Amtsgericht Göttingen
Beschl. v. 15.09.2008, Az.: 74 IK 730/06
Umfang der für die Zulässigkeit eines Versagungsantrages gem. § 296 Abs. 1 Satz 1 Insolvenzordnung (InsO) erforderlichen Darlegung der Beeinträchtigung der Gläubigerbefriedigung; Verweigerung eines Schuldners zur Auskunftserteilung über sein aktuelles Einkommen trotz Aufforderung des Gerichts
Bibliographie
- Gericht
- AG Göttingen
- Datum
- 15.09.2008
- Aktenzeichen
- 74 IK 730/06
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2008, 36547
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:AGGOETT:2008:0915.74IK730.06.0A
Rechtsgrundlagen
- § 296 Abs. 1 S. 1 InsO
- § 296 Abs. 2 S. 3 InsO
Fundstellen
- NZI 2009, 264 (Kurzinformation)
- NZI 2008, 696-697 (Volltext mit amtl. LS)
- NZI (Beilage) 2009, 32-33 (red. Leitsatz)
- Rpfleger 2009, 109-110 (Volltext mit amtl. LS)
- VuR 2009, 78 (red. Leitsatz)
- ZInsO 2009, 347-348 (Volltext mit amtl. LS)
- ZVI 2009, 44-45 (Volltext mit amtl. LS)
Verfahrensgegenstand
Restschuldbefreiungsverfahren über das Vermögen der ...
Amtlicher Leitsatz
- 1.
Die für die Zulässigkeit eines Versagungsantrages gem. § 296 Abs. 1 Satz 1 InsO erforderliche Darlegung der Beeinträchtigung der Gläubigerbefriedigung erfordert in der Regel Angaben dazu, dass der Schuldner unter Berücksichtigung seiner Ausbildung, seines Familienstandes und des Arbeitsmarktes in der Lage ist, Einkommen im pfändbaren Bereich zu erzielen.
- 2.
Dies gilt nicht, wenn der Schuldner jegliche Angaben zu seinem aktuellen Einkommen verweigert, und zwar selbst dann, wenn der Schuldner zuvor nur Sozialleistungen im unpfändbaren Bereich bezog.
- 3.
In diesem Fall liegt ein zulässiger Versagungsantrag gem. § 296 Abs. 1 InsO vor. Erteilt der Schuldner auf Aufforderung des Gerichtes keine Auskünfte, kann eine Versagung der Restschuldbefreiung gem. § 296 Abs. 2 Satz 3 InsO erfolgen.
Tenor:
Die beantragte Restschuldbefreiung wird versagt.
Gründe
A.
Aufgrund Eigenantrages ist am 06.02.2007 über das Vermögen der Schuldnerin unter Bewilligung von Stundung das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Der Bericht des Treuhänders vom 10.04.2007 führt aus, dass die im Jahre 1969 geborene, ungelernte Schuldnerin vier zwischen 1997 und 2001 geborenen Kindern unterhaltspflichtig ist und am Erwerbsleben nicht teilnimmt, vielmehr Leistungen nach demSGB XII in unpfändbarer Höhe bezieht. Im Schuldenbereinigungsplan sind vier Gläubiger mit einer Gesamtforderungshöhe von ca. 4.000 EUR angegeben. Angemeldet haben Forderungen zwei Gläubiger mit einem Gesamtbetrag von knapp 2.300 EUR.
Nach Rechtskraft des Beschlusses über die Ankündigung der Restschuldbefreiung vom 13.08.2007 ist das Verfahren am 01.10.2007 aufgehoben worden. Im Bericht vom 04.10.2007 teilte der Treuhänder mit, dass er nach einem nicht mitgeteilten Umzug die neue Adresse der Schuldnerin durch eine EMA-Anfrage erfragen musste und die Schuldnerin trotzt mehrfacher Aufforderung keine aktuellen Einkommensnachweise vorlegte. Nachdem das Insolvenzgericht ebenfalls vergeblich die Schuldnerin dazu aufgefordert hatte, ist die im Beschluss vom 06.02.2007 bewilligte Stundung mit (rechtskräftigem) Beschluss vom 06.11.2007 aufgehoben worden. Eine im April 2008 gestellten Versagungsantrag gem. § 298 InsO hat der Treuhänder im Juni 2008 zurückgenommen, nachdem die Schuldnerin den Betrag von 119 EUR in zwei Teilbeträgen gezahlt hatte.
Mit Schreiben vom 24.06.2008 hat eine der beiden Gläubigerinnen, die ihre Forderung angemeldet haben, Versagung der Restschuldbefreiung beantragt. Zur Begründung wird ausgeführt, dass die Schuldnerin ihre Einkommensverhältnisse nicht offen gelegt und ihrer Verpflichtung nicht nachgekommen sei, einer angemessenen Erwerbstätigkeit nachzugehen oder sich um eine solche zu bemühen. In seiner Stellungnahme zum Versagungsantrag teilt der Treuhänder mit, dass die Schuldnerin Einkommensnachweise nicht vorgelegt hat. Die Schuldnerin hat in der Folgezeit auch auf eine Aufforderung unter Fristsetzung und unter Hinweis auf die Möglichkeit der Versagung der Restschuldbefreiung gem. § 296 Abs. 2 InsO keinerlei Auskünfte erteilt.
B.
Die Restschuldbefreiung ist gem. § 296 Abs. 2 Satz 3 InsO zu versagen. Eine Gläubigerin hat einen zulässigen Antrag auf Versagung der Restschuldbefreiung gestellt (I.), die Schuldnerin hat die von ihr verlangte Auskunft ohne hinreichende Entschuldigung nicht innerhalb der gesetzten Frist erteilt (II.).
I.
Es liegt ein zulässiger Versagungsantrag der Gläubigerin vor.
1.
Zu den Obliegenheiten eines Schuldners gehört es u.a. gem.§ 295 Abs. 1 Nr. 3 InsO, dem Gericht und dem Treuhänder auf Verlangen Auskunft über seine Erwerbstätigkeit oder seine Bemühungen einer solche sowie über seine Bezüge und sein Vermögen zu erteilen. Diesen Verpflichtungen ist die Schuldnerin trotz mehrfacher Aufforderungen sowohl des Treuhänders als auch des Insolvenzgerichtes nicht nachgekommen.
2.
Weiter liegen die in § 296 Abs. 1 InsO aufgezählten Voraussetzungen vor.
Die Jahresfrist des § 296 Abs. 1 Satz 2 InsO ist gewahrt. Wann genau die Gläubigerin Kenntnis von den Obliegenheitsverletzungen erlangt hat, muss nicht festgestellt werden. Der erste Bericht des Treuhänders an das Gericht stammt vom 04.10.2007.
Ob der Gläubiger ein mangelndes Verschulden des Schuldners im Sinne des § 296 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz darlegen muss, ist bestritten. Die überwiegende Meinung vertritt die Auffassung, es sei Sache des Schuldners, sich zu exkulpieren (HambK-Streck § 296 Rz. 8; a. A. FK-InsO/Ahrens § 296 Rz. 26). Mit dem AG Duisburg (ZInsO 2002, 383, 384 = NZI 2002, 383) ist davon auszugehen, dass es sich um Vorgänge aus der Sphäre des Schuldners handelt, die der Gläubiger nicht beurteilen kann mit der Folge, dass der Schuldner den Entlastungsbeweis zu führen hat. Zudem spricht der auch nach der Gegenauffassung eingreifende Beweis des ersten Anscheines (FK-InsO/Ahrens § 296 Rz. 9) für ein Verschulden.
3.
Schließlich ist auch eine Beeinträchtigung der Befriedigung der Insolvenzgläubiger dargelegt.
a)
Allerdings hat die Gläubigerin nicht dargelegt, dass die Schuldnerin aufgrund ihrer familiären Situation, Ausbildung und Lage auf dem Arbeitsmarkt die Möglichkeit hat, Einkommen in pfändbarer Höhe zu erwirtschaften und dass für die Gläubiger auch unter Berücksichtigung der zunächst zu begleichenden Verfahrenskosten (vgl. AG Regensburg ZInsO 2004, 692 = ZVI 2004, 499) ein auszuschüttender Betrag verbliebe. In der Rechtsprechung wird das Erfordernis aufgestellt, dass ein versagungsantragstellender Gläubiger entsprechende Tatsachen vortragen muss und Anträge in Blaue hinein unzulässig sind (LG GöttingenZInsO 2005, 154 = NZI 2005, 346). Bei den von der Rechtsprechung entschiedenen Fällen handelte es sich allerdings um Sachverhalte, in denen der Schuldner seiner Verpflichtung nachkam, seine Einkommensverhältnisse darzulegen (AG Duisburg ZVI 2004, 364 [AG Duisburg 06.04.2004 - 62 IK 27/02]; LG Landshut ZInsO 2007, 615). Auch der BGH (ZInsO 2006, 547, 548) erkannt an, dass die für den Gläubiger bestehenden Schwierigkeiten, den Sachverhalt hinreichend aufzuklären, zu berücksichtigen sind.
b)
Die Literatur lässt teilweise auch Einkommen unterhalb der Pfändungsfreigrenzen genügen unter Hinweis auf die Möglichkeit einer Einkommenssteigerung durch Gehaltserhöhung oder Festanstellung nach Teilzeittätigkeit (Uhlenbruck/Vallender InsO § 296 Rz. 18). Dagegen wird eingewandt, auf zukünftig mögliche Veränderungen dürfe nicht abgestellt werden, weil für eine solche Prognose jeder Maßstab fehle und zudem ein Widerspruch gegen den Gedanken des§ 309 Abs. 1 Nr. 2 2.Halbsatz InsO vorliege (FK-InsO/Ahrens § 296 Rz. 13). Ohne eine Verletzung der Befriedigungsaussichten der Gläubiger verstoße der Schuldner nicht gegen die Zielsetzungen des Treuhandverfahrens. Dieses liege in der Mitwirkung an einer weiteren Erfüllung der Verbindlichkeiten, der Zweck bestehe weder in einer Erziehungsfunktion noch in Strafzwecken (FK-InsO/Ahrens § 296 Rz. 11).
c)
Anders verhält es sich im vorliegenden Fall. Die Schuldnerin macht zu ihren Einkommensverhältnissen keinerlei Angaben. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie Einkommen in pfändbarer Höhe bezieht, ist zwar gering. Dies kann jedoch nicht dazu führen, dass ein Schuldner sich seinen Mitwirkungspflichten sanktionslos entziehen kann. Für einen Versagungsantrag würden für die Gläubiger sonst nicht zu erfüllende Anforderungen gestellt. Es geht auch nicht an, im Zweifel davon auszugehen, dass die Einkommensverhältnisse des Schuldners sich nicht geändert haben. Eine derartige Vermutung ist in der InsO zwar enthalten (§ 309 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2, 2. Halbsatz). Diese Regelung stellt jedoch eine Ausnahme dar im Rahmen einer zu treffenden Prognose im Rahmen eines Schuldenbereinigungsplanes mit einer Laufzeit von sechs Jahren. Hier geht es um die Feststellung des aktuellen Einkommens.
4.
Einer Glaubhaftmachung gem. § 296 Abs. 1 Satz 3 InsO bedurfte es nicht, es genügt vielmehr die schlüssige Darlegung, da die von der versagungsantrag-
stellenden Gläubigerin vorgetragenen Tatsachen nicht bestritten sind.
II.
Folglich liegt ein zulässiger Versagungsantrag vor, der Voraussetzung für eine amtswegige Versagung gem. § 296 Abs. 2 Satz 2 InsO ist (AG Göttingen ZVI 2006, 37, 38 =ZInsO 2006, 384 = NZI 2006, 300).
1.
Das Insolvenzgericht war berechtigt und verpflichtet, gem. § 296 Abs. 2 Satz 2 InsO vom Schuldner Auskunftserteilung zu verlangen. Dieser Verpflichtung ist die Schuldnerin innerhalb der gesetzten Frist ohne hinreichende Entschuldigung nicht nachgekommen. Streitig ist in diesem Zusammenhang, ob Unklarheiten über ein Verschulden zu Lasten des Schuldners gehen (MK-InsO/Stephan § 296 Rz. 17; FK-InsO/Ahrens § 296 Rz. 26; a. A. Hambk-Streck § 296 Rz. 17). Diese Frage kann dahinstehen, da Anhaltspunkte für eine mangelndes Verschulden nicht ersichtlich sind. Es gehört zu den Kardinalpflichten eines Schuldners im Insolvenzverfahren, (jährlich)über seine Einkommensverhältnisse Auskunft zu erteilen.
2.
Gem. § 296 Abs. 2 Satz 3 InsO ist die Restschuldbefreiung daher von Amts wegen zu versagen (Uhlenbruck/Vallender InsO§ 296 Rz. 39). Ob der glaubhafte Versagungsgrund des § 295 InsO tatsächlich vorliegt, muss nicht weiter geprüft werden (Schmerbach in: Präsenzkommentar Haarmeyer/Wutzke/Förster § 296 Rz. 24).
3.
Auch eine unwesentliche Beeinträchtigung, die gem. Treu und Glauben gem. § 242 BGB einer Versagung entgegensteht (Uhlenbruck/Vallender InsO § 296 Rz. 21), liegt nicht vor. Dieses Erfordernis ist nicht bei der Zulässigkeit eines Versagungsantrages, sondern erst bei der Begründetheit zu prüfen. Im Rahmen des § 296 Abs. 2 Satz 2 InsO kommt es nur auf den formalen Verstoß gegen die Auskunftspflicht an. Dies spricht gegen eine Anwendbarkeit. Zudem ist unklar, wie bei einem Verstoß gegen Auskunftspflichten völlig unerhebliche Beeinträchtigungen ausgeschieden werden sollen. Erörtert werden Fallgestaltungen, in denen das Verhalten des Schuldners nur beitragsmäßig ganz geringe Nachteile ausgelöst hat (MK-InsO/Stephan § 296 Rz. 15 Fn. 21: 5 DM; Uhlenbruck/Vallender InsO § 296 Rz. 21). Gerade dies lässt sich im vorliegenden Fall aber nicht feststellen.