Amtsgericht Göttingen
Beschl. v. 29.01.2008, Az.: 74 IK 159/05

Angehöriger; Anhörung; Beeinträchtigung; Befriedigung; Bruder; Darlehn; erdachte Forderung; Falschangabe; Forderung; Glaubhaftmachung; Gläubiger; Insolvenz; Insolvenzantrag; Kredit; Lebensgefährte; Nichtexistenz; Restschuldbefreiung; Schwester; Verhältnismäßigkeit; Versagung; Versagungsantrag; Versagungsgrund; Vertrag; Verzeichnis; Vorsatz; Zahlungsbeleg

Bibliographie

Gericht
AG Göttingen
Datum
29.01.2008
Aktenzeichen
74 IK 159/05
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2008, 55125
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Für die Glaubhaftmachung eines Versagungsgrundes genügt es, wenn sich ein Gläubiger darauf beruft, dass eine Forderung einer Verwandten des Schuldners nicht existiert, da entsprechende Verträge bzw. Zahlungsbelege nicht vorliegen.
2. Bei Vorlage eines falschen Verzeichnisses der Gläubiger und der gegen ihn gerichteten Forderungen liegt der Versagungsgrund des § 290 Abs. 1 Nr. 6 i. V. m. § 305 Abs. 1 Nr. 3 InsO vor.

Tenor:

Dem Schuldner wird die beantragte Restschuldbefreiung versagt.

Die im Beschluss vom 18.05.2005 bewilligte Stundung wird aufgehoben.

Gründe

1

I. Über das Vermögen des Schuldners ist aufgrund Eigenantrages vom 11.05.2005 unter Bewilligung von Stundung das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Im Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung betrug das Nettoeinkommen des nicht unterhaltspflichtigen Schuldners 1.350 €. Der Schuldenbereinigungsplan führt neun Gläubiger mit einer Gesamtforderungssumme in Höhe von ca. 81.500 € auf. Unter lfd. Nummer 6 ist eine Forderung der Schwester des Schuldners in Höhe von 3.200 € angegeben. Die von der Schwester des Schuldners zur Insolvenztabelle angemeldete Forderung aus Darlehen beläuft sich auf 6.000 € und ist vom Treuhänder vorläufig bestritten. In seinem letzten Bericht gibt der Treuhänder das Nettoeinkommen des Schuldners mit 1.353,91 € an.

2

Nachdem die Rechtspflegerin das schriftliche Verfahren angeordnet hat, hat die versagungsantragstellende Gläubigerin Versagung der Restschuldbefreiung beantragt. Sie wird u. a. darauf gestützt, dass bezweifelt wird, dass die Summe von 3.200 € tatsächlich von der Schwester des Schuldners gezahlt wurde, da entsprechende Verträge bzw. Zahlungsbelege nicht vorliegen.

3

Der anwaltlich vertretene Schuldner beantragt, den Versagungsantrag zurückzuweisen. Das Insolvenzgericht hat den Schuldner im Termin vom 17.01.2008 angehört und die Schwester des Schuldners als Zeugin vernommen.

4

II. Der zulässige Versagungsantrag ist begründet.

5

Die unter lfd. Nr. 1 der Tabelle aufgeführte versagungsantragstellende Gläubigerin beruft sich darauf, dass die Forderung der Mitgläubigerin G. nicht existiere und zu Unrecht vom Schuldner angegeben sei. Damit ist ein Versagungsgrund gem. § 290 Abs. 1 Nr. 6 InsO glaubhaft gemacht. Nähere bzw. weitergehende Angaben können von der versagungsantragstellenden Gläubigerin nicht verlangt werden, da es sich um Vorgänge handelt, über die sie keine nähere Kenntnis hat und auch nicht erlangen kann.

6

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht fest, dass der Antrag auch begründet ist. Das Gericht ist überzeugt, dass der Schuldner ein falsches Verzeichnis der Gläubiger und der gegen ihn gerichteten Forderungen vorgelegt hat. Darin liegt der Versagungsgrund des § 290 Abs. 1 Nr. 6 i. V. m. § 305 Abs. 1 Nr. 3 InsO.

7

Der Schuldner hat in seiner Anhörung (zunächst) angegeben, dass er den Betrag in den Monaten August und September 2005 im Zusammenhang mit der Trennung von seiner Lebensgefährtin erhalten habe, bis zur Stellung des Insolvenzantrages habe er ca. 2.200 bis 2.400 € zurückgezahlt. Den Betrag von 6.000 € habe er nach und nach nach Bedarf von seiner Schwester erhalten. Später hat er die Angaben dahin abgeändert, dass er 3.000 € erhielt, als er das gemeinsam mit der Lebensgefährtin bewohnte Haus verließ und weitere 3.000 €, als er beraten durch die Schuldnerberatungsstelle U. seinen Pkw Mazda MX 5 abgab. Mit der Rückzahlung habe er in monatlichen Raten von 200 € zwei Monate nach Aushändigung begonnen.

8

Auf Nachfragen seines Verfahrensbevollmächtigen hat der Schuldner eingeräumt, die Begebung des Darlehns könne auch in den Jahren 2004 oder 2003 erfolgt sein. Ergänzend hat der Schuldner angegeben, dass nach dem Tod seines Schwagers im Jahre 2002 seine Schwester eine Versicherungssumme erhalten habe. Davon habe er 2 x 3.000 € oder 3 x 2.000 € erhalten.

9

Der vom Verfahrensbevollmächtigten des Schuldners während der Anhörung des Schuldners vorgelegte Kreditvertrag datiert vom 29.08.2003 und weist eine Auszahlung eines Betrages vom 6.000 € an den Schuldner aus, die monatliche Rückzahlungsverpflichtung von 200 € beginnt danach ab dem 01.09.2003.

10

Auf Vorhalt des Verfahrensbevollmächtigten der versagungsantragstellenden Gläubigerin, dass er das gemeinsam bewohnte Haus aufgrund eines Platzverweises am 16.12.2003 verlassen musste, während der Kredit schon 1/4 Jahr zuvor begeben wurde, hat der Schuldner darauf hingewiesen, dass seine damalige Lebensgefährtin bereits zum Zeitpunkt der Kreditvergabe ein Verhältnis gehabt habe, er sei besuchsweise noch zwei Mal die Woche in das Haus gekommen, wenn der neue/andere Lebenspartner nicht anwesend gewesen sei.

11

Die Angaben des Schuldners sind widersprüchlich und teilweise nicht nachvollziehbar. Die Trennung von der Lebensgefährtin und die (angebliche) Kreditvergabe liegen zwar schon einige Jahre zurück. Es ist aber zu erwarten, dass der Schuldner sich an das Jahr erinnern kann, jedenfalls dann, wenn tatsächlich eine Kreditvergabe stattgefunden hat. Auch ist es ungewöhnlich, dass der Schuldner nicht die Einzelheiten der jeweils gezahlten Summen (2 x 3.000 € oder 3 x 2.000 €) weis. Weiter hat er angegeben, einen ersten Teilbetrag von 3.000 € habe er erhalten, als er das gemeinsam mit der Lebensgefährtin bewohnte Haus verlassen habe, er habe auf der Straße gestanden und sich eine Wohnung suchen müssen. Der Verweis aus dem Haus erfolgte jedoch erst am 16.12.2003 mehr als 1/4 Jahr nach der angeblichen Kreditvergabe. Der Schuldner will zwar schon 1/4 Jahr zuvor das Haus wegen des Verhältnisses seiner Lebensgefährtin mit einem anderen Mann verlassen haben, in dieser Zeit will er jedoch bei Freunden und seiner Mutter gewohnt haben. Ein plötzlicher und überraschender Notfall bestand bei dieser Sachlage aber nicht.

12

Hinzu kommt, dass der zweite Teilbetrag von 3.000 € ausgezahlt worden sein soll, als der Schuldner das ursprünglich genutzte Fahrzeug Mazda MX 5 zurückgab. Nach Angaben des Schuldners gab ihm der Mitarbeiter der Schuldnerberatungsstelle Uslar den Rat, dass (zu teuere) Fahrzeug zurückzugeben, was technisch dadurch bewerkstelligt wurde, dass der Schuldner zwei Raten nicht zahlte und die Mazdabank dann das Fahrzeug abholen ließ. Der Insolvenzantrag wurde eingereicht im Mai 2005, nach dem Kreditvertrag erfolgte die Auszahlung spätestens im August 2003. Es ist ungewöhnlich, wenn zwischen der Beratung durch eine Schuldnerberatungsstelle und Stellung des Antrages mehr als 1 1/2 Jahre liegen.

13

Insgesamt ist der Vortrag des Schuldners widersprüchlich und nicht nachvollziehbar. Das Gericht ist davon überzeugt, dass eine Forderung der Gläubigerin G. nicht existiert.

14

Dieses Ergebnis wird nicht widerlegt, sondern sogar bestärkt durch die Bekundungen der Zeugin G. Sie hat angegeben, ihr Bruder habe sich in einer finanziellen Notlage befunden, als er das Haus habe verlassen müssen und nichts mehr gehabt habe. Sie konnte noch angeben, dass die Kreditvergabe nach dem Ende 2002 erfolgten Tod ihres Mannes irgendwann im Jahre 2003 erfolgte. An ein genaues Datum konnte sie sich nicht erinnern. Weiter hat sie angegeben, sie habe den Betrag von einem Sparbuch bei der Kreissparkasse N. abgehoben, die Summe von 6.000 € habe die Hälfte ihrer Ersparnisse ausgemacht. Genaue Angaben könne sie nicht machen, da sie im Zusammenhang mit dem Insolvenzantrag ihrem Bruder die Unterlagen übergeben habe. Die Zeugin konnte sich noch erinnern, dass ihr Bruder monatlich 200 € zurückzahlte. Im weiteren Verlauf ihrer Befragung stellte die Zeugin von sich aus die Frage, was die ganze Befragung solle. Auf Nachfragen räumte sie ein, dass der Kreditbetrag möglicherweise auch in zwei Teilbeträgen ausgezahlt worden sein. Nachdem die Zeugin die Kreissparkasse N. von Ihrer Schweigepflicht entbunden hatte, räumte die Zeugin ein, dass sie den Kreditbetrag nicht vom Sparbuch entnommen habe, sondern aus einer im Zusammenhang mit dem Tod ihres Mannes ausgezahlten Kapitallebensversicherung. Davon habe sie niemanden etwas erzählt, auch nicht ihrem Bruder. Dass die Zeugin eine Forderung von 6.000 € anmeldete, konnte sie sich nicht erklären, sie räumte ein, sie hätte die Rückzahlungen absetzen müssen.

15

Zu den Bekundungen der Zeugin ist folgendes zu bemerken: Interessant ist zunächst das Aussageverhalten der Zeugin, die erkennbar aussageunwillig war, indem sie nachfragte, was das Ganze denn solle. Die Zeugin hat ihre Aussage an die Gegebenheiten angepasst, indem sie zunächst die Auszahlung von 6.000 € bekundete, auf Nachfragen aber angab, auch eine Auszahlung in zwei Teilbeträgen seien möglich. Zur Herkunft des Geldes hat die Zeugin angegeben, sie habe es von einem Sparbuch abgehoben, das sie nicht mehr besitze. Nachdem die Zeugin sodann die Kreissparkasse N. von der Schweigepflicht entbunden hatte und die Möglichkeit der Nachforschung dort bestand, hat sie angegeben, dass das Geld von einer nach dem Tod ihres Ehemannes ausgezahlten Lebensversicherung stammte. Eine nachvollziehbare Erklärung, warum die Zeugin nicht von Anfang an die Herkunft des Geldes von der Lebensversicherung bekundetet, hat die Zeugin nicht abgegeben; eine solche Erklärung ist auch nicht ersichtlich. Weiter hat die Zeugin bekundet, sie habe von der Herkunft des Geldes keinem erzählt, auch nicht ihrem Bruder. Dieser hatte aber in seiner zuvor angeführten Anhörung genau dies angegeben. Schließlich hat die Zeugin auch keine schlüssige Erklärung dafür abgeben können, weshalb sie beim Treuhänder zur Tabelle den Gesamtbetrag von 6.000 € anmeldete, obgleich doch ein Teil der Summe zurückgezahlt war.

16

Insgesamt ist festzustellen, dass es sich um eine erdachte und erfundene Geschichte handelt.

17

Damit hat der Schuldner nicht nur grob fahrlässig, sondern vorsätzlich falsche Angaben gemacht.

18

Im Rahmen des § 290 Abs. 1 Nr. 6 InsO ist nicht erforderlich, dass die Befriedigung der Gläubiger tatsächlich beeinträchtigt wurde. In Anbetracht des pfändbaren Einkommens des Schuldners hätte sie eintreten können, wenn der Treuhänder die Forderung der Gläubigerin G. nicht bestritten und an diese bei der Verteilung Beträge ausgekehrt worden wären.

19

Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit steht der Versagung nicht entgegen. Durch ihn sollen lediglich geringfügige Verstöße nicht zu einer Versagung der Restschuldbefreiung führen. Davon kann im Fall einer erdachten Forderung eines nahen Angehörigen nicht ausgegangen werden.

20

Weiter hat das Insolvenzgericht gem. § 4 c Nr. 5 InsO die Stundung aufgehoben.