Verwaltungsgericht Braunschweig
Urt. v. 25.01.2024, Az.: 6 A 142/21

Cross-Compliance; Günstigkeitsprinzip; Herbizid; Pflanzenschutzmittel; Vorsatz; Antragsjahr 2016; Verstoß gegen die GAB 10 (Einsatz von Pflanzenschutzmitteln); unmittelbares Anlasten bezüglich des Betriebsinhabers

Bibliographie

Gericht
VG Braunschweig
Datum
25.01.2024
Aktenzeichen
6 A 142/21
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2024, 20877
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGBRAUN:2024:0125.6A142.21.00

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Ein Verstoß gegen die Vorgaben des § 12 Abs. 2 Sätze 1 oder 2 Pflanzenschutzgesetz (PflSchG) beinhaltet zugleich einen Verstoß gegen die Grundanforderungen an die Betriebsführung 10 (GAB 10) im Sinne der Cross-Compliance-Vorschriften nach Art. 91 ff. VO (EU) Nr. 1306/2013.

  2. 2.

    Ein Beihilfenempfänger kann nur dann für einen Verstoß gegen anderweitige Verpflichtungen durch einen Dritten, der im Auftrag eines Begünstigten Arbeiten verrichtet, verantwortlich gemacht werden, wenn der Begünstigte hinsichtlich der Auswahl des Dritten, der ihm gegebenen Anweisungen oder dessen Überwachung vorsätzlich oder fahrlässig handelt.

  3. 3.

    Einzelfall, in dem das Verschulden eines Mitarbeiters hinsichtlich eines sog. "Spritzverstoßes" dem Betriebsinhaber nicht unmittelbar anzulasten ist.

Tenor:

Die Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin eine weitere Basisprämie in Höhe von 3.007,02 EUR, eine weitere Umverteilungsprämie in Höhe von 58,76 EUR, eine weitere Greeningprämie in Höhe von 1.374,70 EUR sowie weitere 62,02 EUR aus Mitteln der Haushaltsdisziplin des EGFL, mithin also weitere 4.502,50 EUR nebst Zinsen in Höhe von 0,5 Prozent pro Monat, höchstens jedoch fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz, aus 4.500 EUR seit dem 9. Januar 2017 zu gewähren, und der Bescheid vom 28. Dezember 2016 wird aufgehoben, soweit er dem entgegensteht.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Der Streitwert wird auf 4.502,50 EUR festgesetzt.

Tatbestand

Die Klägerin, eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts bestehend aus fünf Landwirten, wendet sich gegen die Kürzung der ihr für das Antragsjahr 2016 bewilligten Zahlungen der Basisprämie, der Umverteilungsprämie, der Greeningprämie und von Mitteln aus der Haushaltsdisziplin des Europäischen Garantiefonds für die Landwirtschaft (EGFL) wegen einer von der Beklagten zugrunde gelegten Nichteinhaltung anderweitiger - hier pflanzenschutzrechtlicher - Verpflichtungen (sog. Cross-Compliance-Verstoß); sie begehrt deren ungekürzte Gewährung.

Die Klägerin hat ihren Sitz in A-Stadt in Niedersachsen und bewirtschaftete im Antragsjahr 2016 Flächen von mehr als 500 Hektar, u. a. den Feldblock J. (Schlag Nr. K. "L.") mit einer Fläche von 3,4385 Hektar. Auf der nordwestlichen Seite dieses Schlags verläuft der Fluss M. mit permanenter Wasserführung, zwischen dem in Rede stehenden Schlag Nr. K. und dem südöstlich angrenzenden Schlag Nr. N. der Klägerin verläuft - ausweislich der von der Klägerin nicht in Abrede gestellten Feststellungen der Beklagten - ein Graben, der periodisch wasserführend ist und ausweislich des Kartenmaterials einen direkten Zulauf in die M. hat.

Im Rahmen von Flächenkontrollen stellten Mitarbeiter der Beklagten am 27. April 2016 fest, dass im Zuge der Aufbringung von Pflanzenschutzmitteln auf der in Rede stehenden Fläche des Schlags Nr. K. "offensichtlich auch angrenzende Feldraine mit Pflanzenschutzmitteln behandelt worden" seien. Der Spritzschaden, so der Bericht der Prüfer der Beklagten, erstrecke sich über die gesamte Länge des Schlages sowie Teilbereiche des Vorgewendes und werde mit einem ungefähren Gesamtausmaß von circa 360 m2 bewertet. Die Mitarbeiter der Beklagten fertigten Fotos ihrer Beobachtungen, auf die wegen der Einzelheiten verwiesen wird (vgl. Bl. 7 ff. der Beiakte 2).

Am 9. Mai 2016 führte daraufhin eine Mitarbeiterin des Prüfdienstes der Beklagten - Frau O. - eine (unangekündigte) Vor-Ort-Kontrolle hinsichtlich des Schlages Nr. K. durch, die nach ihrer Bewertung Herbizidschäden (typische Gelbfärbungen) auch außerhalb der bestellten Ackerfläche auf Feldrainen, teilweise bis unmittelbar an die Gewässeroberkante bestätigte. Die Schädigung der Feldrainvegetation, so die Prüferin O. in ihrem Bericht vom 27. Mai 2016, stehe zweifelsfrei in Verbindung mit einer Anwendung von Herbiziden zur Saatbettvorbereitung auf der angrenzenden Fläche des Schlages Nr. K., der zu diesem Zeitpunkt mit Mais bewirtschaftet sei. Auf der nordwestlichen Seite sei der Feldrain in einer Länge von circa 500 Metern und einer Breite von mehr als 50 Zentimetern betroffen. Es seien Bereiche behandelt, die nach der vorliegenden Vegetation in den letzten Jahren nicht in der Bewirtschaftung gewesen seien. Formalrechtlich wäre der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln hier erst dann zulässig, nachdem ein mechanischer Umbruch erfolgt und der Bereich wieder in landwirtschaftliche Nutzung genommen worden wäre. Auf der südöstlichen Seite sei ein Herbizidschaden in einem Teilabschnitt von circa 50 Metern bis zur Böschungsoberkante des dort verlaufenen Grabens ersichtlich. Auf der gegenüberliegenden Grabenseite des Schlages Nr. N. der Klägerin sei im Übrigen ebenfalls feststellbar, dass Herbizide teilweise bis an die Böschungsoberkante aufgebracht worden seien. Auf der nordöstlichen Seite des Schlages Nr. K. im Bereich der Feldeinfahrt seien schließlich mehr als 50 m2 einer Fläche mitbehandelt, die nicht der landwirtschaftlichen Nutzung zuzuordnen sei, ebenso wie der Feldrain südöstlich der Einfahrt. Der bei der Klägerin für den Bereich Pflanzenschutz zuständige Gesellschafter, Herr P., sei telefonisch informiert, aber an den Kontrolltagen nicht vor Ort gewesen.

Die Prüferin fertigte Fotos von den in Rede stehenden Flächen und forderte Herrn P. telefonisch und ergänzend mit Schreiben vom 11. Mai 2016 zur Stellungnahme und zum Nachweis der zuletzt durchgeführten Pflanzenschutzmaßnahmen sowie der Sachkunde der hierbei tätigen Personen und eines aktuellen Prüfberichts des eingesetzten Geräts auf.

Aus den von der Klägerin daraufhin übersandten Unterlagen ergab sich, dass in deren Betrieb drei Personen sachkundig und damit befähigt waren, Pflanzenschutzmaßnahmen durchzuführen, neben Herrn P. zusätzlich die Mitarbeiter der Klägerin Herr Q. sowie Herr A., der die beanstandete Pflanzenschutzmaßnahme am 6. April 2016 mit einem glyphosathaltigen Mittel (Rosate 360 TF in einer Konzentration von 3 l/ha) durchgeführt hatte. Alle drei bei der Klägerin für den Pflanzenschutz sachkundigen Personen hatten zuletzt am 1. Februar 2016 an einer nach § 7 Abs. 4 der Pflanzenschutz-Sachkundeverordnung anerkannten Fortbildungsmaßnahme der Beklagten teilgenommen. Das Pflanzenschutzgerät, mit dem das Pflanzenschutzmittel angewendet wurde, war zuletzt im April 2015 ohne Beanstandung überprüft worden.

Mit Schreiben vom 18. Mai 2016 nahm Herr P. für die Klägerin ergänzend Stellung. Er führte im Wesentlichen wie folgt aus: Die in Rede stehende Fläche des Schlages Nr. K. sei ein schwerer, toniger Standort, der im Frühjahr nur sehr schwer zu beackern sei. Die Fläche sei daher bereits im Herbst 2015 gepflügt worden und habe bis zum Frühjahr sehr grobschollig gelegen. Kurz vor der Saat habe er festgestellt, dass sich sehr große Ackerunkräuter auf dem gepflügten Land befunden hätten. Er habe dann die Entscheidung getroffen, zwei Tage vor der Saat die Fläche mit dem Pflanzenschutzmittel Rosate TF in einer Konzentration von 3 l/ha zu behandeln. Der Acker habe sich in der Vergangenheit bereits verkleinert, weil sie die Gewässerabstände immer peinlichst eingehalten hätten und er seine Mitarbeiter angewiesen habe, es beim Ackern an der M. und am Graben nicht zu übertreiben. Die Fläche des Schlages betrage laut Kataster 3,8143 ha. Im Antragsjahr 2015 habe die Klägerin nur noch 3,53 ha beantragt, im Jahr 2016 seien bei der Vermessung 3,4385 ha ermittelt worden. Dies habe ihn bewogen, dem Mitarbeiter A. die "Anweisung zu geben, beim Spritzen die Kante auch zu treffen, damit der Schlag nicht permanent kleiner" werde. Er habe ihn natürlich auch eindringlich angewiesen, die Gewässerabstände einzuhalten. Dieses sei auch gewährleistet. Leider hätten sie es in der Hektik des Alltags verpasst, zur Saat des Maises die Bodenbearbeitung der Glyphosatanwendung entsprechend anzupassen. Dies sei auch dem Umstand geschuldet gewesen, dass sie die Behandlung erst zwei Tage vor der Saat durchgeführt hätten und ihre Mitarbeiter zur Saatbettbereitung nicht hätten sehen können, wie weit behandelt worden sei. Die Schädigung auf der östlichen Seite (an der Abfahrtrampe zum Schlag) sei vermutlich auf einen Schaltfehler bei der Spritzbedienung zurückzuführen und sei sicherlich nicht in böser Absicht erfolgt.

Aufgrund der genannten Beanstandung erließ die Beklagte nach vorheriger Anhörung unter dem 17. Februar 2017 einen Bußgeldbescheid unter Verhängung einer Geldbuße in Höhe von 400,00 EUR gegen den Mitarbeiter der Klägerin Herrn A.. Hierin wurde diesem vorgeworfen, fahrlässig eine Ordnungswidrigkeit nach § 12 Abs. 2 Pflanzenschutzgesetz (im Folgenden: PflSchG) begangen und damit gemäß § 68 Abs. 1 Nr. 7 PflSchG ordnungswidrig gehandelt zu haben, indem er am 6. April 2016 auf dem in Rede stehenden Schlag Nr. K. der Klägerin auf der nordwestlichen Feldseite den Feldrain, auf der südöstlichen Seite teilweise die Gewässeroberkanten, auf der nordöstlichen Seite der Feldeinfahrt sowie südöstlich der Feldeinfahrt den Feldrain mit dem Pflanzenschutzmittel Rosate 360 TF mitbehandelt habe. Wegen der Einzelheiten wird auf den Bußgeldbescheid (Bl. 50 ff. der Beiakte 2) verwiesen. Der Bußgeldbescheid wurde rechtskräftig, nachdem der Mitarbeiter der Klägerin Herr A. einen Einspruch hiergegen zurückgenommen und in Reaktion auf einen richterlichen Hinweis des Amtsgerichts R. erklärt hatte, sein Fehlverhalten einzuräumen (vgl. anwaltliches Schreiben vom 25.8.2017, Bl. 60 der Beiakte 2).

Unter dem 5. Mai 2016, bei der Beklagten eingegangen am 9. Mai 2016, beantragte die Klägerin mit dem "Sammelantrag Agrarförderung und Agrarumweltmaßnahmen 2016" u. a. die Auszahlung der Basis-, Greening- und Umverteilungsprämie. Mit Bescheid vom 28. Dezember 2016 bewilligte die Beklagte der Klägerin für das Jahr 2016 eine Basisprämie in Höhe von 97.227,13 EUR, eine Umverteilungsprämie in Höhe von 1.899,84 EUR, eine Greeningprämie in Höhe von 44.448,79 EUR sowie eine Erstattung von Mitteln aus der Haushaltsdisziplin des EGFL in Höhe von 2.005,38 EUR. Die Beklagte hatte hierbei die Direktzahlungen jeweils um einen Sanktionsbetrag von 3 Prozent gekürzt, da im Rahmen von Vor-Ort-Kontrollen Verstöße gegen Cross-Compliance-Vorschriften im Sinne von Art. 93 oder Art. 94 der Verordnung (EU) Nr. 1306/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 über die Finanzierung, die Verwaltung und das Kontrollsystem der Gemeinsamen Agrarpolitik und zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nr. 352/78, (EG) Nr. 165/94, (EG) Nr. 2799/98, (EG) Nr. 814/2000, (EG) Nr. 1290/2005 und (EG) Nr. 485/2008 des Rates (im Folgenden: VO (EU) Nr. 1306/2013; ABl. L 347 S. 549) festgestellt worden und der Klägerin anzulasten seien, sodass gemäß Art. 97 Abs. 1 VO (EU) Nr. 1306/2013 Verwaltungssanktionen zu verhängen seien. Bei der Festsetzung des Kürzungssatzes seien Ausmaß, Schwere, Dauer und gegebenenfalls ein wiederholtes Auftreten der festgestellten Verstöße berücksichtigt worden. Gemäß der "Anlage Verwaltungssanktionen aufgrund von Verstößen gegen die Cross Compliance Vorschriften", mit der sie wegen näherer Einzelheiten auf die bereits vorab übersandten Kontrollberichte verwies, legte sie dabei einen fahrlässigen Verstoß gegen die Grundanforderungen an die Betriebsführung im Bereich 10 (Pflanzenschutzmittel) zugrunde. Die vorgenommenen Kürzungen bezifferten sich ausweislich der "Anlage Flächen- und Beihilfeberechnung 2016" des Bescheids auf eine Höhe von 3.007,02 EUR bezogen auf die Basisprämie, eine Höhe von 58,76 EUR bezogen auf die Umverteilungsprämie, eine Höhe von 1.374,70 EUR bezogen auf die Greeningprämie und eine Höhe von 62,02 EUR bezogen auf die Erstattung von Mitteln aus der Haushaltsdisziplin, mithin insgesamt auf 4.502,50 EUR.

Gegen diesen Bescheid hat die Klägerin am 9. Januar 2017 Klage erhoben. Sie begründet diese im Wesentlichen wie folgt: Zu Unrecht sei die Beklagte davon ausgegangen, dass ihr ein Verstoß gegen Cross-Compliance Vorschriften zurechenbar sei; eine - für die Verhängung einer Sanktion erforderliche - Zurechenbarkeit sei vielmehr nicht gegeben. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes sei einem Betriebsinhaber, der - wie sie - einen Dritten zur Durchführung von Arbeiten herangezogen habe, ein Verstoß gegen anderweitige Verpflichtungen im Sinne der Cross-Compliance-Regelungen nur dann zurechenbar und könne eine Sanktionierung begründen, wenn dem Betriebsinhaber selbst ein Verschuldensvorwurf gemacht werden könne, weil er den Dritten schuldhaft fehlerhaft ausgewählt, angewiesen oder überwacht habe. Sie habe die in Rede stehenden Arbeiten durch ihren zuverlässigen, ausgebildeten und geschulten Mitarbeiter Herrn A. ausführen lassen. Ein (Organisations-)Verschulden im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs könne ihr nicht angelastet werden. Insbesondere könne ihrem Gesellschafter Herrn P. ein solches Verschulden nicht angelastet werden, weil er Herrn A. beauftragt habe, "beim Spritzen auch die Kante zu treffen". Die Beklagte habe die dahingehende schriftliche Einlassung von Herrn P. sinnentstellend aus dem Zusammenhang gerissen. Mit dem Begriff der "Kante" sei - erkennbar - nur die Bewirtschaftungsgrenze gemeint gewesen, nicht hingegen die katastermäßig erfasste Grenze der Gesamtfläche des Schlages. Zwischen der so - als Kante - bezeichneten Bewirtschaftungsgrenze und der Grenze des Schlages hätten vielmehr mehrere Meter gelegen, weil sie stets einen großzügig dimensionierten Sicherheitsabstand eingehalten hätten, um Spritzmittelverstöße auszuschließen. Aus diesem Grund habe sich die Bewirtschaftungsfläche in den zurückliegenden Jahren bereits nicht unerheblich verkleinert. Weshalb es zu Spritzschäden an der östlichen Seite, im Bereich der Feldeinfahrt, gekommen sei, sei für sie nicht erklärlich. Der von ihr eingesetzte Mitarbeiter Herr A. sei geschult und sachkundig und zugleich gewissenhaft. Sie weise zudem darauf hin, dass faktisch zwar eine Rampe im Bereich der Feldeinfahrt bestehe, diese aber laut Kataster ebenfalls Ackerfläche sei.

Im Übrigen macht die Klägerin ergänzend geltend, dass eine Verwaltungssanktion wegen eines Cross-Compliance Verstoßes im Hinblick auf das sogenannte Günstigkeitsprinzip des Art. 2 Abs. 2 Satz 2 VO (EG) 2988/95 und die Regelung des Art. 8 Abs. 1 VO (EU) 2022/1172 keinen Bestand haben könne.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verpflichten, ihr eine weitere Basisprämie i. H. v. 3.007,02 EUR, eine weitere Umverteilungsprämie i. H. v. 58,76 EUR, eine weitere Greeningprämie i. H. v. 1.374,70 sowie weitere 62,02 EUR aus Mitteln der Haushaltsdisziplin des EGFL, insgesamt also 4.502,50 EUR, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 4.500 EUR seit Rechtshängigkeit zu gewähren und den Bescheid der Beklagten vom 28. Dezember 2016 aufzuheben, soweit er dem entgegensteht.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie führt im Wesentlichen aus, sie habe die Direktzahlungen an die Klägerin für das Jahr 2016 zu Recht um drei Prozent gekürzt, weil dieser ein Verstoß gegen anderweitige Verpflichtungen im Sinne der Cross-Compliance-Regelungen, zurechen- und vorwerfbar sei. Namentlich habe ein Verstoß gegen die Grundanforderungen an die Betriebsführung (GAB) vorgelegen, weil auf der in Rede stehenden Fläche des Schlags Nr. K. der Klägerin in der Anwendung von Pflanzenschutzmitteln zur Saatbettvorbereitung unzweifelhaft gegen die Regelung des § 12 Abs. 2 PflSchG verstoßen worden sei. Es seien nicht bewirtschaftete Flächen, namentliche Feldraine (teilweise, auf einer Länge bis circa 70 Meter, bis an den Böschungsoberkantenbereich eines oberirdischen Gewässers ohne Einhaltung eines Mindestabstands) mitbehandelt worden. Es könne als erwiesen gelten, dass die Feldrain-Teilflächen, die Gegenstand des Vorwurfs seien, nicht unmittelbar landwirtschaftlich genutzt wurden und deswegen nicht mit einem Herbizid behandelt werden durften. Diese seien nicht als Teilflächen zu bewerten, die aufgrund einer Fördermaßnahme aus der Produktion herausgenommen worden seien und bei denen aus diesem Grund der Status als landwirtschaftlich genutzte Fläche erhalten geblieben wäre.

Sie habe nach Art. 93 und Art. 94 sowie Art. 97 Abs. 1 und Abs. 2 VO (EU) Nr. 1306/2013 in Verbindung mit Art. 39 der Verordnung (EU) Nr. 640/2014 die Direktzahlungen kürzen müssen. Der festgestellte Verstoß sei eindeutig von der landwirtschaftlichen Tätigkeit der Klägerin ausgegangen. Dieser sei - entgegen deren eigener Bewertung - eine Mitverantwortung für den Verstoß unmittelbar anzulasten; der für den Pflanzenschutzmitteleinsatz und die Koordination der Pflanzenschutzmaßnahmen zuständige Gesellschafter Herr P. habe einen Verursachungsbeitrag geliefert, indem er den Mitarbeiter Herrn A. angewiesen habe, "beim Spritzen auch die Kante zu treffen, damit der Schlag nicht permanent kleiner" werde. Insoweit habe Herr P. jedenfalls fahrlässig gehandelt, weil er nicht oder nicht hinreichend gegenüber dem Mitarbeiter Herrn A. zum Ausdruck gebracht habe, dass landwirtschaftlich nicht genutzte Teilflächen nicht mit Pflanzenschutzmitteln behandelt werden dürften. Bekräftigt werde dies durch die Einlassung von Herrn P., man habe lediglich versäumt, die "Bodenbearbeitung der Glyphosatanwendung entsprechend anzupassen", weil die Mitarbeiter aufgrund der zeitlichen Nähe nicht hätten erkennen können, wie weit mit dem Pflanzenschutzmittel behandelt worden sei. Dies zeige, dass selbst die für die Saatbettbereitung zuständigen Mitarbeiter die angrenzenden Feldrainbereiche als nicht zur unmittelbar landwirtschaftlich genutzten Fläche gehörig beurteilt hätten.

Auch in Bezug auf die Anwendung eines Pflanzenschutzmittels unmittelbar an einem Gewässer treffe Herrn P. ein Verschulden. Auf einer Länge von circa 70 Metern sei die Herbizidanwendung bis unmittelbar an die Böschungsoberkante des angrenzenden, bei der Feststellung am 27. April 2016 Wasser führenden, Grabens geführt worden. Wie anhand der gefertigten Lichtbilder ersichtlich, sei auf dem angrenzenden Schlag Nr. N. der Klägerin ebenfalls bis zur Böschungsoberkante ein Herbizid angewendet worden. Nach "guter fachlicher Praxis" sei - wie sich bereits anhand ihrer "Empfehlungen 2016 Pflanzenbau und Pflanzenschutz" ergebe - zu Böschungsoberkanten sämtlicher Gewässer aber ein Mindestabstand von einem Meter einzuhalten. Herr P. habe schriftlich erklärt, die Gewässerabstände hätten eingehalten werden sollen, dies sei auch gewährleistet. Dies belege, dass er die zu große Annäherung an die Böschungsoberkante nicht als der guten fachlichen Praxis zuwiderlaufend und deshalb ordnungswidrig erkannt habe, was zugleich belege, dass seine diesbezüglichen Anweisungen gegenüber Herrn A. unzureichend gewesen sein müssen.

Das hinsichtlich einer Verwaltungssanktion wie der in Rede stehenden anwendbare sogenannte unionsrechtliche Günstigkeitsprinzip führe zu keiner anderen Bewertung. Die für die Antragsjahre ab 2023 - nicht hingegen für frühere Antragsjahre - geltenden neuen Regelungen der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP 2023) sehen vielmehr im Wesentlichen gleichartige Verwaltungssanktionen nach der sogenannten Konditionalität für einen Verstoß wie den in Rede stehenden und darüber hinaus vor, dass ein solcher Verstoß gegen die Konditionalität grundsätzlich (nach Art. 85 Abs. 1 VO (EU) 2021/2116) durch eine Kürzung der Direktzahlungen sanktioniert werde. Zwar stehe die Regelung nach Art. 8 Abs. 1 VO (EU) 2022/1172 hierzu im Widerspruch, soweit sie vorgebe, dass eine Verwaltungssanktion nur verhängt werde, wenn in drei aufeinanderfolgenden Kalenderjahren ein Verstoß festgestellt werde. Diese Regelung komme aber bei der Sanktionierung von Konditionalitätsverstößen in Niedersachsen nicht zur Anwendung.

Herr P. ist in der mündlichen Verhandlung informatorisch angehört worden. Zudem hat das erkennende Gericht zur Frage der Verantwortlichkeit der Klägerin für den Verstoß ihres Mitarbeiters im Hinblick auf dessen Auswahl, Überwachung und Anweisung Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen A.. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme sowie der informatorischen Anhörung wird auf das Sitzungsprotokoll vom 25. Januar 2024 Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie den Inhalt der Beiakten 1 und 2 Bezug genommen. Diese sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe

Die als Verpflichtungsklage im Sinne von § 42 Abs. 1 Var. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (im Folgenden: VwGO) statthafte (vgl. zur Statthaftigkeit der Verpflichtungsklage bspw. Nds. OVG, U. v. 18.10.2017 - 10 LB 16/17 -, juris Rn. 23; VG Lüneburg, U. v. 12.1.2022 - 1 A 154/19 -, juris Rn. 41) und auch im Übrigen zulässige Klage ist begründet. Die Klägerin hat für das Antragsjahr 2016 einen Anspruch auf Bewilligung einer weiteren Basisprämie in Höhe von 3.007,02 EUR, einer weiteren Umverteilungsprämie in Höhe von 58,76 EUR, einer weiteren Greeningprämie in Höhe von 1.374,70 EUR sowie weiteren 62,02 EUR aus Mitteln der Haushaltsdisziplin des EGFL, mithin also weiteren 4.502,50 EUR. Der Bescheid der Beklagten vom 28. Dezember 2016 ist aufzuheben, soweit er dem entgegensteht, weil er insoweit rechtswidrig ist und die Klägerin in ihren Rechten verletzt, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO.

Rechtsgrundlage für die Bewilligung der Direktzahlungen für das Antragsjahr 2016 sind die Verordnung (EU) Nr. 1307/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 mit Vorschriften über Direktzahlungen an Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe im Rahmen von Stützungsregelungen der Gemeinsamen Agrarpolitik und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 637/2008 des Rates und der Verordnung (EG) Nr. 73/2009 des Rates (im Folgenden: VO (EU) Nr. 1307/2013; ABl. L 347 S. 608) in der für das Antragsjahr 2016 geltenden Fassung sowie die VO (EU) Nr. 1306/2013 in der für das Antragsjahr 2016 geltenden Fassung.

Diese Verordnungen bleiben auch nach dem Inkrafttreten der Verordnung (EU) 2021/2115 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 2. Dezember 2021 mit Vorschriften für die Unterstützung der von den Mitgliedstaaten im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik zu erstellenden und durch den Europäischen Garantiefonds für die Landwirtschaft (EGFL) und den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) zu finanzierenden Strategiepläne (GAP-Strategiepläne) und zur Aufhebung der Verordnung (EU) Nr. 1305/2013 sowie der Verordnung (EU) Nr. 1307/2013 (im Folgenden: VO (EU) 2021/2115; ABl. L 435 S. 1) und dem Inkrafttreten der Verordnung (EU) 2021/2116 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 2. Dezember 2021 über die Finanzierung, Verwaltung und Überwachung der Gemeinsamen Agrarpolitik und zur Aufhebung der Verordnung (EU) Nr. 1306/2013 (im Folgenden: VO (EU) 2021/2116, ABl. L 435 S. 187) zum 7. Dezember 2021 anwendbar. Zwar wird nach Art. 154 Abs. 2 Unterabs. 1 VO (EU) 2021/2115 die VO (EU) Nr. 1307/2013 mit Wirkung vom 1. Januar 2023 aufgehoben und wird nach Art. 104 Abs. 1 Unterabs. 1 VO (EU) 2021/2116 die VO (EU) Nr. 1306/2013 aufgehoben. Die VO (EU) Nr. 1307/2013 gilt jedoch gemäß Art. 154 Abs. 2 Unterabs. 2 VO (EU) 2021/2115 insgesamt weiterhin für Beihilfeanträge, die sich auf vor dem 1. Januar 2023 beginnende Antragsjahre beziehen, und die VO (EU) 1306/2013 gilt gemäß Art. 104 Abs. 1 Unterabs. 2 VO (EU) 2021/2116 in den wesentlichen, vorliegend relevanten Aspekten weiterhin hinsichtlich der Ausgaben und Zahlungen für Stützungsregelungen im Rahmen der VO (EU) Nr. 1307/2013 in Bezug auf das Kalenderjahr 2022 und davor. Dies ist beim Sammelantrag der Klägerin für das Jahr 2016 der Fall (vgl. insoweit auch BVerwG, U. v. 9.3.2023 - 3 C 6/22 -, juris Rn. 10; Nds. OVG, B. v. 5.12.2023 - 10 LC 13/23 -, juris Rn. 44; VG Göttingen, U. v. 27.4.2023 - 2 A 64/20 -, V. n. b. S. 7).

Im Einzelnen ergeben sich hiernach folgende Rechts- bzw. Anspruchsgrundlagen: Art. 32 Abs. 1 VO (EU) 1307/2013 hinsichtlich der Basisprämie, Art. 41 VO (EU) Nr. 1307/2013 hinsichtlich der Umverteilungsprämie, Art. 43 Abs. 9 Unterabs. 1 VO (EU) Nr. 1307/2013 hinsichtlich der Greeningprämie und Art. 26 Abs. 5 VO (EU) Nr. 1306/2013 hinsichtlich der Erstattung von Mitteln aus der Haushaltsdisziplin.

Die formellen Anspruchsvoraussetzungen liegen vor. Insbesondere hat die Klägerin einen Antrag auf Gewährung der Direktzahlungen bei der insoweit zuständigen Beklagten gestellt, der bei dieser fristgerecht, am 9. Mai 2016, eingegangen ist.

Auch die materiellen Anspruchsvoraussetzungen sind erfüllt. Anhaltspunkte für eine im Ansatz fehlerhafte Berechnung der Direktzahlungen und der Erstattung von Mitteln aus der Haushaltsdisziplin des EGFL mit dem Bescheid der Beklagten vom 28. Dezember 2016 sind nicht ersichtlich und werden von der Klägerin nicht geltend gemacht. Die Klägerin wendet sich ausschließlich gegen die Kürzungen der ihr zustehenden Zahlungen in Höhe von jeweils drei Prozent wegen eines von der Beklagten zugrunde gelegten Verstoßes gegen Cross-Compliance-Vorschriften. Diese Kürzungen sind nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung im Ergebnis zu Unrecht erfolgt; die Klägerin kann die ungekürzte Bewilligung der Direktzahlungen und der Erstattung von Mitteln aus der Haushaltsdisziplin für das Antragsjahr 2016 beanspruchen.

Der Anspruch der Klägerin ist nicht - wie mit dem Bescheid der Beklagten vom 28. Dezember 2016 erfolgt - nach Art. 91 Abs. 1 und Art. 97 Abs. 1 Unterabs. 1 VO (EU) Nr. 1306/2013 zu kürzen. Werden die Cross-Compliance-Vorschriften in einem bestimmten Kalenderjahr zu irgendeinem Zeitpunkt nicht erfüllt, ist dieser Verstoß dem Begünstigten, der den Beihilfe- oder den Zahlungsantrag in dem betreffenden Kalenderjahr gestellt hat, unmittelbar anzulasten und betrifft der Verstoß die landwirtschaftliche Tätigkeit des Begünstigten oder ist die Fläche des Betriebs des Begünstigten betroffen, so wird gegen ihn eine Verwaltungssanktion verhängt (Art. 91 Abs. 1 und Abs. 2 Unterabs. 1 Satz 1, Art. 97 Abs. 1 Unterabs. 1 VO (EU) Nr. 1306/2013). Dies gilt für Begünstigte, die unter anderem Direktzahlungen gemäß der VO (EU) Nr. 1307/2013 erhalten (Art. 92 Unterabs. 1 VO (EU) Nr. 1306/2013). Nach Art. 93 Abs. 1 VO (EU) Nr. 1306/2013 umfassen die in Anhang II der Verordnung aufgeführten Cross-Compliance-Vorschriften die Grundanforderungen an die Betriebsführung gemäß Unionsrecht und die auf nationaler Ebene aufgestellten Standards für die Erhaltung von Flächen in gutem landwirtschaftlichem und ökologischem Zustand. Sie betreffen die Bereiche Umweltschutz, Klimawandel und guter landwirtschaftlicher Zustand der Flächen (Art. 93 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung), Gesundheit von Mensch, Tier und Pflanzen (Art. 93 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung) sowie Tierschutz (Art. 93 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung). Die in Anhang II genannten Rechtsakte über die Grundanforderungen an die Betriebsführung gelten in der zuletzt in Kraft getretenen Fassung und im Falle von Richtlinien so, wie sie von den Mitgliedstaaten umgesetzt wurden (Art. 93 Abs. 2 der Verordnung).

Nach diesem Maßstab hat die Beklagte die der Klägerin für das Antragsjahr 2016 zustehenden Direktzahlungen und die Erstattung von Mitteln aus der Haushaltsdisziplin des EGFL zu Unrecht um 3 Prozent gekürzt. Die Voraussetzungen für die Verhängung einer Verwaltungssanktion gegen die Klägerin lagen nicht vor, da nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung nicht erwiesen ist, dass der objektiv gegebene Verstoß gegen die Grundanforderungen an die Betriebsführung in dem Bereich "Gesundheit von Mensch, Tier und Pflanze" das Ergebnis einer Handlung ist, die unmittelbar der Klägerin anzulasten ist.

Ein objektiver Verstoß gegen die Grundanforderungen an die Betriebsführung in dem Bereich "Gesundheit von Mensch, Tier und Pflanze" liegt indes vor.

Der Anhang II der VO (EU) Nr. 1306/2013 bestimmt für den Bereich "Gesundheit von Mensch, Tier und Pflanze" und den Hauptgegenstand "Pflanzenschutzmittel" als Grundanforderung an die Betriebsführung die Einhaltung der in der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Oktober 2009 über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln und zur Aufhebung der Richtlinien 70/117/EWG und 91/414/EWG des Rates (nachfolgend: VO (EG Nr. 1107/2009) normierten Anforderungen und Standards (GAB 10). Gemäß Art. 55 der VO (EG) Nr. 1107/2009 müssen Pflanzenschutzmittel sachgemäß angewendet werden, was die Befolgung der Grundsätze der guten Pflanzenschutzpraxis, die Einhaltung der gemäß Art. 31 der Verordnung festgelegten und auf dem Etikett angegebenen Bedingungen sowie die Einhaltung der Bestimmungen der Richtlinie 2009/128/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Oktober 2009 über einen Aktionsrahmen der Gemeinschaft für die nachhaltige Verwendung von Pestiziden umfasst. Die VO (EG) Nr. 1107/2009 wird insbesondere durch das nationale Pflanzenschutzgesetz ergänzt. Gemäß § 12 Abs. 2 PflSchG dürfen Pflanzenschutzmittel weder auf Freilandflächen, die weder landwirtschaftlich noch forstwirtschaftlich oder gärtnerisch genutzt werden (Satz 1), noch in oder unmittelbar an oberirdischen Gewässern (Satz 2) angewendet werden. Ein Verstoß gegen die Vorgaben des § 12 Abs. 2 Sätze 1 und 2 PflSchG beinhaltet deswegen zugleich einen Verstoß gegen die Grundanforderungen an die Betriebsführung 10 (GAB 10) im Sinne der Cross-Compliance-Vorschriften nach Art. 91 ff. VO (EU) Nr. 1306/2013 (vgl. auch Nds. OVG, B. v. 2.5.2022 - 10 LC 73/21 -, juris Rn. 25; VG Lüneburg, U. v. 12.1.2022 - 1 A 154/19 -, juris Rn. 108; VG Göttingen, U. v. 27.4.2023 - 2 A 64/20 -, V. n. b. S. 9).

Nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung sieht die Kammer einen Verstoß gegen die Vorgaben gemäß § 12 Abs. 2 Satz 1 PflSchG als erwiesen an, indem der Mitarbeiter der Klägerin Herr A. - wie diesem mit rechtskräftigem Bußgeldbescheid vom 17. Februar 2017 vorgeworfen wurde - beim Aufbringen des Pflanzenschutzmittels Rosate 360 TF auf dem Schlag Nr. K. (L.) der Klägerin am 6. April 2016 Freilandflächen mitbehandelt hat, die nicht landwirtschaftlich, forstwirtschaftlich oder gärtnerisch genutzt wurden, namentlich auf der nordwestliche Feldseite den Feldrain in einem Ausmaß von circa 500 Metern Länge und 50 Zentimetern Breite, den Bereich des Vorgewendes und der Abfahrt zum Acker sowie auf der südöstlichen Feldseite im Bereich der Böschung zum dahinterliegenden periodisch wasserführenden Graben in einer Länge von circa 50 Metern und einer Breite bis zu circa 50 Zentimetern. Weil im Rahmen von § 12 Abs. 2 Satz 1 PflSchG maßgeblich allein auf die tatsächliche landwirtschaftliche Nutzung abzustellen ist (vgl. zu der insoweit inhaltsgleichen Regelung des § 6 Abs. 2 PflSchG a. F. bspw. Nds. OVG, B. v. 7.2.2014 - 10 LA 134/12 -, V. n. b. S. 5; VG Augsburg, U. v. 22.3.2011 - Au 3 K 10.1782 -, juris Rn. 26), die sich daran festmacht, dass der betreffende Teil des Feldstücks bereits vor der Behandlung mit Pflanzenschutzmitteln mechanisch aufgebrochen ist und auch im Anschluss an die Behandlung weiter - insbesondere durch eine Aussaat - landwirtschaftlich genutzt werden soll, konnte die Klägerin mit ihrem im Verwaltungsverfahren jedenfalls sinngemäß geltend gemachten Einwand, die in Rede stehenden Teilflächen zählten eigentumsrechtlich zu der einheitlichen Ackerfläche und seien deswegen als landwirtschaftliche Flächen im Sinne von § 12 Abs. 2 Satz 1 PflSchG zu werten, nicht durchdringen.

Die Kammer ist nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung der Überzeugung, dass die Feststellungen der Prüferin Frau O. der Beklagten, die diese in ihrem Bericht vom 27. Mai 2016 festgehalten und durch Fotos dokumentiert hat (vgl. Bl. 1 ff. der Beiakte 2) und auf deren Grundlage der Bußgeldbescheid vom 17. Februar 2017 ergangen war, jedenfalls hinsichtlich eines Verstoßes gegen § 12 Abs. 2 Satz 1 PflSchG zugetroffen haben. Die Kammer hat insoweit auch berücksichtigt, dass die Klägerin das Fehlverhalten ihres Mitarbeiters Herrn A. diesbezüglich nicht substanziiert bestritten und der Zeuge Herr A. den Verstoß in seiner Vernehmung - wie auch bereits im Verfahren wegen des Bußgeldbescheids - eingeräumt hat. Insoweit geht die Kammer nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung davon aus, dass Herr A. fahrlässig schuldhaft gehandelt hat, indem er die erforderliche Sorgfalt in der Anwendung des Pflanzenschutzmittels nicht hat walten lassen. Zwar ist ihm im Hinblick auf die Randbereiche des Ackers bewusst gewesen, dass er (nur) auf der von ihm selbst im Vorjahr gepflügten Fläche und deswegen nur bis zu der Pfluggrenze und zugleich mit einem Mindestabstand von einem Meter zur Böschungsoberkante des periodisch wasserführenden Grabens Pflanzenschutzmittel aufbringen sollte und durfte. Er hatte aber "aus Faulheit" davon abgesehen, die Ausrichtung und Fahrspur des von ihm gelenkten Traktor-Gespanns einzumessen, sondern hat nach Augenmaß gehandelt und ist hierdurch mit dem insgesamt 27 Meter breiten Gestänge der Spritzanlage über die landwirtschaftlich genutzte (im Herbst des Vorjahres gepflügte) Fläche hinaus in die Randbereiche/Feldraine gelangt.

Die Kammer hat keine volle Überzeugung davon gewinnen können, dass zugleich auch ein Verstoß gegen § 12 Abs. 2 Satz 2 PflSchG gegeben war, indem hinsichtlich des südöstlich, zum periodisch wasserführenden Graben, der als Gewässer im Sinne des § 12 Abs. 2 Satz 2 PflSchG einzuordnen sein dürfte (vgl. insoweit VG Lüneburg, U. v. 12.1.2022 - 1 A 154/19 -, juris Rn. 115), der insoweit erforderliche Mindestabstand von einem Meter zur Böschungsoberkante (vgl. hierzu VG Lüneburg, U. v. 12.1.2022 - 1 A 154/19 -, juris Rn. 111; Metzger, in: Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, Stand: September 2023, § 12 PflSchG Rn. 9; Empfehlungen 2016 Pflanzenbau und Pflanzenschutz der Beklagten, S. 37, Bl. 34 der Gerichtsakte) unterschritten war, auch wenn dies der rechtskräftig gegenüber Herrn A. ergangene Bußgeldbescheid (vgl. insoweit eine Rechtskraft- bzw. Tatbestandswirkung eines unmittelbar gegenüber einem Gesellschafter ergangenen Bußgeldbescheids offen lassend: VG Lüneburg, U. v. 12.1.2022 - 1 A 154/19 -, juris Rn. 117) und die Feststellungen der Prüferin der Beklagten Frau O. nahelegen und zugleich die von der Klägerin gefertigten und von ihr in Bezug genommen Lichtbilder (Bl. 44 f. der Beiakte 2) das Einhalten des Mindestabstands nicht belegen. Weil der Klägerin ein Verstoß des Mitarbeiters Herrn A. gegen die Vorgaben des § 12 Abs. 2 Satz 2 PflSchG aus den nachfolgend dargelegten Gründen aber ebenso nicht unmittelbar anzulasten wäre und eine Cross-Compliance-Sanktion deswegen nicht rechtfertigten könnte wie der festgestellte Verstoß des Herrn A. gegen § 12 Abs. 2 Satz 1 PflSchG, kommt es hierauf nicht entscheidungserheblich an, weswegen die Kammer davon abgesehen hat, diesen Aspekt abschließend aufzuklären und zu bewerten.

Die weiteren Voraussetzungen des Art. 91 Abs. 2 Unterabs. 1 VO (EU) Nr. 1306/2013 für eine Verwaltungssanktion gegenüber der Klägerin wegen eines Cross-Compliance-Verstoßes sind nicht erfüllt. Hiernach findet die Verwaltungssanktion nach Abs. 1 der Vorschrift nur dann Anwendung, wenn der Verstoß das Ergebnis einer Handlung oder Unterlassung ist, die unmittelbar dem betreffenden Begünstigten anzulasten ist, und der Verstoß zusätzlich die landwirtschaftliche Tätigkeit des Begünstigten betrifft oder die Fläche des Betriebs des Begünstigten betroffen ist. Zwar betrifft der in Rede stehende Verstoß gegen § 12 Abs. 2 PflSchG die landwirtschaftliche Tätigkeit und die Flächen des Betriebs der Klägerin.

Die Kammer ist nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung aber der Überzeugung, dass der Verstoß des Herrn A. gegen § 12 Abs. 2 Satz 1 PflSchG nicht das Ergebnis einer Handlung oder Unterlassung ist, die unmittelbar der Klägerin anzulasten ist, und dass Entsprechendes hinsichtlich eines - zugrunde gelegten - Verstoßes des Herrn A. gegen § 12 Abs. 2 Satz 2 PflSchG der Fall wäre.

Einem Betriebsinhaber ist ein Verstoß gemäß Art. 91 Abs. 2 VO (EG) Nr. 1306/2013 als Ergebnis einer Handlung oder Unterlassung unmittelbar anzulasten, wenn ihm ein eigener - vorsätzlicher oder fahrlässiger - Verursachungsbeitrag vorzuwerfen ist, der aber dem Verstoß nicht unmittelbar zugrunde liegen muss (vgl. zu Art. 67 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 796/2004: EuGH, U. v. 27.2.2014 - C-396/12 -, juris Rn. 49 ff.; und zur Übertragbarkeit dieses Maßstabs VG Lüneburg, U. v. 12.1.2022 - 1 A 154/19 -, juris Rn. 96 ff.). Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs setzt Vorsatz voraus, dass der durch die Beihilfe Begünstigte gegen die Vorschrift über die anderweitigen Verpflichtungen verstößt und diesen Verstoß entweder bewusst herbeiführt oder - ohne dass er ein solches Ziel verfolgt - die Möglichkeit eines derartigen Verstoßes billigend in Kauf nimmt (vgl. zu Art. 67 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 796/2004: EuGH, U. v. 27.2.2014 - C-396/12 -, juris Rn. 37; Nds. OVG, U. v. 31.3.2016 - 10 LB 32/14 -, juris Rn. 77). Fahrlässig handelt auch im Zusammenhang mit den Cross-Compliance-Vorgaben, wer nach den konkreten Gegebenheiten im Einzelfall die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt (vgl. auch § 276 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch sowie VG Braunschweig, U. v. 24.1.2018 - 9 A 36/16 -, V. n. b. S. 10).

Nicht jeder Verstoß eines Dritten gegen Cross-Compliance-Verpflichtungen begründet einen eigenen Verursachungsbeitrag des Begünstigten, der die Voraussetzungen des Art. 91 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1306/2013 erfüllt. Ein Beihilfenempfänger kann nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs nur dann für einen Verstoß gegen anderweitige Verpflichtungen durch einen Dritten, der im Auftrag eines Begünstigten Arbeiten verrichtet, verantwortlich gemacht werden, wenn der Begünstigte hinsichtlich der Auswahl des Dritten, der ihm gegebenen Anweisungen oder dessen Überwachung vorsätzlich oder fahrlässig handelt. Etwas anderes ergibt sich nicht aus § 19 des zum 22. November 2022 in Kraft getretenen Gesetzes zur Durchführung der im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik geltenden Konditionalität (GAPKondG), der eine Verschuldenszurechnung von Mitarbeitenden zum Betriebsinhaber vorsieht, weil sich diese Regelung nur auf die Verwaltungssanktionen nach der "neuen" Gemeinsam Agrarpolitik (GAP 2023) bezieht, die insbesondere in den Art. 12 f. VO (EU) 2021/2115 und Art. 85 ff. VO (EU) 2021/2116 geregelt sind, § 1 GAPKondG; eine erweiternde Anwendung zulasten der Klägerin ist rechtlich nicht zulässig.

Die Haftung eines Begünstigten für sein eigenes fahrlässiges oder vorsätzliches Verhalten kann dabei unabhängig davon festgestellt werden, ob der Dritte, der den Verstoß gegen die Vorschriften über die anderweitigen Verpflichtungen verursacht hat, vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt hat. Der Begünstigte muss demnach sicherstellen, dass derjenige, der für ihn betriebliche Arbeiten durchführt, über die notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten verfügt, um Verstöße zu vermeiden, und er muss den Dritten im Rahmen des im Einzelfall Erforderlichen angemessen anweisen und überwachen (vgl. VG Lüneburg, U. v. 12.1.2022 - 1 A 154/19 -, juris Rn. 96 ff.; VG Göttingen, U. v. 27.4.2023 - 2 A 64/20 -, V. n. b. S. 10; zum inhaltlich gleichen Maßstab in Bezug auf die zeitlich früher geltende Regelung in Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 1 der VO (EG) 73/2009: VG Braunschweig, U. v. 24.1.2018 - 9 A 36/16 -, V. n. b. S. 8 f.).

Nach diesen Maßstäben und nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung ist die Kammer der Überzeugung, dass der Klägerin, die Begünstigte ist, der Verstoß ihres Mitarbeiters Herrn A. gegen die Vorgaben des § 12 Abs. 2 PflSchG nicht als Ergebnis einer Handlung oder Unterlassung unmittelbar selbst anzulasten ist, weil gegenüber der Klägerin - in Person des für den Bereich der Pflanzenschutzmittel verantwortlichen Gesellschafters Herrn P. - ein eigenständiger Vorwurf mindestens fahrlässig schuldhaften Verhaltens in der Auswahl, Anleitung und Überwachung des Mitarbeiters Herrn A. nicht begründet ist. Es kommt deswegen nicht auf die kontrovers diskutierte Frage an, ob die materielle Beweislast insoweit den oder die Begünstigte (vgl. insoweit bspw. VG Lüneburg, U. v. 12.1.2022 - 1 A 154/19 -, juris Rn. 99; VG Osnabrück, U. v. 26.4.2019 - 4 A 23/17 -, V. n. b. S. 26; VG Hannover, U. v. 2.11.2018 - 11 A 6426/16 -, V. n. b. S. 11) oder die Behörde (vgl. insoweit bspw. VG Göttingen, U. v. 27.4.2023 - 2 A 64/20 -, V. n. b. S. 10; VG Braunschweig, U. v. 24.1.2018 - 9 A 36/16 -, V. n. b. S. 10; Busse, in: Münchener Anwaltshandbuch Agrarrecht, 3. Aufl. 2022, § 27 Rn. 149) trifft.

Die Klägerin - in Person den zuständigen Gesellschafter Herrn P. - trifft zunächst kein Auswahlverschulden, ihren Mitarbeiter - den Zeugen - Herrn A. mit dem Aufbringen des Pflanzenschutzmittels am 6. April 2016 betraut zu haben, denn dieser verfügte über hinreichende Kenntnisse und Fähigkeiten für die ihm zugewiesene Aufgabe. Zu berücksichtigen ist insofern, dass Herr A. als ausgebildeter Landwirt bei der Klägerin festangestellt tätig gewesen ist. Zu seinen Aufgaben bei der Klägerin zählte ausdrücklich die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln in vergleichbarer Weise wie am 6. April 2016. Hierzu war er ausweislich des Sachkundenachweises Pflanzenschutz (vgl. Bl. 22 der Beiakte 2) fachlich befähigt, fortlaufend und aktuell - ausweislich der Teilnahmebescheinigung der Beklagten zuletzt am 3. Februar 2016 - geschult und, nicht zuletzt, weil neben ihm selbst nur der weitere Mitarbeiter Herr Q. und der Gesellschafter Herr P. in dem mit mehr als 500 Hektar bewirtschafteter Fläche sehr großen Betrieb der Klägerin für die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln qualifiziert waren, sowohl in der Anwendung geübt als auch mit dem verwendeten Gerät und den örtlichen Besonderheiten vertraut. Hinsichtlich des in Rede stehenden Schlags Nr. K. der Klägerin hat dies in besonderer Weise zugetroffen, weil Herr A. diesen selbst im Herbst 2015 gepflügt hatte. Nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung legt die Kammer zugrunde, dass für die Klägerin - in Person deren zuständigem Gesellschafter Herrn P. - nicht erkennbar gewesen ist, dass Herr A. die ihm für die in Rede stehenden Arbeiten am 6. April 2016 erteilten Anweisungen nicht bzw. nicht hinreichend sorgfältig umsetzen würde. Insbesondere ist Herr A. nach seiner eigenen, glaubhaften Bekundung nicht bereits zuvor einmal - und auch nicht später erneut - in ähnlicher Weise aufgefallen und mit einem Bußgeld belegt worden. Anhaltspunkte dafür, dass die Angaben des Herrn A. unzutreffend sein könnten, haben sich für die Kammer nicht ergeben. Darüber hinaus geht die Kammer nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung davon aus, dass für Herrn P. nicht absehbar war, dass der grundsätzlich zuverlässig und sorgfältig arbeitende Mitarbeiter Herr A. im Aufbringen des Pflanzenschutzmittels am 6. April 2016 gegen die Vorgaben des § 12 Abs. 2 PflSchG verstoßen würde, zumal Herr A. glaubhaft bekundet hat, dass er Herrn P. in Bezug auf den Einsatz und die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln als ordentlichen und peniblen Vorgesetzten erlebt und er die in Rede stehenden Arbeiten am 6. April 2016 jedoch "aus Faulheit" und "an ihm [Herrn P.] vorbei" unsorgfältig ausgeführt habe. Angesichts dessen ist nach Überzeugung der Kammer die vom zuständigen Gesellschafter der Klägerin in der mündlichen Verhandlung geäußerte Einschätzung, Herr A. sei ein guter und zuverlässiger Mitarbeiter gewesen, der schon früher Pflanzenschutzmittel aufgebracht habe, und er deswegen keine Bedenken gehabt habe, ihn mit der Ausführung der Arbeiten am 6. April 2016 zu beauftragen, begründet und nicht - im Sinne eines Vorwurfs fahrlässigen Verschuldens - zu beanstanden gewesen.

Die Kammer sieht nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung hinsichtlich der in Rede stehenden Arbeiten vom 6. April 2016 auch kein Anweisungs- bzw. Anleitungsverschulden der Klägerin. Herr P. hatte Herrn A. am Morgen des 6. April 2016 mit der Ausführung der in Rede stehenden Arbeiten beauftragt und ihn in diesem Zusammenhang, wie regelmäßig vor der Anwendung von Pflanzenschutzmitteln, persönlich instruiert. Hierbei ist insbesondere seine sinngemäß gegebene Anweisung, "beim Spritzen die Kante auch zu treffen" nicht sorgfaltspflichtwidrig und deswegen fahrlässig schuldhaft erfolgt. Nach den insgesamt glaubhaften Angaben sowohl von Herrn P. als auch des Zeugen Herrn A. ist die Anweisung dahingehend gemeint und auch aufgefasst worden, dass Herr A. das Pflanzenschutzmittel - unter Einhaltung des erforderlichen Mindestabstands von einem Meter zur Böschungsoberkante des Grabens - bis zur Bewirtschaftungsgrenze des Ackers aufbringen soll und hiermit der Bereich gemeint gewesen war, der - von Herrn A. - im Herbst 2015 gepflügt worden war und nach der Anwendung des Pflanzenschutzmittels weiter landwirtschaftlich bearbeitet werden sollte. Die so gegebene Anweisung war rechtmäßig und hat den Vorgaben des § 12 Abs. 2 PflSchG entsprochen. Die Kammer schließt es nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung und dem insoweit glaubhaften Bekunden des Zeugen A. und von Herrn P. hingegen aus, dass die Arbeitsanweisung des Herrn P. darauf abgezielt hatte oder auch nur von Herrn A. dahingehend aufgenommen wurde, dass über diese Bewirtschaftungsgrenze hinaus Pflanzenschutzmittel - dann unter Verstoß gegen § 12 Abs. 2 PflSchG - aufgebracht werden sollte, um die tatsächlich genutzte landwirtschaftliche Fläche des Schlags auszudehnen. Aus denselben Gründen ist die Kammer in gleicher Weise davon überzeugt, dass die Arbeitsanweisung auch nicht darauf abzielte oder von Herrn A. dahingehend aufgenommen wurde, die Grenzabstände zum wasserführenden Graben zu unterschreiten.

Auch darüber hinaus ist die Kammer der Überzeugung, dass die Arbeitsanweisung und -anleitung des Herrn P. nicht fahrlässig schuldhaft fehlerhaft und/oder unvollständig gewesen sind. Insbesondere ist es nach der Überzeugung der Kammer nicht fahrlässig fehlerhaft gewesen, dass Herr P. Herrn A. damit beauftragt hatte, das Pflanzenschutzmittel selbst- und eigenständig aufzubringen und er neben der Ermahnung, die Messlatte zu verwenden, nicht durch weitergehende Maßnahmen wie beispielsweise ein vorheriges Markieren der mit Pflanzenschutzmittel zu behandelnden Fläche oder das Abstellen eines weiteren Mitarbeiters, der das exakte Aufbringen des Mittels kontrolliert, Vorsorge getroffen hatte, dass die Vorgaben des § 12 Abs. 2 PflSchG eingehalten würden. Zwar sind an die Sicherstellung einer sachgemäßen Anwendung von Pflanzenschutzmitteln auf einem landwirtschaftlichen Betriebsgelände grundsätzlich hohe Anforderungen zu stellen (vgl. Nds. OVG, B. v. 7.2.2014 - 10 LA 134/12 -, V. n. b. S. 7). Zudem kann es in Bezug auf Schwierigkeiten, die nach den örtlichen Gegebenheiten typischerweise auftreten und die vorhersehbar sind, erforderlich werden, dass der Vorstand konkrete Weisungen erteilen muss, um seiner Sorgfaltspflicht zu genügen, was hinsichtlich des Aufbringens von Pflanzenschutzmitteln beispielsweise beinhalten kann, Fahrgassen zu markieren oder weitere Mitarbeiter heranzuziehen (vgl. Sächs. OVG, B. v. 9.6.2022 - 6 A 226/21 -, juris Rn. 5).

In Bezug auf die in Rede stehenden Arbeiten auf dem Schlag Nr. K. der Klägerin am 6. April 2016 musste Herr P. allerdings nicht derartige weitergehende Anweisungen oder Vorkehrungen treffen, um einem Fahrlässigkeitsschuldvorwurf zu entgehen. Zwar geht die Kammer nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung davon aus, dass die Arbeiten - wie übereinstimmend von Herrn A. und Herrn P. ausgeführt - "etwas schwierig" bzw. "nicht einfach" gewesen sind, weil die Ackerfläche stark vergrünt gewesen ist, was die Erkennbarkeit der "Pfluggrenze" zwischen der landwirtschaftlich genutzten Bewirtschaftungsfläche und dem angrenzenden Randbereich erschwert hat, und der Acker "grobschollig gelegen" hat, was das Befahren mit dem Traktor-Anhänger-Gespann zu einer "etwas wackeligen Angelegenheit" gemacht und es so erschwert hat, das Pflanzenschutzmittel in den Randbereichen hinreichend präzise aufzubringen. Dennoch durfte Herr P. davon ausgehen, dass seine Arbeitsanweisungen und -vorkehrungen genügen würden, damit Herr A., der, wie bereits zuvor dargelegt ein grundsätzlich zuverlässiger und befähigter Mitarbeiter gewesen ist und dem nach seiner glaubhaften Einlassung bewusst gewesen ist, dass die Klägerin dem korrekten Einsatz von Pflanzenschutzmitteln einen hohen Stellenwert beigemessen hat, die Arbeiten ordnungs- und rechtmäßig erledigt.

Insbesondere geht die Kammer nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung davon aus, dass es Herrn A. möglich gewesen ist, die Bewirtschaftungsgrenze, bis zu der Pflanzenschutzmittel aufgebracht werden sollte, trotz des starken Vergrünens des Ackers und trotz der Erschwernis, die daraus resultierte, dass die Furche, die der Pflug zieht, dadurch weniger markant ausgefallen ist, dass in den Randbereichen des Ackers noch einmal "drübergepflügt" werden musste, auch ohne weitere Vorkehrungen oder Anweisungen eigenständig zu erkennen und den Auftrag von Pflanzenschutzmitteln daran auszurichten. Denn die Pfluggrenze zwischen der Bewirtschaftungsfläche und dem Randbereich blieb trotz dieser Erschwernisse hinreichend erkennbar, weil eine Kante zwischen Acker und Randbereichen verleibt und der Bewuchs auf der Ackerfläche weniger hoch ausfällt als in nicht gepflügten Randbereichen. Herr P. durfte davon ausgehen, dass es Herrn A., der das Pflügen im Herbst des Vorjahres selbst durchgeführt hatte, gelingt, diese Grenze auszumachen, und er die ihm ausdrücklich erteilte Anweisung, die Messlatte zu verwenden, um die Ausrichtung und den korrekten Abstand des Traktor-Anhänger-Gespanns zum Rand des Ackers sicherzustellen, umsetzt. Dass Herr A. beim Aufbringen des Pflanzenschutzmittels die Bewirtschaftungsgrenze überschritten hatte, war dementsprechend nicht ursächlich darauf zurückzuführen, dass er ohne zusätzliche Arbeitsanweisungen oder von Herrn P. veranlasste Hilfestellung tätig war, sondern dass er die ihm gegebenen Arbeitsanweisungen nicht umgesetzt hatte. Dies zeigt sich beispielhaft daran, dass es ihm an dem südöstlichen - zum periodisch wasserführenden Graben hin gelegenen - Randbereich der Ackerfläche zunächst, als er die Arbeitsanweisungen von Herrn P. nicht befolgt hatte, sondern er lediglich nach Augenmaß gearbeitet hatte, nicht gelungen war, die Bewirtschaftungsgrenze hinreichend präzise zu treffen, ihm dies aber gelungen war, nachdem ihm sein Fehler aufgefallen und er anschließend die Arbeitsanweisungen von Herrn P. umgesetzt hatte. Die von Herrn P. geäußerte Einschätzung, die Ausführung der Arbeiten sei nicht einfach, aber machbar und er selbst sei guten Gewissens gewesen, Herrn A. damit zu beauftragen, ist dementsprechend nicht fahrlässig schuldhaft falsch, sondern zutreffend gewesen. Soweit Herr A. im Bereich der Abfahrt zur Ackerfläche Pflanzenschutzmittel aufgebracht hat, ist dies offensichtlich auf einen fahrlässigen Fehler in der Bedienung der Spritzanlage zurückzuführen; ein Fahrlässigkeitsvorwurf ist insoweit gegenüber Herrn P. bzw. der Klägerin nicht begründet und wurde auch von der Beklagten zu keinem Zeitpunkt geltend gemacht.

Ein Überwachungsverschulden des Klägers ist nach Ansicht der Kammer nicht festzustellen. Herr P. hat die Arbeitsausführung von Herrn A. in Stichproben kontrolliert, was im Hinblick auf dessen grundsätzliche Zuverlässigkeit hinreichend gewesen ist, zumal er Herrn A. durch seine Arbeitsanweisungen erkennbar vermitteln konnte, dass der korrekte Einsatz der Pflanzenschutzmittel für die Klägerin einen hohen Stellenwert hat, was sich auch daran gezeigt hat, dass Herr A. im Nachgang zu der fehlerhaften Arbeitsausführung am 6. April 2016 ein "Donnerwetter gekriegt" hatte. Zwar hatte Herr P. die Arbeitsausführung konkret am 6. April 2016 nicht kontrolliert. Einen Fahrlässigkeitsschuldvorwurf begründet dies allerdings nicht. Denn eine Kontrolle jeder Pflanzenschutzmittelmaßnahme des Zeugen durch Herrn P. ist nicht erforderlich. Derart weitreichende Überwachungspflichten eines Betriebsinhabers in Bezug auf einen grundsätzlich zuverlässig arbeitenden Mitarbeiter wären unverhältnismäßig und würden es praktisch zu weitgehend erschweren, Dritte oder (zuverlässige) Mitarbeiter mit der Ausbringung von Pflanzenschutzmitteln zu betrauen (vgl. insoweit auch VG Braunschweig, U. v. 24.1.2018 - 9 A 36/16 -, V. n. b. S. 13).

Nach alledem hat die Kammer einen schuldhaften Verursachungsbeitrag der Klägerin zum streitgegenständlichen Verstoß gegen die Grundanforderungen an die Betriebsführung 10 vom 6. April 2016 nicht feststellen können. Demgemäß ist die in dem angefochtenen Bescheid vorgenommene Kürzung des Anspruchs auf Direktzahlungen und der Erstattung von Mitteln aus der Haushaltsdisziplin für das Antragsjahr 2016 rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten.

Die Kammer musste aus diesem Grund nicht darüber befinden, ob der Beklagten - wie von der Klägerin geltend gemacht - ein Festhalten an der Cross-Compliance-Sanktion (auch) wegen des sogenannten Günstigkeitsprinzips des Art. 2 Abs. 2 Satz 2 VO (EG) 2988/95 und im Hinblick auf die Regelung des Art. 8 Abs. 1 VO (EU) 2022/1172 verwehrt gewesen wäre.

Der Anspruch der Klägerin auf Bewilligung einer weiteren Basis-, Umverteilungs- und Greeningprämie sowie auf Erstattung von Mitteln aus der Haushaltsdisziplin ist gemäß § 14 Abs. 2 Satz 1 Marktorganisationsgesetz in Verbindung mit § 238 Abs. 1 Satz 1 und 2, Abs. 2 Abgabenordnung mit 0,5 Prozent für jeden vollen Monat seit Rechtshängigkeit, vorliegend der Höhe nach gemäß § 88 VwGO begrenzt auf eine Zinshöhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz pro Jahr, zu verzinsen. Für die Berechnung der Zinsen wird der zu verzinsende Betrag auf den nächsten durch 50 EUR teilbaren Betrag abgerundet.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 11 und § 711 Satz 1 und 2 Zivilprozessordnung (ZPO).

Die Festsetzung des Streitwertes richtet sich nach § 52 Abs. 3 Satz 1 Gerichtskostengesetz (GKG).

Gründe für die Zulassung der Berufung bestehen nicht.