Vergabekammer Lüneburg
Beschl. v. 24.01.2008, Az.: VgK-48/2007

Erforderlichkeit eines zwingenden Angebotsausschlusses bei Nichtangabe der vom Auftraggeber geforderten produktidentifizierenden Informationen durch den Bieter; Schlüssige Darlegung der Chance auf eine Zuschlagserteilung bei ordnungsgemäßer Angebotswertung als Anforderung an das Rechtsschutzbedürfnis für ein Nachprüfungsverfahren; Kenntnis von einem den Schluss auf eine Vergaberechtsverletzung erlaubenden Sachverhalt als maßgeblicher Zeitpunkt für die Ausübung der vergaberechtlichen Rügeobliegenheit; Erforderlichkeit der Geltendmachung sogenannter "nachgeschobener" Rügen gegenüber dem Auftraggeber sowie i.R.d. Nachprüfungsverfahrens; Ausschluss eines Angebots von einem vergaberechtlichen Verfahren als zwingende Rechtsfolge einer Abweichung des Angebots von den vergabermäßigen Kriterien des Auftraggebers; Bestehen eines Zuschlagverbots wegen eines unangemessen niedrigen Preises als Folge eines Preisabstands des niedrigsten Angebots von mehr als 10% auf das nächst höhere Angebot; Endsumme eines Angebots als maßgebliches Kriterium für die Ermittlung der Angemessenheit des Angebots

Bibliographie

Gericht
VK Lüneburg
Datum
24.01.2008
Aktenzeichen
VgK-48/2007
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2008, 12022
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgegenstand

Vergabeverfahren " Neubau Klinikum xxxxxx, xxxxxx Leistungsbeschreibung 25 Estricharbeiten"

In dem Nachprüfungsverfahren
...
hat die Vergabekammer
durch
den Vorsitzenden MR Gause,
die hauptamtliche Beisitzerin Dipl. Ing. Rohn und
den ehrenamtlichen Beisitzer Dipl.-Ing. Dierks
auf die mündliche Verhandlung vom 24.01.2008
beschlossen:

Tenor:

  1. 1.

    Es wird festgestellt, dass die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt ist. Die Auftraggeberin wird verpflichtet, erneut in die Angebotswertung einzutreten, diese unter Beachtung der aus den Gründen ersichtlichen Rechtsauffassung der Vergabekammer erneut durchzuführen und das Angebot der Beigeladenen von der Angebotswertung auszuschließen.

  2. 2.

    Die Kosten des Verfahrens hat die Auftraggeberin zu tragen.

  3. 3.

    Die Kosten werden auf xxxxxx EUR festgesetzt.

  4. 4.

    Die Auftraggeberin hat der Antragstellerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten zu erstatten. Die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts war für die Antragstellerin notwendig.

Begründung

1

I.

Mit Bekanntmachung vom 29.09.2007 hat die Auftraggeberin im Rahmen des Klinikneubaus xxxxxx den Bauauftrag "xxxxxx Estricharbeiten" europaweit als Offenes Verfahren ausgeschrieben. Der Auftrag beinhaltet die Herstellung von ca. 13.500 qm Estrich, ca. 2.500 qm Gussasphaltestrich und Bodenbeschichtungsarbeiten auf ca. 7.000 qm.

2

Teilnahmebedingungen wurden nicht gestellt.

3

Nach Ziff. 5.3 der Aufforderung zur Abgabe eines Angebotes soll der Zuschlag auf das wirtschaftlich günstigste Angebot hinsichtlich der Kriterien Preis / Qualität / Gestaltung erteilt werden.

4

In Ziff. 3.3 der Bewerbungsbedingungen werden die Bieter darauf hingewiesen, dass unvollständige Angebote ausgeschlossen werden können.

5

Die in den Vergabeunterlagen enthaltene Leistungsbeschreibung unterscheidet die Titel

  1. 1.

    Abdichtungsarbeiten,

  2. 2.

    Estricharbeiten,

  3. 3.

    Gussasphaltestricharbeiten und

  4. 4.

    Maler- und Lackierarbeiten, Beschichtungsarbeiten, Boden.

6

In Titel 1 Position 1.1.1010 wird im Zusammenhang mit den Positionen 1.1.1020 und 1.1.1030 die Verlegung einer Kunststoff-Dichtungsbahn FPO auf einer Fläche von 5.500,00 qm mit je einer Lage Schutzvlies unterhalb und oberhalb und aufliegender Trennschicht ausgeschrieben.

7

Die Ausschreibung zu den genannten Positionen lautet u.a. wie folgt:

8

Pos. 1.1.1010:

" Kunststoff-Dichtungsbahn FPO

Kunststoff-Dichtungsbahn in Anlehnung an die DIN 16729,

werkseigene Produktionskontrolle nach DIN EN 13956,

aus FPO/PE (flexibles Polyolefin auf Basis PE) mit mittiger

Glasvlieseinlage liefern und gemäß Herstellervorgaben einbauen,

lose verlegen und an den Stößen materialhomogen mit der

Warmgastechnik verschweißen,

einschl. Wandanschluß mit Anschlußstreifen bis OK Estrich,

Ausführung gemäß Herstellervorschrift,".

9

Als Leitfabrikat wird mit dem Hinweis " oder gleichwertiger Art" das Erzeugnis "Polyfin 30202" vorgegeben.

10

Pos. 1.1.1020:

" Schutzvlies

Schutzlagen aus verrottungsfestem Polyestervlies nach

DIN 61210,

je eine Lage unterhalb und oberhalb der Abdichtung,

jeweils mind. 300g/m² schwer,

mind. 2 mm dick,

die Stöße der Schutzlagen sind um eine drittel Bahnenbreite

gegenüber den Stößen der Bahnenabdichtung zu versetzen."

11

Pos. 1.1.1030:

" Trennschicht PE-Folie

Trennschicht aus PE-Folie, Dicke 0,2 mm, 2-lagig,

Stöße mind. 20 cm überlappen,

Untergrund Kunststoffabdichtung mit Schutzvlies,

als Schutzlage für mineralisch gebundenen Estrich,

dichter Anschluss an Randdämmstreifen,

überstehende Ränder zurückschneiden,

die Verlegung hat glatt, ohne Falten und ohne Aufwerfungen zu

erfolgen."

12

Die Bieter haben für alle 3 Positionen den jeweilige Einheitspreis / den Preis für die Teilleistung und im Falle der Position 1.1.1010 Angaben zum angebotenen Erzeugnis einzutragen.

13

Mit Position 3.2.1010 in Titel 3 wird die Abdichtung, innen, gegen nichtdrückendes Wasser wie folgt ausgeschrieben:

"Abdichtung gegen nichtdrückendes Wasser DIN 18195-5 für

mäßige Beanspruchung, für Nassräume, auf Betonböden,

einlagig, aus Bitumenbahnen,

Polymerbitumen-Schweißbahnen

mit hochliegender Trägerlage aus Polyestervlies

gem. TL-BEL-B Teil 1,

im Schweißverfahren aufbringen,

zur Aufnahme von im Verbund angeordneter Schicht aus

Gussasphalt."

14

Vom Bieter werden hier das angebotene Erzeugnis und der Einheitspreis / der Preis für einen Fordersatz von 2.370,00 qm abgefragt.

15

Mit dem Formblatt EFB-Preis 2, das zwingend mit dem Angebot abzugeben ist, werden die Bieter aufgefordert, die Einheitspreise der im Formblatt aufgeführten Positionen aufzugliedern.

16

Nach Maßgabe der Niederschrift über die Angebotseröffnung am 25.10.2007 gingen 6 Angebote fristgerecht beim Auftraggeber ein. Eines dieser Angebote wurde ausgeschlossen. Nach den geprüften Angebotsendsummen liegt das Angebot der Antragstellerin mit einer Angebotssumme von xxxxxx EUR preislich auf Rang 2 hinter dem Angebot der Beigeladenen mit einer Angebotssumme von xxxxxx EUR, bei welcher ein Nachlass von 7 % berücksichtigt wurde.

17

An der Prüfung und Wertung der Angebote hat das von der Auftraggeberin beauftragte Architekturbüro xxxxxx, mitgewirkt. Dieses nahm die formale Prüfung anhand einer Matrix vor. Bei dieser Prüfung wurde keines der Angebote beanstandet.

18

Über die Prüfung und Wertung hat das Architekturbüro einen mit dem 09.11.2007 datierten Vergabevorschlag angefertigt, welcher von der mit dem Vergabeverfahren als Projektbüro betrauten Fa. xxxxxx, xxxxxx, am 22.112007 ergänzt bzw. überarbeitet und schließlich am selben Tage auch von der Auftraggeberin unterzeichnet wurde.

19

Der Vergabevorschlag beschränkt sich im wesentlichen auf die Dokumentation der Prüfung und Wertung des Angebotes der Beigeladenen als preislich günstigstem Bieter. Er enthält unter Ziff. 3 die Dokumentation der Eignungsprüfung der Beigeladenen. Hierzu wird festgestellt, dass die Leistungsfähigkeit der Beigeladenen gegeben ist, sofern sie - wie nach dem Angebot vorgesehen - ausschließlich eigene Mitarbeiter einsetzt. Unter Ziff. 5 "Technische und wirtschaftliche Prüfung" wird vermerkt, dass das Angebot der Beigeladenen keine außergewöhnlichen Auffälligkeiten erkennen lässt und auskömmlich kalkuliert worden ist.

20

In einem handschriftlichen Zusatz verweist die Fa. xxxxxx auf eine von ihr als Anlage beigefügte Preisprüfung vom 22.11.07. In dieser Preisprüfung vergleicht sie die Einheitspreise von fünf Positionen der Titel 2, 3 und 4 aus dem Angebot der Beigeladenen mit den Einheitspreisen von Leistungen im Rahmen anderer Bauvorhaben aus den Jahren 2003, 2004 und 2007. Bei allen verglichenen Leistungen liegen die Einheitspreise der Beigeladenen über denen der Vergleichsobjekte. Die Fa. xxxxxx kommt zu folgendem Ergebnis:

"Die Angebotspreise sind ortsüblich und angemessen.

Der Preis für den Gussasphaltestrich ist hoch."

21

Unter Ziff. 8. des Vergabevorschlags wird das Angebot der Beigeladenen als das wirtschaftlichste Angebot herausgestellt, wobei die Fa. xxxxxx handschriftlich ergänzt hat, dass alle Angebote hinsichtlich der Kriterien Qualität und Gestaltung gleichwertig sind. Der Vermerk schließt mit dem Vorschlag, den Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen zu erteilen.

22

Mit Schreiben vom 28.11.2007 informierte die Auftraggeberin die Bieter gemäß § 13 VgV über den Grund der Nichtberücksichtigung ihrer Angebote und den beabsichtigten Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen.

23

Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 03.12.2007 rügte die Antragstellerin diese Entscheidung als vergaberechtswidrig. Der Zuschlag dürfe gemäß § 25 Nr. 3 Abs. 1 VOB/A nicht auf das Angebot der Beigeladenen erteilt werden, da dieses unangemessen niedrig sei. Seine Differenz zum - nächst höheren - Angebot der Antragstellerin betrage weit mehr als 10 % und die Differenz zu den Angebotssummen der übrigen Bieter sei noch wesentlich größer.

24

Die Fa. xxxxxx beantwortete die Rüge mit Schreiben vom 05.12.2007. Unter Beifügung eines Auszuges aus dem Preisspiegel, welcher die Angebotsteilsummen der Bieter für die Titel 1. "Abdichtungsarbeiten", 2. "Estricharbeiten", 3. "Gussasphaltestricharbeiten" und 4. "Maler- und Lackierarbeiten, Beschichtungsarbeiten, Boden" ausweist, informierte sie die Antragstellerin über das Ergebnis ihrer Prüfung des Angebotes der Beigeladenen und stellt fest, dass das Angebot der Beigeladenen als ausgewogen zu bezeichnen ist und sie keine Zweifel daran habe, dass sie mit der Beigeladenen einen leistungsfähigen und leistungswilligen Auftragnehmer verpflichten werde.

25

Mit Schriftsatz vom 10.12.2007, per Fax eingegangen bei der Vergabekammer am selben Tage, beantragte die Antragstellerin bei der Vergabekammer gemäß § 107 GWB die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens. Unter Bezugnahme auf ihre Rüge weist sie auf die erhebliche Differenz der Angebotssumme der Beigeladenen zum zweitgünstigsten bzw. zu den übrigen Angeboten hin, die gemäß § 5 LVergabeG Anlass für eine Überprüfung der Kalkulation hätte geben müssen. Diese Differenzen ließen auf eine fehlerhafte Angebotsprüfung schließen. So habe die Vergabestelle bei ihrer Prüfung der Preise den von der Beigeladenen angebotenen Nachlass von 7 % nicht berücksichtigt.

26

Der Nachprüfungsantrag wurde der Auftraggeberin zugestellt.

27

Die von der Fa. xxxxxx verfasste Antragserwiderung vom 13.12.2007 enthält Erläuterungen zur Prüfung des Angebotspreises der Beigeladenen, die im wesentlichen dem Inhalt der Rügeantwort an die Antragstellerin entsprechen.

28

Auf Nachfrage der Vergabekammer teilte die Fa. xxxxxx mit Schreiben vom 17.12.2007 mit, dass Positionen geprüft worden seien, die vom Gesamtbetrag großen Einfluss auf die Angebotssumme haben. Weitere Voraussetzung sei die Verfügbarkeit geeigneter Vergleichspreise gewesen. Die Fa. xxxxxx wies darauf hin, dass es weitere Positionen mit hohem Kostenanteil gebe, die nicht in die Prüfung einbezogen worden sind. Im Falle der Position 1.1.1010 handele es sich um eine sehr spezielle Leistung, so dass keine geeigneten Vergleichspreise vorlägen. Im Hinblick auf einen gleich hohen Einheitspreis eines Mitbieters gebe es hier aber keinen Anlass für Zweifel an der Angemessenheit des Preises der Beigeladenen. Letzteres gelte auch für die Position 4.1.1020, auch hier seien die Einheitspreise zweier Mitbieter höher als der Einheitspreis der Beigeladenen. Die Position 3.2.1010 sei ebenfalls nicht in die Prüfung einbezogen worden. Hier ließe sich die Angemessenheit anhand der in etwa gleich hohen Vergleichspreise zweier anderer Objekte (Dachabdichtung PZH xxxxxx und Dachabdichtung xxxxxx) erkennen.

29

Diese Erläuterungen wurden der Antragstellerin mit Fax vom 17.12.2007 übersandt.

30

Mit Schriftsatz vom 14.01.2008 trägt die Antragstellerin ergänzend vor, die Nichteinbeziehung der Position 1.1.1010 aus Titel 1 sei verständlich, denn bei dieser Position handele es sich um eine mit normalen Abdichtungen im Rahmen des Gewerkes Estrich nicht vergleichbare Leistung, deren qualitätsgerechte Ausführung nur durch qualifizierte Dachdeckerfirmen sichergestellt werden könne. In Übereinstimmung mit den Empfehlungen des Herstellers des von ihr angebotenen Leitfabrikats habe sie hierfür den Subunternehmereinsatz eines hierfür qualifizierten Dachdeckerfachunternehmens angeboten und entsprechend kalkuliert. Das diesbezüglich um ca. 40 % günstigere Angebot der Beigeladenen könne nicht auskömmlich kalkuliert sein, möglicherweise habe die Beigeladene gar keine ausschreibungskonforme Leistung angeboten.

31

Für die Gussasphaltestricharbeiten in Position 3.2.1010 verlange das Leistungsverzeichnis ausdrücklich eine Schweißbahn, die für Abdichtungsarbeiten unter Gussasphalt geeignet sein muss. Aus den Ausführungen der Auftraggeberin im Schriftsatz vom 17.12.2007 sei zu schließen, dass die Auftraggeberin diese Forderung des Leistungsverzeichnisses bei ihrer Angebotsprüfung vernachlässigt habe, denn in den zu dieser Position vorgenommenen zusätzlichen Preisvergleichen habe sie offenbar lediglich Vergleichspreise von Abdichtungen unter Zementestrich bzw. Anhydritestrich berücksichtigt. Allein die Materialkosten pro qm für die von ihr angebotene ausschreibungskonforme Schweißbahn seien in etwa so hoch wie die verglichenen Einheitspreise für diese Teilleistung.

32

Bezüglich beider Positionen müsse detailliert geprüft werden, ob das Angebot der Beigeladenen die gestellten Anforderungen des Leistungsverzeichnisses erfüllt.

33

Die Vergabekammer hat Einsicht in das Angebot der Beigeladenen genommen. Hierbei wurde festgestellt, dass die Beigeladene für die Pos. 1.1.1010 das Leitfabrikat angeboten hat. In der Abfrage des Erzeugnisses für Pos. 3.2.1010 hat die Beigeladene lediglich den Namen eines Herstellers ("xxxxxx"), eingetragen. Eine Produktbezeichnung fehlt.

34

Aus Anlass einer Nachfrage der Vergabekammer bei der Auftraggeberin übersandte die Beigeladene der Vergabekammer am 23.01.2007 ein Produktdatenblatt der Herstellerfirma xxxxxx für "xxxxxx", eine Elastomer-Bitumen-Schweißbahn unter Gussasphalt.

35

Die Frage der Eignung dieses nun erstmals konkret benannten Produktes wurde im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 24.01.2008 mit den Verfahrensbeteiligten erörtert. Mit Schriftsatz vom 25.01.2008 ergänzte die Antragstellerin daraufhin ihren Vortrag mit der Feststellung, die geforderten Angaben der Beigeladenen zum angebotenen Erzeugnis für Pos. 3.2.1010 seien vor dem Hintergrund, dass der Hersteller xxxxxx nicht nur ein Produkt, sondern mehrere Produkte, insbesondere auch mehrere Abdichtungsbahnen, anbietet, unvollständig, was zwingend zum Angebotsausschluss führen müsse.

36

Das erst im Nachprüfungsverfahren bezeichnete Produkt xxxxxx erfülle zudem nicht die Forderungen des Leistungsverzeichnisses. Anzubieten sei eine Polymerbitumen-Schweißbahn mit hochliegender Trägerlage aus Polyestervlies gemäß den Technischen Lieferbedingungen TL-BEL-B Teil 1 gewesen. In der aktuellen und abschließenden Zusammenstellung der geprüften Stoffe und Stoffsysteme nach TL-BEL-B Teil 1 der Bundesanstalt für Straßenwesen werde das angebotene Produkt xxxxxx jedoch nicht aufgeführt.

37

Die Antragstellerin beantragt,

  • der Antragstellerin den Zuschlag zu erteilen;

  • hilfsweise, die Ausschreibung aufzuheben;

  • hilfsweise festzustellen, dass eine Rechtsverletzung vorgelegen hat.

38

Die Auftraggeberin beantragt,

  • den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen.

39

Sie weist die Kritik der Antragstellerin an der vorgenommenen Angebotsprüfung zurück. Es habe eine Prüfung der Angemessenheit des Angebotspreises stattgefunden. Unter Berücksichtigung ortsüblicher Vergleichspreise und im Vergleich mit den Einheitspreisen der Mitbieter seien die Einheitspreise der Beigeladenen keineswegs als unangemessen niedrig, sondern eher als zu hoch zu bezeichnen. Es gebe auch Positionen, in welchen die Antragstellerin oder andere Mitbieter Mindestfordernde sind. Die in den Formblättern EFB Preis 1a und EFB Preis 2 aufgegliederten Preise seien bei der Antragstellerin und der Beigeladenen vergleichbar. Als Indiz für ein nicht unangemessen niedriges Angebot sei schließlich auch zu werten, dass die Angebotssumme der Beigeladenen höher sei als die im Rahmen der Förderung als angemessen geschätzte Auftragssumme.

40

Die Beigeladene stellt keine eigenen Anträge. Sie hat sich zu den Schriftsätzen der Antragstellerin und der Auftraggeberin nicht geäußert und unterstützt den Vortrag der Auftraggeberin.

41

Die Vergabekammer hat mit Verfügung des Vorsitzenden vom 08.01.2008 gemäß § 113 Abs. 1 Satz 2 GWB die Frist für die Entscheidung bis zum 04.02.2008 verlängert.

42

Wegen des übrigen Sachverhaltes wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 24.01.2008 und die Vergabeakte Bezug genommen.

43

II.

Der Nachprüfungsantrag ist zulässig und begründet. Die Entscheidung der Auftraggeberin, den Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen zu erteilen, verletzt die Antragstellerin in ihren Rechten gemäß §§ 97 Abs. 7, 114 Abs. 1 GWB. Auf das Angebot der Beigeladenen darf der Zuschlag nicht erteilt werden. Es ist vielmehr gemäß § 25 Nr. 1 Abs. 1 VOB/A von der Angebotswertung auszuschließen. Dies folgt zum einen bereits daraus, dass die Beigeladene es versäumt hat, in ihrem Angebot hinsichtlich der Position 3.2.1010 (Abdichtung, innen, gegen nichtdrückendes Wasser) über die Eintragung des Einheitspreises und des Herstellers hinaus auch - wie von der Auftraggeberin gefordert - das angebotene Erzeugnis zu bezeichnen. Das Angebot enthält daher nicht alle geforderten Erklärungen im Sinne des § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b VOB/A in Verbindung mit § 21 Nr. 1 Abs. 2 Satz 5 VOB/A. Die erstmals im Zuge des Nachprüfungsverfahrens von der Beigeladenen unter Vorlage eines Produktdatenblattes der Herstellerfirma xxxxxx abgegebene Erklärung, sie habe ihrem Angebot das Produkt "xxxxxx" zugrunde gelegt, führt ebenfalls zu keiner anderen Beurteilung, da dieses Produkt ausweislich des Produktdatenblattes nicht den ausdrücklichen technischen Vorgaben des Auftraggebers in der Leistungsbezeichnung entspricht. Das Angebot ist daher auch gemäß § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b VOB/A in Verbindung mit § 21 Nr. 1 Abs. 3 VOB/A von der Angebotswertung auszuschließen.

44

1.

Der Nachprüfungsantrag ist zulässig. Bei der Auftraggeberin handelt es sich um eine xxxxxx in der Rechtsform einer Stiftung des öffentlichen Rechts gemäß § 55 Niedersächsisches Hochschulgesetz (NHG), die gemäß § 62 Abs. 1 NHG der Rechtsaufsicht des Landes Niedersachsen untersteht. Sie ist damit öffentlicher Auftraggeber im Sinne des § 98 Nr. 2 GWB. Der streitbefangene Auftrag übersteigt auch den für die Zuständigkeit der Vergabekammer maßgeblichen Schwellenwert gemäß § 100 Abs. 1 GWB. Danach gilt der vierte Teil des GWB nur für solche Aufträge, die die Auftragswerte erreichen oder überschreiten, die durch Rechtsverordnung nach § 127 GWB festgelegt sind. Bei den ausgeschriebenen Leistungen handelt es sich um einen Bauauftrag im Sinne des § 1 VOB/A. Für Bauaufträge galt z. Zt. der Einleitung des vorliegenden Vergabeverfahrens gemäß § 2 Nr. 4 der Vergabeverordnung (VgV) in der Fassung der Bekanntmachung vom 11.02.2003, zuletzt geändert durch die 3. Verordnung zur Änderung der Vergabeverordnung vom 23. Oktober 2006 (BGBl. I Seite 2334), ein Schwellenwert von 5.278.000 Euro. Werden Bauaufträge, wie im vorliegenden Fall, losweise ausgeschrieben, gilt gemäß § 2 Nr. 7 VgV ein Schwellenwert von 1 Mio. Euro oder bei Losen unterhalb von 1 Mio. Euro deren addierter Wert ab 20 % des Gesamtwertes aller Lose. Das hier ausgeschriebene und streitbefangene Los "Estricharbeiten" ist Teil der Gesamtbaumaßnahme "Neubau Klinikum xxxxxx", die den Schwellenwert mit einem von der Auftraggeberin ausweislich der Vorabinformation im EG-Amtsblatt geschätzten Gesamtwert von 30.000.000,00 Euro den für die Zuständigkeit der Vergabekammer maßgeblichen Schwellenwert gem. § 100 Abs. 1 GWB deutlich überschreitet. Der Wert des hier streitbefangenen Loses Estricharbeiten beträgt ausweislich der in der Vergabeakte im Submissionsprotokoll vom 25.10.2007 eingetragenen rechnerisch geprüften Angebotssummen bereits unter Berücksichtigung des von der Auftraggeberin ermittelten preisgünstigsten Angebotes der Beigeladenen xxxxxx Euro und unter Berücksichtigung eines von der Beigeladenen angebotenen 7 %igen Nachlasses xxxxxx Euro. Die übrigen vier gewerteten Angebote liegen sämtlich zwischen 1,1 und 1,4 Mio. Euro. Selbst wenn man auch im Hinblick auf das preislich niedrigste Angebot der Beigeladenen davon ausgeht, dass der Teilschwellenwert von 1 Mio. Euro vorliegend nicht erreicht wird, hat die Auftraggeberin das hier streitbefangene Los EU-weit im offenen Verfahren gemäß § 3 a VOB/A ausgeschrieben und die Vergabekammer im Niedersächsischen Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr - Regierungsvertretung Lüneburg - als zuständige Stelle für Nachprüfungsverfahren in der europaweiten Bekanntmachung angegeben. Dadurch hat die Auftraggeberin den rechtlichen Rahmen (§§ 102 ff. GWB) für die Nachprüfung festgelegt. Die Wirkung dieser Festlegung besteht in einer Selbstbindung der Auftraggeberin, dass sie das streitgegenständliche Los nicht dem 20 %-Kontingent nach § 2 Nr. 7 VgV zuordnet, für welches das Nachprüfungsverfahren nicht eröffnet wäre (vgl. BayObLG, Beschluss vom 20.08.2001, Az.: Verg 9/01; BGH NJW 1998, Seite 3636 ff., 3638). Der Wert des streitbefangenen Loses steht daher einer Nachprüfung durch die Vergabekammer nicht entgegen.

45

Die Antragstellerin ist auch gemäß § 107 Abs. 2 GWB antragsbefugt, da sie als Bieterin ein Interesse am Auftrag hat und eine Verletzung von Rechten durch Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend macht, indem sie behauptet, dass die Auftraggeberin das Angebot der Beigeladenen nur deshalb als wirtschaftlichstes Angebot ermittelt habe, weil sie nicht die angesichts des Preisabstandes zum nächst höheren Angebot gebotene Angemessenheitsprüfung gemäß § 25 Nr. 3 Abs. 2 VOB/A in Verbindung mit § 5 des Niedersächsischen Landesvergabegesetzes (LVergabeG) durchgeführt habe. Auf das Angebot der Beigeladenen dürfe aber wegen eines unangemessen niedrigen Angebotspreises gemäß § 25 Nr. 3 Abs. 1 VOB/A der Zuschlag nicht erteilt werden. Angesichts des von der Beigeladenen angebotenen Preises sei insbesondere hinsichtlich der Position 03.02.1010 (Gussasphalt, Estricharbeiten) fraglich, ob das Angebot der Beigeladenen die gestellten Anforderungen des Leistungsverzeichnisses erfülle. Dies müsse detailliert geprüft werden, was die Auftraggeberin bislang versäumt habe. Voraussetzung für die Antragsbefugnis gemäß § 107 Abs. 2 GWB ist, dass das antragstellende Unternehmen ein durch die behauptete Rechtsverletzung entstandenen oder drohenden Schaden darlegt, das bedeutet, dass die Antragstellerin diejenigen Umstände aufzeigen muss, aus denen sich schlüssig die Möglichkeit eines solchen Schadens ergibt (vgl. Boesen, Vergaberecht, § 107 Randnr. 52). Die diesbezüglichen Anforderungen an die Darlegungslast dürfen aber nicht überspannt werden (vgl. Byok/Jaeger, Vergaberecht, 2. Auflage, § 107 GWB, Randnr. 954). Die Antragstellerin hat ein entsprechendes Rechtschutzbedürfnis dargelegt. Sie hat schlüssig vorgetragen, dass sie bei aus ihrer Sicht vergaberechtskonformer Angebotswertung eine Chance auf den Zuschlag gehabt hätte. Ausweislich der in der Vergabeakte enthaltenen Niederschrift über die Verdingungsverhandlung vom 25.10.2007 und der dort beigefügten Auflistung der rechnerisch geprüften Angebotssummen hat die Antragstellerin mit einer geprüften Angebotssumme von xxxxxx Euro das preislich an zweiter Stelle liegende Angebot abgegeben, so dass sie im Falle des Ausschlusses des Angebotes der Beigeladenen das preislich niedrigste Angebot abgegeben hat. Es ist im Übrigen nicht erforderlich, dass ein Antragsteller auch darlegt, dass er bei vergabekonformem Verhalten des Auftraggebers den Zuschlag auch tatsächlich erhalten hätte (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 13.04.1999, Az.: Verg 1/99, Seite 24).

46

Die Antragstellerin ist auch ihrer Pflicht gemäß § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB nachgekommen, vor Anrufung der Vergabekammer die behaupteten Verstöße gegen die Vergabevorschriften bereits im Vergabeverfahren selbst gegenüber der Auftraggeberin unverzüglich zu rügen. Bei der Vorschrift des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB handelt es sich um eine Präklusionsregel unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben. Der Bieter soll Vergabefehler nicht auf Vorrat sammeln. Die Rügepflicht des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB entsteht, sobald ein Bieter oder Bewerber im Vergabeverfahren einen vermeintlichen Fehler erkennt. Vorausgesetzt ist die positive Kenntnis des Anbieters von den Tatsachen. Ausreichend für die positive Kenntnis eines Mangels im Sinne des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB ist bereits das Wissen um einen Sachverhalt, der den Schluss auf die Verletzung vergaberechtlicher Bestimmungen erlaubt und es bei vernünftiger Betrachtung gerechtfertigt erscheinen lässt, das Vergabeverfahren als fehlerhaft zu beanstanden (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 22.08.2002, Az.: Verg 9/02). Unter Zugrundelegung dieses zutreffenden Maßstabes hat die Antragstellerin die von ihr im Vergabeverfahren erkannten vermeintlichen Vergaberechtsverstöße rechtzeitig gerügt. Die Auftraggeberin hat die Antragstellerin mit Schreiben vom 28.11.2007, dort eingegangen per Telefax am gleichen Tage, gemäß § 13 VgV darüber informiert, dass beabsichtigt sei, den Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen zu erteilen. Auch das Angebot der Antragstellerin könne der Antrag nicht erteilt werden, da ein niedrigeres Hauptangebot vorliege. Mit Anwaltsschreiben vom 03.12.2007 rügte die Antragstellerin diese Entscheidung und begründete dies damit, dass sie angesichts einer Preisabweichung von mehr als 10 % zu ihrem eigenen, zweitplazierten Angebot davon ausgehe, dass das Angebot der Beigeladenen preislich als unangemessen niedrig einzustufen ist. Auf das Angebot der Beigeladenen dürfe daher gemäß § 25 Nr. 3 Abs. 1 VOB/A der Zuschlag nicht erteilt werden. In Anbetracht der Tatsache, dass die Antragstellerin eine Rechtsanwaltskanzlei mit der Prüfung des Sachverhalts und ihrer Rechte beauftragt hatte, erfolgte die 5 Tage nach Eingang des Informationsschreibens der Auftraggeberin am 03.12.2007 abgesetzte und vorab per Fax übersandte Rüge noch unverzüglich im Sinne des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB.

47

Soweit die Antragstellerin erstmalig im Zuge des Nachprüfungsverfahrens geltend gemacht hat, dass sie davon ausgehe, dass das Angebot der Beigeladenen hinsichtlich einiger Positionen nicht den Anforderungen des Leistungsverzeichnisses entspricht, ist sie auch diesbezüglich mit ihrem Vortrag nicht ausgeschlossen. Zwar müssen nach der obergerichtlichen Rechtsprechung (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 08.03.2007, Az.: 13 Verg 2/07, Beschluss vom 10.01.2008, Az.: 13 Verg 11/07) auch sogenannte "nachgeschobene" Rügen aufgrund erst im Nachprüfungsverfahren erkannter Vergaberechtsverstöße so rechtzeitig vorgetragen werden, dass sie nicht zu einer Verzögerung des Nachprüfungsverfahrens führen und der betreffende Vergaberechtsverstoß unverzüglich vor der Vergabekammer bzw. dem Vergabesenat geltend gemacht werden. Dies folgt nach der Rechtsprechung aus einer entsprechenden Anwendung des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB. Danach müssen derartige, erst im Nachprüfungsverfahren erkannte Vergaberechtsverstöße zwar nicht gesondert gegenüber dem Auftraggeber gerügt werden, wohl aber im Rahmen des Nachprüfungsverfahrens. Auch diese Obliegenheit hat die Antragstellerin im vorliegenden Fall jedoch beachtet. Die Beigeladene hat gegenüber der Vergabekammer erst am 23.01.2007 mit der Übersendung eines Produktblattes der Herstellerfirma xxxxxx mitgeteilt, dass sie ihrem Angebot hinsichtlich der Position 3.2.1010 das Produkt "xxxxxx", eine Elastomer-Bitumen-Schweißbahn unter Gussasphalt, zugrunde gelegt habe. Nachdem die Vergabekammer dies der Beigeladenen und der Auftraggeberin in der mündlichen Verhandlung am 24.01.2008 mitgeteilt hatte, hat die Antragstellerin noch in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass sie davon ausgehe, dass dieses Produkt nicht ausschreibungskonform ist. Nur einen Tag später, am 25.01.2008, hat sie diesen Vortrag noch vertiefend ergänzt und darauf hingewiesen, dass das von der Beigeladenen offenbar angebotene Produkt nicht - wie in der Leistungsbeschreibung gefordert, den technischen Lieferbedingungen TL-BEL-B Teil 1 entspricht und deshalb auszuschließen sei. Auch diese - "nachgeschobene" - Rüge erfolgte somit unverzüglich im Sinne des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB.

48

2.

Der Nachprüfungsantrag ist begründet. Die Auftraggeberin darf den Zuschlag nicht, wie von ihr beabsichtigt, auf das Angebot der Beigeladenen erteilen. Das Angebot der Beigeladenen ist nicht zuschlagsfähig. Es ist vielmehr gemäß § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b VOB/A in Verbindung mit § 21 Nr. 1 Abs. 2 Satz 5 VOB/A von der Angebotswertung auszuschließen, weil es nicht alle im Leistungsverzeichnis geforderten Erklärungen enthält (im Vorliegenden a). Der Angebotsausschluss ist darüber hinaus gemäß § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b VOB/A in Verbindung mit § 21 Nr. 1 Abs. 3 VOB/A zwingend, weil die Beigeladene hinsichtlich der Position 3.2.1010 (Abdichtung, innen, gegen nichtdrückendes Wasser) von den ausdrücklichen technischen Vorgaben des Auftraggebers in der Leistungsbeschreibung abgewichen ist. Das von der Beigeladenen nach ihrer eigenen Erklärung dem Angebot zugrunde gelegte Produkt "xxxxxx" erfüllt ausweislich des von der Beigeladenen im Zuge des Nachprüfungsverfahrens vorgelegten Produktdatenblattes des Hersteller nicht die Anforderungen des Leistungsverzeichnisses (im Folgenden b). Es kann daher vorliegend dahinstehen, ob die Auftraggeberin darüber hinaus versäumt hat, hinsichtlich des Angebotspreises der Beigeladenen eine ordnungsgemäße Angemessenheitsprüfung gemäß § 25 Nr. 3 Abs. 2 VOB/A in Verbindung mit § 5 des Niedersächsischen Landesvergabegesetzes (LVergabeG) durchzuführen (im Folgenden c).

49

a.

Das Angebot der Beigeladenen ist von der Angebotswertung gemäß § 25 Nr. 1 Abs. 1 Nr. 1 Abs. 1 lit. b VOB/A in Verbindung mit § 21 Nr. 1 Abs. 2 Satz 5 VOB/A auszuschließen, weil es nicht alle in den Ausschreibungsunterlagen geforderten Erklärungen enthält. Dies folgt daraus, dass die Antragstellerin es versäumt hat, in ihrem Angebot hinsichtlich der Position 3.2.1010 (Abdichtung, innen, gegen nichtdrückendes Wasser) über die Eintragung des Einheitspreises und des Herstellers hinaus auch - wie von der Auftraggeberin gefordert - das angebotene Erzeugnis zu bezeichnen. Der Ausschluss eines Angebotes, das geforderte Erklärungen nicht enthält (§§ 21 Nr. 1 Abs. 2 Satz 5, 25 Nr. 1 Abs. 1 b VOB/A) ist zwingend, wenn das Angebot sich nicht mehr zu einer ordnungsgemäßen Wertung eignet. Gemäß § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b VOB/A müssen unter anderem Angebote ausgeschlossen werden, die die geforderten Erklärungen im Sinne des § 21 Nr. 1 Abs. 1 Satz 5 VOB/A nicht enthalten. Der Bundesgerichtshof hat in zwei Entscheidungen den zwingenden Charakter dieser Regelung betont und die damit verbundene Beschränkung des Beurteilungs- und Entscheidungsspielraums des Auftraggebers herausgestellt. Mit Urteil vom 07.01.2003 (Az.: X ZR 50/01 = VergabeR 5/2003, Seite 558 ff.) hat er betont, dass ein Angebot, das nicht alle geforderten Preisangaben enthalte und deshalb nicht § 21 Nr. 1 Abs. 1 VOB/A entspricht, zwingend auszuschließen ist. Ein Ausschluss komme nicht etwa nur dann in Betracht, wenn das betreffende Angebot im Ergebnis nicht mit den anderen Angeboten verglichen werden kann. Ein transparentes, auf Gleichbehandlung aller Bieter beruhendes Vergabeverfahren, wie es die VOB/A gewährleisten soll, sei nur zu erreichen, wenn in jeder sich aus den Verdingungsunterlagen ergebenden Hinsicht vergleichbare Angebote abgegeben werden. Mit Beschluss vom 18.02.2003 (Az.: X ZB 43/02 = VergabeR 3/2003, Seite 313 ff., 317, 318) hat der BGH noch einmal auf die vorgenannte Entscheidung Bezug genommen und das vorlegende Oberlandesgericht angewiesen zu prüfen, ob die fehlende Angabe von Fabrikaten und Herstellern dort im konkreten Fall dazu führt, dass das Angebot der Antragstellerin nicht § 21 Nr. 1 Abs. 1 VOB/A entspricht und deshalb gemäß § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b VOB/A auszuschließen ist. Der BGH betont, dass der öffentliche Auftraggeber im Rahmen des § 25 Nr. 1 Abs. 1 VOB/A bei Vorliegen der dort aufgestellten Voraussetzungen kein Recht zu einer wie auch immer gearteten großzügigen Handhabe hat, sondern gezwungen ist, das betreffende Angebot aus der Wertung zu nehmen. Die Rechtssprechung des BGH wirft zugleich die Frage nach den Grenzen des Nachverhandlungsrechts und insbesondere des Nachforderungsrechts des Auftraggebers gemäß § 24 Abs. 1 VOB/A auf. Regelmäßig führt das Fehlen von mit Angebotsabgabe geforderten Erklärungen und Angaben zum zwingenden Angebotsausschluss. Nur dann, wenn nachgereichte Unterlagen oder Erklärungen objektiv betrachtet unter keinen Umständen die Gefahr einer Manipulation hervorrufen können, kann ein zunächst mangelhaftes Angebot in der Wertung verbleiben (vgl. Kus, Anmerkung zum Urteil des BGH vom 07.01.2003 - X ZR 50/01, VergabeR 5/2003, Seite 561, 562). Das BayObLG hat in seinem Beschluss vom 28.05.2003 - Az. Verg 6/03 (VergabeR 6/2003, Seite 675 ff.) entschieden, dass ein fehlender Bauzeitenplan vom Eröffnungstermin dann nicht zum zwingenden Angebotsausschluss nach § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b VOB/A führt, wenn die fehlende Vorlage zum Submissionstermin keine Manipulationsmöglichkeiten eröffnet und der fehlende Bauzeitenplan lediglich in den Verdingungsunterlagen gefordert wurde, die zwingende Vorlage zum Submissionstermin nicht den Bietern noch einmal im Schreiben zur Aufforderung zur Angebotsabgabe gemäß § 10 Nr. 5 Abs. 1 VOB/A deutlich gemacht wurde. Das Fehlen von produktidentifizierenden Angaben (z.B. Hersteller- und Typenbezeichnungen) führt dagegen regelmäßig zum zwingenden Angebotsausschluss (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 16.09.2003, Az.: 11 Verg 11/03). Fordern die Ausschreibungsunterlagen bezüglich der Positionen neben dem Fabrikat/Hersteller auch Angaben zum Typ des angebotenen Produkts, so führt zumindest eine bei einer Vielzahl von Positionen fehlende Typenbezeichnung zwingend zum Ausschluss des Angebots (BGH, im angegebenen Ort; OLG Dresden, Beschluss vom 12.06.2002, W Verg 6/02, zitiert nach VERIS). Vergaberechtlich unerheblich ist das Fehlen einer geforderten Angabe nur dann, wenn sie ohne Einfluss auf die Preise und damit auf das Wettbewerbsergebnis ist, so dass ihre nachträgliche Ergänzung die Wettbewerbsstellung des Bieters nicht ändert (OLG Frankfurt, Beschluss vom 26.03.2002, Az.: 11 Verg 3/01). Fehlende Produktangaben führen dagegen regelmäßig zum Ausschluss, gleich ob der Auftraggeber diesen ausdrücklich angedroht hat oder nicht (vgl. Dähne in: Kapellmann/Messerschmidt, VOB, 2. Auflage, § 25 VOB/A, Randnr. 10, mit weiteren Nachweisen).

50

Im vorliegenden Fall enthält die Leistungsbeschreibung für die ausgeschriebenen Abdichtungs- und Estricharbeiten detaillierte und nach unstreitiger Einschätzung aller Beteiligten hohe Anforderungen zu den dafür einzusetzenden Produkten. Mit der Position 3.2.1010 in Titel 3 der Leistungsbeschreibung hat die Auftraggeberin die Abdichtung, innen, gegen nichtdrückendes Wasser wie folgt ausgeschrieben:

"Abdichtung gegen nichtdrückendes Wasser DIN 18195-5 für mäßige Beanspruchung, für Nassräume, auf Betonböden, einlagig, aus Bitumenbahnen, Polymerbitumen-Schweißbahnen mit hochliegender Trägerlage aus Polyestervlies gemäß TL-BEL-B Teil 1, im Schweißverfahren aufbringen, zur Aufnahme von im Verbund angeordneter Schicht aus Gussasphalt. " (Hervorhebung durch die Vergabekammer)

51

Vom Bieter wurde hier das angebotene Erzeugnis und der Einheitspreis/der Preis für einen Vordersatz von 2.370 qm abgefragt.

52

Die Antragstellerin hat in ihrem Angebot neben dem Einheitspreis lediglich einen Herstellernamen - nämlich "xxxxxx" - eingetragen, nicht aber eine Erzeugnis- oder Typbezeichnung des dem Angebot zugrunde liegenden Produkts. Diese unvollständige Angabe der Beigeladenen ist als Willenserklärung nach § 133 BGB auszulegen. Abzustellen ist regelmäßig auf den objektiven Erklärungswert der Angaben, der durch normative Auslegung zu ermitteln ist (vgl. BayObLG, Beschluss vom 11.02.2004, Az.: Verg 1/04; VKBund, Beschluss vom 21.07.2004, Az.: VK 1-81/04). Unter Zugrundelegung dieses zutreffenden Maßstabes erschließt sich aus der Angabe "xxxxxx" im Angebot der Beigeladenen nur, dass sich die Beigeladene hinsichtlich des Herstellers festgelegt hat. Offen bleibt jedoch, welches Produkt aus der Angebotspalette der Firma xxxxxx zum Einsatz kommen sollte. Die Frage, welches konkrete Produkt die Beigeladene anbieten wollte, ist nicht nur wegen der detaillierten Anforderungen im Leistungsverzeichnis und des Vordersatzes von 2.370 qm preis- und wettbewerbsrelevant. Wenn der Auftraggeber, wie im vorliegenden Fall, mit den Vergabeunterlagen vom Bieter zulässigerweise produktidentifiezierende Angaben (Hersteller- und Typenbezeichnungen) für die zur Verwendung bei der Auftragserfüllung vorgesehenen Produkte verlangt, ohne dass der Bieter diese Angaben mit seinem Angebot macht, so führt dies ohne weiteres Wertungsermessen des Auftraggebers regelmäßig zwingend zum Angebotsausschluss. Denn ein transparentes, auf Gleichbehandlung aller Bieter beruhendes Vergabeverfahren ist nur zu erreichen, wenn lediglich Angebote gewertet werden, die in jeder sich aus den Verdingungsunterlagen ergebenden Hinsicht vergleichbar sind. Daran fehlt es, wenn das Angebot im Hinblick auf die fehlenden produktidentifizierenden Angaben nicht hinreichend bestimmt ist und sich damit der Vergleichbarkeit mit konkurrierenden Angeboten insoweit entzieht. Die vergaberechtliche Relevanz dieser Umstände ergibt sich ausweislich der zitierten Entscheidungen des Bundesgerichtshofs bereits als Schlussfolgerung daraus, dass ihre Angabe nach Maßgabe der Ausschreibungsunterlagen zulässigerweise gefordert war (BGB, am angegebenen Ort; OLG Dresden, Beschluss vom 10.07.2003, Az.: W Verg 0015/02).

53

b.

Soweit sich die Beigeladene im Zuge des Nachprüfungsverfahrens unter Zustimmung der Auftraggeberin darauf berufen hat, sie habe eine Bezeichnung im vorliegenden Fall für entbehrlich gehalten, da sie davon ausgegangen sei, dass die von ihr gewählte Herstellerfirma xxxxxx lediglich ein einziges, den Anforderungen der Position 3.2.1010 des Leistungsverzeichnisses genügendes Produkt anbietet, führt auch dieser Vortrag vorliegend zu keinem anderen Ergebnis. Zwar kann eine fehlende Produktbezeichnung oder Typenangabe dann unschädlich sein, wenn der im Angebot benannte Hersteller zweifelsfrei nur ein einziges geeignetes Produkt anbietet (vgl. 1. VK Sachsen, Beschluss vom 09.05.2006, Az.: 1 SVK/036-06, zitiert nach VERIS). Denn in derartigen Fällen lässt sich das angebotene Produkt ohne Weiteres zweifelsfrei und eindeutig identifizieren. Bietet der Hersteller dagegen mehrere geeignete oder jedenfalls für den gleichen Zweck (hier: Abdichtung) bestimmte Produkte an, ist dagegen weder die erforderliche Vergleichbarkeit mit den entsprechenden Positionen in einem insoweit vollständigen Angebot eines anderen Bieters gewährleistet noch die Möglichkeit von nachträglichen Manipulationen ausgeschlossen.

54

Ein derartiger, eine Produktbezeichnung entbehrlich machender Sachverhalt ist vorliegend jedenfalls nicht gegeben. Zum einen hat die Firma xxxxxx, worauf die Antragstellerin zu Recht hingewiesen hat, nicht nur einen Typ von Abdichtungsbahnen im Angebot, sondern mehrere. Zum anderen hat das Nachprüfungsverfahren ergeben, dass gerade dass von der Beigeladenen erst im Zuge des Nachprüfungsverfahrens als Angebotsgrundlage benannte Produkt "xxxxxx" nicht den Vorgaben des Leistungsverzeichnisses entspricht. Gefordert war ausdrücklich eine Polymerbitumen-Schweißbahn, die den technischen Anforderungen der TL-BEL-B Teil 1 entspricht. Dabei handelt es sich um die "technischen Lieferbedingungen für die Dichtungsschicht aus einer Bitumen-Schweißbahn zur Herstellung von Brückenbelägen auf Beton nach den ZTV-BEL-B Teil 1". In der aktuellen und abschließenden Zusammenstellung der geprüften Stoffe und Stoffsysteme nach TL-BEL-B Teil 1 der Bundesanstalt für Straßenwesen (der Vergabekammer liegen die entsprechenden Fassungen mit Stand 4. September 2006 und 10.01.2008 vor) wird das von der Antragstellerin benannte Produkt "xxxxxx" jedoch gar nicht aufgeführt. Auch das von der Beigeladenen mit Schriftsatz vom 23.01.2007 vorgelegte Produktdatenblatt der Herstellerfirma xxxxxx für das Produkt "xxxxxx" nimmt keinen Bezug auf die TL-BEL-B Teil 1.

55

Das von der Beigeladenen angebotene Produkt weicht somit von den Festlegungen der Verdingungsunterlagen ab. Gemäß § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b VOB/A in Verbindung mit § 21 Nr. 1 Abs. 3 VOB/A sind Angebote, in denen an den Verdingungsunterlagen Änderungen vorgenommen wurden, zwingend von der Angebotswertung auszuschließen. Das Verbot der Änderung in den Verdingungsunterlagen trägt dem Umstand Rechnung, dass ein fairer Wettbewerb vergleichbare Angebote verlangt. Die Vorschrift soll sicherstellen, dass das Angebot den ausgeschriebenen Leistungen und sonstigen Verdingungsunterlagen entspricht (vgl. Rusam in: Heiermann/Riedl/Rusam, VOB, 10. Auflage, A § 21 Randnr. 11). Der durch eine Ausschreibung eröffnete Wettbewerb kann nur gewährleistet werden, wenn Änderungen an den Verdingungsunterlagen unterbunden werden, weil andernfalls die Vergleichbarkeit der Angebote leidet. Angebote, die gegen § 21 Nr. 1 Abs. 2 VOB/A verstoßen, müssen deshalb von der Wertung ausgeschlossen werden (vgl. BGH, Urteil vom 08.09.1998, Az.: X ZR 109/96 = NJW 1998, Seite 3644 ff., 3645). Wenn Änderungen an den Verdingungsunterlagen ausgeschlossen werden, wird der transparente und diskriminierungsfreie Wettbewerb der Bieter gewährleistet (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 08.10.2003, Az.: Verg 49/02, zitiert nach ibr Online). Die Bieter müssen daher grundsätzlich davon ausgehen, dass der Auftraggeber die Leistung auch so angeboten haben will, wie er sie in den Verdingungsunterlagen festgelegt hat (vgl. Franke/Grünhagen, VOB, 2. Auflage, § 21 VOB/A, Randnr. 140). Wollen oder können die Bewerber die Leistung nicht nach Maßgabe der Verdingungsunterlagen anbieten, so steht es ihnen frei, Änderungsvorschläge oder Nebenangebote zu unterbreiten, sofern sie vom Auftraggeber nicht ausdrücklich ausgeschlossen wurden. Weicht der Bieter dagegen, wie im vorliegenden Fall, im Rahmen seines Hauptangebotes von den Vorgaben des Leistungsverzeichnisses ab, so führt dies zum zwingenden Ausschluss nach § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b VOB/A.

56

Auch aus diesem Grund kann daher vorliegend der Zuschlag nicht auf das Angebot der Beigeladenen erteilt werden.

57

c.

Es ist daher vorliegend nicht entscheidungserheblich, ob die Antragstellerin darüber hinaus auch dadurch in ihren Rechten gemäß §§ 97 Abs. 7, 114 Abs. 1 GWB verletzt ist, dass die Auftraggeberin die Angemessenheit des Angebotspreises der Beigeladenen nicht hinreichend geprüft hat. Die Vergabekammer weist daher lediglich darauf hin, dass ein Preisabstand des niedrigsten Angebotes von mehr als 10 % auf das nächst höhere Angebot zwar nicht automatisch zum Zuschlagsverbot wegen eines unangemessen niedrigen Preises gemäß § 25 Nr. 3 Abs. 1 VOB/A führt. Der Auftraggeber ist jedoch in diesen Fällen gehalten, die Angemessenheit des Angebotspreises nach den Vorgaben des § 25 Nr. 3 Abs. 2 VOB/A zu prüfen und Prüfung und Ergebnis in einer den Anforderungen der §§ 30, 30 a VOB/A genügenden Weise in der Vergabeakte dokumentieren. Gemäß § 25 Nr. 3 Abs. 2 VOB/A muss der Auftraggeber Angebotspreise, die unangemessen niedrig erscheinen und anhand von vorliegenden Unterlagen über die Preisermittlung hinsichtlich ihrer Angemessenheit nicht beurteilt werden können, überprüfen. § 5 Abs. 1 des Niedersächsischen Landesvergabegesetzes vom 2. September 2002, zuletzt geändert durch Artikel 1 des ÄndG vom 09.12.2005 (Nds. GVBl. Seite 395) konkretisiert diese Regelung dahin gehend, dass der Auftraggeber die Kalkulation eines Angebotes immer dann zu überprüfen hat, wenn es um mindestens 10 vom Hundert vom nächst höheren Angebot abweicht, was vorliegend der Fall ist. Dabei hat der Auftraggeber in diesen Fällen die erforderliche Plausibilitätsprüfung stets unter Konsultation des betreffenden Bieters durchzuführen. Denn gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 LVergabeG sind die Bieter im Rahmen dieser Überprüfung ausdrücklich verpflichtet, die ordnungsgemäße Kalkulation nachzuweisen. Kommen die Bieter dieser Verpflichtung nicht nach, so hat die Vergabestelle sie vom weiteren Vergabeverfahren auszuschließen (§ 5 Abs. 1 Satz 3 LVergabeG).

58

Eine diesen Anforderungen genügende Angemessenheitsprüfung ist im vorliegenden Fall zumindest in der Vergabeakte nicht dokumentiert. Die Vergabekammer weist in diesem Zusammenhang die Beteiligten jedoch auch darauf hin, dass selbst dann, wenn ein Auftraggeber im Rahmen der Angemessenheitsprüfung zum Teil sehr niedrige Einheitspreise festgestellt hat, dies jedoch nicht automatisch zu einer Unangemessenheit des angebotenen Gesamtpreises führt. Der Gesamtpreis allein ist aber für die Angemessenheitsprüfung nach § 25 Nr. 3 Abs. 2 VOB/A entscheidend. Von einem Missverhältnis zwischen Preis und Leistung ist nur dann auszugehen, wenn der Preis von den Erfahrungswerten wettbewerblicher Preisbildung so groß abweicht, dass dies sofort ins Auge fällt. Selbst ein beträchtlicher Preisabstand zwischen dem niedrigsten und den nachfolgenden Angeboten allein ist für sich genommen noch kein hinreichendes Merkmal dafür, dass der niedrige Preis auch im Verhältnis zur zu erbringenden Leistung ungewöhnlich niedrig ist. Hinzu kommen müssen vielmehr Anhaltspunkte dafür, dass der Niedrigpreis wettbewerblich nicht zu begründen ist (vgl. Heiermann/Riedl/Rusam, VOB/A, § 25 Randnr. 45 ff.). Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Bieter mangels verbindlicher Kalkulationsregeln grundsätzlich in seiner Preisgestaltung frei bleibt. Deshalb ist für die Prüfung der Angemessenheit des Angebotes nicht auf einzelne Positionen des Leistungsverzeichnisses, sondern auf den Gesamtpreis, die Endsumme des Angebotes abzustellen. Auch ist ein öffentlicher Auftraggeber nicht verpflichtet, nur "auskömmliche" Angebote anzunehmen (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 08.11.2001, Az.: 13 Verg 12/01, mit weiteren Nachweisen). Bei einem grundsätzlich leistungsfähigen Bieter kann es verschiedenste Gründe geben, im Einzelfall auch ein nicht auskömmliches oder jedenfalls sehr knapp kalkuliertes Angebot abzugeben. Derartige Angebote sind im Sinne eines Wettbewerbs erwünscht, solange an der ordnungsgemäßen Durchführung der Arbeiten keine Zweifel bestehen.

59

Gemäß § 114 Abs. 1 GWB trifft die Vergabekammer die geeigneten Maßnahmen, um eine Rechtsverletzung zu beseitigen und eine Schädigung der betroffenen Interessen zu verhindern. Wegen der festgestellten Mängel des Angebotes der Beigeladenen ist es erforderlich, die Auftraggeberin zu verpflichten, erneut in die Angebotswertung einzutreten, diese unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer erneut durchzuführen und dabei das Angebot der Beigeladenen auszuschließen.

60

III. Kosten

61

Die Kostenentscheidung folgt aus § 128 GWB. Nach Art. 7 Nr. 5 des 9. Euro - Einführungsgesetzes (BGBl. 58/2001 vom 14.11.2001, S. 2992 ff.) vom 10.11.2001 werden die DM-Angaben in § 128 GWB für die von der Vergabekammer festzusetzende Gebühr durch Angaben in Euro im Verhältnis 1 : 2 ersetzt, so dass die regelmäßige Mindestgebühr nunmehr 2.500 Euro, die Höchstgebühr 25.000 Euro bzw. in Ausnahmefällen 50.000 Euro beträgt.

62

Es wird eine Gebühr in Höhe von xxxxxx EUR gemäß § 128 Abs. 2 GWB festgesetzt.

63

Der zu Grunde zu legende Auftragswert beträgt nach dem Ergebnis der streitbefangenen Ausschreibung xxxxxx EUR brutto. Dieser Betrag entspricht den Kosten nach dem Hauptangebot der Antragstellerin und damit ihrem Interesse am Auftrag.

64

Die Gebührenermittlung erfolgt anhand einer Gebührentabelle des Bundeskartellamtes vom 09.02.1999 in der zurzeit gültigen Fassung vom 01.01.2003. Hiernach wird der Mindestgebühr von 2.500 EUR (§ 128 (2) GWB) eine Ausschreibungssumme von bis zu 80.000 EUR zugeordnet und dem regelmäßigen Höchstwert von 25.000 EUR (§ 128 (2) GWB) eine Ausschreibungssumme von 70 Mio. EUR (höchste Summe der Nachprüfungsfälle 1996-1998) gegenübergestellt. Bei einer Ausschreibungssumme von xxxxxx EUR ergibt sich eine Gebühr von xxxxxx EUR.

65

Diese Gebühr schließt einen durchschnittlichen sachlichen und personellen Aufwand ein. Gutachterkosten oder Kosten durch Zeugenvernehmung in der mündlichen Verhandlung sind nicht angefallen.

66

Gemäß § 128 Abs. 4 GWB i. V. m. § 80 Abs. 2 VwVfG in entsprechender Anwendung war gem. Ziffer 4 des Tenors auszusprechen, dass die Zuziehung eines Rechtsanwalts durch die Antragstellerin im Nachprüfungsverfahren notwendig war. Das folgt daraus, dass die Antragstellerin ungeachtet der Tatsache, dass das GWB für das Nachprüfungsverfahren 1. Instanz vor der Vergabekammer keine rechtsanwaltliche Vertretung vorschreibt, gleichwohl wegen der Komplexität des Vergaberechts und des das Nachprüfungsverfahren regelnden Verfahrensrechts einerseits sowie auch der Komplexität des konkreten streitbefangenen Vergabeverfahrens rechtsanwaltlicher Beratung und Begleitung bedurfte.

67

Die Auftraggeberin wird aufgefordert, den Betrag von xxxxxx EUR unter Angabe des Kassenzeichens

xxxxxx

68

innerhalb einer Frist von einem Monat nach Rechtskraft dieses Beschlusses auf folgendes Konto zu überweisen:

xxxxxx.

Gause
Rohn
Dierks