Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 02.02.2005, Az.: 2 LB 4/03

Beurteilungsmaßstab; Bewertungsfehler; Bewertungsspielraum; Chancengleichheit; Darstellung; Fachfrage; fachwissenschaftliche Richtigkeitskontrolle; Hausarbeit; Neubewertung; Note ausreichend; prüfungsspezifische Bewertung; Richtigkeitsmaßstab; Verschlechterungsverbot; vertretbare Lösung; Vertretbarkeitsmaßstab; Zweite juristische Staatsprüfung

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
02.02.2005
Aktenzeichen
2 LB 4/03
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2005, 50613
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 23.07.1999 - AZ: 6 A 1208/98

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Zu Richtigkeit und Vertretbarkeit von Ergebnissen einer juristischen Examenshausarbeit.

Tatbestand:

1

Der Kläger strebt eine Verbesserung der in der Zweiten juristischen Staatsprüfung erzielten Gesamtnote an.

2

Der 1967 geborene Kläger bestand am 26. September 1997 die Zweite juristische Staatsprüfung mit der Note „voll befriedigend (10,02 Punkte)“. Eingang in die Bildung dieser Gesamtnote fand die dem Gegenstandsbereich des dritten Ausbildungsabschnitts (Verwaltungsrecht) entnommene und in der Zeit vom 4. März bis 1. April 1997 gefertigte Hausarbeit, die von beiden Prüfern, zwei Verwaltungsjuristen, übereinstimmend mit der Note „ausreichend (6 Punkte)“ bewertet wurde. Der Aufgabenstellung der Hausarbeit lagen zwei Widerspruchsverfahren zugrunde, in denen sich der Inhaber eines Mühlenbetriebes zum einen gegen eine Anordnung der Gewerbeaufsicht zur Wehr setzte, durch die ihm die Reduzierung betriebsbedingter Geräuschimmissionen aufgegeben worden war, und zum anderen die Erteilung einer Baugenehmigung für die Errichtung einer der Getreideannahme dienenden Abkippanlage begehrte.

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Nachdem dem Kläger über das nach der mündlichen Prüfung verkündete Ergebnis unter dem 30. September 1997 ein rechtsmittelfähiger Bescheid erteilt worden war, erhob er am 3. November 1997 Widerspruch, mit dem er die Bewertung seiner Hausarbeit beanstandete und zu dessen Begründung er ausführte: Die Bewertung der Korrektoren werde seiner Arbeit schon deshalb nicht gerecht, weil beide Prüfer übereinstimmend zu der Beurteilung gelangt seien, dass die von ihm, dem Kläger, vorgeschlagenen Lösungen vertretbar seien und darüber hinaus auf tragenden Begründungen beruhten. Zudem hätten die Prüfer die Umsetzung der erarbeiteten Lösungen im praktischen Teil der Arbeit ebenfalls als folgerichtig angesehen. Eine derartige vertretbare, hinreichend begründete und im praktischen Teil adäquat umgesetzte Falllösung verdiene eine bessere Bewertung als die Note „ausreichend“; mit „ausreichend“ sei vielmehr eine Leistung zu beurteilen, die trotz ihrer Mängel durchschnittlichen Anforderungen noch entspreche. Das bedeute, dass die Arbeit erhebliche Fehler aufweisen müsse, die die Leistung insgesamt zwar nicht als unbrauchbar erscheinen ließen, die sie jedoch als schlechter als nur mittelmäßig charakterisierten. Nach ihrer Begründung hätten die Prüfer die Hausarbeit maßgeblich deshalb so gering bewertet, weil es ihm, dem Kläger, nicht gelungen sei, die optimale Lösung zu erarbeiten. Ein solches Argument könne indes nicht einen Abzug von 12 Notenpunkten rechtfertigen. Eine optimale Lösung müsse nach der Notenskala als besonders hervorragende Leistung mit „sehr gut“ bewertet werden. Jede Ausarbeitung, die mit einem Punkteabzug bedacht werde, könne daher nicht mehr als eine die optimale Lösung treffende Aufgabenbewältigung angesehen werden, so dass es als unzulässiges Bewertungskriterium angesehen werden müsse, wenn allein das Verfehlen der optimalen Lösung derart erhebliche Abzüge rechtfertigen solle. Hinzu komme, dass sich die nach Ansicht der Prüfer optimale Lösung materiell-rechtlich kaum halten lasse; jedenfalls dürfe sie auf keinen Fall gegenüber der in der Hausarbeit vertretenen Lösung als vorzugswürdig angesehen werden. Darüber hinaus hätten ihm, dem Kläger, die Korrektoren mit Blick auf einzelne Teilaspekte der Arbeit materiell-rechtliche Fehler vorgehalten, die er bei fachwissenschaftlicher Betrachtung nicht begangen habe. Dies gelte zunächst für die Annahme der Prüfer, dass die Widerspruchsbehörde im Rahmen der Überprüfung des Ausgangsbescheides eigenständig Zwangsmittel androhen dürfe; eine solche Befugnis werde vielmehr nicht von dem Devolutiveffekt des Widerspruchs umfasst und lasse sich auch nicht aus dem Grundsatz, dass die Widerspruchsbehörde nicht an das Verschlechterungsverbot der reformatio in peius gebunden sei, ableiten. Auch könne den Prüfern nicht in ihrer Kritik gefolgt werden, dass ihm, dem Kläger, als Verfasser der Hausarbeit die Arten der Ermessensfehler und der Unterschied zwischen unbestimmtem Rechtsbegriff und einem Tatbestandsmerkmal mit Beurteilungsspielraum nicht geläufig seien. Im Hinblick auf die Darstellung der Falllösung könne der Kritik des Erstkorrektors nicht gefolgt werden, der Sachbericht der verwaltungspraktischen Arbeit sei knapp bemessen. Eine geraffte Darstellung des Streitstoffs erweise sich vielmehr als vorzugswürdig und entspreche überdies den Bearbeitungshinweisen des Niedersächsischen Justizministeriums für den juristischen Vorbereitungsdienst. Ebenso wenig könne der Beanstandung gefolgt werden, die der Erstprüfer gegen die Gliederung der Hausarbeit geltend gemacht habe. Er, der Kläger, habe bei seiner Gliederung berücksichtigt, dass jedes Gliederungssystem, das über fünf Gliederungsebenen hinausgehe, unübersichtlich werde und die ihr zugedachte Funktion, dem Leser den Lösungsweg nahe zu bringen, nicht erfüllen könne. Entgegen der Annahme des Erstprüfers habe er ferner sachliche Erörterungen auch nicht häufig in die Fußnoten der Bearbeitung verlagert, dies sei allenfalls mit Blick auf drei Fußnoten der Fall, wobei es sich zudem um nur kurze Erläuterungen handele. Soweit schließlich die sprachliche Ausdrucksfähigkeit als verbesserungswürdig angesehen werde, sei den Prüfern entgegen zu halten, dass die von ihnen geübte Kritik gerade solche Stellen betreffe, in denen er, der Kläger, sich bemüht habe, den sprachlich trockenen Gutachtenstil aufzulockern und dem Leser auf diese Weise die Lektüre zu erleichtern. Insgesamt sei daher eine Hausarbeit, die wie seine ausschließlich vertretbare Lösungen enthalte, hinreichend begründet und praktisch adäquat umgesetzt worden sei, mindestens mit der Note „befriedigend“ zu beurteilen. Wiesen die Begründungen der Lösungen darüber hinaus überdurchschnittliches Niveau auf, sei sogar noch eine höhere Punktzahl zu vergeben. Da der Erstprüfer seinen Ausführungen in beiden zu bearbeitenden Widersprüchen jeweils teilweise einen starken Tiefgang und die Zweitprüferin sehr gelungene Passagen bescheinigt hätten, ergebe sich das Bild einer deutlich überdurchschnittlichen Hausarbeit, die durchaus mit „gut“, mindestens aber mit der Note „voll befriedigend“ zu bewerten sei.

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Auf die Beanstandungen des Klägers holte der Beklagte im Verlauf des Widerspruchsverfahrens zusätzliche Stellungnahmen der Prüfer ein, und wies, nachdem diese zum Ausdruck gebracht hatten, dass sie für eine Neubewertung keinen Anlass sähen, den Widerspruch durch Bescheid vom 5. Februar 1998 mit der Begründung zurück, dass sich die Prüfer bei der Bewertung und Notenbildung innerhalb des ihnen zustehenden Beurteilungsspielraums gehalten hätten.

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Daraufhin hat der Kläger am 2. März 1998 Klage erhoben, zu deren Begründung er sein Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren vertieft und ausgeführt hat: Das Widerspruchsverfahren habe deutlich werden lassen, dass der maßgebliche Grund für die niedrige Bewertung seiner Hausarbeit in der verfehlten Erwartung der Prüfer begründet sei, dass er, der Kläger, bei der Bearbeitung der ihm zugewiesenen verwaltungspraktischen Aufgabe nicht den Weg einer informellen Falllösung bestritten habe, sondern zu einer formellen Bescheidung der eingelegten Widersprüche gelangt sei. Da die Prüfer die Lösungsansätze der Hausarbeit andererseits als vertretbar angesehen hätten, bedeute dies, dass sie ausschließlich die Vorzüge ihres Lösungsweges zum Maßstab der Bewertung gemacht hätten. Soweit gehe der Beurteilungsspielraum der Prüfer jedoch nicht, wollten sie ihre Leistungsbewertung nicht dem Vorwurf der Willkür aussetzen. Sie hätten sich bei ihrer Bewertung vielmehr an den für das jeweilige Prüfungsfach zu stellenden Anforderungen und nicht an den von ihnen bevorzugten Lösungen orientieren müssen. Dies gelte insbesondere dann, wenn die als vorzugswürdig herausgestellte Lösung in der Sache in keiner Weise vorzugswürdig sei. Aber auch selbst dann, wenn die Prüfer eine von mehreren Lösungsansätzen als vorzugswürdig herausstellen könnten, hätten sie bei der Korrektur immer noch zu beachten, dass auch die von ihnen nicht als vorzugswürdig eingestufte Lösung ein überdurchschnittliches oder zumindest durchschnittliches Niveau aufweisen könne; das gelte insbesondere dann, wenn einer Lösung noch hinreichender Tiefgang und Folgerichtigkeit bescheinigt werde. Die Frage, ob sich eine Falllösung als vorzugswürdig erweise oder nicht, werde nicht vom prüfungsrechtlichen Beurteilungsspielraum umfasst, sondern unterliege der gerichtlichen Nachprüfung.

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Der Kläger hat beantragt,

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den Bescheid des Beklagten vom 30. September 1997 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Februar 1998 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihn - den Kläger - unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

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Der Beklagte hat beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Er hat die angefochtenen Bescheide verteidigt und erwidert, dass die Klagebegründung die begehrte Neubewertung der Hausarbeit nicht trage, weil die Prüfervoten nicht willkürlich seien, sondern sich als sachbezogen und plausibel darstellten.

11

Mit Urteil vom 23. Juli 1999 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Das Begehren des Klägers, die von ihm im Rahmen der Zweiten juristischen Staatsprüfung gefertigte Hausarbeit besser als „ausreichend“ bewertet zu wissen, sei zwar verständlich, führe im Ergebnis allerdings nicht zum Erfolg, da der Bewertung der Arbeit durchgreifende Rechtsfehler nicht anhafteten. Dies gelte insbesondere mit Blick auf die Benotung selbst, die den Kern des prüfungsrechtlichen Beurteilungsspielraums ausmache. Insoweit gebe es keinen prüfungsrechtlichen Grundsatz, nach dem einer zu richtigen Ergebnissen gelangenden Bearbeitung eine Mindestpunktzahl oder eine Mindestnote geschuldet werde. Auch im Rahmen der Begründung ihrer Bewertung hätten sich die Prüfer ohne Rechtsfehler innerhalb des ihnen zustehenden Beurteilungsspielraums gehalten, und zwar auch soweit sie den vom Kläger gewählten Lösungsansatz nicht als die optimale Lösung und den von ihnen bevorzugten Arbeitsgang als die vorzugswürdigere Lösung angesehen hätte. Bei diesem Streit um die bessere Lösung gehe es nicht darum, eine vertretbare und mit gewichtigen Argumenten folgerichtig begründete Lösung als falsch zu bewerten, weil die Prüfer die Vertretbarkeit des vom Kläger gewählten Lösungsansatzes ausdrücklich hervorgehoben hätten. Ein möglicher fachwissenschaftlicher Dissens zwischen dem Kläger und den Prüfern bestehe allenfalls im Hinblick auf die Frage der Zwangsmittelkompetenz der Widerspruchsbehörde. Insoweit habe die Zweitgutachterin in ihrer zusätzlichen Stellungnahme aber Wege aufgezeigt, in denen die Widerspruchsbehörde auf die Androhung eines Zwangsmittels hinwirken könne, was darauf hindeute, dass die insoweit maßgeblichen Darstellungen des Klägers den Prüfern als zu eng bemessen erschienen.

12

Durch Antrag vom 2. September 1999 hat der Kläger um die Zulassung der Berufung nachgesucht und diese, nachdem der 10. Senat des erkennenden Gerichts mit Beschluss vom 18. Mai 2000 - 10 L 3524/99 - seinem Begehren gefolgt war, wie folgt begründet: Er bleibe dabei, dass die von ihm gefertigte Hausarbeit deutlich besser bewertet werden müsse. Diese Forderung rechtfertige sich insbesondere mit Blick auf die vertretbaren Lösungsansätze, denen die Prüfer ausdrücklich einen teilweise erheblichen Tiefgang bescheinigt hätten. Hinzu komme, dass die Prüfer im Widerspruchsverfahren die überwiegende Anzahl der zunächst geäußerten kritischen Anmerkungen nicht mehr aufrecht erhalten hätten. Maßgebend für sein Begehren nach einer besseren Benotung sei in erster Linie die Erkenntnis, dass vertretbare Lösungsansätze nicht herabgewürdigt werden dürften, nur weil die Prüfer meinten, ein anderer Lösungsansatz verdiene den Vorzug. Diesen auf eine bessere Benotung abzielenden Argumenten habe sich das Verwaltungsgericht verschlossen, ohne eine eigene sachliche und fachliche Überprüfung durchzuführen; zu Unrecht habe die Vorinstanz insoweit einen der gerichtlichen Kontrolle nicht zugänglichen Beurteilungsspielraum der Prüfer angenommen. Dies gelte ebenso für die Frage, welche Anforderungen an einen Sachbericht zu stellen seien, damit er uneingeschränkt praktischen Anforderungen genüge, wie für die Feststellung, dass die von den Prüfern bevorzugte fachwissenschaftliche Lösung möglicherweise selbst fehlerhaft sei, was er, der Kläger, mehrfach betont und nachgewiesen habe. Auch sei das Verwaltungsgericht fehlerhaft davon ausgegangen, dass ein rechtlicher Aspekt, der - wie im Prüfungsfall das gemeindliche Einvernehmen - aufgrund des Lösungsansatzes des Prüflings nicht mehr ausführlich, sondern allenfalls nur kurz erörtert werden müsse, prüfungsspezifischer Natur sei. Die in diesem Zusammenhang vom Verwaltungsgericht vertretene Rechtsauffassung sei mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht zu vereinbaren; namentlich sei es verfehlt, eine Benotung als rechtmäßig anzusehen, die nur deshalb herabgewürdigt worden sei, weil der Prüfling trotz durchweg vertretbarer Ergebnisse und Tiefgang vieler Erörterungen allein die nach Ansicht des Prüfers optimale Lösung verfehlt habe. Hinzu komme, dass es das Verwaltungsgericht in diesem Zusammenhang fehlerhaft unterlassen habe, die von den Prüfern befürwortete optimale Lösung selbst auf ihre Richtigkeit zu überprüfen. Er, der Kläger, habe bei der Bearbeitung des die Errichtung einer Abkippanlage betreffenden Verpflichtungswiderspruchs materiell fehlerfrei herausgestellt, dass die begehrte Baugenehmigung aus immissionsrechtlichen Gründen unter Berücksichtigung des seinerzeitigen Standes der Technik und angesichts der benachbarten Wohnbebauung nicht habe erteilt werden können. Diesem zwingenden rechtlichen Lösungsweg lasse sich eine andere, nämlich die von den Prüfern befürwortete optimale Lösung nicht entgegenhalten. Auch der zwischen ihm und den Prüfern fortbestehende Dissens über die Anordnung von Zwangsmitteln durch die Widerspruchsbehörde sei von der Vorinstanz fehlerhaft behandelt worden. Abgesehen davon, dass sich das Verwaltungsgericht auf die unzutreffende Argumentationsebene der Zweitkorrektorin eingelassen habe, habe es verkannt, dass die Prüfer im Widerspruchsverfahren an der Schwere des zunächst erhobenen Vorwurfs nicht länger festgehalten hätten, ohne allerdings mit Blick auf die Benotung die gebotene Konsequenz zu ziehen. Eine herabgesetzte Benotung könne nicht aufrechterhalten werden, wenn sich im Nachhinein herausstelle, dass ein Fehler, der zunächst für die Bewertung ausschlaggebend gewesen sei, nicht länger aufrechterhalten werde. Insgesamt habe das Verwaltungsgericht durch seine klageabweisende Entscheidung zahlreiche Verstöße gegen allgemeine prüfungsrechtliche Bewertungsgrundsätze unbeanstandet gelassen, nämlich dass eine vertretbare, mit gewichtigen Argumenten vertretene und folgerichtig abgeleitete Lösung einem Prüfling mit Blick auf eine andere vorzugswürdige Lösung nicht zum Nachteil gereichen dürfe, dass die Einfachheit einer Prüfungsaufgabe nicht zur Herabwürdigung einer vertretbaren Lösung führen dürfe, dass eine Bewertung nach den allgemeinen Denkgesetzen mit den normativen Kriterien der gewählten Notenvorgabe übereinstimmen müsse, dass eine vertretbare, von gewichtigen Argumenten getragene Lösung mindestens als durchschnittlich zu bewerten sei und dass eine vertretbare mit gewichtigen Argumenten versehene und folgerichtig umgesetzte Lösung, die in wesentlichen Teilen über sehr gute und mit erheblichen Tiefgang versehene Passagen verfüge, eine Benotung im obersten Bereich der Notenskala nach sich ziehen müsse. Anders als es das Verwaltungsgericht vertrete, sei ein durch eine Punktewertung gekennzeichnetes Benotungssystem ohne weiteres einer Überprüfung auf Beurteilungsfehler zugänglich. Könne eine Hausarbeit innerhalb einer Punkteskala von null bis 18 Punkten bewertet werden, so ergebe sich aus der Logik der Mathematik, dass für eine durchschnittliche oder auch nur mittelmäßige Leistung neun Bewertungspunkte in Ansatz zu bringen seien. Die Benotung mit null Punkten müsse einer Lösung vorbehalten bleiben, die gar nicht zu gebrauchen sei, während die maximale Punktzahl dann vergeben sei, wenn der Prüfungskandidat die Aufgabe richtig und vollständig ohne Begleitfehler gelöst habe. Angesichts der Anmerkungen der Prüfer stimmten die verbale Beurteilung seiner Hausarbeit und deren Benotung nicht überein, so dass die vergebene Note nicht mehr nachvollziehbar und somit fehlerhaft sei. Entgegen der Annahme der Prüfer, die sich im Übrigen im Widerspruchsverfahren nicht substantiiert mit seinen, des Klägers, Einwänden auseinandergesetzt hätten, weise die ihm zugeteilte Hausarbeit schließlich nicht nur einen einfachen Schwierigkeitsgrad auf, sondern sei im Hinblick auf die Erschließungsproblematik im zweiten Teil der Aufgabe durchaus als anspruchsvoll zu würdigen.

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Der Kläger beantragt,

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das angefochtene Urteil zu ändern, den Bescheid des Beklagten vom 30. September 1997 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Februar 1998 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihn unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

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Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

18

Die Berufung des Klägers ist zulässig und begründet. Das Verwaltungsgericht hätte die Klage nicht abweisen dürfen. Die angefochtene Prüfungsentscheidung leidet unter Mängeln, die zur Verpflichtung des Beklagten führen, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts insoweit neu zu bescheiden, als die Hausarbeit einer erneuten Bewertung zu unterziehen ist.

19

Das Prüfungsverfahren leidet nicht unter einem durchgreifenden Verfahrensmangel. Den nach Bekanntgabe des Prüfungsergebnisses erhobenen Einwendungen des Klägers hat der Beklagte durch Einholung weiterer Stellungnahmen der Prüfer Rechnung getragen. Und zwar hat sich der Beklagte in diesem Zusammenhang nicht auf die Durchführung eines verwaltungsinternen Kontrollverfahrens nach § 13 Abs. 4 Satz 1 NJAG in der hier anwendbaren ursprünglichen Fassung vom 22. Oktober 1993 (GVBl. S. 449) beschränkt, sondern sogar ein Widerspruchsverfahren nach § 13 Abs. 5 NJAG in der für den Kläger nicht anwendbaren Fassung vom 16. Oktober 1996 (GVBl. S. 430) durchgeführt; hierdurch sind jedoch Verfahrensrechte des Klägers nicht beeinträchtigt worden.

20

In der Sache vermag der Senat nicht der Auffassung der Vorinstanz zu folgen, dass die Bewertung der nach §§ 9 Abs. 1 Nr. 2 NJAG, 38 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 NJAVO vom 2. November 1993 (GVBl. S. 561) zu fertigenden Hausarbeit des Klägers nicht auf Verstößen gegen anerkannte Beurteilungsmaßstäbe beruht. Dabei ist in diesem Zusammenhang davon auszugehen, dass sich die verwaltungsgerichtliche Kontrolle in materieller Hinsicht unter anderem darauf zu erstrecken hat, ob die von einem Prüfling gegebenen Antworten fachlich richtig oder zumindest vertretbar sind. Zutreffende Antworten oder brauchbare Lösungen dürfen nicht als falsch bewertet werden. Soweit die Richtigkeit der Angemessenheit von Lösungen wegen der Eigenart der Prüfungsfrage nicht eindeutig bestimmbar ist, die Beurteilung vielmehr unterschiedlichen Ansichten Raum lässt, muss dem Prüfling ein angemessener Antwortspielraum zugestanden werden. Fachliche Meinungsverschiedenheiten zwischen Prüfer und Prüfling sind der gerichtlichen Kontrolle daher nicht entzogen. Vielmehr hat das Gericht aufgrund hinreichend substantiierter Einwendungen des Prüflings darüber zu befinden, ob die von einem Prüfer als falsch bewertete Lösung im Gegenteil richtig oder jedenfalls vertretbar ist (BVerfG, Beschl. v. 17.04.1991, BVerfGE 84, 34, 54 f; BVerwG, Urt. v. 24.02.1993, NVwZ 1993, 686 f [BVerwG 24.02.1993 - BVerwG 6 C 38/92]). In diesem Zusammenhang sind unter Fachfragen alle Fragen zu verstehen, die fachwissenschaftlicher Erörterung zugänglich sind. Hierunter fallen sowohl Fragen, die fachwissenschaftlich geklärt sind, als auch solche, die in der Fachwissenschaft kontrovers behandelt werden. Dieses Verständnis vom Begriff der Fachfrage liegt der höchstrichterlichen Rechtsprechung zugrunde, in der bezüglich der in Rede stehenden Abgrenzung entscheidend auf die Richtigkeit oder die Vertretbarkeit der Antworten des Prüflings abgestellt wird (BVerwG, Beschl. v. 17.12.1997 - 6 B 55.97 -, DVBl. 1998, 404 = Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 385). Eine nicht soweit gehende gerichtliche Kontrolle findet dagegen im Hinblick auf prüfungsspezifische Wertungen statt. Soweit den Prüfern ein Bewertungsspielraum verbleibt, geht die gerichtliche Prüfung nur dahin, ob sie Verfahrensfehler begangen oder anzuwendendes Recht verkannt haben, von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen sind, allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe verletzt haben oder sich von sachfremden Erwägungen haben leiten lassen (BVerfGE, a.a.O. S. 53 f; BVerwG, Beschl. v. 11.08.1998, DVBl. 1998, 1351). Zu diesen prüfungsspezifischen Wertungen, die letztlich der Entscheidungskompetenz der Prüfungsbehörde überlassen bleiben, gehören insbesondere die Benotungsfrage (BVerfGE, a.a.O.; Nds.OVG, Urt. v. 16.03.1999 - 10 L 377/97 -), die Gewichtungsfrage im Hinblick auf verschiedene Aufgaben untereinander (BVerwG, Beschl. v. 17.12.1997 - a.a.O.; Nds.OVG, Urt. v. 27.01.1999 - 10 L 6146/96 -), die Einordnung des Schwierigkeitsgrades (BVerfGE, a.a.O.; BVerwG, Beschl. v. 17.12.1997 a.a.O.; Nds.OVG, Beschl. v. 02.07.1999 - 10 M 2240/99 -) und die Würdigung der Qualität der Darstellung (BVerfGE, a.a.O.; BVerwG, Beschl. v. 17.12.1997 a.a.O.; Nds.OVG, Urt. v. 27.01.1999 - 10 L 6146/96 -). Art und Weise der Darstellung einer Prüfungsaufgabe hängen dermaßen vom konkreten Fall ab, dass es hier keine eindeutigen Antworten gibt. Da Darstellungsfragen nicht Fachfragen, sondern dem prüfungsspezifischen Bewertungsspielraum zuzurechnen sind, gibt es insoweit auch keinen Antwortspielraum des Prüflings.

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Nach diesen Maßstäben leidet die Bewertung der Hausarbeit des Klägers an einem zum Erfolg der Berufung führenden Bewertungsfehler, weil beide Prüfer gegen den verfassungsrechtlich gebotenen prüfungsrechtlichen Bewertungsgrundsatz verstoßen haben, das richtige oder vertretbare Aufgabenlösungen nicht als falsch bewertet werden dürfen. Diese Annahme rechtfertigt sich auch im Hinblick auf die ausdrückliche Feststellung der Prüfer, dass der Kläger in beiden Teilgutachten seiner Hausarbeit zu vertretbaren Ergebnissen gelangt sei, wobei seine Erwägungen sogar teilweise einen starken Tiefgang aufwiesen. So haben es die Prüfer für den ersten Teil des Gutachtens der Hausarbeit als vertretbar angesehen, dass der Kläger - lediglich unter Modifizierung der Richtwertvorgabe für Geräuschimmissionen und einer Fristsetzung - die Zurückweisung des von dem Widerspruchsführer gegen eine immissionsschutzrechtliche Verfügung gerichteten Rechtsbehelfs vorgeschlagen hat. Auch die in einem weiteren Widerspruchsverfahren strittige und vom Kläger für zutreffend erachtete Versagung einer Baugenehmigung haben die Prüfer angesichts der vom Kläger näher erläuterten Voraussetzungen des § 34 Abs. 1 BauGB und des von ihm festgestellten Fehlens des gemeindlichen Einvernehmens als vertretbar angesehen. Den zu diesen Teilergebnissen führenden gutachterlichen Erwägungen haben die Prüfer zum einen einen starken Tiefgang zugesprochen, zum anderen aber auch im Hinblick auf die Darstellung von Ermessenserwägungen und die eigenständige Androhung eines Zwangsmittels durch die Widerspruchsbehörde kritische Anmerkungen hinzugefügt. Diese zuletzt genannten Mängel haben die Prüfer bei der Notenbildung indes ausgeblendet und die Arbeit des Klägers ausschließlich deshalb nur mit „ausreichend (6 Punkte)“ bewertet, weil die - zuvor als vertretbar bezeichneten - Falllösungen nicht als optimale Ergebniserzielung angesehen werden könnten. Dieses für die Notenbildung maßgebliche Kriterium der optimalen Lösung haben die Prüfer, wie ihre zusätzlichen Stellungnahmen im Widerspruchverfahren vom 21. Januar und 2. Februar 1998 zeigen, in einer vom Prüfling festzustellenden Abhängigkeit beider vom Mühlenbetreiber der Prüfungsaufgabe eingeleiteten Widerspruchsverfahren gesehen. Angesichts der Bereitschaft des Widerspruchsführers, durch die Errichtung eines neuen Transportssystems für die Annahme des angelieferten Getreides für eine erhebliche Reduzierung der Geräuschimmission zu sorgen, sei die vorzugswürdige Lösung der Prüfungsaufgabe darin zu sehen, die Widerspruchsverfahren auszusetzen, weil sich abzeichnete, dass den behördlicherseits bestehenden Gründen für die Ablehnung des Baugesuchs der Boden entzogen würde. Verfahrensrechtlich habe sich das immissionsschutzrechtliche Widerspruchsverfahren daher erledigt, während im baurechtlichen Verfahren die begehrte Baugenehmigung zu erteilen sei.

22

Mit diesen Anmerkungen zugunsten einer die Notenbildung bestimmenden informalen Lösung der Prüfungsaufgabe haben die Prüfer die zuvor erwähnten positiven Ansätze der Fallbearbeitung fehlerhaft wieder abgewertet, indem sie Teilergebnissen, die sie zuvor noch als vertretbar angesehen haben, im nachhinein wieder einen geringeren Stellenwert beigemessen und in die Nähe der Fehlerhaftigkeit gerückt haben. Ist eine Lösung richtig oder vertretbar, so ist diese Richtigkeit oder Vertretbarkeit der Bewertung auch zugrunde zu legen. Insoweit kann vorhandenes als richtig oder vertretbar zum Ausdruck gebrachtes Wissen des Prüflings nicht von vornherein mit Blick auf andere vertretbare Lösungsmöglichkeiten der Prüfungsaufgabe abqualifiziert werden (vgl. dazu auch OVG des Saarlandes, Beschl. v. 22.11.2000 - 3 V 26/00 -, NVwZ 2001, 942). Jede andere Betrachtungsweise würde zu einer nicht gerechtfertigten Unterscheidung zwischen einzelnen Richtigkeits- und Vertretbarkeitsstufen führen und den Prüfling benachteiligen, der trotz fachwissenschaftlich vertretbarer oder richtiger Lösungsansätze die anders gelagerten Richtigkeits- oder Vertretbarkeitsvorstellungen des Prüfers verfehlt. Dies liefe im Ergebnis aber wiederum darauf hinaus, dass fachlich richtige oder zumindest vertretbare Prüfungsleistungen als fehlerhaft eingestuft werden dürften. Dass damit einen prüfungsrechtlichen Bewertungsgrundsatz zuwider gehandelt würde, wurde eingangs dargelegt.

23

Mit den vorstehenden Erwägungen ist allerdings nicht gesagt, dass die vertretbare Lösung einer Prüfungsaufgabe allein wegen der Akzeptanz des Ergebnisses positiv bewertet werden muss. Innerhalb seines einer gerichtlichen Kontrolle entzogenen prüfungsspezifischen Bewertungsspielraums bewegt sich ein Prüfer auch dann, wenn er die Vertretbarkeit einer Lösung nicht ausschließt, jedoch die Argumente der vertretbaren Meinung, denen sich der Prüfling möglicherweise allzu leichtfertig und ohne nähere Begründung angeschlossen hat, für wenig überzeugend hält oder die Qualität der Darstellung bemängelt (Nds.OVG, Urt. v. 21.09.1999 - 10 L 1165/97 -). Diesen Weg möglicherweise berechtigter Kritik sind die Prüfer auch in Ansehung ihrer zusätzlichen Stellungnahmen vom 21. Januar und 2. Februar 1998 vorliegend nicht gegangen, wie ihre Hinweise auf den Tiefgang der gutachterlichen Erwägungen des Klägers und ihre Umsetzung im praktischen Teil der Arbeit zeigen. Kern ihrer Kritik sind und bleiben die nach ihrer Auffassung, zwar vertretbaren, aber nicht als optimal anzusehenden Lösungsergebnisse des Klägers.

24

Da bei der Frage der Richtigkeit und Vertretbarkeit von Prüfungsergebnissen naturgemäß auf die Lösungsansätze des Prüflings abzustellen ist, kommt es in den Fällen, in denen die Prüfer diese Richtigkeit und Vertretbarkeit annehmen, anders als der Kläger meint, nicht darauf an, ob für die Ergebnisse, die die Prüfer als vorzugswürdig ansehen, die besseren Argumente streiten. Angemerkt sei in diesem Zusammenhang gleichwohl, dass die Zweifel, mit denen der Kläger der als vorzugswürdig angesehenen Falllösung der Prüfer begegnet, nicht von vornherein von der Hand zu weisen sind. Soweit diese in der Bereitschaft des Mühlenbetreibers, durch ein geändertes Transportsystem für die Getreideannahme zur Entspannung der problematischen Geräuschsituation beizutragen, einen Weg sehen, das immissionsschutzrechtliche Widerspruchsverfahren informal beizulegen, mag ihre Auffassung zutreffen. Ob sich hieraus jedoch gleichzeitig der Schluss auf eine positive Bescheidung des ebenfalls umstrittenen Baugesuchs des Mühlenbetreibers ziehen lässt, erscheint indes zweifelhaft. Denn damit wären die in der Bearbeitung des Klägers zum Ausdruck gebrachten und nach dem Akteninhalt der Prüfungsaufgabe auch durchaus naheliegenden Bedenken noch nicht widerlegt, dass auch die zur Genehmigung stehende Abkippanlage geeignet sei, erhebliche Belästigungen für die Nachbarschaft hervorzurufen, das Nebeneinander von Wohnen und Gewerbe mit Blick auf das baurechtliche Rücksichtnahmegebot einen solchen Konflikt nicht zulasse, die Errichtung einer zusätzlichen Holzwand nach sachverständiger Einschätzung für sich gesehen dem Stand der Technik ebenso wenig entspreche wie der zusätzliche Einbau eines staubabsaugenden Gebläses und allenfalls die Errichtung einer geschlossenen Halle zur Lösung des zu erwartenden Immissionskonflikts geeignet sei, eine solche Halle aber nicht von dem auf eine Abkippanlage gerichteten Bauantrag umfasst werde, sondern gegebenenfalls gesondert beantragt werden müsste.

25

Nicht zu folgen vermag der Senat dem Kläger in den Betrachtungen über die Benotung seiner Arbeit, namentlich in seiner Auffassung, dass eine durchschnittliche oder auch mittelmäßige Leistung angesichts einer zwischen null und 18 Punkten liegenden Bewertungsskala von vornherein mit einem mathematisch logischen Mittelwert von neun Punkten zu bewerten und darüber hinaus für die vertretbare Bearbeitung einer Prüfungsaufgabe, die noch dazu mit gewichtigen Argumenten und in weiten Passagen mit erheblichem Tiefgang gelöst werde, sogar eine Benotung im oberen Bereich der Notenskala angezeigt sei. Insofern spricht der Kläger die Benotungsfrage an, die - wie eingangs ausgeführt - in den prüfungsspezifischen Bewertungsspielraum der Prüfer fällt. Ist mit der Note „ausreichend“ wie im vorliegenden Fall eine Lösung zu bewerten, die trotz ihrer Mängel durchschnittlichen Anforderungen noch entspricht, hat die notwendige Wertung, was unter durchschnittlichen Anforderungen, also einem Leistungsstandart, der annehmbar und brauchbar ist, ohne besondere Vorzüge aufzuweisen (so Wassermann/Kröpil/Kirchner, Das Recht der Juristenausbildung, 1988, § 19 NJAO RdNr. 2), zu verstehen ist oder welche Leistung durchschnittlichen Anforderungen genügt, von der sachkundigen Einschätzung des Prüfers, der insoweit in seine Überlegungen auch den Schwierigkeitsgrad der Prüfungsaufgabe einbeziehen darf, auszugehen, ohne dass ihm das Gericht vorschreiben darf, wo die Grenze für die Annahme einer durchschnittlichen oder darüber hinausgehenden überdurchschnittlichen Prüfungsleistung liegt (vgl. Niehues, Prüfungsrecht, 4. Aufl., 2004, RdNrn. 541, 853). Auch wenn sich der Prüfer bei der Notenbildung von sachbezogenen und systemgerechten Überlegungen leiten lassen muss, bleibt seine Bewertung letztlich doch ein persönlicher Vorgang. Das zeigt auch der Umstand, dass in den Fällen, in denen mehrere Prüfer eine Prüfungsarbeit zu begutachten haben, die Bewertungen nicht unerheblich auseinanderfallen können, ohne dass dabei einem der Prüfer von vornherein der Vorwurf einer fehlerhaften Entscheidung gemacht werden könnte. Einen vom Kläger befürworteten Bewertungsgrundsatz, dass eine juristische Arbeit mit richtiger Lösung, gewichtigen Argumenten und erheblichen Tiefgang stets mit „voll befriedigend“ oder gar „gut“ zu bewerten ist, kennt das Prüfungsrecht daher nicht.

26

Der im Widerspruchsverfahren eingeholten Stellungsnahme des Erstprüfers vom 21. Januar 1998 ist zu entnehmen, dass er augenscheinlich an einzelnen mit dem Widerspruch angegriffenen Rügen nicht länger festzuhalten beabsichtigte und es für die Gesamtbeurteilung und damit auch für die Notenvergabe allein als maßgeblich angesehen hat, dass der Kläger das nach Ansicht der Prüfer die Hausarbeit prägende Problem, nämlich die gegenseitige Abhängigkeit der die Prüfungsaufgabe bestimmenden Widerspruchsverfahren voneinander, nicht erkannt hat. Dieser Einschätzung ist die Zweitprüferin in ihrer zusätzlichen Stellungnahme vom 2. Februar 1998 mit dem Hinweis gefolgt, dass eine weitere Diskussion mit den übrigen Bewertungsbeanstandungen des Klägers entbehrlich sei und allenfalls die Ausführungen in der Prüfungsarbeit zur Zwangsmittelandrohung durch die Widerspruchsbehörde sowie zur Ermessensausübung und zum unbestimmten Rechtsbegriff und die hierzu angebrachten Anmerkungen einer kurzen Klarstellung bedürften. Beide zusätzlichen Stellungnahmen rechtfertigen daher die Annahme, dass sich ein Großteil der ursprünglichen negativen Anmerkungen nicht entscheidend auf das Prüfungsergebnis ausgewirkt hat mit der Folge, dass insoweit auch mögliche Bewertungsfehler ohne Einfluss auf die Benotung geblieben sind. Der Senat geht zwar davon aus, dass kritische Prüferanmerkungen ebenso wie mögliche Bewertungsfehler in der Regel in die Notenbildung Eingang finden, und sich nur in Ausnahmefällen nicht auf die Bewertung auswirken (vgl. Niehues a.a.O., Rdnr. 690 f), sieht eine solche Ausnahme in einem Fall wie dem vorliegenden jedoch dann als gegeben an, wenn die Prüfer vermeintliche Fehler des Prüflings ausdrücklich und nachvollziehbar als geringfügig oder sogar als unerheblich bezeichnen und bei der Notenbildung wie hier nur auf ganz bestimmte Aspekte der Aufgabenbewältigung abstellen (vgl. dazu BVerwG, Urt. v. 04.05.1999 - 6 C 13/98 -, NVwZ 2000, 915 = Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 395). Aus diesem zuletzt genannten Grund ist es den Prüfern - anders als der Kläger meint - daher grundsätzlich auch nicht verwehrt, sich nach Auseinandersetzung mit den Einwendungen des Prüflings gegen die Bewertung seiner Prüfungsleistung unter Vermeidung früherer als Mängel bezeichneter Begründungselemente darauf zu berufen, dass und aus welchen Gründen sie ihre bei der ersten Bewertung der Prüfungsleistung vergebene Note auch bei selbstkritischer Würdigung nach wie vor für zutreffend zu halten (BVerwG, Urt. v. 19.07.1999 - 6 C 20.98 -, BVerwGE 109, 211 = NJW 2000, 1055, 1056 ff. [BVerwG 14.07.1999 - BVerwG 6 C 20/98]; Beschl. v. 28.04.2000 - 6 B 6/00 -).

27

Im Übrigen lassen die Beanstandungen des Klägers - unterstellt die Prüfer hätten ihre ursprünglichen Kritikpunkte vollständig aufrechterhalten - mit Ausnahme seines Hinweises auf die Problematik der Androhung von Zwangsmitteln durch die Widerspruchsbehörde Bewertungsfehler nicht erkennen. Soweit er die kritische Feststellung des Erstprüfers angreift, der Sachbericht sei recht knapp gefasst, sein Einleitungssatz zu umständlich geraten und der Sachbericht leide an einer verbesserungswürdigen Gliederung und Systematisierung, sich gegen die auch von der Zweitprüferin aufgegriffene kritische Betrachtung der äußeren Form seiner Gliederung wendet, den Vorwurf der Verbesserungswürdigkeit seiner sprachlichen Ausdrucksfähigkeit und die Hinweise, fachliche Auseinandersetzungen nicht in Fußnoten zu verlagern, sondern im Text unterzubringen und auf Bekräftigungen zu verzichten, beanstandet, spricht er Würdigungen der Prüfer an, die die Überzeugungskraft und Qualität der Darstellung der Hausarbeit betreffen. Art und Weise der Darstellung einer Prüfungsaufgabe hängen - wie eingangs ausgeführt - dermaßen vom konkreten Fall ab, dass es hier keine eindeutigen in richtig, falsch oder vertretbar einzuordnenden Antworten gibt. Darstellungsfragen sind daher nicht Fachfragen, sondern im prüfungsrechtlichen Bewertungsspielraum zuzuordnen, so dass es insoweit keinen Antwortspielraum des Prüflings gibt. Anhaltspunkte, die darauf schließen lassen, dass die Prüfer im Hinblick auf die vom Kläger geltend gemachten Rügen ihren Bewertungsspielraum überschritten haben könnten, vermag der Senat nicht zu erkennen. Es mag sein, dass der Kläger von der Aussagekraft des von ihm verfassten Sachberichts ebenso überzeugt ist, wie von seiner sprachlichen Ausdrucksfähigkeit und der Stringenz seines Gliederungssystems und die äußere Gestaltung der von ihm verfassten Arbeit verteidigt; dies ändert jedoch nichts daran, dass den Prüfern insoweit ein - vorliegend nicht überschrittenes - Bewertungsvorrecht zusteht. Entsprechendes gilt für den Einwand der Zweitprüferin, der Kläger prüfe weitschweifend, so dass es manchmal schwierig sei, seinen Gedankengängen zu folgen.

28

Um einen zu einem Bewertungsfehler des Erstprüfers führenden fachwissenschaftlichen Dissens geht es bei der Frage, ob die Widerspruchsbehörde im Rahmen eines Widerspruchsverfahrens eigenständig ein Zwangsmittel androhen darf oder nicht. Während der Erstprüfer einer entsprechenden Feststellung in der Hausarbeit mit dem Hinweis entgegengetreten ist, dass sich der Kläger insoweit Gedanken über das Rechtsinstitut einer reformatio in peius machen möge, hat der Kläger auf diesen nicht näher belegten Einwand gestützt auf eine Literaturmeinung dahin erwidert, dass die Androhung eines Zwangsmittels von dem angesprochenen Verbösungsverbot nicht umfasst werde. In seiner erwidernden Stellungnahme vom 21. Januar 1998 ist der Erstprüfer auf diesen fachwissenschaftlichen Dissens nicht näher eingegangen, sondern hat - wie bereits ausgeführt - seine Gesamtbeurteilung auf die nach seiner Auffassung nicht hinreichend erörterte gegenseitige Abhängigkeit der mit der Hausarbeit verbundenen Widerspruchsverfahren gestützt. Im Übrigen hat auch die Zweitprüferin die Feststellung des Klägers, dass die Widerspruchsbehörde ein Zwangsmittel nicht erstmalig androhen dürfe, im Grundsatz bestätigt. Soweit ihre Anmerkungen in der Stellungnahme vom 2. Februar 1998 mit dem Hinweis, der Kläger habe es unterlassen näher zu erörtern, ob die Widerspruchsbehörde nicht im Wege des Selbsteintrittsrechts oder durch eine Weisung im Rahmen ihrer Aufsichtsfunktion ein Zwangsmittel androhen könne, auf den Erörterungsumfang eines juristischen Fachproblems und damit auf die Aussagekraft und Qualität der Darstellung der Prüfungsaufgabe - mithin auf prüfungsspezifische Bewertungen - abzielen, ändern sie nichts an dem - sich allerdings nicht auf das Prüfungsergebnis auswirkenden - Bewertungsfehler des Erstprüfers.

29

Die kritischen Anmerkungen von Erst- und Zweitprüfer zu der Erörterung der Ermessensausübung in der Prüfungsarbeit halten sich ebenfalls im Rahmen des prüfungsrechtlichen Bewertungsspielraums. Zwar mag der Hinweis des Erstprüfers, dem Kläger seien die Ermessensfehlerarten und der systematische Prüfungsaufbau während der Ausbildung nicht hinreichend deutlich geworden, zunächst auf die unterschiedliche Beurteilung einer fachwissenschaftlichen Frage hindeuten. Die weitere Bemerkung, es sei zu einer etwas unklaren Gedankenführung gekommen, belegt dann jedoch ebenso wie die Randbemerkungen in dem hier maßgeblichen Abschnitt der Bearbeitung, dass es dem Erstprüfer - in der Sache für den Senat ebenso nachvollziehbar - um die Darstellung der Prüfungsaufgabe und die Überzeugungskraft der Gedankenführung geht. Gleiches gilt für die Annahme der Zweitprüferin, der Kläger prüfe bei seinen Ausführungen zur Ermessensausübung weitschweifend, so dass der Leser Schwierigkeiten habe, seinen Ausführungen zu folgen, und für ihre Kritik an der Darstellung des unbestimmten Rechtsbegriffs der „schädlichen Umwelteinwirkung“, die nach Ansicht der Zweitprüferin mit Blick auf eine Abgrenzung zum Ermessen oder einen Beurteilungsspielraum nicht präzise genug gelungen sei.

30

Die Rechtsfolge des festgestellten Bewertungsfehlers ergibt sich aus § 13 Abs. 4 Satz 2 NJAG vom 22. Oktober 1993 (a.a.O.), dass zwar mit Blick auf die hier maßgebliche Regelung durch Art. 1 Nr. 3 des am 31. Oktober 1996 in Kraft getretenen Gesetzes zur Änderung des Niedersächsischen Gesetzes zur Ausbildung der Juristinnen und Juristen vom 16. Oktober 1996 (GVBl. S. 430) geändert worden, nach der Übergangsvorschrift von Art. 2 Abs. 2 auf einen Vorbereitungsdienst, der wie im Falle des Klägers zum Zeitpunkt des Inkrafttretens mehr als 15 Monate abgeleistet worden war, aber weiterhin anzuwenden ist. Nach dieser ursprünglichen Fassung sind schriftliche Prüfungsleistungen in den Fällen, in denen nach Auffassung des Landesjustizprüfungsamtes ein Bewertungsfehler vorliegt, durch andere Prüfer erneut zu bewerten. Damit geht § 13 Abs. 4 Satz 2 NJAG a. F. über die allgemeine Forderung der Rechtsprechung, dass es grundsätzlich ausreiche, wenn mit der Neubewertung der ursprüngliche Prüfer betraut werde und nur in Ausnahmefällen neue Prüfer heranzuziehen seien, hinaus (vgl. dazu BVerwG, Urt. v. 10.10.2002 - 6 C 7.02 - NJW 2003, 1063 = BayVBl. 2003, 507 = Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 402). Im Anschluss an eine Neubewertung wird dann ein Prüfungsausschuss des Beklagten darüber zu befinden haben, ob Anlass besteht; von dem rechnerisch ermittelten Wert für die Gesamtnote gemäß § 8 Abs. 2 NJAVO abzuweichen.

31

Die Neubewertung durch andere Prüfer schließt es nicht aus, dass die Hausarbeit des Klägers am Ende mit einem schlechteren Ergebnis bewertet werden könnte. Ist eine Prüfungsleistung zum Nachteil des Prüflings fehlerhaft begründet worden und daher durch dieselben Prüfer neu zu bewerten, dürfte das Prüfungsergebnis in der Regel zu verbessern sein oder gleich bleiben, wohl aber nicht schlechter ausfallen als bisher, da die Prüfer bei der Neubewertung nur den ursprünglichen Fehler vermeiden müssen, die allgemeinen Bewertungskriterien indessen nicht verändern dürfen (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.07.1999 a.a.O). Diese Annahme rechtfertigt sich aber nur für den Fall, dass lediglich ein den Prüfling belastender Bewertungsfehler zu korrigieren ist, ohne das hiermit Folgenwirkungen im Sinne nunmehr notwendiger weiterer Bewertungen verbunden sind. Derartige Folgewirkungen können sich aus der Eigenart der Fehlerbeseitigung ergeben, etwa wenn eine Lösung zunächst fälschlich als unzutreffend bewertet oder wie vorliegend die Tragweite der Vertretbarkeit einer Lösung verkannt worden ist und bei der Neubewertung auf der Grundlage des nunmehr als vertretbar anzunehmenden Lösungsweges Fehler erkannt werden, die bisher nicht im Blickfeld des Prüfers gestanden haben. Derartige bisher nicht zum Ausdruck gebrachte Beanstandungen können insbesondere dann zum Tragen kommen, wenn wie hier durch andere Prüfer eine gänzlich neue Bewertung durchgeführt wird. Erkennen diese neuen Prüfer bei der Neubewertung Mängel, die bei der erfolgreich angefochtenen Bewertung übersehen worden sind, sind die Prüfer rechtlich nicht gehalten, diese Mängel weiterhin zu übersehen, sondern mit Blick auf den sich aus Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 12 Abs. 1 GG ergebenden Grundsatz der Chancengleichheit gehalten, die Prüfungsaufgaben leistungsgerecht zu beurteilen (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.07.1999 a.a.O., Niehues, a.a.O.,RdNr. 701 f).

32

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 167 VwGO, 708 Nr. 10 ZPO.