20
Genehmigung; Gesamtinteresse; Handlungsfreiheit; Kammerversammlung; Kompetenz; Kompetenzen; Minderheitsauffassung; Objektivität; Pflegekammer; Pflichtmitgliedschaft; Pressemitteilung; Sachlichkeit; Verfahren; Vorstand; Äußerung
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 22.10.2020
- Aktenzeichen
- 8 ME 99/20
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2020, 71818
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG - 24.09.2020 - AZ: 7 B 4667/20
Rechtsgrundlagen
- Art 2 Abs 1 GG
- § 15 S 1 Nr 6 PflKG ND
- § 21 Abs 1 PflKG ND
- § 9 Abs 1 Nr 1 PflKG ND
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
1. Bei öffentlichen Äußerungen darf die Pflegekammer Niedersachsen im Falle höchst umstrittener Fragen ihre Mehrheitsauffassung nicht apodiktisch mitteilen, sondern muss zugleich die Minderheitsauffassung(en) offenlegen und die zur Mehrheitsauffassung führende Abwägung der verschiedenen Positionen erkennbar machen.
2. Grundsätzlich ist die Information der Presse als laufendes Geschäft der Kammer dem Vorstand zugewiesen. Die der eigentlichen Pressearbeit vorausliegende Bestimmung bzw. Bildung des Gesamtinteresses in bedeutenden und unter den Kammermitgliedern unterschiedlich beurteilten Angelegenheiten obliegt der Kammerversammlung.
Tenor:
Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Hannover - 7. Kammer - vom 24. September 2020 wird zurückgewiesen.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5000 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Auf Antrag der Antragstellerin, die Mitglied der Antragsgegnerin ist, hat das Verwaltungsgericht die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, die Pressemitteilung vom 7. September 2020 („Pflege darf nicht auf stumm geschaltet werden“) mit sofortiger Wirkung von ihrer Homepage zu entfernen.
Die Pressemitteilung lautet:
„Pflege darf nicht auf stumm geschaltet werden
Das Ergebnis der Online-Befragung des niedersächsischen Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung unter den Mitgliedern der Pflege-kammer ist keine valide Entscheidungsgrundlage gegen die Pflegekammer Niedersachsen.
Hannover, 07.09.2020 - Von den 78.000 angeschriebenen Pflegekräften haben nur knapp 15.100 Teilnehmende, also nur 19 % online geantwortet. Aus dem Ergebnis, dass etwa 13,7 % der Befragten eine Pflegekammer ablehnen, kann kein Auftrag abgeleitet werden, die Pflegekammer infrage zu stellen. Nach Angaben des Niedersächsischen Sozialministeriums hatten sich bei der Umfrage 70,6 % der 15.100 Antwortenden gegen den Fortbestand der Pflegekammer ausgesprochen, 22,6 % stimmten für einen Fortbestand der Kammer, 6,8 % der Antwortenden enthielten sich. Die Umfrage war vom 29. Juli bis zum 6. September 2020 unter 78.000 Mitgliedern der Pflegekammer Niedersachsen durchgeführt worden.
‚Die Pflegekammer Niedersachsen ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechtes. Sie beruht auf einem gesetzlichen Auftrag, den der Landtag des Landes Niedersachsen erteilt hat. Er kann nicht einfach auf der Basis eines Minderheitenvotums revidiert werden. Dies ist rechtlich mehr als fragwürdig‘, betont E., Präsidentin der Pflegekammer Niedersachsen.
Selbst bei einem Volksentscheid, bei dem die Wahlberechtigten dem Landtag einen gesetzlichen Auftrag erteilen können, bedarf es eines Quorums von 25 % Zustimmung aller Wahlberechtigten. Hiervon sind die Ergebnisse der Online-Umfrage weit entfernt. Nur 13,7 % der Befragten haben sich gegen den Fortbestand der Pflegekammer Niedersachsen ausgesprochen. Eine Bewertung der Arbeit der Pflegekammer aufgrund dieser Ergebnisse entbehrt jeder Grundlage.
Der gesetzliche Auftrag und die begonnene Arbeit der Pflegekammer Niedersachsen muss im Interesse der Pflegekräfte weiter aufgebaut und ausgebaut werden. Einen großen Berufsstand in die selbstverwaltete Autonomie zu führen, braucht mehr als zwei Jahre. Dennoch hat die Pflegekammer seit der konstituierenden Sitzung der Kammerversammlung im August 2018 unter großem Zeitdruck bereits zahlreiche Projekte realisiert.
Beispielhaft seien genannt:
- Die Pflegekammer Niedersachsen hat einen ersten Bericht zur Lage der Pflegefachberufe auf Grundlage einer Vollerhebung veröffentlicht. Damit stehen valide Daten zur Grundgesamtheit der Pflegefachberufe und zur pflegerischen Versorgung in Niedersachsen zur Verfügung. Der Bericht ist vor allem für Kommunalpolitiker eine wichtige Grundlage für zukunftsfähige Entscheidungen in der Pflege.
- Die Pflegekammer Niedersachsen hat landesweit 25 Regionalkonferenzen durchgeführt. Auf diesen haben die Kammermitglieder über die Inhalte der zu erstellenden Berufsordnung diskutiert. Erstmals hatten Pflegende gemeinsam die Möglichkeit sich mit ihrem Berufsverständnis auseinanderzusetzen.
- Die Pflegekammer Niedersachsen hat eine Ethikkommission errichtet. Diese berät die Mitglieder der Pflegekammer. Bisher hatten Pflegekräfte kaum die Möglichkeit, sich mit ethisch versierten Fachleuten auszutauschen.
- Die Pflegekammer Niedersachsen vertritt ihre Mitglieder in verschiedenen Gremien auf Landesebene (z.B. der Landespflegeausschuss des Landtags Niedersachsen). In den Gremien haben die dort engagierten Pflegekammermitglieder jetzt einen Sitz und Stimme.
- Die Pflegekammer Niedersachsen hat in Zusammenarbeit mit den anderen beiden Pflegekammern Vertreter in der Konzertierten Aktion Pflege auf Bundesebene gestellt, die sich für die Verbesserung der Pflege einsetzen.
- Die Pflegekammer Niedersachsen ist Ansprechpartner bei pflegefachlichen und pflegeberuflichen Anliegen. Allein 2019 hat sie fast 20.000 Anfragen im Bereich der Mitgliederkommunikation beantwortet.
Auch in Zeiten von Corona vertritt die Pflegekammer die Interessen der Pflegekräfte:
- Die Präsidentin der Pflegekammer Niedersachsen hat sich dafür eingesetzt, dass nicht nur diejenigen Anspruch auf eine Kindernotbetreuung haben, wenn beide Elternteile in der Pflege arbeiten, sondern dass jede Pflegekraft unabhängig vom Beruf des Partners Anspruch auf die Kindernotbetreuung hat.
- Bereits am 15. März dieses Jahres hat die Präsidentin E. die Systemrelevanz der Pflegekräfte deutlich gemacht und ausreichend Schutzmaterial und regelmäßige Testungen gefordert.
- Derzeit arbeitet die Kammer an einer neuen Weiterbildungsordnung. Das Land Niedersachsen hat die Weiterbildungsordnung 18 Jahre nicht erneuert. Die Pflegekammer hat auf den dringenden Bedarf reagiert und begonnen eine am Bedarf der Pflege ausgerichtete Weiterbildungsordnung zu erstellen.
- Die Pflegekammer arbeitet aktuell am Aufbau einer unabhängigen Meldestelle, um Missstände anzuzeigen. Als Behörde wird sie bei anderen Behörden weitaus besser wahrgenommen als einzelne Pflegefachpersonen.
E., Präsidentin der Pflegekammer fordert daher: ‚Das niedersächsische Gesundheitsministerium soll der Pflegekammer die notwendige Zeit geben, ihren gesetzlichen Auftrag weiter zu erfüllen. Pflege darf nicht auf stumm geschaltet werden! Die systemrelevante Berufsgruppe der Pflegekräfte braucht eine starke Stimme, die ihre mehr als berechtigten Interessen vertritt.‘
Die Pflegekammer Niedersachsen
Die Pflegekammer Niedersachsen ist die dritte und größte Pflegekammer Deutschlands. Sie besteht seit dem 01. Januar 2017. Sie ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts. Ihr Sitz ist in Hannover. Über 90.000 Pflegefachpersonen mit Abschlüssen in der Altenpflege, Gesundheits- und Kranken- sowie Gesundheits- und Kinderkrankenpflege sind Mitglied der Kammer. Die Pflegekammer setzt sich dafür ein, die Situation der Pflegefachberufe zu verbessern, den Pflegeberuf weiterzuentwickeln und die professionelle Pflege der Bevölkerung sicherzustellen.“
Die Antragsgegnerin führt Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts.
II.
Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg. Aus den mit ihr dargelegten Gründen, auf deren Prüfung das Oberverwaltungsgericht beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), ergibt sich nicht, dass das Verwaltungsgericht dem Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz zu Unrecht stattgegeben hätte. Insbesondere ist ein Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Die Antragstellerin kann von der Antragsgegnerin verlangen, dass diese die Verlautbarung der Pressemitteilung vom 7. September 2020 unterlässt. Das umfasst auch die verfahrensgegenständliche Entfernung von der Homepage.
1. Anspruchsgrundlage ist die in Art. 2 Abs. 1 GG garantierte allgemeine Handlungsfreiheit. Die allgemeine Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG gibt dem Grundrechtsträger das Recht zur Abwehr „unnötiger“ Zwangsverbände. Die Begründung und die Ausgestaltung der Pflichtmitgliedschaft in einem solchen Verband müssen durch formelles Gesetz gedeckt und verhältnismäßig sein. Überschreitet die Kammer die ihr verfassungskonform zugewiesenen Kompetenzen, greift sie ohne gesetzliche Grundlage in die allgemeine Handlungsfreiheit ihrer Pflichtmitglieder ein. Diesen gibt Art. 2 Abs. 1 GG das Recht, Kompetenzüberschreitungen der Kammer abzuwehren, und zwar unabhängig davon, ob sie durch die Kompetenzüberschreitung einen darüber hinausgehenden rechtlichen oder faktischen Nachteil erleiden (vgl. BVerfG, Urt. v. 12.7.2017 - 1 BvR 2222/12, 1 BvR 1106/13 -, BVerfGE 146, 164, juris Rn. 109; BVerwG, Urt. v. 23. 3.2016 - 10 C 4.15 -, BVerwGE 154, 296, juris Rn. 13 f. m.w.N.).
a) Gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 1 PflegeKG ist es die Aufgabe der Antragsgegnerin, im Einklang mit den Interessen der Allgemeinheit gemeinsame berufliche Belange der Kammermitglieder wahrzunehmen. Zu den damit angesprochenen Aufgaben der Standesvertretung zählt insbesondere, die Interessen der verkammerten Berufsgruppen systematisch, professionell und kontinuierlich zu bündeln und sie - in Abwägung mit dem Allgemeininteresse - mit dem Anspruch auf Vollständigkeit und Verbindlichkeit nach innen sowie nach außen, insbesondere in Gesetzgebungsverfahren sowie sonstigen Entscheidungsprozessen mit Relevanz für die vertretenen Berufsgruppen, zu kommunizieren. Die Antragsgegnerin soll dabei das Gesamtinteresse des Berufsstandes bündeln und wahrnehmen (vgl. Senatsurt v. 22.8.2019 - 8 LC 116/18 -, NdsVBl. 2020, 44, juris Rn. 62). Das schließt die Einwirkung auf Meinungsbildungsprozesse und damit die Öffentlichkeits- und Pressearbeit ein. Zu den Kompetenzen der Antragsgegnerin gehört es, die Öffentlichkeit über ihre Auffassung zu den beruflichen Belangen der Pflegefachfrauen und -männer, Altenpflegerinnen und -pfleger sowie Gesundheits- und Kinderkrankenpflegerinnen und -pfleger zu informieren und sich gegebenenfalls auch publizistisch mit anderen hierauf bezogenen Auffassungen auseinanderzusetzen. Auch öffentliche Veranstaltungen, Präsidentenreden, Pressekonferenzen und Pressemeldungen sowie die Herausgabe einer Kammerzeitschrift können zur Erfüllung der in § 9 Abs. 1 Nr. 1 PflegeKG zugewiesenen Aufgabe genutzt werden (zu IHKn OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 12.4.2019 - 16 A 1499/09 -, GewArch. 2019, 296, juris Rn. 114).
Aus dem Vorstehenden ergibt sich die aus der Kompetenz folgende Grenze für das „Ob“ von Äußerungen der Antragsgegnerin insbesondere im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit. Erforderlich ist eine unmittelbare spezifische Betroffenheit der beruflichen Belange der Kammermitglieder durch die Thematik, zu der die Äußerung erfolgt. Der Sachverhalt, auf den sich die Äußerung bezieht, muss nachvollziehbare Auswirkungen auf die beruflichen Belange der Kammermitglieder haben. Diese Grenze wäre beispielsweise bei Sachverhalten überschritten, deren Auswirkungen allein die Leistungsfähigkeit der Sozialversicherungssysteme oder die wirtschaftlichen Einzelinteressen von im Pflege- oder Gesundheitswesen Beschäftigten beträfen (vgl. Senatsurt v. 22.8.2019 - 8 LC 116/18 -, NdsVBl. 2020, 44, juris Rn. 46, 62), ohne auch die berufliche Tätigkeit selbst zu berühren. Andererseits gilt auch für die Antragsgegnerin, dass eine Berührung der beruflichen Belange der Kammermitglieder im Randbereich die Kompetenz eröffnet. Erforderlich ist, dass sich nachvollziehbare Auswirkungen auf diese Belange zumindest aus der Begründung oder ihrem textlichen Zusammenhang ergeben (vgl. zum Ganzen zu IHKn BVerwG, Urt. v. 23.6.2010 - 8 C 20.09 -, BVerwGE 137, 171, juris Rn. 24 ff.; v. 23.3.2016 - 10 C 4.15 -, BVerwGE 154, 296, juris Rn. 29; zur allgemeinpolitischen Äußerung von Ärztekammern BVerwG, Urt. v. 17.12.1981 - 5 C 56/79 -, BVerwGE 64, 298, juris Rn. 19, 22).
b) Für das „Wie“ von Äußerungen gelten die Schranken, die sich allgemein aus der Stellung der Antragsgegnerin als Träger mittelbarer Staatsverwaltung mit Pflichtmitgliedschaft, der öffentliche Aufgaben wahrnimmt, ergeben. Bei der Vertretung des Gesamtinteresses der Kammermitglieder muss sie als öffentlich-rechtliche Selbstverwaltungskörperschaft das höchstmögliche Maß an Objektivität walten lassen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 19.12.1962 - 1 BvR 541/57 -, BVerfGE 15, 235, juris Rn. 23). Das setzt voraus, dass die Äußerungen der Antragsgegnerin sachlich sind und die notwendige Zurückhaltung wahren. Damit sind nicht nur Anforderungen an die Formulierung gestellt, was polemisch überspitzte oder auf emotionalisierte Konfliktaustragung angelegte Aussagen ausschließt; die notwendige Objektivität verlangt auch eine Argumentation mit sachbezogenen Kriterien und gegebenenfalls die Darstellung von Minderheitenpositionen. Da das Gesamtinteresse der Kammermitglieder Bezugspunkt der Aufgabenwahrnehmung ist und dies eine Abwägung von etwaigen konfligierenden Interessen erfordert, muss eine Äußerung, die zu besonders umstrittenen Themen erfolgt, auch diese Abwägung erkennen lassen (vgl. zu IHKn BVerwG, Urt. v. 23.6.2010 - 8 C 20.09 -, BVerwGE 137, 171, juris Rn. 33). Im Falle höchst umstrittener Fragen darf die Antragsgegnerin ihre Mehrheitsauffassung dazu nicht apodiktisch mitteilen, sondern muss zugleich die Minderheitsauffassung(en) offenlegen und die zur Mehrheitsauffassung führende Abwägung der verschiedenen Positionen erkennbar machen (vgl. zu IHKn BVerwG, Urt. v. 23.3.2016 - 10 C 4.15 -, BVerwGE 154, 296, juris Rn. 39).
Denn die Möglichkeit zur Ermittlung des Gesamtinteresses rechtfertigt gerade die Anordnung der auf eine vollständige Erfassung der in dem verkammerten Beruf tätigen Berufsträger gerichteten Pflichtmitgliedschaft. Angestrebt ist eine Bündelung unterschiedlicher Positionen in den Kammern, sowohl durch deren Unabhängigkeit als auch durch die Vollständigkeit der Information, da gerade mit der Pflichtmitgliedschaft die Möglichkeit besteht, auf die Auffassung aller zurückzugreifen. Dementsprechend ist das Ziel nicht oder nicht notwendig die Artikulation einer einzigen Gesamtauffassung einer homogenen Gruppe. Das Gesamtinteresse muss vielmehr durch Abwägung und Ausgleich auch widerstreitender Interessen ermittelt und weitergegeben werden (vgl. Senatsurt. v. 22.8.2019 - 8 LC 116/18 -, NdsVBl. 2020, 44, juris Rn. 73, 84; zu IHKn BVerfG, Urt. v. 12.7.2017 - 1 BvR 2222/12, 1 BvR 1106/13 -, BVerfGE 146, 164, juris Rn. 92, 94). Das Gesamtinteresse ist ein gewichtetes Ergebnis und damit weder eine Summe oder Potenzierung der Einzelinteressen noch ihr kleinster gemeinsamer Nenner (zu IHKn BVerwG, Urt. v. 23.6.2010 - 8 C 20.09 -, BVerwGE 137, 171, juris Rn. 34). Die Notwendigkeit, gegebenenfalls auch widerstreitende Interessen weiterzugeben, steht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Verhältnismäßigkeit der Pflichtmitgliedschaft. Es können sich Fragen stellen, auf die Kammermitglieder derart unterschiedliche Antworten geben, dass sich diese schwer in eine Gesamtabwägung integrieren lassen. Vermittelt die Antragsgegnerin dann allein das Mehrheitsinteresse als Gesamtinteresse, führt dies zur dauerhaften Beeinträchtigung des Minderheitsinteresses (zu IHKn BVerfG, Urt. v. 12.7.2017 - 1 BvR 2222/12, 1 BvR 1106/13 -, BVerfGE 146, 164, juris Rn. 109). Dies gilt zum einen für strukturell unterschiedliche Interessenlagen etwa zwischen verschiedenen Berufsgruppen unter den Kammermitgliedern. Es gilt aber auch für in der Öffentlichkeit und unter den Mitgliedern bzw. gesellschaftspolitisch höchst umstrittene berufsbezogene Fragen (vgl. BVerwG, Urt. v. 23.6.2010 - 8 C 20.09 -, BVerwGE 137, 171, juris Rn. 42; v. 23.3.2016 - 10 C 4.15 -, BVerwGE 154, 296, juris Rn. 39; Hamburgisches OVG, Beschl. v. 16.11.2016 - 5 Bf 40/16.Z -, NordÖR 2017, 145, juris Rn. 78; OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 12.4.2019 - 16 A 1499/09 -, GewArch. 2019, 296, juris Rn. 140), wobei freilich nur unter den Mitgliedern, nicht aber allein außerhalb der Mitgliedschaft vertretene Positionen der Offenlegung bedürfen (vgl. VG Köln, Urt. v. 3.5.2012 - 1 K 2836/11 -, GewArch. 2013, 75, juris Rn. 57 ff.).
Einzelne unzulässige Äußerungen in einer längeren Stellungnahme führen nicht dazu, dass die darin ebenfalls enthaltenen, nicht zu beanstandenden Aussagen selbst unzulässig werden (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 12.4.2019 - 16 A 1499/09 -, GewArch. 2019, 296, juris Rn. 135). Andererseits stehen die einzelnen Aussagen nicht zusammenhanglos da. Zu beurteilen ist, ob die jeweilige Aussage die Kompetenz und den Objektivitäts- und Sachlichkeitsgrundsatz einhält. Dafür kann ihr Kontext - in Grenzen - von Bedeutung sein. Einer unvollständigen Teilaussage mangelt es einerseits nicht schon dann an Objektivität, wenn die sie vervollständigende Teilaussage in einem anderen Satz steht. Andererseits geht es nicht an, beliebige über den Text verstreute Aussagen neu zusammenzustellen, so dass dessen ursprüngliche Unsachlichkeit nicht mehr aufscheint. Das Nähere kann nur die Untersuchung des im Einzelfall angegriffenen Textes ergeben. Nicht in die Betrachtung einzubeziehen sind hingegen frühere Stellungnahmen der Kammer oder der Kontext der gesamten Debatte und das Verhalten der anderen Debattenteilnehmer (vgl. Hamburgisches OVG, Beschl. v. 16.11.2016 - 5 Bf 40/16.Z -, NordÖR 2017, 145, juris Rn. 34, 40, 45). Dass letztere etwa subjektiv oder unsachlich argumentieren, kann von deren Meinungsfreiheit geschützt sein, ohne dass der Antragsgegnerin eine dazu proportionale Antwort gestattet wäre.
c) Erklärungen und Stellungnahmen der Antragsgegnerin sind zudem nur dann zulässig, wenn sie unter Einhaltung des dafür vorgesehenen Verfahrens zustande gekommen sind. Denn die Pflichtmitgliedschaft ist nur gerechtfertigt, wenn die Kammer das durch das vorgegebene Verfahren legitimierte Gesamtinteresse wahrnimmt (zu IHKn BVerwG, Urt. v. 23.6.2010 - 8 C 20.09 -, BVerwGE 137, 171, juris Rn. 35).
Gemäß § 15 Satz 1 Nr. 6 PflegeKG beschließt die Kammerversammlung über alle sonstigen Angelegenheiten, die über die laufende Geschäftsführung hinausgehen. Der Vorstand führt nach § 21 Abs. 1 PflegeKG die laufenden Geschäfte der Kammer. Er bereitet die Beratungen der Kammerversammlung vor und führt die von ihr gefassten Beschlüsse aus. Das Nähere über die Aufgaben der Organe ist gemäß § 6 Satz 1 Nr. 1 PflegeKG in der Kammersatzung zu regeln. Diese sieht in § 18 Abs. 3 Nr. 5 vor, dass dem Vorstand die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit obliegt.
Grundsätzlich ist damit die Information der Presse als laufendes Geschäft der Kammer dem Vorstand zugewiesen. Der Inhalt der von diesem Kammerorgan als solchem getätigten Äußerungen wird allerdings der Kammer zugerechnet und muss deshalb das oben erläuterte Gesamtinteresse zum Ausdruck bringen. Die der eigentlichen Pressearbeit vorausliegende Bestimmung bzw. Bildung des Gesamtinteresses in bedeutenden und unter den Kammermitgliedern unterschiedlich beurteilten Angelegenheiten obliegt aber der Kammerversammlung (zu IHKn BVerfG, Urt. v. 12.7.2017 - 1 BvR 2222/12, 1 BvR 1106/13 -, BVerfGE 146, 164, juris Rn. 117). Insofern ist kein laufendes Geschäft gegeben. Liegt eine bedeutende und in erheblicher Weise streitige Thematik vor, so übersteigt die Bestimmung des Gesamtinteresses durch Abwägung und Ausgleich auch widerstreitender Interessen den Bereich der in Ansehung ihrer Regelhaftigkeit und Häufigkeit für die Antragsgegnerin typischen Verwaltungsangelegenheiten. Eine andere Aufgabenverteilung widerspräche dem Befund, dass die angemessene Partizipation der Betroffenen an der Willensbildung unter Gewährleistung der erforderlichen Binnenpluralität in erster Linie in der unmittelbar gewählten Kammerversammlung erfolgen kann (vgl. zu IHKn BVerfG, Urt. v. 12.7.2017 - 1 BvR 2222/12, 1 BvR 1106/13 -, BVerfGE 146, 164, juris Rn. 120 ff.). Erst wenn die Kammerversammlung mindestens eine grundsätzliche Festlegung über das Gesamtinteresse getroffen hat, kann es in derartigen Angelegenheiten dem Vorstand überlassen werden, dieses nach außen zu tragen und es dabei auch verdeutlichend, konkretisierend und fortschreibend auszuformulieren (vgl. zu IHKn BVerwG, Urt. v. 23.6.2010 - 8 C 20.09 -, BVerwGE 137, 171, juris Rn. 35, 49; Beschl. v. 14.2.2020 - 8 B 78.19 -, juris Rn. 6). Damit ist allerdings nicht die gesamte Pressearbeit unter den Vorbehalt der Befassung der Kammerversammlung gestellt. Dieses Organ muss zum einen nur dann vorab tätig geworden sein, wenn es sich um eine bedeutende und unter den Kammermitgliedern in erheblicher Weise unterschiedlich beurteilte Angelegenheit handelt. Zum anderen genügt eine grundsätzliche Festlegung des Gesamtinteresses, an die der Vorstand anknüpfen kann. Eine detailscharfe Bestimmung des Inhalts der Pressearbeit ist nicht erforderlich.
Es mag sein, dass durch das Erfordernis der Befassung der Kammerversammlung eine sofortige Interessenvertretung in der schnelllebigen Medienlandschaft bei einzelnen Themen verhindert wird. Dieser Einwand führt nicht dazu, dass dem Vorstand ein unabhängigeres Vorgehen möglich wäre. Äußerungen im Namen der Kammer dürfen nur das Gesamtinteresse im oben bezeichneten Sinne artikulieren. Solange eine im Einzelfall erforderliche grundsätzliche Festlegung der Kammerversammlung fehlt, gibt es schlicht keine Bestimmung des Gesamtinteresses durch die Antragsgegnerin, die der Vorstand nach außen tragen könnte. Die Antragsgegnerin kann wegen der bestehenden Pflichtmitgliedschaft nicht wie ein Interessenverband oder eine politische Partei agieren (vgl. auch BVerwG, Urt. v. 23.6.2010 - 8 C 20.09 -, BVerwGE 137, 171, juris Rn. 32; Hamburgisches OVG, Beschl. v. 16.11.2016 - 5 Bf 40/16.Z -, NordÖR 2017, 145, juris Rn. 34; OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 12.4.2019 - 16 A 1499/09 -, GewArch. 2019, 296, juris Rn. 126, 142). Ermächtigten die Rechtsgrundlagen der Antragsgegnerin den Vorstand zu einer Pressearbeit ohne vorangehende gehörige Bildung des Gesamtinteresses, dann verletzte die Pflichtmitgliedschaft Art. 2 Abs. 1 GG. Das übersieht der sich auf eine Entscheidung des VG Mainz (Beschl. v. 13.10.2020 - 4 L 606/20.MZ -) berufende Vortrag der Antragsgegnerin. Die Pflichtmitgliedschaft bezieht ihre Legitimation gerade daraus, dass nicht ein beliebiges Mehrheitsinteresse, sondern das Gesamtinteresse, zu dessen Bestimmung erst die vollständige Mitgliedschaft der Berufsangehörigen die Kammer befähigt, artikuliert wird.
Eine nachträgliche Genehmigung durch die Kammerversammlung reicht nicht aus. Das Gesamtinteresse kann nur von der Kammerversammlung definiert, nicht aber nachträglich von ihr genehmigt werden. Kommt es ungeachtet dessen zur Veröffentlichung einer ohne erforderliche Beteiligung der Kammerversammlung erstellten Grundsatzpapiers, liegt jedenfalls im Vorgang der Veröffentlichung eine Überschreitung der rechtlichen Befugnisse der Körperschaft und damit eine Verletzung der Rechte ihrer Pflichtmitglieder (zu IHKn BVerwG, Urt. v. 23.6.2010 - 8 C 20.09 -, BVerwGE 137, 171, juris Rn. 50). Weil die Bildung des Gesamtinteresses durch die Kammerversammlung Voraussetzung für die Erfüllung der materiellrechtlichen Anforderungen an die Tätigkeit der Antragsgegnerin ist, kann jedes ihrer Mitglieder einen derartigen Fehler geltend machen (zu IHKn BVerwG, Urt. v. 23.6.2010 - 8 C 20.09 -, BVerwGE 137, 171, juris Rn. 52).
2. Entgegen dem Beschwerdevorbringen haften der Pressmitteilung vom 7. September 2020 die vom Verwaltungsgericht gerügten Mängel an. Insbesondere hat das Verwaltungsgericht zu Recht bemängelt, dass es an einer ausgewogenen Darstellung der vertretenen Auffassungen der Gesamtheit der Kammermitglieder fehlt (dazu c)).
a) Die Äußerung „Pflege darf nicht auf stumm geschaltet werden“ verletzt die an die Form von Äußerungen der Antragsgegnerin zu stellenden Anforderungen. Sie wahrt nicht die erforderliche Zurückhaltung, sondern ist auf eine emotionalisierte Konfliktaustragung angelegt. Diese Emotionalisierung liegt einerseits in dem Wort „stumm“, das mit einem aus der Unfähigkeit, Laute hervorzubringen und sich zu äußern, folgenden Ohnmachtsgefühl assoziiert ist und eine Bedrohung suggerieren soll. Andererseits deutet das Wort „geschaltet“ auf eine Tätigkeit, die nicht gegenüber Personen, sondern nur gegenüber Sachen entfaltet wird, und unterstellt dem Handelnden eine abwertende Haltung gegenüber der betroffenen Person. „Pflege“ wird aber im vorliegenden Kontext nicht als Abstraktum, sondern als Kollektivbezeichnung für Angehörige von Pflegeberufen benutzt.
Anders als die Beschwerde meint, ist „stumm schalten“ nicht bloß das Gegenteil von „eine starke Stimme geben“, sondern geht durch die emotionalisierende Zuspitzung darüber hinaus. Soweit das Verwaltungsgericht die Äußerung als wörtliches Zitat der Präsidentin der Antragsgegnerin unbeanstandet gelassen hat, folgt das Oberverwaltungsgericht dem nicht. Nach dem Text der Pressemitteilung handelt es sich um eine Äußerung des Organs und keine private Verlautbarung der Organwalterin. Auch als solche Äußerung ist die Passage unstatthaft, weil sie auf eine emotionalisierte Konfliktaustragung angelegt ist. Der von der Beschwerde angenommene Widerspruch zwischen der Bewertung der Überschrift der Pressemitteilung und derjenigen des wörtlichen Zitats der Präsidentin liegt damit nicht vor.
b) Den Anforderungen an die Objektivität wird auch die Äußerung „Eine Bewertung der Arbeit der Pflegekammer aufgrund dieser Ergebnisse entbehrt jeder Grundlage“ nicht gerecht. Sie ist in zu beanstandender Weise unsachlich. Dass eine Entscheidung jeder Grundlage entbehre, kann je nach Zusammenhang als pointierte Zuspitzung eine auch Organen öffentlich-rechtlicher Körperschaften noch zuzugestehende Wortwahl sein. Die Formulierung ist allerdings, wenn damit nur ausgedrückt werden soll, dass die Entscheidungsgrundlagen Schwächen oder Mängel haben, nicht mehr uneingeschränkt sachbezogen. Im vorliegenden Fall wird die Grenze zur Unsachlichkeit überschritten, weil die Äußerung mit einer verengenden Darstellung einhergeht. Damit wird suggeriert, dass das Ergebnis der Online-Befragung alleinige Entscheidungsgrundlage sei. Es wird der Anschein erweckt, als gäbe es andere Umstände - wie die öffentliche Diskussion, die die Ministerin bewogen hat, diesem Ergebnis eine so erhebliche Bedeutung für die Entscheidung über eine Auflösung der Antragsgegnerin beizumessen, grundsätzliche Einwände gegen die Errichtung der Antragsgegnerin und Schlüsse, die aus Mängeln ihrer Tätigkeit gezogen werden könnten -, nicht und als basiere die Entscheidung allein auf der als Grundlage dafür gänzlich ungeeigneten Befragung. Dieses Zusammenwirken von Überspitzung und Ausblendung konnte das Verwaltungsgericht zu Recht als unsachlich bewerten.
c) Die Darstellung des - von dem Vorstand angenommenen - Gesamtinteresses ist unvollständig, weil sie die verschiedenen Positionen nicht hinreichend erkennbar gemacht hat.
Für eine solche Darstellung bestand Anlass. Die Sinnhaftigkeit der Gründung einer Pflegekammer in Niedersachsen war vor ihrer Einrichtung durch das Kammergesetz für die Heilberufe in der Pflege – PflegeKG - vom 14. Dezember 2016 (GVBl. S. 261) eine äußerst umstrittene Frage. Bekanntlich lehnte ein erheblicher Teil der betroffenen Pflegekräfte die „Verkammerung“ des Berufsstandes ab; auch nach der Gründung der Kammer gab es weiterhin erheblichen Widerstand gegen ihre Tätigkeit und die Pflichtmitgliedschaft. Die Ergebnisse der Online-Befragung belegen dies: Insgesamt rd. 78.000 Pflegekräfte wurden angeschrieben und hatten die Gelegenheit, sich zu äußern; 15.100 der Befragten, knapp ein Fünftel, machten hiervon Gebrauch. Unter diesen ergab sich eine Mehrheit von über 70 % für die Abschaffung der Pflegekammer, während sich nur gut 22 % für ihren Fortbestand aussprachen. Auch wenn berücksichtigt wird, dass es sich lediglich um eine Befragung handelte und die Teilnahme freigestellt war, macht dieses Ergebnis den fortbestehenden Widerstand eines erheblichen Teils ihrer Mitglieder gegen die weitere Tätigkeit der Pflegekammer deutlich.
Dabei handelt es sich nicht um die gewöhnliche, in allen berufsständischen Kammern anzutreffende Kritik an der Pflichtmitgliedschaft. Gegenstand der Pressemitteilung sind die konkreten Bestrebungen zur Auflösung der Antragsgegnerin. Deren Sinnhaftigkeit ist seit der Gründungsphase Gegenstand intensiver, auch in der Öffentlichkeit ausgetragener Diskussion. Mit der grundsätzlichen Kritik eines zumeist begrenzten Teils der Mitglieder in anderen Kammern ist das nicht vergleichbar.
Die Pressemitteilung legt die gegenläufige Auffassung nicht offen und macht die zu der von dem Vorstand vertretenen Auffassung führende Abwägung der verschiedenen Positionen nicht erkennbar. Vielmehr ist sie als einseitig und tendenziös zu bewerten, weil allein die bisherigen Aktivitäten der Kammer als Gründe für ihre Fortexistenz aufgelistet werden, ohne Gegenargumente zu nennen oder die eigene Position – nötigenfalls auch kritisch – zu reflektieren. Sie nennt lediglich Argumente, warum das Ergebnis der Online-Befragung nicht zur Grundlage der Entscheidung über die Aufhebung der Antragsgegnerin gemacht werden sollte. Es liege im Interesse der Pflegekräfte, die Arbeit fortzuführen. Der bisherige Tätigkeitszeitraum sei zu kurz. Sodann werden sechs realisierte Projekte und vier Beispiele für eine Interessenvertretung während der Covid-19-Pandemie angeführt. Diese Ausführungen nehmen reichlich eineinhalb Seiten ein. Vor diesem Hintergrund genügt es bei weitem nicht, wenn die Gegenposition, die offensichtlich von einem erheblichen Teil der eigenen Mitglieder unterstützt wird, allein dadurch beiläufig Erwähnung findet, dass das Ergebnis der Online-Befragung mitgeteilt und sogleich relativiert wird. Die vom Vorstand der Antragsgegnerin verantwortete Darstellung des Gesamtinteresses der Mitglieder in der beanstandeten Pressemitteilung ist damit als unsachlich zu bewerten.
Soweit die Beschwerde ausführt, die Gründe für die Auffassung, die Antragsgegnerin solle nicht fortbestehen, entzögen sich ihrer Kenntnis, folgt daraus nicht, dass die Antragsgegnerin von einer angemessenen Darstellung der Gegenposition und der zum Gesamtinteresse führenden Abwägung befreit wäre. Es zeigt vielmehr, dass eine ausreichende Ermittlung des Gesamtinteresses durch Einbeziehung und Bündelung der unterschiedlichen Positionen in der Kammer nicht erfolgt ist. Der Notwendigkeit, die Gegenposition nach außen zu tragen, steht auch nicht entgegen, dass die Antragsgegnerin dadurch die eigene Existenz in Frage stellen müsste. Ginge das gehörig ermittelte Gesamtinteresse dahin, die Auflösung der Antragsgegnerin zu befürworten, wäre das nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 PflegeKG sogar ihre Aufgabe.
Soweit die Antragsgegnerin die Entscheidung des VG Mainz (Beschl. v. 13.10.2020 - 4 L 606/20.MZ -) anführt, unterscheidet sich der dort zu beurteilende Sachverhalt im Übrigen unter anderem dadurch von dem dem vorliegenden Verfahren zugrundeliegenden, dass die angegriffene Pressemitteilung ausgeführt hatte, dass andere Auffassungen existierten, auf das Meinungsbild bei einer in Baden-Württemberg durchgeführten Umfrage eingegangen war und auch dargestellt hatte, dass insbesondere Verdi und der Arbeitgeberverband Kritik an der Errichtung einer Pflegekammer übten. Das VG Mainz hat demnach unter Würdigung der Umstände des Einzelfalls ausreichende Angaben zur Gegenposition angenommen. Die Umstände des vorliegenden Einzelfalls ergeben hingegen, dass in der Pressemitteilung vom 7. September 2020 keine ausreichende Darstellung der Gegenposition erfolgt ist.
3. Ein Anordnungsanspruch ist zudem aus anderen Gründen gegeben. Die Beschwerde ist zwar bereits begründet, weil jedenfalls aus den oben 2. c) ausgeführten Gründen nicht nur einzelne Äußerungen in der Pressemitteilung, sondern diese insgesamt eine Kompetenzüberschreitung zur Folge hat, so dass die Antragsgegnerin zu Recht verpflichtet worden ist, die Pressemitteilung vollständig von ihrer Homepage zu entfernen. Die unzutreffenden Rechtsausführungen zum Verfahren der Bildung des Gesamtinteresses, die die Antragsgegnerin vortragen lässt, veranlassen jedoch folgende Klarstellung:
Der Inhalt der Pressemitteilung konnte nicht ohne vorausgehende Befassung der Kammerversammlung veröffentlicht werden. Die Positionierung der Antragsgegnerin zu der Absicht der Ministerin, die Antragsgegnerin nach Kenntnis des Ergebnisses der Online-Befragung aufzulösen, ist eine bedeutsame Bestimmung des Gesamtinteresses in einer erheblich umstrittenen Frage. Jedenfalls die grundlegende Festlegung zu dieser Frage konnte nur durch die Kammerversammlung erfolgen. Das hat die Einhaltung der Verfahrensregeln zur Voraussetzung. Eine Videokonferenz mit einem - wie auch immer zusammengesetzten - Teil der Mitglieder der Kammerversammlung ersetzt Aussprache und Beschlussfassung in dem Organ nicht. Eine Heilung ist ausgeschlossen, daher ist unerheblich, ob die Pressemitteilung vom größeren Teil der Mitglieder der Kammerversammlung als richtig angesehen wurde.
4. Ein Anordnungsgrund und die Voraussetzungen einer zumindest weitgehenden Vorwegnahme der Hauptsache sind aus den vom Verwaltungsgericht angeführten Gründen gegeben. Insoweit wendet die Beschwerde auch nichts ein.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 2 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).