Amtsgericht Göttingen
Beschl. v. 07.05.2008, Az.: 74 IN 391/07

Abweisung; Anmeldebestätigung; Auskunft; Ausland; Benachteiligung; deutsche Gerichtsbarkeit; deutsches Gericht; Ehefrau; Einzelzwangsvollstreckung; Erzwingung; Eröffnungsgrund; Frankreich; Gläubiger; Hauptwohnsitz; Indizfunktion; Inland; Insolvenz; Insolvenzantrag; Insolvenzgericht; Insolvenzverfahren; Kontopfändung; Masse; Mietvertrag; Sachverständiger; Schuldner; Schwerpunkt; Unterkunft; Verfahrenskosten; Vermögensverhältnis; Zahlungsunfähigkeit; Zuständigkeit; Zwangmaßnahme; zweiter Wohnsitz

Bibliographie

Gericht
AG Göttingen
Datum
07.05.2008
Aktenzeichen
74 IN 391/07
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2008, 55128
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Eine Unterkunft im Ausland begründet eine Zuständigkeit des dortigen Insolvenzgereichtes gem. Art. 3 EuInsVO nur, wenn es sich dabei um einen Hauptwohnsitz handelt.

2. Liegt ein solcher Wohnsitz nicht vor, verbleibt es bei der Zuständigkeit der deutschen Gerichtsbarkeit. Abzustellen ist gem. § 4 InsO i.V.m. § 16 ZPO auf den letzten inländischen Wohnsitz.

3. Macht der Schuldner gegenüber dem Sachverständigen keine Angaben zu seinen Vermögensverhältnissen, kann der Insolvenzantrag gem. § 26 InsO mangels Masse abgewiesen werden.

Tenor:

Der Antrag vom 07.12.2007 auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens wird mangels einer die Kosten des Verfahrens deckenden Masse abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsgegner.

Der Gegenstandswert wird auf bis zu 300 EURO festgesetzt.

Gründe

1

I. Die Antragstellerin hat mit Schreiben vom 07.12.2007 die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners wegen Steuerrückständen in Höhe von 24.433,63 € beantragt. Die Ladung zum Anhörungstermin am 20.12.2007 kam nicht als unzustellbar zurück. Mit Fax vom 19.12.2007 teilte der Schuldner mit, er wohne seit dem 20.05.2007 in Frankreich und habe die Ladung von seinem Nachmieter erhalten. Mit dem vom Insolvenzgericht im Beschluss vom 20.12.2007 eingesetzten Sachverständigen hat sich der Schuldner trotz Hinweises an seine nunmehrige Verfahrensbevollmächtigte nicht in Verbindung gesetzt. Eine vom Sachverständigen durch einen grenznah residierenden Kollegen vorgenommene Besichtigung unter der Adresse in Frankreich hat ergeben, dass es sich um ein ca. 15 m² großes Zimmer mit separater Toilette, Spülstein und Dusche handelt.

2

Eine Einwohnermeldeamtsanfrage hat folgende Adressen ergeben:

3

- Bis 19.06.2005: 83730 Fischbachau

4

- Bis 27.07.2006: Göttingen

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 - Ab 28.07.2006: Krebeck.

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Dort ist nach den Feststellungen des Sachverständigen der Schuldner nicht mehr wohnhaft und den Nachmietern unbekannt. Die Räumlichkeiten der Göttinger Adresse sind nach Angaben einer Hausbewohnerin seit Sommer 2007 aufgegeben, allerdings findet sich dort noch ein Klingelschild mit dem Namen des Antragsgegners.

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II. Die Ablehnung des Eröffnungsantrages beruht auf § 26 Abs. 1 Insolvenzordnung ( InsO).

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1. Das Insolvenzgericht Göttingen ist (international) zuständig.

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a) Das Center of main Interest (COMI) gem. Art 3 EUInsVO liegt nicht in Frankreich. Der Schuldner hat zwar eine entsprechende Anmeldebestätigung vorgelegt, dieser kommt aber allenfalls Indizfunktion zu. Der vom Schuldner vorgelegte Mietvertrag weist seine Ehefrau als Mieterin aus. Diese wohnt nach seinen Angaben mit ihm unter der Adresse in Frankreich. Wie zwei Personen in derart beengten Verhältnissen wohnen, bleibt unklar. Auszugehen ist davon, dass es sich auch nicht um einen zweiten Wohnsitz handelt, der zudem nur in seltenen Fällen angenommen werden kann (PWW-Prütting BGB § 7 Rz. 7). Ein räumlicher Schwerpunkt in Frankreich lässt sich nicht feststellen.

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b) Feststellungen zum tatsächlichen Wohnsitz des Antragsgegners haben sich nicht treffen lassen. Abzustellen ist gem. § 4 InsO i.V.m. § 16 ZPO auf den letzten Wohnsitz, wobei es genügt, dass ein Wohnsitz trotz ernstlich angestellter Ermittlungen nicht bekannt ist (FK-InsO/Schmerbach § 3 Rz. 13). Dieser lag in Göttingen bzw. Krebek, das ebenfalls zum Bezirk des Insolvenzgerichtes Göttingen gehört.

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2. Die durchgeführten Ermittlungen haben ergeben, dass zwar ein Eröffnungsgrund vorliegt, aber keine Masse vorhanden ist, die die Verfahrenskosten deckt.

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a) Das Insolvenzgericht ist davon überzeugt, dass der Antragsgegner zahlungsunfähig (§ 17 InsO) ist. Zur Feststellung genügt ein für das praktische Leben brauchbarerer Grad an Gewissheit (AG Göttingen ZInsO 2003, 1156; HK-InsO/Kirchhof § 16 Rz. 9). Vermögensgegenstände des Schuldners lassen sich nicht feststellen, eine von der Antragstellerin am 20.08.2007 ausgebrachte Kontopfändung blieb ohne Erfolg. Zwangmaßnahmen zur Erzwingung von Auskünften, die im Ausland vollstreckt werden müssten, versprechen keine Aussicht auf Erfolg.

13

b) Bei dieser Sachlage ist auch davon auszugehen, dass voraussichtlich keine Verfahrenskosten deckende Masse vorhanden ist. Die Antragstellerin hat es bereits in der Antragschrift abgelehnt, einen Massekostenvorschuss zu zahlen.

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c) Benachteiligungen von Gläubigern treten nicht ein. Taucht Vermögen auf, kann dies im Wege der Einzelzwangsvollstreckung verwertet oder ein neues Insolvenzverfahren eingeleitet werden (AG Göttingen ZInsO 2003, 1156). Zudem erfolgt durch die öffentliche Bekanntmachung des Beschlusses nach Rechtskraft eine Warnung des Rechtsverkehrs.

15

3. Die Kostenentscheidung erfolgt aus §§ 4 InsO, 91 ZPO. Die Festsetzung des Gegenstandswertes beruht auf § 4 InsO in Verbindung mit § 37 GKG.