Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 13.10.2015, Az.: 1 KN 66/14

Anstoßwirkung; Außenbereich; einfacher Bebauungsplan; Bebauungsplan; Teilbarkeit; Teilunwirksamkeit; Tierhaltung

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
13.10.2015
Aktenzeichen
1 KN 66/14
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2015, 45337
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Wenn die Auslegungsbekanntmachung mit einer gewissen Deutlichkeit auf einen bestimmten Planinhalt schließen lässt, muss dieser auch zutreffend beschrieben sein.

Entscheidet das Gericht vor Ablauf der Jahresfrist des § 215 Abs. 1 BauGB über den Normenkontrollantrag, so sind die dort genannten Fehler des Plans von Amts wegen zu berücksichtigen.

Erfasst ein Verfahrensfehler nur Teile eines Bebauungsplans - hier: entfaltet die Auslegungsbekanntmachung nur gegenüber den von bestimmten Festsetzungen Betroffenen keine Anstoßwirkung -, so kommt die Annahme einer Teilunwirksamkeit des Plans in Betracht.

Tenor:

Der vom Rat der Antragsgegnerin am 12. Dezember 2013 und erneut am 29. Oktober 2014 als Satzung beschlossene Bebauungsplan Nr. 93.3 „F. - Tierhaltung“ wird insoweit für unwirksam erklärt, als seine textliche Festsetzung Nr. 1 andere bauliche Anlagen als Anlagen der landwirtschaftlichen oder gewerblichen Tierhaltung erfasst.

Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Antragsteller wendet sich gegen den einfachen Bebauungsplan Nr. 93.3 „F. - Tierhaltung“ der Antragsgegnerin, da die darin vorgenommene Festsetzung nicht überbaubarer Flächen im Außenbereich ihm die Errichtung einer neuen Hofstelle unmöglich macht.

Der Antragsteller ist Landwirt und u.a. Eigentümer der Grundstücke Flurstücke G. H., Gemarkung F.. Diese liegen im Außenbereich des Ortsteils F. der Antragsgegnerin, südlich von deren vorhandenem Industriegebiet.

Am 18.6.2009 fasste der Rat der Antragsgegnerin den Aufstellungsbeschluss für den hier angegriffenen Bebauungsplan mit dem erklärten Ziel der Steuerung der Tierhaltung im Außenbereich des Ortsteils F.; für den Außenbereich der übrigen Ortsteile sollten entsprechende Pläne aufgestellt werden. In der Folgezeit befragte die Antragsgegnerin die ortsansässigen Tierhaltungsbetriebe nach ihren Erweiterungsabsichten. Die frühzeitige Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung fand im Juli/August 2011 statt; bereits im Vorfeld, mit Schreiben vom 9.5.2011 hatte der Antragsteller Interesse an der Zuweisung eines Baufensters für die Errichtung zweier Putenställe bekundet. Am 16.12.2011, 26.1.2012 und 20.2.2012 beantragte der Antragsteller Baugenehmigungen für eine Maschinenhalle, ein Wohnhaus und einer landwirtschaftlichen Lagerhalle auf dem o.a. Grundstück im voraussichtlichen Plangebiet. Vom 1.10.2013 bis zum 1.11.2013 fand eine erste öffentliche Auslegung der Planunterlagen statt; in der Auslegungsbekanntmachung vom 19.9.2013 sind die Arten verfügbarer Umweltinformationen nicht aufgeführt. Mit Einwendungsschreiben vom 31.10.2013 – eingegangen am 1.11.2013 – wies der Antragsteller auf seine Absicht hin, auf dem o.a. Grundstück im Plangebiet eine Hofstelle für seinen Betrieb, „auf Dauer auch Ställe für die Veredlung“ zu errichten; Alternativflächen habe er nicht. Mit Schreiben vom 7.11.2013 stellte er klar, dass die Hofstelle nur dem Ackerbau dienen solle; Stallanlagen seien nicht vorgesehen. In seiner Sitzung vom 12.12.2013 entschied der Rat der Antragsgegnerin über die eingegangenen Stellungnahmen und beschloss den Bebauungsplan als Satzung. Am 15.1.2014 machte die Antragsgegnerin den Satzungsbeschluss im Amtsblatt für den Landkreis Emsland bekannt.

Der einfache Bebauungsplan erfasst nahezu den gesamten Außenbereich des Ortsteils F., etwa 885 ha; ausgenommen sind lediglich einige Flächen, die als Natur-/Landschaftsschutzgebiete bzw. Friedhof ohnehin für eine Bebauung nicht zur Verfügung stehen. Der ganz überwiegende Teil ist (nur) mit der Festsetzung „Flächen, die von der Bebauung freizuhalten sind“ belegt. Nach der textlichen Festsetzung Nr. 1 ist hier jegliche Bebauung unzulässig, mit folgenden Ausnahmen:

1.1 Im Bereich der Flächen nach Nr. 1 sind bauliche Anlagen, die das Ziel, die Flächen von Bebauung freizuhalten, nicht mehr als geringfügig beeinträchtigen, ausnahmsweise zulässig.

Dies trifft in der Regel auf folgende Anlagen zu:

- die Neuerrichtung an gleicher Stelle von zulässigerweise errichteten Gebäuden und Anlagen (z.B. Feldscheunen, einzelne Windkraftanlagen, Güllebehälter u.ä.), die durch Brand, Naturereignisse oder andere außergewöhnliche Ereignisse zerstört wurden;

- für die landwirtschaftliche, forstwirtschaftliche oder gartenbauliche Nutzung unerlässliche bauliche Einrichtungen, jedoch Gebäude nur als Schutzhütten, sofern sie einem landwirtschaftlichen, forstwirtschaftlichen oder gartenbaulichen Betrieb dienen, eine Grundfläche von 100 qm und eine Höhe von 5 m über Geländeoberkante nicht überschreiten und nur zum vorübergehenden Schutz von Tieren oder zur Unterbringung von Erzeugnissen dieser Betriebe bestimmt sind und ohne Feuerstätten ausgestattet sind; weiterhin ist die Erweiterung bestehender Silo- und Dungplatten oder Gülleerdbecken zulässig, soweit von ihnen keine erheblich belästigenden Emissionen ausgehen und ihre Nutzung das Landschaftsbild und die Erholungsfunktion im Geltungsbereich nicht wesentlich stört;

- für die Jagdausübung unerlässliche bauliche Einrichtungen (z.B. Hochsitze), jedoch keine Jagdhütten;

- der Erholungs- und Fremdenverkehrsnutzung dienende und für sie unerlässliche Einrichtungen, jedoch Gebäude nur als Schutzhütten, sofern sie eine Grundfläche von 100 qm und eine Höhe von 5 m über Geländeoberkante nicht überschreiten und nur zum vorübergehenden Schutz bestimmt sind und ohne Feuerstätten ausgestattet sind;

- der Wasserwirtschaft dienende bauliche Anlagen

- Straßenbau- und Wasserbauvorhaben.

1.2 Von dem Freihaltegebot sind die in § 35 Abs. 1 Nr. 3 BauGB genannten Vorhaben ausgenommen, wenn ihnen öffentliche Belange in Anwendung des § 35 Abs. 1 und 3 BauGB nicht entgegenstehen.

Einzelne Grundstücke – weniger als 5% des Plangebiets – bleiben ohne zeichnerische Festsetzung; für sie sieht lediglich die textliche Festsetzung Nr. 2 die Geltung der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung vor.

In der Vorlage zur Abwägung der Stellungnahmen heißt es unter anderem, der Antragsteller sei Eigentümer einer Hofstelle in I., so dass bereits ein geeignetes Grundstück für einen landwirtschaftlichen Betrieb zur Verfügung stehe. Mit der Planung solle die weitere ungesteuerte Zersiedelung der Landschaft mit Tierhaltungsanlagen unterbunden und gleichzeitig die Entwicklung der heimischen Tierhaltungsbetriebe gesichert werden. Der Antragsteller betreibe derzeit keine Tierhaltung, so dass kein Bedarf für die Ausweisung eines Baufensters bestehe. Außerdem befinde sich der geplante Standort nicht nahe der vorhandenen Hofstelle oder einer vorhandenen Tierhaltungsanlage. Er lasse zudem Geruchsimmissionen für das nahe Gewerbe- und Industriegebiet befürchten; die geplante Errichtung eines Wohnhauses unmittelbar neben dem festgesetzten Industriegebiet gefährde ebenfalls dessen Ausnutzbarkeit und behindere dessen zukünftige Weiterentwicklung.

Vom 4.7.2014 bis einschließlich zum 4.8.2014 legte die Antragsgegnerin die Planunterlagen erneut öffentlich aus; die Auslegungsbekanntmachung vom 24.6.2014 enthält ausführliche Hinweise zu den verfügbaren Umweltinformationen. Der Antragsteller beteiligte sich in diesem Auslegungsverfahren nicht. In seiner Sitzung vom 29.10.2014 entschied der Rat der Antragsgegnerin erneut über die eingegangenen Stellungnahmen und beschloss den Bebauungsplan nochmals als Satzung. Im Amtsblatt für den Landkreis Emsland vom 28.11.2014 machte die Antragsgegnerin den erneuten Satzungsbeschluss ohne vorherige Ausfertigung des Plans bekannt. Unter dem 27.3.2015 holte der Bürgermeister der Antragsgegnerin die Ausfertigung nach. Im Amtsblatt vom 15.4.2015 wurde die Bekanntmachung wiederholt.

Am 23.4.2014 hat der Antragsteller den vorliegenden Normenkontrollantrag gestellt. Zur Begründung macht er geltend, der Plan sei eine reine Verhinderungsplanung. Die Antragsgegnerin verfolge mit ihr kein schlüssiges Gesamtkonzept für ihren Außenbereich, der der Landwirtschaft substantiell Raum verschaffe. Die Einräumung von Baufenstern für Bestandsbetriebe ändere daran nichts, da sie keine Neuansiedelungen ermögliche. Für eine überdurchschnittliche Viehdichte im Plangebiet enthalte die Planbegründung keine Anhaltspunkte. Der Plan sei auch abwägungsfehlerhaft. Die Planbegründung rechtfertige die getroffenen Festsetzungen allein mit den von Tierhaltungsbetrieben ausgehenden Wirkungen; der Plan unterbinde jedoch auch andere Vorhaben im Plangebiet, insbesondere Bauten der nicht tierhaltenden Landwirtschaft. Zu deren Belangen enthalte die Planbegründung keine Erwägungen. Auch habe sich die Antragsgegnerin nur mit den Belangen von Bestandsbetrieben, nicht aber mit den Belangen ebenfalls privilegierter noch zu gründender landwirtschaftlicher Betriebe auseinandergesetzt. Die Planung beruhe auf sachfremden Erwägungen, da offensichtlich die zukünftige Entwicklung des Industriegebietes C. gesichert werden sollte, dies aber in der Planbegründung keinen Niederschlag finde. Eine bloße Teilunwirksamkeit liege nicht vor, da der Plan insgesamt eine Verhinderungsplanung darstelle und es der Antragsgegnerin gerade auf den Ausschluss jeglicher landwirtschaftsbezogener Bebauung angekommen sei.

Der Antragsteller beantragt,

den vom Rat der Antragsgegnerin am 12. Dezember 2013 und erneut am 29. Oktober 2014 als Satzung beschlossene Bebauungsplan Nr. 93.3 „F. - Tierhaltung“ für unwirksam zu erklären.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Sie macht geltend, ihr Ziel sei nicht nur die Steuerung von Tierhaltungsanlagen, sondern auch die Freihaltung der Landschaft und deren Schutz vor Eingriffen und Zersiedelung sowohl für ruhige Freizeit-, Erholungs- als auch für Naturfunktionen. Das weitere Ziel, zukünftige Entwicklungsmöglichkeiten für ihr Industriegebiet offenzuhalten und dort konfligierende Nutzungen zu verhindern, sei nicht sachfremd, sondern legitim. Die Belange der nicht tierhaltenden Landwirtschaft seien ihr bewusst gewesen; mit den Belangen des Antragstellers habe sich der Rat ausführlich auseinandergesetzt. Das Abwägungsergebnis sei nicht zu beanstanden. Zwar bedürfe der weitgehende Ausschluss insbesondere von Tierhaltungsanlagen „besonders guter Gründe“; diese lägen in der Absicht, den noch weitgehend unbelasteten Außenbereich der Ortslage F. freizuhalten, jedoch vor. Das Ziel, ein Heranrücken möglicherweise sensibler Nutzungen an einen Bereich, der zur Ansiedelung störender Gewerbebetreibe vorgesehen sei, zu verhindern, rechtfertige, dem Antragsteller die möglicherweise gewinnbringendste Verwertungsmöglichkeit seines Eigentums zu nehmen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und die Beiakten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

Der Normenkontrollantrag hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.

Der Antrag ist zulässig. Der Antragsteller ist antragsbefugt. Dass er nur im ersten, nicht aber in dem nach Stellung des Normenkontrollantrags durchgeführten zweiten Öffentlichkeitsbeteiligungsverfahren Einwendungen erhoben hat, macht seinen Antrag nicht nachträglich nach § 47 Abs. 2a VwGO unzulässig (BVerwG, Urt. v. 24.3.2010 – 4 CN 3.09 -, DVBl. 2010, 779 = juris Rn. 13 ff.).

Der Antrag ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Der Bebauungsplan ist teilunwirksam.

Der Bebauungsplan ist verfahrensfehlerhaft zustande gekommen.

Die Auslegungsbekanntmachungen vom 19.9.2013 und vom 24.6.2014 entfalten keine hinreichende Anstoßwirkung. Der Begriff der Anstoßwirkung kennzeichnet schlagwortartig die Anforderungen, die an die in § 3 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 BauGB vorgeschriebene ortsübliche Bekanntmachung des Ortes und der Dauer der Auslegung der Entwürfe der Bauleitpläne zu stellen sind. Die Bekanntmachung muss in einer Weise geschehen, die geeignet ist, dem an der beabsichtigten Bauleitplanung interessierten Bürger sein Interesse an Information und Beteiligung durch Abgabe einer Stellungnahme bewusst zu machen und dadurch eine gemeindliche Öffentlichkeit herzustellen (BVerwG, Urt. v. 6.7.1984 – 4 C 22.80BVerwGE 69, 344 [345] = juris Rn. 15 ff.). Sie soll interessierte Bürger dazu ermuntern, sich am Ort der Auslegung des Planentwurfs zu den angegebenen Zeiten über die gemeindlichen Planungsabsichten zu informieren und gegebenenfalls mit Anregungen und Bedenken zur Planung beizutragen. Ihre Aufgabe ist es nicht, über den Inhalt der angelaufenen Planung selbst so detailliert Auskunft zu geben, dass die Einsichtnahme in die Planunterlagen am Ort der Auslegung entbehrlich wird (BVerwG, Beschl. v. 17.9.2008 – 4 BN 22.08 –, BauR 2009, 75 = juris Rn. 4).

Dem ist hier weder durch die erste noch durch die zweite Auslegungsbekanntmachung genügt; beide erwecken den unrichtigen Eindruck, dass die Bebauungspläne nur der Steuerung von Tierhaltungsanlagen im Außenbereich dienen. Zwar muss die Auslegungsbekanntmachung in der Regel keinen Aufschluss über die beabsichtigten Festsetzungen geben. Der Bürger wird hinreichend sensibilisiert, wenn er weiß, dass in seiner Nähe überhaupt geplant wird; Zweifel über den Inhalt der Planung muss er durch Einsicht in die Planunterlagen ausräumen. Wenn die Auslegungsbekanntmachung aber mit einer gewissen Deutlichkeit auf einen bestimmten Planinhalt schließen lässt, muss dieser auch zutreffend beschrieben sein. Das ist hier nicht der Fall. In der ersten Auslegungsbekanntmachung vom 19.9.2013 heißt es: „Mit der Aufstellung des Bebauungsplans Nr. 93.3 „F. - Tierhaltung“ soll zum Schutz des Außenbereichs die Errichtung von Tierhaltungsanlagen im Ortsteil F. bauleitplanerisch gesteuert werden. Gleichzeitig soll der heimischen Landwirtschaft durch die Ausweisung von Baufenstern aber auch die Möglichkeit zur weiteren Entwicklung gegeben werden.“ Das suggeriert demjenigen Landwirt, der keine Tierhaltung betreibt oder betreiben will, dass ihm durch den Plan keine Einschränkungen drohen; das kann ihn durchaus davon abhalten, sich näher mit der Planung zu beschäftigen. Mit der zweiten Auslegungsbekanntmachung wurde dieser Mangel nicht geheilt. Dort fehlt zwar der oben wiedergegebene Text. Vielmehr wird die erneute Auslegung lediglich mit der Notwendigkeit eines ergänzenden Verfahrens begründet. Der Bebauungsplanentwurf trägt jedoch weiterhin den Titel „F. - Tierhaltung“. Schon dieser kann zu demselben Fehlverständnis führen wie die Erläuterung in der ersten Auslegungsbekanntmachung. Hinzu kommt, dass der Aussagegehalt der zweiten Auslegungsbekanntmachung nach dem Erkenntnishorizont eines Bürgers zu bestimmen ist, der bereits die erste Auslegungsbekanntmachung gelesen hatte. Musste dieser davon ausgehen, die Planung betreffe nur Tierhaltungsanlagen, so konnte er sich in Ermangelung gegenteiliger Hinweise darauf verlassen, dass sich der Planinhalt in der zweiten Auslegung nicht wesentlich geändert habe.

Die Mängel der Auslegungsbekanntmachungen sind nicht nach § 215 Abs. 1 Nr. 1 BauGB unbeachtlich geworden. Zwar sind sie gegenüber der Antragsgegnerin bislang nicht schriftlich gerügt worden. Indes ist die Jahresfrist zum Entscheidungszeitpunkt, gemessen an der insoweit maßgeblichen zweiten Planbekanntmachung, noch nicht abgelaufen; und in der Schwebezeit bis zum Ablauf der Frist sind Verfahrensfehler, wie schon der Wortlaut der Norm („unbeachtlich werden“) zeigt, beachtlich (Stock, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Loseblatt, Stand: 02/2015, § 215 Rn. 48 m.w.N.; Petz, in: Berliner Kommentar zum BauGB, Loseblatt, Stand: 05/2015, § 215 Rn. 26; OVG Münster, Urt. v. 12.11.2004 – 10a D 38/02.NEBauR 2005, 963 [967] = juris Rn. 58).

Der Bebauungsplan ist auch materiell teilweise rechtswidrig.

Der Plan ist zwar erforderlich i.S.d. § 1 Abs. 3 BauGB. Eine Verhinderungsplanung liegt entgegen der Auffassung des Antragstellers nicht vor. Dies ist erst der Fall, wenn ein positives Planungsziel nur vorgeschoben ist, um bestimmte Vorhaben zu verhindern. Dagegen ist es nicht zu beanstanden, dass eine Planung mehr auf Bewahrung als auf Veränderung des status quo abzielt. Die Antragsgegnerin verfolgt offen die städtebaulich legitimen Ziele, die Funktion ihres Außenbereichs als Natur- und Erholungsraum zu gewährleisten und einen Abstand zwischen ihrem Industrie- oder Gewerbegebiet und etwaige konfligierende Nutzungen zu sichern; dass sie letzteres Ziel nicht in der Planbegründung, sondern nur im Rahmen der Behandlung der entsprechenden Einwendungen angeführt hat, macht es entgegen der Auffassung des Antragstellers nicht zu „sachfremden Erwägungen“. Der Umstand, dass bestimmte Erwägungen, die die planende Gemeinde unstreitig angestellt hat, nicht in der Planbegründung erscheinen, stellt lediglich einen Begründungsfehler dar, der allerdings nach § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, 2. Hs. BauGB unbeachtlich wäre. Ob die Regelungen des Bebauungsplans den gemeindlichen Zielen im Detail gerecht werden, ist keine Frage der Erforderlichkeit, sondern der Abwägungsgerechtigkeit des Plans.

Der Plan leidet jedoch unter einem Abwägungsmangel mit Blick auf die Belange der nicht viehhaltenden Landwirtschaft.

Gemäß § 2 Abs. 3 BauGB sind bei der Aufstellung der Bauleitpläne die Belange, die für die Abwägung von Bedeutung sind, (Abwägungsmaterial) zu ermitteln und zu bewerten. Die daraus folgenden Anforderungen an den Abwägungsvorgang entsprechen denen, die die Rechtsprechung aus dem Abwägungsgebot des § 1 Abs. 7 BauGB entwickelt hat (vgl. BVerwG, Urt. v. 9.4.2008 – 4 CN 1.07 -, juris Rn. 20 = BVerwGE 131, 100; Urt. v. 13.12.2012 – 4 CN 2.11 –, DVBl. 2013, 507 = juris Rn. 9). Die so ermittelten und bewerteten öffentlichen und privaten Belange sind in einem weiteren Schritt gemäß § 1 Abs. 7 BauGB gegen- und untereinander gerecht abzuwägen. Die gerichtliche Kontrolle dieser von der Gemeinde vorzunehmenden Abwägung hat sich darauf zu beschränken, ob der Ausgleich zwischen den von der Planung berührten öffentlichen und privaten Belangen in einer Weise vorgenommen worden ist, die zu ihrer objektiven Gewichtigkeit in einem angemessenen Verhältnis steht. Hat die Gemeinde diese Anforderungen an ihre Planungstätigkeit beachtet, wird das Abwägungsgebot nicht dadurch verletzt, dass sie bei der Abwägung der verschiedenen Belange dem einen den Vorzug einräumt und sich damit notwendigerweise für die Zurückstellung eines anderen entscheidet (vgl. BVerwG, Urt. v. 5.7.1974 – 4 C 50.72 –, BVerwGE 45, 309 = BRS 28 Nr. 4 = juris Rn. 45).

Bei einer Festsetzung, die zum Verlust der Baurechte aus § 35 Abs. 1 BauGB führt, ist das Gewicht des in § 35 BauGB zum Ausdruck kommenden Nutzungsbelanges der Landwirtschaft mit dem gebotenen Gewicht einzustellen. Der Verlust der Bebaubarkeit von Außenbereichsflächen für landwirtschaftliche Vorhaben ist eine besonders einschneidende Bestimmung von Inhalt und Schranken des Grundeigentums, die durch Belange von erheblichem Gewicht gefordert sein muss (Senatsurt. v. 8.12.2009 – 1 KN 355/07 -, BauR 2010, 1181 = juris Rn. 52 unter Verweis auf BVerwG, Beschl. v. 17.12.1998 – 4 NB 4.97 -, BRS 60 Nr. 20; Söfker, NVwZ 2008, 1273 [1279]).

Dem ist die Antragsgegnerin hinsichtlich der Belange der tierhaltenden Betriebe gerecht geworden. Deren Entwicklungsabsichten hat sie durch die im Frühstadium der Planung durchgeführte Befragung in hinreichender Detailschärfe ermittelt und durch Zuweisung von Baufenstern berücksichtigt. In der Planbegründung hat sie nachvollziehbar dargelegt, weshalb sie es für geboten halten durfte, den Außenbereich des Ortsteils F. mit Ausnahme einiger zur angemessenen Entwicklung der bestehenden Betriebe erforderlicher und mit Blick auf die Planungsziele – wie zu jeder Fläche einzeln ausgeführt – weitestgehend „unbedenklicher“ Flächen von weiteren Tierhaltungsanlagen freizuhalten. Dass der Tierhaltung hierdurch nicht – wie es der Senat in ständiger Rechtsprechung fordert – in ausreichendem Maße Raum belassen würde, ist nicht erkennbar. Nach einer Antwort der Nds. Landesregierung vom 5.8.2011 auf eine kleine Anfrage des Abgeordneten J. (LT-Drs. 16/4307) wies die Antragsgegnerin im Jahr 2010 eine Viehdichte on 1,98 Großvieheinheiten (GV)/ha gegenüber einem Landesdurchschnitt von 1,12 GV/ha auf. Hinzu kommt, dass der Plan noch eine gewisse Ausweitung der Tierhaltung zulässt – von den „Baufenstern“ sind nur ca. 2/3 bebaut, und auch diese lassen noch Raum für Erweiterungen. Mithin ermöglicht der Plan eine niedersachsenweit deutlich überdurchschnittliche Konzentration von Tierhaltung im Gemeindegebiet. Selbst wenn die für den übrigen Außenbereich der Antragsgegnerin aufgestellten Bebauungspläne zur Steuerung der Tierhaltung restriktiver wären – was angesichts eines offenbar gleichförmigen Vorgehens nicht wahrscheinlich ist –, wäre damit der Tierhaltung substantiell Raum verschafft.

Für die in gleicher Weise im Außenbereich privilegierten Ackerbaubetriebe fehlt indessen jede Ermittlungstätigkeit; die Antragsgegnerin betont in der Planbegründung ausdrücklich, sie habe nur die Entwicklungsabsichten der Tierhaltungsbetriebe abgefragt (S. 21 oben); über das Gewicht der der Planung entgegenstehenden Belange der nicht tierhaltenden Betriebe hatte die Antragsgegnerin mithin keine Informationen, konnte diese also auch nicht mit dem ihnen zukommenden Gewicht in die Abwägung einstellen. Die Antragsgegnerin konnte sich auch nicht darauf verlassen, dass die Belange anderer privilegierter Außenbereichsnutzer in Einwendungen im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung geltend gemacht würden; denn die Auslegungsbekanntmachung erfüllte, wie oben dargelegt, nur der Betroffenengruppe der Tierhalter gegenüber eine Anstoßwirkung.

Möglicherweise ist das Ermittlungsdefizit auf eine Unsicherheit der Antragsgegnerin hinsichtlich der Auswirkungen ihrer eigenen Planung zurückzuführen, die freilich zusätzlich ein Bewertungsdefizit begründen würde. So heißt es im Abwägungsvorschlag zu den Einwendungen des Antragstellers:

„Bei dem Betrieb (des Antragstellers) handelt es sich nach Auffassung der Gemeinde nicht um einen eigenbewirtschafteten tierhaltenden Betrieb, da keine Tierhaltung betrieben wird und somit kein Bedarf für die Ausweisung eines „Baufensters“ besteht.“

Diese Formulierung lässt darauf schließen, dass die Antragsgegnerin der Meinung war, nicht tierhaltende Betriebe könnten grundsätzlich keinen Bedarf an der Ausweisung eines Baufensters haben. Angesichts der Tatsache, dass ihr Plan außerhalb der Baufenster beinahe jegliche bauliche Entwicklung unterbindet, ist diese Bewertung nicht nachvollziehbar.

Auch die den Interessen der nicht tierhaltenden Landwirtschaft entgegenstehenden öffentlichen Belange hat die Antragsgegnerin nicht ermittelt und mit dem ihnen zukommenden Gewicht in die Abwägung eingestellt. Zu Recht verweist der Antragsteller darauf, dass in der Planbegründung als Planungsziel ausschließlich auf die negativen Auswirkungen von Tierhaltungsanlagen eingegangen wird. Es kann zwar auch ein legitimes Planungsziel sein, den Außenbereich vor den optischen Einwirkungen jeglicher größeren Bebauung zu schützen (vgl. Senatsurt. v. 13.8.2013 – 1 kn 69/11 -, BauR 2014, 72 = juris Rn. 27; v. 26.10.2011 – 1 KN 254/10 -, BRS 78 Nr. 124 = juris Rn. 33, 40 ff.; v. 8.12.2009 – 1 KN 355/07 -, ZfBR 2010, 474 = BauR 2010, 1181 = juris Rn. 29 ff.). Allerdings muss der Plangeber, da damit ein weitergehender Eingriff in die Baufreiheit verbunden ist als mit dem Verbot „nur“ von Tierhaltungsanlagen, in einem solchen Fall die Schutzwürdigkeit seines Außenbereichs gerade mit Blick auf die Gefährdung durch jegliche Bebauung prüfen. Das würde insbesondere Überlegungen zur „Vorbelastung“ und zum insoweit bestehenden Siedlungsdruck, ferner zur Grenzziehung zwischen noch verträglichen und schon unverträglichen optischen Belastungen erwarten lassen. Das fehlt hier völlig. Der Plan spricht ausschließlich die von Tierhaltungsanlagen ausgehenden Wirkungen und die Tendenz zu deren Vermehrung an.

Diese Abwägungsfehler sind offensichtlich. Die Antragsgegnerin bekennt ausdrücklich, nur die tierhaltenden Landwirte befragt und bei der Einräumung von Baufenstern berücksichtigt zu haben. Ferner rechtfertigt sie ihre Planung nur mit den von Tierhaltungsanlagen ausgehenden Beeinträchtigungen; eine Einstellung der Interessen der Ackerbau betreibenden Landwirte in die Abwägung ist an keiner Stelle in der Planbegründung dokumentiert. Die Fehler sind auch auf das Abwägungsergebnis möglicherweise von Einfluss gewesen; die Antragsgegnerin hat nicht vorgetragen, dass es (außer dem Antragsteller) keine nur Ackerbau betreibenden Landwirte bzw. keine Betriebe mit Flächen im Gemeindegebiet gebe, die Interesse an der Errichtung anderer landwirtschaftlicher Gebäude als Tierhaltungsanlagen haben könnten. Es ist auch keineswegs offensichtlich, dass die Antragsgegnerin die Interessen dieser Landwirte in jedem Fall hinter das Ziel der Freiraumplanung zurückgestellt hätte. Die Planbegründung verweist hier auf das „industrielle“ Erscheinungsbild gerade von Tierhaltungsanlagen (S. 5 unten) sowie deren Gerüche (S. 7 oben). Dass vergleichbare Auswirkungen von sämtlichen nicht unter die textlichen Festsetzungen Nrn. 1.1 und 1.2 fallenden landwirtschaftlichen Anlagen ausgingen, steht nicht fest.

Abwägungsfehler liegen auch hinsichtlich der Belange des Antragstellers vor. Diese sind zwar ausreichend ermittelt worden. Durch sein Einwendungsschreiben sowie die Bauanträge waren der Antragsgegnerin seine Erweiterungsabsichten bekannt. Die Antragsgegnerin hat allerdings die den Plänen des Antragstellers entgegenstehenden Belange in ihrem Gewicht verkannt. Das Einwendungsschreiben des Antragstellers vom 31.10.2013, in dem dieser noch vorgebracht hatte, auch Tierhaltung betreiben zu wollen, hat die Antragsgegnerin – wohl je selbständig tragend – mit ihren Zielen a) den Außenbereich außer hofnahen Lagen bereits tierhaltender Bestandsbetriebe von Tierhaltungsanlagen freihalten, b) das bestehende Gewerbe-/Industriegebiet nebst potentiellen Erweiterungsflächen vor Immissionen schützen und c) die Entstehung eines Betriebsleiterwohnhauses im Außenbereich als an das Industrie-/Gewerbegebiet heranrückende, seinerseits schutzwürdige Bebauung verhindern zu wollen. Nachdem der Antragsteller mit Schreiben vom 7.11.2013 erklärt hatte, die Hofstelle ohne Tierhaltungsanlage errichten zu wollen, stützte die Antragsgegnerin die Verweigerung eines Baufensters nur noch auf Gründe a) und c); wörtlich heißt es:

„Die beschriebene Konfliktsituation am gewünschten Standort direkt südlich des Industriegebietes C. bleibt dadurch jedoch, bis auf eventuell zu erwartende Geruchsimmissionen, unverändert bestehen. Die Planung soll daher unverändert beibehalten werden.“

Die Antragsgegnerin verkennt dabei, dass weder Ziel a), noch Ziel c) durch die Errichtung einer Maschinen- oder Lagerhalle beeinträchtigt würden. Die Erwägung a) trägt nur gegenüber der Errichtung von Tierhaltungsanlagen, die Erwägung c) nur gegenüber der Errichtung eines Betriebsleiterwohnhauses. Nur diese hätte die Antragsgegnerin daher mit den o.a. Erwägungen unterbinden können.

Auch dieser Abwägungsfehler ist offensichtlich und auf das Abwägungsergebnis möglicherweise von Einfluss gewesen.

Die vorstehend dargestellten Verfahrens- und Abwägungsfehler führen indes nicht zur Gesamtunwirksamkeit des Plans. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der der Senat folgt, kommt eine Teilbarkeit und damit eine Beschränkung des Unwirksamkeitsausspruchs auf den fehlerbehafteten Teil des Plans in Betracht, wenn – erstens – die übrigen Regelungen, Maßnahmen oder Festsetzungen, für sich betrachtet, noch eine sinnvolle städtebauliche Ordnung im Sinne des § 1 Abs. 3 BauGB bewirken können und wenn – zweitens – die Gemeinde nach ihrem im Planungsverfahren zum Ausdruck gekommenen Willen im Zweifel auch eine Satzung dieses eingeschränkten Inhalts beschlossen hätte (BVerwG, Beschl. v. 25.2.1997 – 4 NB 30.96 -, NVwZ 1997, 896).

Diese Voraussetzungen liegen vor, soweit der Plan die Errichtung von Tierhaltungsanlagen ausschließt. Der Ausschluss von Tierhaltungsanlagen leidet, wie oben dargelegt, nicht unter Abwägungsfehlern. Er ist auch nicht von dem festgestellten Verfahrensfehler infiziert; die Auslegungsbekanntmachung hätte, wenn der Plan sich auf das Verbot von Tierhaltungsanlagen beschränken würde, eine hinreichende Anstoßwirkung entfaltet. Ein auf die Standortfestlegung für Tierhaltungsanlagen beschränkter Bebauungsplan bewirkt eine sinnvolle städtebauliche Ordnung; es handelt sich um ein auch isoliert städtebaulich sinnvolles, festsetzungstechnisch umsetzbares Ziel (ständige Senatsrechtsprechung, vgl. nur Urt. v. 7.10.2005 – 1 KN 297/04 -, BRS 69 Nr. 118 = juris Rn. 33; Beschl. v. 6.4.2008 – 1 MN 289/08 –, BauR 2009, 1421 = juris Rn. 19; Urt. v. 20.8.2015 – 1 KN 142/13 -, juris). Es ist auch mit Sicherheit anzunehmen, dass die Antragsgegnerin den Plan beschränkt auf Tierhaltungsanlagen beschlossen hätte. Wie oben dargelegt, bezog sich ihre Abwägung praktisch ausschließlich auf diese.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Beschränkung des Unwirksamkeitsausspruchs führt nicht zu einem materiellen Teilunterliegen des Antragstellers, mithin auch nicht zu einer teilweisen Kostentragung durch diesen, da die den Antragsteller nach seinen im Einwendungs- und Normenkontrollverfahren formulierten Interessen belastenden Festsetzungen vom Unwirksamkeitsausspruch voll erfasst werden (vgl. BVerwG, Beschl. v. 25.2.1997 – 4 NB 30.96 -, NVwz 1997, 896 = juris Rn. 19).

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.