Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 13.10.2015, Az.: 11 ME 230/15

Abbrucharbeiten; Abriss; Flüchtling; Flüchtlingsunterbringung; Hängebeschluss; Interessenabwägung; Schiebebeschluss; Vorarbeiten; vorläufige Sicherungsmaßnahme; Wohnraumbeschlagnahme

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
13.10.2015
Aktenzeichen
11 ME 230/15
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2015, 45101
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 09.10.2015 - AZ: 5 B 98/15

Tenor:

Bis zur Entscheidung des Senats in dem Beschwerdeverfahren 11 ME 230/15 wird die Vollziehung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Lüneburg - 5. Kammer - vom 9. Oktober 2015 ausgesetzt.

Gründe

Der Antrag der Antragsgegnerin, die Vollziehung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Lüneburg vom 9. Oktober 2015 einstweilen auszusetzen, hat Erfolg. Mit diesem Beschluss des Verwaltungsgerichts ist die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen die Beschlagnahmeverfügung der Antragsgegnerin vom 1. Oktober 2015 wiederhergestellt worden.

Gemäß §§ 173 Satz 1 VwGO570 Abs. 3 ZPO kann der Senat als Rechtsmittelgericht vorläufig im Wege einer Zwischenregelung - also bis zur endgültigen Entscheidung im vorläufigen Rechtsschutzverfahren - eine einstweilige Anordnung erlassen, insbesondere die Vollziehung der angefochtenen Entscheidung aussetzen. Aufgrund der vom Gesetzgeber in § 149 Abs. 1 VwGO vorgegebenen Gewichtung ist für eine einstweilige Aussetzung der Vollziehung des erstinstanzlichen Beschlusses im Beschwerdeverfahren nur dann Raum, wenn sich die angegriffene Entscheidung des Verwaltungsgerichts aufgrund der im Beschwerdeverfahren rechtzeitig erfolgten Darlegungen als offensichtlich rechtswidrig erweist, oder dies aufgrund einer Folgenabwägung dringend geboten erscheint (VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 25.11.2013 - 8 S 2239/13 -, NVwZ-RR 2014, 292, juris, Rdnr. 3 m. w. N.).

1. Eine offensichtliche Rechtswidrigkeit des Beschlusses des Verwaltungsgerichts lässt sich auf der Grundlage der nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO allein maßgeblichen dargelegten Beschwerdegründe gegenwärtig nicht feststellen, weil die einmonatige Beschwerdebegründungsfrist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO noch nicht abgelaufen ist und die Antragsgegnerin ihre Beschwerde noch nicht begründet hat. Dass die Beschwerde ungeachtet dieses Umstandes von vornherein keinen Erfolg hat, kann nicht angenommen werden. Vorliegend bedarf die Beschwerdeentscheidung aufgrund des umfangreichen Sachvortrags der Beteiligten einer ins Einzelne gehenden Prüfung, ob die Voraussetzungen der §§ 11 und 8 Nds. SOG für die von der Antragsgegnerin verfügten Beschlagnahme des Grundstücks C.  in D. wegen der beabsichtigten Unterbringung von Flüchtlingen gegeben sind.

2. Eine nicht an den Erfolgsaussichten der Beschwerde orientierte Folgenabwägung führt zur Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Beschlusses des Verwaltungsgerichts.

Eine für die Dauer des gerichtlichen Verfahrens auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes geltende Zwischenregelung steht dem Beschwerdegericht in begründeten Einzelfällen zur Verfügung, um sicherzustellen, dass es zu einem späteren Zeitpunkt noch effektiven Rechtsschutz gewährleisten kann. Eine derartige Zwischenregelung kommt deshalb insbesondere dann in Betracht, wenn ohne sie bereits vor der gerichtlichen Entscheidung des Beschwerdegerichts in unumkehrbarer Weise vollendete Tatsachen zu Lasten eines der Beteiligten geschaffen würden. In die hierbei zu erfolgende Interessenabwägung sind einzustellen einerseits die Folgen, die einträten, wenn die Zwischenregelung nicht erginge und die Beschwerde später Erfolg hätte, und andererseits diejenigen Nachteile, die entstünden, wenn die Zwischenregelung bis zur Entscheidung über die Beschwerde Bestand hätte, die Beschwerde aber zurückgewiesen würde (vgl. hierzu OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 10.12.2014 - 1 B 1251/14 -, juris, Rdnr. 12).

Hiernach ist die von der Antragsgegnerin beantragte Zwischenentscheidung gerechtfertigt. Im Rahmen der Abwägung der widerstreitenden Interessen überwiegen aufgrund einer summarischen Prüfung gegenwärtig die Interessen der Antragsgegnerin daran, zu verhindern, dass durch den seitens des Antragstellers unmittelbar bevorstehenden Abriss des auf dem beschlagnahmten Grundstück befindlichen Gebäudes vollendete Tatsachen geschaffen werden, das Interesse des Antragstellers, mit den Vorbereitungsarbeiten noch am heutigen Tage und mit den eigentlichen Abbrucharbeiten Anfang nächster Woche beginnen zu können. Vor diesem Hintergrund ist es dem Antragsteller zuzumuten, die Abbrucharbeiten sowie die Vorarbeiten hierzu um einen angemessenen Zeitraum bis zu einer Beschwerdeentscheidung des Senats in der Sache zu verschieben.

Eine Kostenentscheidung entfällt, da der Erlass einer Zwischenentscheidung keine eigenständige Kostenfolge auslöst (Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 5. Aufl., Rdnr. 300).

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).