Vergabekammer Lüneburg
Beschl. v. 05.03.2008, Az.: VgK-03/2008

Verpflichtung zur Neudurchführung eines Vergabeverfahrens betreffend eine Schutzplankenkonstruktion im Bereich des Mittelstreifen einer Bundesautobahn; Voraussetzungen für die Antragsbefugnis gemäß § 107 Abs. 2 Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB); Verletzung von Rechten durch Nichtbeachtung von Vergabevorschriften; Möglichkeit von Holdingunternehmen zur Information und Abstimmung ihrer Teilnahme am Wettbewerb; Voraussetzungen der Möglichkeit des Rückschlusses auf eine wettbewerbsbeschränkende Abrede

Bibliographie

Gericht
VK Lüneburg
Datum
05.03.2008
Aktenzeichen
VgK-03/2008
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2008, 15660
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgegenstand

Vergabeverfahren "BAB A 31 ... - Schutzplankenkonstruktion im Bereich des Mittelstreifen von der ... bis zum ..."

In dem Nachprüfungsverfahren
...
hat die Vergabekammer
durch
den Vorsitzenden MR Gause,
die hauptamtliche Beisitzerin Dipl. Ing. Rohn und
den ehrenamtlichen Beisitzer, Herrn RA Thomas,
auf die mündliche Verhandlung vom 26.02.2008
beschlossen:

Tenor:

  1. 1.

    Es wird festgestellt, dass die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt ist. Die Auftraggeberin wird verpflichtet, erneut in die Angebotswertung einzutreten, diese unter Beachtung der aus den Gründen ersichtlichen Rechtsauffassung der Vergabekammer erneut durchzuführen und dabei das Angebot der Antragstellerin zu berücksichtigen.

  2. 2.

    Die Kosten des Verfahrens hat die Auftraggeberin zu tragen. Die Auftraggeberin ist jedoch von der Entrichtung der Kosten befreit.

  3. 3.

    Die Kosten werden auf ... EUR festgesetzt.

  4. 4.

    Die Auftraggeberin hat der Antragstellerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten zu erstatten. Die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts war für die Antragstellerin notwendig.

Begründung

1

I.

Mit Bekanntmachung vom ... hat die ..., als Auftraggeberin im Rahmen der Baumaßnahme "...: Fahrbahnsanierung und Standstreifenanbau von ... bis ..." den Bauauftrag "Schutzplankenkonstruktion im Bereich des Mittelstreifen von der ... bis zum ..." als Bauleistung im Offenen Verfahren europaweit ausgeschrieben. Der Auftrag beinhaltet den Abbau vorhandener Leitplanken sowie die Lieferung und Montage neuer Leitplanken auf 7000 m Länge. Eine Aufteilung in Lose ist nicht vorgesehen. Teilnahmebedingungen wurden nicht gestellt.

2

Bezüglich der Zuschlagskriterien wird auf die Vergabeunterlagen verwiesen. Als Schlusstermin für den Eingang der Angebote war der 20.12.2007 festgelegt.

3

Die Aufforderung zur Angebotsabgabe benennt als Zuschlagskriterien den Preis und den technischen Wert, wobei der Preis zu 85% und der technische Wert zu 15% gewichtet werden sollen.

4

Nach Maßgabe der Niederschrift über die Angebotseröffnung am 20.12.2007 waren 13 Angebote fristgerecht beim Auftraggeber eingegangen. Die Angebotsendsummen wurden tabellarisch zusammengestellt. Nach den geprüften Angebotsendsummen hat die Antragstellerin - unter Berücksichtigung eines bedingungslosen Nachlasses von 2,5% - mit einer Auftragssumme von ... EUR das preislich günstigste Angebot abgegeben, danach folgen mit ... EUR das Angebot der Fa. C, ..., und mit ... EUR das Angebot der beigeladenen Fa. B ....

5

Die Angebotsschreiben, die unter Ziff. 6 Erklärungen u.a. bezüglich wettbewerbswidriger Absprachen enthalten, sind im Falle der Antragstellerin "per procura" und im Falle der Fa. C "in Vertretung" unterzeichnet worden.

6

In der am 20. und 21.12.2007 durchgeführten formalen und rechnerischen Prüfung wurden 9 der 13 Angebote wegen Unvollständigkeit ausgeschlossen, die Angebote der Antragstellerin, der Beigeladenen und der Fa. C blieben unbeanstandet.

7

Per Fax am 14.01.08 und per Post am 15.01.2008 ging bei der Auftraggeberin ein mit dem 30.11.2006 datiertes Schreiben der Beigeladenen Fa. B ein, in welchem diese unter Vorlage entsprechender Handelsregisterauszüge über die wirtschaftlichen Verbindungen der Antragstellerin und der Fa. C in Form einer Geschäftsführeridentität und eines Ergebnisabführungsvertrages informierte und deren Ausschluss wegen wettbewerbsbeschränkender Abrede beantragte.

8

Die Auftraggeberin wandte sich am 14.01.08 mit der Bitte um rechtliche Prüfung an den zentralen Geschäftsbereich Recht des ... in ... und hielt das Ergebnis dieser Klärung in einem Vermerk vom 17.01.2008 fest.

9

Mit Schreiben vom 17.01.2008 wurden die Antragstellerin und die Fa. C über den Ausschluss ihrer Angebote informiert. Der Ausschluss wurde im Falle der Antragstellerin wie folgt begründet:

"Nach Prüfung Ihres Angebotes sowie des Angebotes der Fa.C, Zweigniederlassung derFa. D, ..., sehe ich mich gezwungen, Ihr Angebot von der Wertung auszuschließen. Ausweislich der Handelsregisterauszüge werden beide Firmen von ein und demselben Geschäftsführer vertreten. Zwischen Ihnen und der Fa. D ... , besteht ein Ergebnisabführungsvertrag, herrschendes Unternehmen ist die Fa. D..

Bei dieser Konstellation kann darauf geschlossen werden, dass der Fa.C , Zweigniederlassung der Fa. D, die wesentlichen Inhalte Ihres Angebotes bekannt waren, bzw. hätten sein können bzw. umgekehrt.

In Anlehnung an den Beschluss des OLG Düsseldorf vom 14.09.2004 (AZ.: VI-W (Kart) 25/04), kann darauf geschlossen werden, dass der Geheimwettbewerb zwischen den beiden Bietern nicht gewahrt ist. Die Vergabestelle kann daher bereits die Abgabe eines solchen sog. Parallelangebotes zum Anlass nehmen, das Angebot des Bieters gem. § 25 Nr. 1 Abs. 1 c VOB/A auszuschließen. Nachforschungen, ob eine Beeinträchtigung des Wettbewerbs ausgeschlossen ist, muss die Vergabestelle ebenso wenig anstellen, wie sie den betroffenen Bietern Gelegenheit zur Aufklärung geben muss."

10

Noch am gleichen Tage informierte die Auftraggeberin die Bieter gemäß § 13 VgVüber den beabsichtigten Zuschlag auf das nach ihrer Wertung wirtschaftlichste Angebot der Beigeladenen.

11

Mit anwaltlichem Schreiben vom 18.01.2008 rügte die Antragstellerin den Ausschluss ihres Angebotes bei der Auftraggeberin. Die zur Begründung des Ausschlusses angeführte Rechtsprechung des OLG Düsseldorf vom 14.09.2004 sei nicht auf den vorliegenden Fall übertragbar. Zudem gebe es aktuelle vergaberechtliche Entscheidungen - sie verwies auf die Beschlüsse der VK Lüneburg vom 08.05.2006 (VgK-7/2006) und der VK Nordbayern vom 03.05.2007 (21 VK-3194-19/07) - die im Falle eines beabsichtigten Ausschlusses der Angebote wirtschaftlich verbundener Bieterunternehmen konkrete Nachweise für die wettbewerbsbeschränkenden Verhaltensweisen voraussetzen.

12

Im vorliegenden Fall liege mit der Verbindung der Antragstellerin und der Fa. C zur Fa. D. eine Art Holdingstruktur vor. Entgegen der Begründung der Auftraggeberin belege diese Tatsache aber kein wettbewerbswidriges Verhalten der beiden Bieter, sondern löse lediglich erhöhte Prüfungspflichten beim Auftraggeber aus. Auch die Holding Firma D habe ein Interesse daran, den umsatz- und gewinnfördernden Wettbewerb der Antragstellerin und der Fa. C untereinander zu erhalten. Im Hinblick auf diese Zielsetzung seien die Unternehmensstrukturen so gestaltet, dass jedes Unternehmen im Rahmen des operativen Geschäfts unabhängig und selbständig kalkuliere und anbiete und keines die Kalkulations- und Angebotspreise des jeweils anderen kenne. Da im übrigen die Angebotspreise beider Unternehmen marktkonform seien, gebe es im vorliegenden Fall kein Indiz für ein wettbewerbswidriges Verhalten.

13

Die Nichtberücksichtigung des erstplatzierten Angebotes der Antragstellerin sei folglich vergaberechtlich nicht haltbar.

14

In ihrer Rügeantwort vom 22.01.2008 gestand die Auftraggeberin zu, dass im Fall der Entscheidung des OLG Düsseldorf aus dem Jahre 2004 eine nicht vergleichbare Fallkonstellation vorgelegen habe. Gleiches gelte aber auch für die von der Antragstellerin zitierte Rechtsprechung. Unstreitig sei die Fa. C eine Zweigniederlassung der Firma D, mit der die Antragstellerin einen Ergebnisabführungsvertrag abgeschlossen habe. Alleiniger Geschäftsführer sowohl der herrschenden Firma D als auch der Antragstellerin ist Herr..., .... Damit erreiche die rechtliche Verbindung zwischen den Bieterunternehmen ein Abhängigkeitsverhältnis, das eine kaum zu widerlegende Vermutung einer Doppelbeteiligung der verbundenen Unternehmen begründe. Gemäß dem Beschluss des OLG Düsseldorf vom 27.07.2006, AZ.: Verg 23/06, sei im Falle derartiger Verflechtungen die Vergabestelle zwar zu Aufklärungsmaßnahmen berechtigt, aber nicht verpflichtet. Nach alledem bestehe kein Anlass, die gerügte Entscheidung abzuändern.

15

Mit Schriftsatz vom 31.01.2008, per Fax eingegangen bei der Vergabekammer am selben Tage, beantragte die Antragstellerin bei der Vergabekammer gemäß § 107 GWB die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens. Unter Verweis auf ihre Rüge beanstandet sie den Ausschluss ihres Angebotes als vergaberechtswidrig.

16

Die Auftraggeberin beziehe sich in ihrer Ausschlussbegründung auf die Entscheidung des OLG Düsseldorf vom 14.09.2004, bei welcher über die Beteiligung eines Bieters im Rahmen einer Bietergemeinschaft und seine gleichzeitige Beteiligung mit einem eigenen Angebot zu entscheiden war. Im vorliegenden Fall sei die Konstellation jedoch anders. Hier hätten sich zwei gesellschaftsrechtlich eigenständige und voneinander verschiedene Unternehmen am Wettbewerb beteiligt, die jeweils selbständig im Wettbewerb agieren und lediglich durch eine - vergaberechtlich nicht relevante - Holdingstruktur über eine Muttergesellschaft miteinander verbunden seien. Soweit die Auftraggeberin davon ausgeht, dass die Geschäftsführeridentität für einen Angebotsausschluss ausreiche und es auf Belege für wettbewerbswidriges Verhalten nicht ankomme, ist dem entgegen zu halten, dass die Geschäftsführeridentität allenfalls ein Indiz sein könne, welches erhöhte Prüfungspflichten beim Auftraggeber begründe. Die Tatsache, dass beide Bieterunternehmen keine Erklärungen zu ihren Verbindungen mit dem Angebot vorgelegt hätten, sei Indiz dafür, dass die Geschäftsführungsebene tatsächlich keine Kenntnis davon hatte, dass sich Zweigniederlassung und Tochterunternehmen jeweils mit einem Angebot beteiligt haben.

17

Die Auftraggeberin dürfe das Angebot der Antragstellerin zumindest nicht ohne weitere Nachfrage, also ohne eine in diesem Fall gebotene Aufklärung und Anhörung, ausschließen.

18

Nach der aktuellen Rechtsprechung des OLG Düsseldorf und der Beschlusspraxis der VK Lüneburg und Brandenburg sowie den Kommentaren Kapellmann / Messerschmidt und Ingenstau / Korbion zur VOB setze ein Ausschluss gemäß § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. c VOB/A Belege für das vorgeworfene wettbewerbswidrige Verhalten voraus. Reine Mutmaßungen und Annahmen, mithin reine Verdächtigungen genügten für einen Angebotsausschluss nicht.

19

Die Auftraggeberin unterstelle eine Verletzung des Geheimwettbewerbs im übrigen zu Unrecht. Beide Bieterunternehmen seien jeweils juristisch selbständige Wettbewerbsteilnehmer, die vor Ort durch den jeweiligen Prokuristen geführt werden. Die Geschäftsführung nehme auf das operative Geschäft beider Unternehmen keinen Einfluss. Durch interne Arbeitsanweisungen mit der Wirkung sog. "chinese walls" werde zudem die gegenseitige Kenntnisnahme der jeweiligen Kalkulations- und Angebotspreise beider Bieterunternehmen verhindert. Zum Nachweis hierfür legt die Antragstellerin einen aktuellen Handelsregisterauszug für die Firma D und eine - vom gemeinsamen Geschäftsführer ... unterzeichnete - Arbeitsanweisung vom 05.10.2005 an die verbundenen Unternehmen vor.

20

Die Antragstellerin beantragt

  1. 1.

    der Auftraggeberin aufzugeben, das Angebot der Antragstellerin vom 19.12.2007 für die Schutzplankenkonstruktion BAB ... (im Bereich des Mittelstreifens ... bis ...) nicht auszuschließen und erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer zu werten;

  2. 2.

    hilfsweise andere geeignete Maßnahmen anzuordnen, um eine Rechtsverletzung der Antragstellerin zu beseitigen bzw. auszuschließen;

  3. 3.

    auszusprechen, dass die Hinzuziehung der Bevollmächtigten für die Antragstellerin im Nachprüfungsverfahren erforderlich ist.

21

Die Auftraggeberin beantragt

  1. 1.

    die Anträge zu 1. und 2. abzuweisen und über den Antrag zu 3. von Amt wegen zu entscheiden.

22

Sie hält den Ausschluss der Angebote der beiden Bieterunternehmen für gerechtfertigt, weil sie den Schutz des Geheimwettbewerbs allein wegen der Geschäftsführeridentität beider Unternehmen nicht gewährleistet sieht. Unter Berufung auf den Beschluss des OLG Düsseldorf vom 27.07.2006, Verg 23/06, weist sie die Forderung der Antragstellerin nach weiterer Ermittlung und Aufklärung bzw. nach konkreten Belegen für wettbewerbswidriges Verhalten zurück.

23

Die Beigeladene stellt keinen eigenen Antrag. Sie hält aber den Ausschluss des Angebotes der Antragstellerin für gerechtfertigt. Neben dem Indiz der Geschäftsführeridentität sprächen folgende weitere Sachverhalte für ein wettbewerbswidriges Verhalten der Antragstellerin.

24

Die Fa. C sei als Zweigniederlassung der Firma D rechtlich nicht selbständig. Rechtlich gesehen hätten sich demnach an diesem Vergabeverfahren die Antragstellerin und die Firma D beteiligt. Zwischen beiden bestehe ein Beherrschungsverhältnis in Form eines Ergebnisabführungsvertrages, außerdem sei die Firma D zu 100% an der Antragstellerin beteiligt. Nach Maßgabe der Eintragungen im Handelsregister sei es zudem nahezu ausgeschlossen, dass beide Wettbewerber rechtsverbindlich ohne Beteiligung des gemeinsamen Geschäftsführers handeln können. Die von der Antragstellerin behauptete Selbständigkeit werde auch durch die Bilanz der Firma D in Frage gestellt. Diese enthalte keine getrennten Ergebnisse und keine getrennten Darstellungen des jeweiligen Geschäftsverlaufs. Die Angaben zur Zahl der während des Geschäftsjahres beschäftigten Arbeitnehmer ließen zudem erkennen, dass die Firma D keine reine Holding ist. Im Übrigen ließen auch die Submissionsergebnisse einschlägiger Ausschreibungen darauf schließen, dass über die Teilnahme am Wettbewerb nicht jeweils selbständig in den verbundenen Unternehmen und Niederlassungen entschieden werde, sondern dass diese strategisch gesteuert werde.

25

Wegen des übrigen Sachverhaltes wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, das Protokoll der mündlichen Verhandlung am 26.02.2008 und die Vergabeakte Bezug genommen.

26

II.

Der Nachprüfungsantrag ist zulässig und begründet. Die Entscheidung der Auftraggeberin, das Angebot der Antragstellerin auszuschließen und den Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen zu erteilen, verletzt die Antragstellerin in ihren Rechten gemäß §§ 97 Abs. 7, 114 Abs. 1 GWB. Die bloße Möglichkeit einer wettbewerbswidrigen Abstimmung von Angeboten erfüllt für sich genommen noch nicht die Voraussetzungen für einen Angebotsausschluss gemäß § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. c VOB/A in Verbindung mit § 2 Nr. 1 Satz 3 VOB/A. Eine wettbewerbsbeschränkende Abrede kann nicht schon aus dem Umstand geschlossen werden, dass sich zwei über eine Holding verbundene Firmen jeweils am Wettbewerb beteiligt haben. Voraussetzung für einen Ausschluss nach § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. c VOB/A ist vielmehr grundsätzlich, dass eine wettbewerbsbeschränkende Abrede mit einem konkreten Nachweis belegt wird. Einen entsprechenden konkreten Nachweis über eine wettbewerbsbeschränkende Abrede zwischen der Antragstellerin und der sie beherrschenden Firma, der Firma D, ..., haben aber weder die Auftraggeberin noch die Beigeladene vorgetragen.

27

1.

Der Nachprüfungsantrag ist zulässig. Bei der Auftraggeberin, der Bundesrepublik Deutschland, handelt es sich um eine Gebietskörperschaft und damit einen öffentlichen Auftraggeber i.S.d. § 98 Nr. 1. Das Land Niedersachsen, vertreten durch die Niedersächsische Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr - ...-, führt das beanstandete Vergabeverfahren im Rahmen der Bundesauftragsverwaltung gem. Artikel 85 GG für die Bundesrepublik Deutschland - ...- durch. Der streitbefangene Auftrag übersteigt auch den für die Zuständigkeit der Vergabekammer maßgeblichen Schwellenwert gem. § 100 Abs. 1 GWB. Danach gilt der 4. Teil des GWB nur für solche Aufträge, die die Auftragswerte erreichen oder überschreiten, die durch Rechtsverordnung nach § 127 GWB festgelegt sind. Bei den ausgeschriebenen Leistungen handelt es sich um einen Bauauftrag im Sinne des § 1 VOB/A.

28

Zum Zeitpunkt der Ausschreibung galt für Bauaufträge gem. § 2 Nr. 4 der Vergabeverordnung (VgV) in der Fassung der Bekanntmachung vom 11.02.2003, geändert durch die 3. Verordnung zur Änderung der Vergabeverordnung vom 23. Oktober 2006 (BGBl. I S. 2334) ein Schwellenwert von 5.278.000 EUR.

29

Werden Bauaufträge, wie im vorliegenden Fall, losweise ausgeschrieben, gilt gem. § 2 Nr. 7 VgV ein Schwellenwert von 1 Mio. EUR oder bei Losen unterhalb von 1 Mio. EUR deren addierter Wert ab 20% des Gesamtwertes aller Lose. Nach telefonischer Auskunft der Auftraggeberin vom 12.02.2008 ist die streitbefangene Baumaßnahme " BAB A 31 ... - Schutzplankenkonstruktion im Bereich des Mittelstreifen von der ... bis zum ..." Teil der Gesamtbaumaßnahme "BAB A 31 - Fahrbahnsanierung und Standstreifenanbau von ..." mit einem geschätzten Gesamtauftragswert von ... EUR. Die ausgeschriebene Teilbaumaßnahme " BAB A 31 ... - Schutzplankenkonstruktion im Bereich des Mittelstreifen von der ... bis zum ... " hat gemäß dem Vergabevermerk einen geschätzten Auftragswert von ... EUR netto. Der Wert des ausgeschriebenen Auftrags übersteigt damit den für die Anrufung der Vergabekammer maßgeblichen Schwellenwert, so dass die angerufene Vergabekammer zuständig ist.

30

Die Antragstellerin ist auch gemäß § 107 Abs. 2 GWB antragsbefugt, da sie als Bieterin ein Interesse am Auftrag hat und eine Verletzung von Rechten durch Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend macht, indem sie behauptet, dass die Auftraggeberin das preislich günstigste Angebot der Antragstellerin vergaberechtswidrig von der Wertung ausgeschlossen habe. Auf das Angebot der Beigeladenen dürfe der Zuschlag nicht erteilt werden, weil es unter der vergaberechtlich gebotenen Berücksichtigung des Angebotes der Antragstellerin nicht das wirtschaftlichste Angebot sei.

31

Voraussetzung für die Antragsbefugnis gemäß § 107 Abs. 2 GWB ist, dass das antragstellende Unternehmen einen durch die behauptete Rechtsverletzung entstandenen oder drohenden Schaden darlegt, das bedeutet, dass die Antragstellerin diejenigen Umstände aufzeigen muss, aus denen sich schlüssig die Möglichkeit eines solchen Schadens ergibt (vgl. Boesen, Vergaberecht, § 107 Randnr. 52). Die diesbezüglichen Anforderungen an die Darlegungslast dürfen aber nicht überspannt werden (vgl. Byok/Jaeger, Vergaberecht, 2. Auflage, § 107 GWB, Randnr. 954).

32

Die Antragstellerin hat ein entsprechendes Rechtschutzbedürfnis dargelegt. Sie hat schlüssig vorgetragen, dass sie bei aus ihrer Sicht vergaberechtskonformer Angebotswertung eine Chance auf den Zuschlag gehabt hätte. Ausweislich der in der Vergabeakte enthaltenen Niederschrift über die Verdingungsverhandlung vom 20.12.2007 und der dort beigefügten Auflistung der rechnerisch geprüften Angebotssummen hat die Antragstellerin mit einer geprüften Angebotssumme von ... EUR Euro das preislich günstigste Angebot abgegeben. Es ist im Übrigen nicht erforderlich, dass ein Antragsteller auch darlegt, dass er bei vergabekonformem Verhalten des Auftraggebers den Zuschlag auch tatsächlich erhalten hätte (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 13.04.1999, Az.: Verg 1/99, Seite 24).

33

Die Antragstellerin ist auch ihrer Pflicht gemäß § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB nachgekommen, vor Anrufung der Vergabekammer die behaupteten Verstöße gegen die Vergabevorschriften bereits im Vergabeverfahren selbst gegenüber der Auftraggeberin unverzüglich zu rügen. Bei der Vorschrift des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB handelt es sich um eine Präklusionsregel unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben. Der Bieter soll Vergabefehler nicht auf Vorrat sammeln. Die Rügepflicht des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB entsteht, sobald ein Bieter oder Bewerber im Vergabeverfahren einen vermeintlichen Fehler erkennt. Vorausgesetzt ist die positive Kenntnis des Anbieters von den Tatsachen. Ausreichend für die positive Kenntnis eines Mangels im Sinne des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB ist bereits das Wissen um einen Sachverhalt, der den Schluss auf die Verletzung vergaberechtlicher Bestimmungen erlaubt und es bei vernünftiger Betrachtung gerechtfertigt erscheinen lässt, das Vergabeverfahren als fehlerhaft zu beanstanden (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 22.08.2002, Az.: Verg 9/02). Unter Zugrundelegung dieses zutreffenden Maßstabes hat die Antragstellerin die von ihr im Vergabeverfahren erkannten vermeintlichen Vergaberechtsverstöße rechtzeitig gerügt.

34

Die Auftraggeberin hat die Antragstellerin mit zwei Schreiben vom 17.01.2008 darüber informiert, dass ihr Angebot wegen Verstoßes gegen den Geheimwettbewerb ausgeschlossen wird und dass der Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen erteilt werden soll. Mit Anwaltsschreiben vom 18.01.2008 rügte die Antragstellerin diese Entscheidung als vergaberechtswidrig. Die innerhalb eines Tages nach Eingang der Informationsschreiben der Auftraggeberin am 17.01.2008 abgesetzte und vorab per Fax übersandte Rüge erfolgte unverzüglich im Sinne des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB.

35

2.

Der Nachprüfungsantrag ist begründet. Die Auftraggeberin darf den Zuschlag nicht, wie von ihr beabsichtigt, auf das Angebot der Beigeladenen erteilen. Die Auftraggeberin war und ist weder gehalten noch berechtigt, die Angebote der Antragstellerin und das Angebot der Firma C, Zweigniederlassung der Firma D, ..., schon deshalb von der Angebotswertung auszuschließen, weil sie ungeachtet ihrer gesellschaftsrechtlichen Selbständigkeit in einer gemeinsamen Holding vereinigt sind und den gleichen Geschäftsführer aufweisen. Die bei einer derartigen Unternehmensstruktur grundsätzlich bestehende Möglichkeit der Holdingunternehmen zur Information und Abstimmung ihrer Teilnahme am Wettbewerb erfüllt für sich genommen noch nicht die Voraussetzungen für einen Angebotsausschluss gemäß § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. c VOB/A in Verbindung mit § 2 Nr. 1 Satz 3 VOB/A. Der nach diesen Vorschriften erforderliche Nachweis einer unzulässigen, wettbewerbsbeschränkenden Abrede ist vorliegend weder von der Auftraggeberin noch von der Beigeladenen geführt worden. Dagegen kann die Antragstellerin auf eine holdinginterne Arbeitsanweisung vom 05.10.2005 verweisen, die derartige wettbewerbswidrige Absprachen gerade unterbinden soll.

36

Die Antragstellerin ist ungeachtet der Tatsache, dass sie Angehörige einer Holding ist, deren beherrschendes Unternehmen, die Firma D, ..., sich über ihre selbständige Zweigniederlassung, der Firma C, unmittelbar am vorliegenden Vergabeverfahren beteiligt hat, ihrerseits eine selbständige juristische Person in der Rechtsform der GmbH. Auch die Tatsache, dass beide Holdinggesellschaften den identischen Geschäftsführer haben, führt nicht zu einer Bieteridentität. Daher ist der vorliegende Sachverhalt nicht etwa mit dem der Entscheidung des OLG Düsseldorf vom 16.09.2003, Az.: VII Verg 52/03, zugrunde liegenden Sachverhalt vergleichbar. Im dortigen Vergabeverfahren hatte der Vergabesenat darüber zu entscheiden, ob es zulässig ist, dass sich ein Bieterunternehmen an einem Vergabeverfahren doppelt in der Weise beteiligt, dass es zum einen ein eigenes Angebot abgibt und darüber hinaus sich an einer Bietergemeinschaft beteiligt, die ihrerseits ein Angebot über die identische ausgeschriebene Leistung abgibt. Das OLG Düsseldorf hat entschieden, dass in diesem Falle sowohl das Angebot des Bieters selbst wie auch das parallele Angebot der Bietergemeinschaft gemäß § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. f in Verbindung mit § 2 Nr. 1 VOL/A vom Vergabeverfahren zwingend ausgeschlossen werden musste, weil durch die Abgabe dieser parallelen Angebote jedenfalls im Verhältnis zwischen diesem Bieter und der Bietergemeinschaft ein Geheimwettbewerb um den ausgeschriebenen Auftrag ausgeschaltet gewesen sei. Dies habe zwingend den Ausschluss beider Angebote zur Folge. Nur dann, wenn jeder Bieter die ausgeschriebene Leistung in Unkenntnis der Angebote, Angebotsgrundlagen und Angebotskalkulationen seiner Mitbewerber um den Zuschlag anbietet, sei ein echter Bieterwettbewerb möglich. Dies sei nicht mehr möglich, wenn - wie im dortigen Streitfall, ein Bieter für die ausgeschriebene Leistung nicht nur ein eigenes Angebot abgibt, sondern sich daneben auch als Mitglied einer Bietergemeinschaft um den Zuschlag der selben Leistung bewirbt. Dann sei in aller Regel der Geheimwettbewerb in Bezug auf beide Angebote nicht mehr gewahrt (ebenso OLG Naumburg, Beschluss vom 30.07.2004, Az. I Verg 10/04, zitiert nach VERIS).

37

Die Vergabekammer folgt der Auffassung des OLG Düsseldorf, soweit es sich um eine echte parallele Doppelbeteiligung einer Bieterfirma sowohl im Wege eines Einzelangebotes wie auch gleichzeitig über eine Beteiligung an einer Bietergemeinschaft handelt, sofern diese parallelen Angebot den identischen Auftragsumfang betreffen. Auch nach der Rechtsprechung des OLG Düsseldorf (vgl. Beschluss vom 28.05.2003, Az.: Verg 8/03) ist es nämlich zulässig, dass ein Bieter ein Einzelangebot bezüglich eines Loses abgibt und sich parallel an einem Angebot einer Bietergemeinschaft über die Summe aller Lose beteiligt. Denn dann liegt keine Identität des Auftragsgegenstandes vor.

38

Die Vergabekammer teilt jedoch nicht die Auffassung der Auftraggeberin, dass die Wettbewerbswidrigkeit einer Parallelbeteiligung auch dann per se vorliegt, wenn sich zwei Bieterfirmen am Vergabeverfahren beteiligen, die zwar rechtlich eigenständig sind, aber über einen identischen Geschäftsführer oder in sonstiger Weise personell miteinander verbunden sind. Diese Rechtsauffassung der Auftraggeberin hätte für viele Wirtschaftszweige die Folge, dass sich der Wettbewerb nur noch auf wenige Angebote beschränkt. Ist ein Markt, wie etwa die Entsorgungswirtschaft, so strukturiert, dass die überwiegende Zahl der ehemals selbständigen Entsorgungsunternehmen inzwischen mit einem von wenigen Konzernen verbunden ist, könnte sich nur noch je Konzern ein Unternehmen mit einem Angebot an einer Ausschreibung beteiligen. Denn auch in einem Konzern ist nicht auszuschließen, dass der Mutterkonzern entscheidet, ob und welche Tochterunternehmen sich an der Ausschreibung beteiligen. Hier wäre dann, die Auffassung der Auftraggeberin unterstellt, zu besorgen, dass die Kalkulationen möglicherweise untereinander abgestimmt werden.

39

§ 2 Nr. 1 Satz 3 VOB/A setzt jedoch ebenso wie § 2 Nr. 1 Abs. 2 VOL/A und der Wettbewerbsgrundsatz des § 97 Abs. 1 GWB keine potentiell möglichen, sondern tatsächliche wettbewerbsbeschränkende und unlautere Verhaltensweisen voraus, die dann zum Ausschluss gemäß § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. c VOB/A führen müssen. Eine wettbewerbsbeschränkende Abrede kann aber nicht schon aus dem Umstand geschlossen werden, dass sich zwei über eine Holding verbundene Firmen jeweils am Wettbewerb beteiligt haben (vgl. VK Nordbayern, Beschluss vom 03.05.2007, Az.: 21.VK-3194-19/07, zitiert nach VERIS). Voraussetzung für einen Ausschluss nach § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. c VOB/A ist vielmehr, dass eine wettbewerbsbeschränkende Abrede mit einem konkreten Nachweis belegt wird (vgl. OLG Dresden, Beschluss vom 28.03.2006, Az.: WVerg 4/06, sowie OLG Düsseldorf, Beschluss vom 13.04.2006, Az.: Verg 10/06). Einen entsprechenden konkreten Nachweis über eine wettbewerbsbeschränkende Abrede zwischen der Antragstellerin und der sie beherrschenden Firma, Firma D, ..., haben aber weder die Auftraggeberin noch die Beigeladene vorgetragen. Es obliegt jedoch grundsätzlich dem Auftraggeber nachzuweisen, dass die Voraussetzungen für einen zwingenden Angebotsausschluss gemäß § 25 Nr. 1 Abs. 1 VOB/A vorliegen (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 07.06.2007, Az.: 13 Verg 5/07, zitiert nach VERIS). Die Vergabekammer vertritt daher nach wie vor (vgl. VK Lüneburg, Beschluss vom 07.11.2003, Az.: 203-VgK-32/2003) die Auffassung, dass eine Beteiligung von konzernverbundenen oder personellverbundenen Bieterfirmen an ein und demselben Vergabeverfahren möglich sein muss, solange es sich um rechtlich selbständige juristische Personen handelt und konkrete Anhaltspunkte für wettbewerbsbeschränkende oder unlautere Verhaltensweisen im Sinne des § 2 Nr. 1 Satz 3 VOB/A nicht ersichtlich sind. Eine Ausweitung der Rechtsprechung des OLG Düsseldorf über die dort zugrunde liegende Konstellation (Parallelbeteiligung als Einzelfirma und im Rahmen einer Bietergemeinschaft) auf alle nur denkbaren, zivilrechtlich im Übrigen ja zulässigen Organisationsverbindungen von Bieterunternehmen, würde faktisch zu einer Beschränkung des Wettbewerberkreises führen, die mit dem Ziel des Vergaberechts nicht in Einklang zu bringen ist. Es besteht keine grundsätzliche Vermutung dafür, dass der Geheimwettbewerb nicht gewahrt ist, denn konzernverbundene Unternehmen bewegen sich überwiegend wirtschaftlich eigenständig und stehen darüber hinaus oftmals auch in einem gewissen internen Konkurrenzkampf untereinander (vgl. Verfürth in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß, VOL/A, § 25, Rdnr. 69, m.w.N.).

40

Richtig ist, dass die Auftraggeberin im folgenden Fall aufgrund des ihr durch eine Verfahrensrüge der Beigeladenen gemäß § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB bekannt gewordenen Sachverhalts hinsichtlich der Einbindung der Antragstellerin in eine Holdingstruktur und einer Geschäftsführeridentität bei Antragstellerin und beherrschendem Unternehmen Anlass dazu hatte, im Wege der Angebotsaufklärung gemäß § 24 VOB/A zu prüfen, ob die Voraussetzungen für einen zwingenden Angebotsausschluss wegen einer unzulässigen wettbewerbsbeschränkenden Abrede gemäß § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. c VOB/A vorliegen. Davon hat die Auftraggeberin jedoch keinen Gebrauch gemacht, sondern bereits die ihr bekannt gewordenen Indizien für einen möglichen Verstoß gegen den Grundsatz des Geheimwettbewerbs zum Anlass genommen, die Antragstellerin und die Firma C von der Angebotswertung auszuschließen. Entgegen der Auffassung der Auftraggeberin war die Antragstellerin jedoch nicht verpflichtet, bereits aufgrund dieser Indizien ihrerseits schon mit dem Angebot etwaige Bedenken wegen eines Verstoßes gegen den Geheimwettbewerb auszuräumen. Eine derartige, unabhängig von den Umständen des Einzelfalls bestehende Nachweispflicht des Bieters bei Angebotsabgabe lässt sich entgegen der Auffassung der Auftraggeberin auch nicht aus der Rechtsprechung des OLG Düsseldorf (vgl. Beschluss vom 27.07.2006, Az.: VII-Verg 23/06) herleiten. Im dortigen Fall hatte das OLG Düsseldorf den Ausschluss von zwei Bietern angeordnet, bei denen sich der eine mit einem eigenen Angebot und als Nachunternehmer des anderen Bieters beteiligt hat, wobei hinzu gekommen ist, dass die beiden Bieter konzernverbundene Unternehmen im Sinne von § 36 Abs. 2 GWB waren, der eine Bieter über keine eigenen Geschäftsstruktur verfügt hat und die Angebote identische Rechtschreibfehler (!) enthielten. Im dortigen Sachverhalt kamen also über die personellen und rechtlichen Verbindungen der Unternehmen auch noch räumliche und infrastrukturelle Verflechtungen sowie konkrete Übereinstimmungen bei den eingereichten Angeboten hinzu. In einem solchen Fall, so das OLG, sei jedenfalls zu vermuten, dass Kontakte in Bezug auf die Angebotsinhalte stattgefunden haben und der Geheimwettbewerb nicht mehr gewahrt ist. Bei einer derartigen Sachlage obliege es dem Bieter, nachvollziehbar darzulegen und nachzuweisen, dass aufgrund und welcher besonderen Vorkehrungen der Geheimwettbewerb bei der Angebotserstellung ausnahmsweise gewährleistet war. Verdichtet sich die Indizienkette derart zu Ungunsten eines Bieters, so muss er nach der Rechtsprechung des OLG Düsseldorf bereits mit seinem Angebot diejenigen besonderen Umstände und Vorkehrungen bei der Angeboterstellung und -abgabe aufzeigen und nachweisen, die ausnahmsweise einem Angebotsausschluss entgegenstehen. Denn der Auftraggeber sei in einer derartigen Sachlage zu Aufklärungsmaßnahmen zwar berechtigt, aber nicht verpflichtet. Vielmehr könne er das Angebot ohne weiteres ausschließen. Hinzu kam im dortigen Fall, dass die Antragstellerin dieser Mitwirkungsobliegenheit nicht nur bei der Angebotsabgabe, sondern auch im Nachprüfungsverfahren nicht nachgekommen ist.

41

Ein mit dem der dortigen Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt vergleichbarer Sachverhalt und eine entsprechende, verdichtete Indizienkette zu Lasten der Antragstellerin liegt im vorliegenden Fall jedoch nicht vor. Über die Einbindung in die Holdingstruktur und die personelle Verbindung über den identischen Geschäftsführer hinaus liegen keine Anhaltspunkte für eine unzulässige, wettbewerbsbeschränkende Abrede vor. Insbesondere sind weder die mit der Vergabeakte vorliegenden Angebote der Antragstellerin und der Firma C inhaltlich in irgendeiner Weise identisch noch gibt es räumliche oder infrastrukturelle Verflechtungen, die in einer Gesamtschau dazu führen könnten, dass eine solche wettbewerbswidrige Abrede zwischen beiden Unternehmen "auf der Hand liegt".

42

Im Unterschied zu dem vom OLG Düsseldorf entschiedenen Sachverhalt hat die Antragstellerin auch im Zuge des Nachprüfungsverfahrens zumindest substantiiert vorgetragen, dass sie die von der Rechtsprechung geforderten internen Maßnahmen getroffen hat, um eine Wahrung des Geheimwettbewerbs zu gewährleisten. Die Antragstellerin hat als Anlage 8 zum Schriftsatz vom 14.02.2008 der Vergabekammer und der Auftraggeberin eine vom gemeinsamen Geschäftsführer der Antragstellerin und der Firma D, Herrn ..., unterzeichnete Arbeitsanweisung vom 05.10.2005 vorgelegt, in der unter Bezugnahme auf Nachfragen einer Vergabestelle bei einer Ausschreibung in Thüringen verschiedene Maßnahmen zum Schutz des Geheimwettbewerbs sowohl für die Zweigniederlassungen der beherrschenden Firma D wie auch für die mit ihr verbundenen Antragstellerin verbindlich vorgegeben werden. Danach ist bei öffentlichen Aufträgen bzw. bei der Angebotserstellung so zu verfahren, dass u.a.

  • die Firmen selbständig und inhaltlich sowie wirtschaftlich eigenverantwortlich die Angebote anfordern, kalkulieren und auch abgeben,

  • der jeweilige Prokurist berechtigt ist, Angebotsverfahren bis zu einem Auftragswert von 2,5 Mio. EUR selbst zu zeichnen,

  • kalkulatorische Absprachen oder Preisabsprachen strikt verboten sind, aus vergaberechtlichen und auch aus kartellrechtlichen Gründen,

  • die Geschäftsführung keine Weisungen im Zusammenhang mit der Kalkulation von Angeboten für öffentliche Aufträge erteilt.

43

Damit hat die Antragstellerin hinreichend substantiiert dargelegt, dass sie Vorkehrungen getroffen hat, die geeignet sind, zulässige wettbewerbsbeschränkende Abreden innerhalb der Holding zu vermeiden. Da sich weder aus den vorliegenden Angeboten der Antragstellerin und der Firma C noch aus dem Vortrag der Auftraggeberin und der Beigeladenen Hinweise darauf ergeben, dass die über die Holding verbundenen Firmen gegen diese zum Wettbewerbsschutz erteilte interne Arbeitsanweisung gehandelt haben, liegen die Voraussetzungen für einen Angebotsausschluss gemäß § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. c VOB/A nicht vor.

44

Gemäß § 114 Abs. 1 GWB trifft die Vergabekammer die geeigneten Maßnahmen, um eine Rechtsverletzung zu beseitigen und eine Schädigung der betroffenen Interessen zu verhindern. Da die Voraussetzungen für einen Angebotsausschluss wegen unzulässiger, wettbewerbsbeschränkender Abrede gemäß § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. c VOB/A nicht vorliegen, ist es erforderlich, die Auftraggeberin zu verpflichten, erneut in die Angebotswertung einzutreten, diese unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer erneut durchzuführen und dabei das Angebot der Antragstellerin zu berücksichtigen.

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III. Kosten

46

Die Kostenentscheidung folgt aus § 128 GWB. Nach Art. 7 Nr. 5 des 9. Euro - Einführungsgesetzes (BGBl. 58/2001 vom 14.11.2001, S. 2992 ff.) vom 10.11.2001 werden die DM-Angaben in § 128 GWB für die von der Vergabekammer festzusetzende Gebühr durch Angaben in Euro im Verhältnis 1 : 2 ersetzt, so dass die regelmäßige Mindestgebühr nunmehr 2.500 Euro, die Höchstgebühr 25.000 Euro bzw. in Ausnahmefällen 50.000 Euro beträgt.

47

Es wird eine Gebühr in Höhe von ... EUR gemäß § 128 Abs. 2 GWB festgesetzt.

48

Der zu Grunde zu legende Auftragswert beträgt nach dem Ergebnis der streitbefangenen Ausschreibung ... EUR brutto. Dieser Betrag entspricht den Kosten nach dem Hauptangebot der Antragstellerin und damit ihrem Interesse am Auftrag.

49

Die Gebührenermittlung erfolgt anhand einer Gebührentabelle des Bundeskartellamtes vom 09.02.1999 in der zurzeit gültigen Fassung vom 01.01.2003. Hiernach wird der Mindestgebühr von 2.500 EUR (§ 128 (2) GWB) eine Ausschreibungssumme von bis zu 80.000 EUR zugeordnet und dem regelmäßigen Höchstwert von 25.000 EUR (§ 128 (2) GWB) eine Ausschreibungssumme von 70 Mio. EUR (höchste Summe der Nachprüfungsfälle 1996-1998) gegenübergestellt. Bei einer Ausschreibungssumme von ... EUR ergibt sich eine Gebühr von ... EUR.

50

Diese Gebühr schließt einen durchschnittlichen sachlichen und personellen Aufwand ein. Gutachterkosten oder Kosten durch Zeugenvernehmung in der mündlichen Verhandlung sind nicht angefallen.

51

Die Auftraggeberin ist jedoch von der Entrichtung ihres Kostenanteils gemäß § 128 Abs. 1 GWB i.V.m. § 8 Abs. 1 Nr. 3 Nds. VwKostG von der Kostentragungspflicht befreit (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 13.07.2005, Az.: 13 Verg 9/05; OLG Dresden, Beschluss vom 25. 01. 2005, Az.: WVerg 0014/04).

52

Gemäß § 128 Abs. 4 GWB i.V.m. § 80 Abs. 2 VwVfG in entsprechender Anwendung war auf Antrag der Antragstellerin gem. Ziffer 4 des Tenors auszusprechen, dass die Zuziehung eines Rechtsanwalts durch die Antragstellerin im Nachprüfungsverfahren notwendig war. Das folgt daraus, dass die Antragstellerin ungeachtet der Tatsache, dass das GWB für das Nachprüfungsverfahren 1. Instanz vor der Vergabekammer keine rechtsanwaltliche Vertretung vorschreibt, gleichwohl wegen der Komplexität des Vergaberechts und des das Nachprüfungsverfahren regelnden Verfahrensrechts einerseits sowie auch der Komplexität des konkreten streitbefangenen Vergabeverfahrens rechtsanwaltlicher Beratung und Begleitung bedurfte.

53

Die Auftraggeberin hat der Antragstellerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten zu erstatten.

Gause
Rohn
Thomas