Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 22.01.2015, Az.: 5 OA 193/14

Diktat; Erfahrungswert; Fahrtkosten; Korrektur; Sachverständiger; Standardseite; Vergütung; Zeitaufwand

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
22.01.2015
Aktenzeichen
5 OA 193/14
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2015, 45209
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 22.10.2014 - AZ: 7 A 103/10

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Zur Überprüfung des von einem gerichtlich bestellten Sachverständigen für das Diktat und die Korrektur seines Gutachtens geltend gemachten Zeitaufwandes.
2. Zur Frage der Erstattungsfähigkeit von Fahrtkosten, wenn der Sachverständige die Reise zum Ort des Termins von einem anderen als dem in der Ladung bezeichneten Ort angetreten hat.

Tenor:

Auf die Beschwerde des Bezirksrevisors bei dem Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Braunschweig - 7. Kammer - vom 22. Oktober 2014 geändert.

Die Vergütung des Sachverständigen Dr. med. Dipl.-Psych. B. für die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung des Verwaltungsgerichts vom 17. Mai 2011 wird auf
531,45 € festgesetzt.

Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.

Das Beschwerdeverfahren ist gebührenfrei.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.

Gründe

I.

Der von dem Verwaltungsgericht als Sachverständiger herangezogene Dr. med. Dipl.-Psych. B. hat für die Erstellung seines Gutachtens vom 28. März 2011 eine Vergütung von 2.123,12 € und für die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung des Verwaltungsgerichts vom 17. Mai 2011 eine Vergütung von 649,74 € geltend gemacht.

Der Beschwerdeführer hat am 5. Februar 2013 beantragt, die Vergütung des Sachverständigen gemäß § 4 Abs. 1  Satz 1 JVEG festzusetzen.

Das Verwaltungsgericht hat mit Beschluss vom 22. Oktober 2014 die Vergütung des Sachverständigen für die Erstellung des Gutachtens auf 2.046,19 € und für die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung auf 649,74 € festgesetzt.

Mit seiner Beschwerde begehrt der Beschwerdeführer, die Vergütung des Sachverständigen für die Erstellung des Gutachtens auf 1.843,89 € und für die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung auf 531,45 € festzusetzen.

II.

Die Beschwerde ist gemäß § 4 Abs. 3 JVEG zulässig, jedoch nur in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang begründet.

1. Der Beschwerdeführer beanstandet ohne Erfolg, dass das Verwaltungsgericht bei der Festsetzung der Vergütung des Sachverständigen für die Erstellung des Gutachtens die von dem Sachverständigen für das Diktat und die Korrektur des Gutachtens vom 28. März 2011 angesetzte Zeit von 5 Stunden berücksichtigt hat.

Bei der Überprüfung des von einem gerichtlich bestellten Sachverständigen genannten Zeitaufwandes ist davon auszugehen, dass als erforderlich nur derjenige Zeitaufwand anzusetzen ist, den ein Sachverständiger mit durchschnittlichen Fähigkeiten und Kenntnissen braucht, um sich nach sorgfältigem Aktenstudium ein Bild von den zu beantwortenden Fragen machen zu können und nach eingehenden Überlegungen seine gutachterliche Stellungnahme zu den ihm gestellten Fragen schriftlich niederzulegen. Dabei sind der Umfang des ihm unterbreiteten Streitstoffs, der Grad der Schwierigkeit der zu beantwortenden Fragen unter Berücksichtigung seiner Sachkunde auf dem betreffenden Gebiet, der Umfang seines Gutachtens und die Bedeutung der Streitsache angemessen zu berücksichtigen (BGH, Beschluss vom 16.12.2003 - X ZR 206/98 -, juris Rn 11). Das Gericht hat nach seinem pflichtgemäßen Ermessen nachzuprüfen, ob der von dem Sachverständigen genannte Zeitaufwand tatsächlich erforderlich war. Dabei hat es dem Sachverständigen jedoch einen gewissen Ermessensspielraum zuzubilligen. Das Gericht ist berechtigt, grundsätzlich von der Richtigkeit der Angaben des Sachverständigen auszugehen. Lediglich ein ungewöhnlich hoher Zeitaufwand berechtigt und verpflichtet das Gericht zur Nachprüfung. Dasselbe gilt bei Unstimmigkeiten oder Widersprüchen der Abrechnung (vgl. Hartmann, Kostengesetze, 38. Aufl. 2008, § 8 JVEG Rn 36 f. m. w. N.).

Ausgehend von den vorstehend wiedergegebenen Grundsätzen ist es rechtlich nicht zu beanstanden, dass das Verwaltungsgericht bei der Festsetzung der Vergütung des Sachverständigen für die Erstellung des Gutachtens die von dem Sachverständigen für das Diktat und die Korrektur des Gutachtens angesetzte Zeit von 5 Stunden berücksichtigt hat.

Der Beschwerdeführer vertritt demgegenüber die Auffassung, dass für das Diktat und die Korrektur des Gutachtens nur ein Zeitaufwand von 3 Stunden erforderlich gewesen sei. Mit diesem Einwand dringt der Beschwerdeführer nicht durch. Er legt unter Verweis auf überwiegend obergerichtliche Rechtsprechung (z. B. LSG S.-H., Beschluss vom 17.7.2009 - L 1 SF 30/09 KO -, juris; Bayer. LSG, Beschluss vom 18.5.2012 - L 15 SF 104/11 -, juris; Hess. LSG, Beschluss vom 23.11.2010 - L 2 SF 335/09 -, juris) dar, dass das 30-seitige Gutachten, das 30.536 Zeichen umfasse, 16,96 Seiten zu je 1.800 Anschlägen entspreche und dass bei Zugrundelegung von 6 Seiten je Stunde ein Zeitaufwand von 2,83 Stunden zu berücksichtigen sei. Diesem Zeitaufwand seien die beiden von dem Sachverständigen gefertigten farbigen Abbildungen, die eine Seite umfassten, hinzuzusetzen, so dass 3 Stunden zu vergüten seien. Mit dieser Rechtsauffassung dringt der Beschwerdeführer nicht durch.

Das Vorbringen des Beschwerdeführers ist nicht geeignet, die Entscheidung des Verwaltungsgerichts, einen Zeitaufwand von 5 Stunden anzuerkennen, als ermessensfehlerhaft einzustufen. Der Senat teilt die in dem angefochtenen Beschluss zum Ausdruck gebrachte Einschätzung des Verwaltungsgerichts, dass bei der Überprüfung der Erforderlichkeit des von dem Sachverständigen geltend gemachten Zeitaufwandes auf die Umstände des Einzelfalls und nicht - wie es der Beschwerdeführer getan hat - pauschal auf so genannte Erfahrungswerte abzustellen ist. Denn es erscheint äußerst schwierig, die von einem Sachverständigen gefertigten Seiten eines Gutachtens in eine so genannte Standardseite umzurechnen, da die Seiten jeweils sehr individuell und - wie auch das Gutachten vom 28. März 2011 zeigt - oftmals mit sehr großzügigen Schriftbildern und Rändern gestaltet werden (vgl. zu dieser Problematik LSG S.-H., Beschluss vom 17.7.2009, a. a. O., Rn 11; Bayer. LSG, Beschluss vom 18.5.2012, a. a. O., Rn 33; Beschluss vom 3.11.2014 - L 15 SF 254/12 -, juris Rn 20; Thür. LSG, Beschluss vom 3.4.2012 - L 6 SF 306/12 B -, juris Rn 30 ff.).

Da die von dem Sachverständigen für das Diktat und die Korrektur des Gutachtens vom 28. März 2011 angesetzte Zeit von 5 Stunden nicht ungewöhnlich hoch ist und die Abrechnung des Sachverständigen insoweit auch keine Unstimmigkeiten oder Widersprüche aufweist, war das Verwaltungsgericht nach seinem pflichtgemäßen Ermessen berechtigt, den von dem Sachverständigen geltend gemachten Zeitaufwand von 5 Stunden anzuerkennen.

2. Der Beschwerdeführer beanstandet jedoch mit Erfolg, dass das Verwaltungsgericht bei der Festsetzung der Vergütung des Sachverständigen für die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung vom 17. Mai 2011 den von dem Sachverständigen begehrten Ersatz von Fahrtkosten von seinem Wohnort in C. und zurück anerkannt und die von dem Sachverständigen angesetzte Ortsabwesenheit von 3,75 Stunden berücksichtigt hat.

Der Sachverständige war im maßgeblichen Zeitpunkt als Oberarzt in der Privat-Ner-ven-Klinik Dr. med. D. in E. tätig. Es handelt sich um ein Fachkrankenhaus für Psychiatrie und Psychotherapie, in dem ausweislich des Internetauftritts der Einrichtung 260 Patienten behandelt werden können. Der Sachverständige hat unter der Anschrift des Fachkrankenhauses sein Gutachten erstellt und ist auch unter dieser Anschrift zur mündlichen Verhandlung vom 17. Mai 2011 geladen worden. In seiner Liquidation vom 17. Mai 2011 hat der Sachverständige jedoch Fahrtkosten von seinem Wohnort in C., der vom Sitz des Verwaltungsgerichts weiter entfernt ist als die Privat-Nerven-Klinik Dr. med. D. in E., zum Sitz des Verwaltungsgerichts und zurück beansprucht.

Der Beschwerdeführer wendet zu Recht ein, dass entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts nur die Fahrkosten vom Sitz der Privat-Nerven-Klinik Dr. med. D. in E. zum Sitz des Verwaltungsgerichts und zurück gemäß § 5 JVEG zu ersetzen sind. Die Einschätzung des Verwaltungsgerichts, der Sachverständige sei durch besondere Umstände im Sinne des § 5 Abs. 5 JVEG genötigt gewesen, die Fahrt zum Verwaltungsgericht von seinem Wohnort aus anzutreten und nach der mündlichen Verhandlung wieder zu seinem Wohnort zurückzufahren, teilt der Senat nicht. Dass der Sachverständige, wie er ausweislich eines Vermerks vom 1. März 2013, den der Berichterstatter des Verwaltungsgerichts über ein mit dem Sachverständigen geführtes Telefonat gefertigt hat, erklärt hat, „nur ein paar Mal im Monat“ in der Privat-Nerven-Klinik Dr. med. D. in E. ist und deshalb von seinem Wohnort zum Verhandlungstermin gefahren ist, ist dem Senat nicht nachvollziehbar. Der Beschwerdeführer hat mit der Beschwerde zu dem Vortrag des Sachverständigen zu Recht eingewandt, dass es angesichts der Berufstätigkeit des Sachverständigen als Oberarzt der Privat-Nerven-Klinik Dr. med. D. in E. der konkreten Darlegung des Sachverständigen bedurft hätte, inwiefern die Tätigkeit als Oberarzt es zulässt, die Klinik nur wenige Male im Monat aufzusuchen. Der Senat hat den Sachverständigen deshalb mit Verfügung vom 28. November 2014 unter Setzung einer schon im Dezember des vergangenen Jahres abgelaufenen Frist gebeten, sich zu der Beschwerde zu äußern. Dies hat der Sachverständige nicht getan. Angesichts dieser Sachlage kann vom Vorliegen besonderer Umstände im Sinne des § 5 Abs. 5 JVEG nicht ausgegangen werden. Der Sachverständige kann deshalb nur beanspruchen, dass die Fahrtkosten ersetzt werden, die eine Fahrt von dem in der Ladung bezeichneten Ort in E. zum Sitz des Verwaltungsgerichts und zurück erforderte.

Die Entfernung zwischen der Privat-Nerven-Klinik Dr. med. D. in E. und dem Sitz des Verwaltungsgerichts in Braunschweig beläuft sich - wie der Beschwerdeführer zutreffend unter Rückgriff auf die Datenbank www.maps.google.de ermittelt hat - auf 36 km. Als Fahrtzeit sind grundsätzlich 31 Minuten anzusetzen. Auch dies ergibt sich aus der vorgenannten Datenbank.

Inklusive eines Zeitpuffers von 14 Minuten für etwaige Verkehrsbehinderungen sowie eines Zeitraums von 10 Minuten für das Lösen eines Parkscheins in dem dem Verwaltungsgericht nächstgelegenen Parkhaus in der Wilhelmstraße und des Fußwegs zum Gerichtsgebäude (der Fußweg beträgt ausweislich des Internetauftritts des Verwaltungsgerichts ca. 5 Minuten) ist es vertretbar, für die Hin- und Rückreise jeweils 55 Minuten anzusetzen. Zuzüglich der Dauer der Inanspruchnahme des Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung von 70 Minuten ergibt sich eine terminbedingte Ortsabwesenheit von 3 Stunden.

Als Vergütung des Sachverständigen für die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung vom 17. Mai 2011 sind daher, wie der Beschwerdeführer zutreffend errechnet hat, 531,45 € anzusetzen (Unterlagenstudium <2 Stunden zu je 85 € = 170 €; die Höhe des Stundensatzes hat der Beschwerdeführer nicht beanstandet; hinsichtlich des Zeitaufwandes hat der Beschwerdeführer den Beschluss des Verwaltungsgerichts nicht angefochten>; terminbedingte Abwesenheit <3 Stunden zu je 85 € = 255 €>; Fahrtkosten <72 km zu je 0,30 € = 21,60 €>; Mehrwertsteuer 84,85 €).

Die Nebenentscheidungen folgen aus § 4 Abs. 8 JVEG.

Dieser Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.