Vergabekammer Lüneburg
Beschl. v. 15.05.2008, Az.: VgK-12/2008
Europaweite Ausschreibung der Erbringung von Eisenbahnverkehrsleistungen im öffentlichen Schienenpersonennahverkehr im offenen Verfahren als Dienstleistungsauftrag; Verdingungsordnung für Leistungen (VOL)-Vergabeverfahren zur Ausschreibung von Eisenbahnverkehrsleistungen im öffentlichen Schienenpersonennahverkehr (SPNV); Die nachträgliche Überschreitung der Grenzen eines In-House-Geschäfts als zulässiger Gegenstand eines Nachprüfungsverfahrens; Anforderungen an eine Darlegung der Antragsbefugnis gemäß § 107 Abs. 2 Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB); Verletzung von Rechten durch Nichtbeachtung von Vergabevorschriften; Anforderungen an die Geltendmachung von erstmalig im Nachprüfungsverfahren bekannt gewordenen vermeintlichen Vergaberechtsverstößen; Gesetzliche Bindung der Bieterunternehmen nur an (branchenspezifische) Mindestlohnsätze; Bezugnahme auf für allgemein verbindlich erklärte Tarifverträge für Vergaben im Baubereich
Bibliographie
- Gericht
- VK Lüneburg
- Datum
- 15.05.2008
- Aktenzeichen
- VgK-12/2008
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2008, 15686
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 12 VOL/A
- § 305 BGB
- § 307 BGB
- § 107 Abs. 2 S. 1 GWB
- § 4 Abs. 1 Nr. 1 NNVG
- § 8 Abs. 4 NNVG
- Art. 49 EGV
- Art. 51 EG
Verfahrensgegenstand
VOL-Vergabeverfahren zur Ausschreibung von Eisenbahnverkehrsleistungen im öffentlichen Schienenpersonennahverkehr (SPNV)
In dem Nachprüfungsverfahren
...
hat die Vergabekammer
durch
den Vorsitzenden MR Gause,
die hauptamtliche Beisitzerin BOAR'in Schulte und
den ehrenamtlichen Beisitzer, Herrn RA Hintz,
auf die mündliche Verhandlung vom 25.04.2008
beschlossen:
Tenor:
- 1.
Es wird festgestellt, dass die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt ist. Die Auftraggeber werden verpflichtet, das Vergabeverfahren aufzuheben.
- 2.
Die Kosten des Verfahrens haben die Auftraggeber zu tragen. Die Auftraggeber sind jedoch von der Entrichtung der Gebühren befreit.
- 3.
Die Kosten werden auf ... EUR festgesetzt.
- 4.
Die Auftraggeber haben der Antragstellerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten zu erstatten. Die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts war für die Antragstellerin notwendig.
Begründung
I.
Die Auftraggeber hatten mit EU-Bekanntmachung vom 22.06.2007 die Erbringung von Eisenbahnverkehrsleistungen im öffentlichen Schienenpersonennahverkehr auf den Linien Farge-Bremen-Verden, Bremerhaven-Bremen-Twistringen, Oldenburg-Bremen und Nordenham-Bremen sowie zwei Optionen zur Taktverdichtung Vegesack-Bremen und zur Verlängerung Oldenburg-Bad Zwischenahn mit einem Umfang von ca. 4,7 Mio. Zugkilometer pro Jahr europaweit im offenen Verfahren als Dienstleistungsauftrag ausgeschrieben. Die Vertragslaufzeit soll für die Strecke Farge - Bremen - Verden 10 Jahre und für die anderen Strecken 11 Jahre betragen. Bezüglich der geforderten Nachweise zur Beurteilung der rechtlichen, wirtschaftlichen, finanziellen und technischen Leistungsfähigkeit wurden in der Bekanntmachung und differenzierter in den Verdingungsunterlagen verschiedene Angaben und Leistungen gefordert. Zuschlagskriterium sollte das wirtschaftlichste Angebot hinsichtlich der in den Verdingungsunterlagen genannten Kriterien sein:
- 1.
Preis je Jahr inkl. Mehr- oder Minderleistungen in Ein- und Mehrfachtraktion, insgesamt max. 90 Wertungspunkte
- 2.
Qualität mit den unterschiedlich gewichteten Unterkriterien Fahrzeugkonzept, Betriebskonzept, Anzahl der Sitzplätze der Betriebsreserve, Service- und Sicherheitskonzept, Konzept für Fahrgastrechte, Konzept für das Unternehmensmarketing und Vertriebskonzept, insgesamt maximal 10 Wertungspunkte
Den Verdingungsunterlagen war u.a. eine von dem Bieter zu unterschreibende Tariftreueerklärung der Freien Hansestadt Bremen beigefügt, nach der sich die Bieter zu verpflichten haben, das tarifvertraglich vorgeschriebene Entgelt zu bezahlen, soweit die Leistungen auf dem Gebiet der Freien Hansestadt Bremen erbracht werden.
Als Schlusstermin für den Eingang der Angebote war der 03.12.2007, 12.00 Uhr, vorgesehen. Mit Bieterrundschreiben Nr. 11 der Auftraggeber vom 26.11.2007 wurde die Angebotsfrist auf den 10.12.2007, 12.00 Uhr, verlängert.
Während der Angebotsfrist gingen bei den Auftraggebern insgesamt 238 Bieteranfragen ein, die mit insgesamt 12 Bieterrundschreiben beantwortet wurden. 4 Bieter rügten einzelne Punkte der Ausschreibung. Die Antragstellerin rügte während der Angebotsfrist insgesamt 11 Punkte, von denen die Auftraggeber nach eigenen Angaben sieben abgeholfen haben. Die Antragstellerin sieht einige Rügepunkte, die sie während der Angebotsfrist erhoben hat, als nicht abgeholfen an.
Sie sieht besonders ein ungewöhnliches Wagnis gemäß § 8 Nr. 1 Abs. 3 VOL/A in folgenden Punkten:
- 1.
Zustimmungsvorbehalte der Auftraggeber bei der Kooperation im Verkehrsverbund Bremen/Niedersachsen (VBN)
- 2.
Vertragsstrafe/Schadensersatz und Qualitätsstandards, Verkehrsangebot
- 3.
Kündigungsrecht der Auftraggeber
Sie moniert insbesondere Verstöße gegen allgemeine Grundsätze des Vergaberechts gemäß § 97 GWB in folgenden Punkten:
- 4.
Wiedereinsetzungsgarantie
- 5.
Personenbetriebener Vertrieb der Fahrausweise
- 6.
Tariftreue
Mit Schreiben vom 07.03.2008 informierten die Auftraggeber gemäß § 13 VgV die Antragstellerin, dass sie beabsichtigen, den Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen zu 1 zu erteilen. Ferner teilten Sie der Antragstellerin mit, dass ihr Angebot erheblich teurer sei und bei den angebotenen Mehrqualitäten dahinter liege.
Mit Schriftsatz vom 11.03.2008 rügte die Antragstellerin diese Entscheidung über die beabsichtigte Zuschlagserteilung der Auftraggeber als vergaberechtswidrig. Sie beanstandet, dass das Angebot der Beigeladenen zu 1 gewertet worden ist. Sie weist auch darauf hin, dass an dem Gemeinschaftsunternehmen der Beigeladenen zu 1 zwei kommunale Unternehmen mit insgesamt 36% beteiligt sind, die selbst bereits In-House-Aufträge über Verkehrsleistungen erhalten hätten.
In diesem Punkt sieht sie einen Verstoß gegen die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH).
Im Übrigen führt sie in diesem Schreiben die bereits von ihr gerügten sechs Punkte an.
Nachdem die Auftraggeber mit Schriftsatz vom 18.03.2008 der Antragstellerin mitgeteilt und begründet hatten, dass sie den Rügen nicht abhelfen können, beantragte diese mit Schriftsatz vom 20.03.2008, eingegangen bei der Vergabekammer am selben Tage, die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens.
Sie begründet ihren Nachprüfungsantrag unter Zugrundelegung ihrer Rügeschreiben und führt ferner aus, dass der EuGH mit Urteil vom 03.04.2008, RS C-346/06, entschieden hat, dass die Tariftreueverpflichtung in einem Landesvergabegesetz grundsätzlich nicht mit Art. 49 EG vereinbar ist.
Streitig sind zwischen den Beteiligten folgende Punkte:
1. Kooperation im Verkehrsverbund Bremen/Niedersachsen (VBN)
Ein ungewöhnliches Wagnis gemäß § 8 Nr. 1 Abs. 3 VOL/A sieht die Antragstellerin in der Erforderlichkeit einer Zustimmung der Aufgabenträger zur Festlegung der Einnahmeanteile im Verkehrsverbund Bremen/Niedersachsen. Dies gilt auch für den Vorbehalt im Hinblick auf die Abstimmung über die Veränderung des Durchführungsvertrages zwischen VBN GmbH und ZVBN gemäß Nr. 2.2 der Leistungsbeschreibung. Dieser Zustimmungsvorbehalt sei vergaberechtswidrig, da er die Antragstellerin in der Ausübung ihrer Gesellschafterrechte gegenüber den anderen Bietern benachteilige, die derzeit keine anderen Verkehrsverträge im Verbundgebiet durchführen. Zwar unterscheide der Zustimmungsvorbehalt in Ziffer 2.2. der Leistungsbeschreibung formal nicht zwischen den Bietern, da sie nicht an bieterbezogene Merkmale anknüpfe, jedoch werde sie durch diese Klausel verpflichtet, ihre mitgliedschaftlichen Rechte in der VBN GmbH von der Auffassung der Auftraggeber abhängig zu machen. Die Bindung sei nicht auf die auftragsgegenständlichen Schienenverkehre beschränkt. Nur sie erbringe im VBN-Gebiet andere SPNV-Leistungen auf der Grundlage sog. Netto-Verträge. Anders als im anhängigen Verfahren mit Brutto-Vertrag mit Anreizsystem liege beim Netto-Vertrag das Absatz- und Erlösrisiko vollständig beim EVU. Nur sie würde das Risiko mit ihren Einnahmen aus diesen Verträgen selbst tragen. Dieser Nachteil könne nicht durch das berechtigte Interesse der Auftraggeber auf eine Einflussnahme auf die Tarifgestaltung und Einnahmenverteilung gerechtfertigt werden. Dieses Interesse der Auftraggeber könne nur soweit reichen, wie der ausgeschriebene Brutto-Vertrag das Einnahmerisiko den Auftraggebern zuweist. Im Übrigen würde durch dieser Zustimmungsvorbehalt auch gegen § 97 Abs. 2 GWB in Verbindung mit § 97 Abs. 2 GWB und § 2 Nr. 2 VOL/A verstoßen.
2. Vertragsstrafe/Schadensersatz und Qualitätsstandards, Verkehrsangebot
Die gemäß § 16 des Verkehrsvertrages in Verbindung mit der in Anlage 2 zum Verkehrsvertrag (Qualitätsstandards, Verkehrsangebot) geforderten Bedingungen würden gemäß § 8 Nr. 1 Abs. 3 und § 12 VOL/A verstoßen. Danach behalten sich die Auftraggeber das Recht vor, Abzüge für Schlechtleistungen mit Vertragsstrafen bis zu einer Summe von 14% des jährlichen Grundanspruchs vornehmen zu können. Hier läge ein Verstoß gegen die vergaberechtlichen Grenzen für die Vereinbarung von Vertragsstrafen in § 12 VOL/A vor. Nach dieser Vorschrift sollen Vertragsstrafen nur für die Überschreitung von Ausführungsfristen ausbedungen werden und auch nur dann, wenn die Überschreitung erhebliche Nachteile verursachen kann. Die Strafe ist nach § 12 Satz 2 VOL/A in angemessenen Grenzen zu halten. Umstritten sei, ob daher andere Arten der Nichterfüllung oder der nicht gehörigen Erfüllung überhaupt Vertragsstrafen unterworfen werden dürften. Insbesondere aber verstoße die in § 16 Verkehrsvertrag in Verbindung mit der in Anlage 3 festgelegten Höchstgrenze für Abzüge auf 14% des Grundanspruches gegen den § 12 Abs. 2 VOL/A, wonach die Strafe in angemessenen Grenzen zu halten sei. Die Malusregelung in der Anlage A.3 des Vertrages sehe auch Abzüge für die vorhersehbaren Leistungsabweichungen wie Verspätungen vor. Solche Vertragsstrafen würden das EVU umso mehr benachteiligen, als es z.B. auf Verspätungen keinen Einfluss hat, da ihm Fahr- und Wartezeiten vorgegeben werden.
3. Kündigungsrecht der Auftraggeber
Auch im Kündigungsrecht der Auftraggeber nach § 19 des Verkehrsvertrages sieht die Antragstellerin ein ungewöhnliches Wagnis gemäß § 8 Nr. 1 Abs. 3 VOL/A für die Bieter. Lediglich für die Auftraggeber sei in § 19 Abs. 2 des Verkehrsvertrages eine Reihe von wichtigen Gründen aufgezählt, um ohne nähere Begründung von dem Kündigungsrecht Gebrauch zu machen. Ihrer Auffassung nach müssten dem Vertragspartner aber in gleichem Umfang außerordentliche Kündigungsmöglichkeiten eingeräumt werden.
4. Wiedereinsatzgarantie
In der unterbliebenen Wertung des Verzichts auf die Inanspruchnahme durch die Wiedereinsatzgarantie sieht die Antragstellerin einen Verstoß bei der Durchführung eines transparenten Vergabeverfahrens, des Diskriminierungsverbots und den Gleichbehandlungsgrundsatz in § 97 Abs. 1 und 2 GWB. Zwar war den Bietern ausdrücklich freigestellt, zu erklären, ob sie die Wiedereinsatzgarantie in Anspruch nehmen wollen.
Die Auftraggeber hätten diesen Sachverhalt jedoch nicht bei den Zuschlagkriterien berücksichtigt, obwohl er wirtschaftlich außerordentlich relevant sei.
5. Personenbetriebener Vertrieb der Fahrausweise
In der unterbliebenen Wertung des von ihr angebotenen personenbetriebenen Vertriebs der Fahrausweise sieht die Antragstellerin ebenfalls einen Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot und den Gleichbehandlungsgrundsatz gemäß § 97 Abs. 2 GWB.
6. Tariftreue
Die Verpflichtung zur Abgabe von Erklärungen nach dem Vergabegesetz für das Land Bremen führe zu einer faktischen Ausdehnung der Tariftreuepflicht auf das Land Niedersachsen und stelle einen Verstoß gegen § 97 Abs. 4 zweiter Halbsatz GWB in Verbindung mit § 97 Abs. 2 GWB dar.
Da während des Nachprüfungsverfahrens der EuGH mit Urteil vom 03.04.2008, RS. C-346/06, die Tariftreueverpflichtung des Landes Niedersachsen für grundsätzlich für unvereinbar mit Art. 49 EG erklärt hat, vertritt die Antragstellerin die Auffassung, dass die Bremer Tarifbindung ebenfalls europarechtswidrig ist und damit auch die durch Anlage B 2.1 des Verkehrsvertrages auferlegte Verpflichtung zur Einhaltung der Tariftreue. Den Bietern könnten nicht auf vertraglicher Grundlage Verpflichtungen auferlegt werden, die mit dem EU-Primärrecht unvereinbar seien.
Ferner erklärt sie, dass sie wirtschaftlicher kalkuliert hätte, wenn sie keine Tariftreueerklärung hätte abgeben müssen. Sie hätte Subunternehmer einsetzen können, für die diese Tarifbindung nicht gilt. Sie hätte z.B. auch eine ihrer nicht tarifgebundenen Tochtergesellschaften bei der Kalkulation berücksichtigen können.
7. Zuschlagentscheidung zu Gunsten der Beigeladenen zu 1
Die Antragstellerin geht davon aus, dass die Zuschlagsentscheidung zu Gunsten der Beigeladenen zu 1 vergaberechtswidrig ist, da an dieser Beigeladenen zu insgesamt 36% die kommunalen Stadtwerke ... AG und die Verkehr und Wasser GmbH ... beteiligt sind. Beide Unternehmen seien typische kommunale Querverbundsunternehmen, die im Bedarfsfall von den Kommunen quersubventioniert würden. Die Teilnahme solcher Unternehmen am Wettbewerb sei nicht erst durch In-Kraft-Treten der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007über öffentliche Personenverkehrsdienste auf Schiene und Straße am 03.12.2009 vergaberechtswidrig, sondern bereits vorher. Die hier noch vorliegende Übergangsfrist von 2 Jahren vor Auslaufen des "Inhouse"-Auftrages diene allein dazu, internen Betreibern die Umstellung auf wettbewerbsorientierte Rahmenbedingungen zu erleichtern.
8. Ausschluss der beiden Beigeladenen
Ferner fordert die Antragstellerin den Ausschluss der beiden Beigeladenen, da sie vermutet, diese würden durch die von ihnen angebotenen Triebwagen in wesentlichen Punkten (Fahrzeuglänge, Sitzplatzangebot, Unmöglichkeit des Betriebsablaufs mit der überschlagenden Wende im Bahnhof Vegesack mit den eingesetzten Zügen, Fahrzeuginstandhaltung) von der Leistungsbeschreibung abweichen.
Die Antragstellerin beantragt,
- 1.
gegen die Antragsgegnerin das Nachprüfungsverfahren gemäß §§ 107 ff. GWB einzuleiten,
- 2.
der Antragsgegnerin zu untersagen, den Zuschlag auf das Angebot der ... zu erteilen,
- 3.
die Antragsgegnerin zu verpflichten, die Angebote unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung der Vergabekammer neu zu werten,
- 4.
hilfsweise für den Fall, dass die Vergabekammer die Angebote der Beigeladenen zu 1. und 2. dennoch für wertungs- und zuschlagsfähig hält, den Antragsgegnern dennoch den Zuschlag zu untersagen und der Antragstellerin - wie den anderen Bietern - Gelegenheit zu geben, nach Korrektur der vergaberechtswidrigen Anforderungen der Verdingungsunterlagen erneut ein Angebot abzugeben.
- 5.
der Antragstellerin Einsicht in die Vergabeakten gemäß § 111 GWB zu gewähren,
- 6.
der Antragsgegnerin die Kosten des Nachprüfungsverfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen der Antragstellerin aufzuerlegen,
- 7.
die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten durch die Antragstellerin für notwendig zu erklären.
Die Auftraggeber beantragen,
- 1.
den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen,
- 2.
der Antragstellerin die Akteneinsicht nach § 111 Abs. 2 GWB in die von der Beigeladenen zu 1 ... als geheimhaltungsbedürftig gekennzeichneten Bestandteile ihres Angebotes, in die übrigen eingegangenen Angebote sowie in weitere der Vergabekammer von den Antragsgegnern als geheimhaltungsbedürftig mitgeteilte Bestandteile der Vergabeakte zu verweigern,
- 3.
die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegner für notwendig zu erklären, § 128 Abs. 4 Satz 1 GWB und
- 4.
der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Auslagen der Antragsgegner aufzuerlegen.
Die Auftraggeber treten den Vorwürfen und Rechtsauffassungen der Antragstellerin entgegen. Sie nehmen zu den einzelnen Rügepunkten Stellung und vertreten die Auffassung, dass keiner dieser Rechtsverstöße vorliegt.
1. Kooperation im Verkehrsverbund Bremen/Niedersachsen (VBN)
Die Auftraggeber vertreten die Auffassung, dass die Regelungen hinsichtlich des Zustimmungserfordernisses keinen "Zwang zur Aufgabe sämtlicher Einwirkungsmöglichkeiten auf die Tarifbeförderungs- und Einnahmegestaltung" aufstellen. Im Übrigen habe die Antragstellerin die nunmehr angegriffenen Regelungen in ihrem Angebot auf Seite 16 im Wesentlichen zusammengefasst und ausdrücklich akzeptiert. Soweit die Antragstellerin eine wettbewerbsbeschränkende Verhaltensweise sieht, könne dies nicht zum Gegenstand dieses Nachprüfungsverfahrens gemacht werden, da es sich um eine nachrangige Dienstleistung nach Anhang I Teil B der VOL/A handele. Es könnten somit lediglich Verstöße gegen die §§ 8 a und 28 a VOL/A und gegen die vergaberechtlichen Grundregeln geprüft werden. Außerdem habe sich das Rügeschreiben der Antragstellerin vom 07.07.2007 auf einen anderen Sachverhalt bezogen, den sie durch eine nachhaltige Änderung in den Verdingungsunterlagen abgeholfen haben. Unabhängig davon solle durch die streitgegenständige Regelung erreicht werden, dass die Fahrgeldeinnahmen auch nach den bislang geltenden vertraglichen Modalitäten in der VBN GmbH leistungsgerecht aufgeteilt werden.
Es läge hier auch kein Verstoß gegen § 97 Abs. 2 GWB vor, da die Zustimmungserfordernisse erforderlich seien, um berechtigte finanzielle Interessen der Auftraggeber durchzusetzen. Im Übrigen hätten sie den Rügen abgeholfen.
2. Vertragsstrafe/Schadensersatz und Qualitätsstandards, Verkehrsangebot
Zunächst weisen die Auftraggeber darauf hin, dass es sich bei einem Verstoß gegen § 12 VOL/A sowie gegen die §§ 305, 307 BGB nicht um Vergabevorschriften im Sinne des § 107 Abs. 2 Satz 1 GWB handele. Auch würden die im Teil III Anlage A.0 § 16 geregelten Vertragsstrafen nicht gegen § 12 VOL/A verstoßen. § 16 Abs. 5 Verkehrsvertrag dient der Umsetzung einschlägiger Regelungen des Vergabegesetzes des Landes Bremen. Es sei unerheblich für die Zuschussminderungen, ob die Ursachen dafür vom Auftragnehmer verursacht worden sind oder nicht. Ferner sanktioniere die Vertragsstrafe nach Teil III Anlage A.0 § 16 Abs. 2 nur bestimmte festgelegte Verstöße, § 16 Abs. 3 den verspäteten Betriebsbeginn und § 16 Abs. 5 Verstöße gegen Verpflichtungen aus den §§ 4 , 5 und 8 Abs. 2 des Vergabegesetzes des Landes Bremen. Alle Vertragsstrafen würden nur verwirkt, wenn das Eisenbahnverkehrsunternehmen die mangelnde Einhaltung der vertraglichen Pflichten zu vertreten hätte.
3. Kündigungsrecht der Auftraggeber
Nach Auffassung der Auftraggeber benennt Teil III Anlage A.0 § 19 Abs. 2 Beispiele für wichtige Gründe, die die Auftraggeber zur Kündigung des Verkehrsvertrages berechtigen. Im dritten Absatz des § 19 seien auch beispielhaft entsprechende Gründe für den Auftragnehmer genannt. Soweit den Auftraggebern Kündigungsrechte eingeräumt werden, würden diese jeweils ein Verschulden oder die Verwirklichung von Tatbeständen im sonstigen Einflussbereich des Auftragnehmers voraussetzen.
4. Wiedereinsatzgarantie
In diesem Punkt sei der Nachprüfungsantrag bereits unzulässig, da keines der in die Wertung gelangten Angebote eine Inanspruchnahme der Wiedereinsatzgarantie vorsieht. Ferner sei der Nachprüfungsantrag in diesem Punkt auch unbegründet, da sich die in die Wertung gelangten Angebote hinsichtlich der Wiedereinsatzgarantie nicht voneinander unterscheiden und somit auch keinen Verstoß gegen den Gleichbehandlungs- und Wettbewerbsgrundsatz vorliegt.
5. Personenbetriebener Vertrieb der Fahrausweise
Auch in diesem Punkt sei der Nachprüfungsantrag bereits unzulässig, da die Antragstellerin selbst einen personenbetriebenen Vertrieb nicht angeboten habe, so dass es ausgeschlossen sei, dass ihr durch die in Rede stehende Vorgehensweise ein Schaden entstanden sein kann oder zu entstehen droht. Auch habe die Antragstellerin die angeblich vergaberechtswidrig unterbliebene Wertung entsprechender Vertriebsleistungen erst am 11.03.2008 und damit zu spät gerügt.
Ferner sei der Nachprüfungsantrag in diesem Punkt auch insoweit unbegründet. Eine Diskriminierung könne schon deshalb nicht vorliegen, da die Antragstellerin einen personenbedienten Vertrieb der Fahrausweise nicht angeboten habe. Darüber hinaus gelten die entsprechenden Vorgaben in den Verdingungsunterlagen für alle Bieter in gleicher Weise.
6. Tariftreue
Die Auftraggeber halten den Nachprüfungsantrag auch in diesem Punkt bereits für unzulässig, da die Antragstellerin als tarifgebundenes Unternehmen ohnehin tarifvertraglichen Bindungen auch in Niedersachsen unterliege und der für sie geltende Tarifvertrag eine höheres Entgeltniveau vorsieht als der nach den Vergabeunterlagen für die Tariftreueerklärung vorgegebene Tarifvertrag. Ferner habe die Antragstellerin den angeblichen Rechtsverstoß nicht unverzüglich gerügt, da der Inhalt der Tariftreueverpflichtung bereits aus dem Bieterrundschreiben Nr. 5 vom 09.10.2007 Ziffer 7 hervorgehe und nicht erst aus dem Bieterrundschreiben Nr. 8 vom 08.11.2007 Ziffer 16. Das Rügeschreiben datiere jedoch erst vom 13.11.2007.
Soweit der Nachprüfungsantrag nicht unzulässig ist, sei er aber hinsichtlich der vermuteten faktischen Ausdehnung der Tariftreueverpflichtung auf Niedersachsen auch unbegründet. Das Bremer Vergabegesetz ließe eine Auslegung nicht zu, nach der die Auftragnehmer erklären müssten, dass ihre Beschäftigten auch auf dem Gebiet eines anderen Bundeslandes mindestens das Entgelt erhalten, den sie in Bremen ihren Beschäftigten nach der Tariftreueerklärung zahlen müssen. Im Übrigen weisen die Auftraggeber darauf hin, dass die Antragstellerin als tarifgebundenes Unternehmen seinen Arbeitnehmern ohnehin Löhne und Gehälter über dem Tarifniveau der ETV zahlt.
7. Zuschlagsentscheidung zugunsten der Beigeladenen zu 1 (...)
Die Auftraggeber halten den Nachprüfungsantrag auch in diesem Punkt bereits für unzulässig, da in diesem Punkt kein Rechtschutzbedürfnis der Antragstellerin vorliege. Bei der von ihr zitierten Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 handelt es sich nicht um eine Bestimmung über das Vergabeverfahren gemäß § 97 Abs. 7 GWB, da sie erst am 03.12.2009 in Kraft trete. Insoweit könne sich die Antragstellerin auch nicht auf das angebliche Vorliegen von früheren "In-House-Aufträgen" an Minderheitsgesellschafter der Beigeladenen zu 1 (...) und ein daraus abzuleitendes Wettbewerbsverbot stützen.
Ferner sei der Nachprüfungsantrag in diesem Punkt auch unbegründet, da die Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 die Auftraggeber nicht zum Ausschluss der Beigeladenen zu 1 (...) verpflichten kann, da diese Verordnung erst am 03.12.2009 in Kraft trete. Die Beigeladene zu 1 (...) könne auch nicht wegen des Erhaltes eines "In-House-Auftrages" ausgeschlossen werden. Entsprechende Rückschlüsse ließen sich nicht aus der Rechtsprechung zu den Voraussetzungen eines "In-House-Auftrages" ziehen. Zudem habe der EuGH bereits vor längerer Zeit entschieden, dass öffentliche Auftraggeber zu Vergabeverfahren auch Einrichtungen zulassen dürfen, die von ihnen selbst oder anderen öffentlichen Auftraggebern Zuwendungen erhalten.
8. Ausschluss der beiden Beigeladenen
Soweit die Antragstellerin aufgrund der gewährten eingeschränkten Akteneinsicht davon ausgehe, dass die Angebote der beiden Beigeladenen von der Wertung auszuschließen seien, könne sie diese jedoch nicht zum Gegenstand des Verfahrens machen, da sie ihre Rügen erst 12 Tage nach der Akteneinsicht erhoben habe.
Im Übrigen seien die Forderungen nach Ausschluss der beiden Beigeladenen auch unter Bezugnahme auf deren Angebote und ihrem Vergabevermerk unbegründet.
Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.
Die Beigeladene zu 1 (...) unterstützt den Vortrag der Auftraggeber und vertritt hinsichtlich der Untersagung des Zuschlages die Auffassung, dass der Nachprüfungsantrag bereits unzulässig sei, da die von der Antragstellerin behauptete nachträgliche Überschreitung der Grenzen des In-House-Geschäfts nicht in zulässiger Weise zum Gegenstand dieses Nachprüfungsverfahrens gemacht werden könne.
Soweit der Nachprüfungsantrag nicht unzulässig ist, sei er jedoch unbegründet. Sie unterstützt dabei die Argumentation der Auftraggeber zu ihrer Beteiligung am Wettbewerb nach geltendem Recht und weist zusätzlich darauf hin, dass die Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 unmaßgeblich sei, da die Regelung des Art 5 dieser VO(EG) nach ihrem 1. Absatz nur für Dienstleistungskonzessionen gilt, während alle übrigen Dienstleistungsaufträge der Richtlinie 2004/18/EG (Vergabekoordinierungsrichtlinie - VKR) und den zu ihrer Umsetzung ergangenen Regelungen des nationalen Rechts unterfallen.
Die Vergabekammer hat mit Verfügung des Vorsitzenden vom 14.04.2008 gemäß § 113 Abs. 1 Satz 2 GWB die Frist für die Entscheidung bis zum 15.05.2008 verlängert.
Wegen des übrigen Sachverhaltes wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 25.04.2008 und die Vergabeakte Bezug genommen.
II.
Der Nachprüfungsantrag ist zulässig und begründet, soweit sich die Antragstellerin mit ihrem Nachprüfungsantrag gegen die Verpflichtung zur Einhaltung der Tariftreue auf der Grundlage des Vergabegesetzes für das Land Bremen vom 17. Dezember 2002 (GVBl. S. 594) wendet. Diesbezüglich ist die Antragstellerin in ihren Rechten gemäß §§ 97 Abs. 7, 114 Abs. 1 GWB verletzt. Der geltend gemachte Vergaberechtsverstoß betrifft die Grundlagen des streitbefangenen Vergabeverfahrens sowie die Angebotskalkulation und kann, da die Angebotsfrist verstrichen und die Angebote durch die Auftraggeber geöffnet und ausgewertet wurden, nicht mehr durch einen Wiedereintritt in die Angebotswertung geheilt werden (vgl. OLG Celle, Beschluss v. 02.09.2004, Az.: 13 Verg 11/04). Die Rechtsverletzung kann daher vorliegend nur durch eine Aufhebung des Vergabeverfahrens beseitigt werden (§ 114 Abs. 1 Satz 1 GWB).
Nur im Hinblick auf ein erneutes Vergabeverfahren weist die Vergabekammer darüber hinaus darauf hin, dass der Nachprüfungsantrag hinsichtlich der weiteren, von der Antragstellerin geltend gemachten vermeintlichen Vergabeverstöße teilweise unzulässig und im Übrigen unbegründet ist. Dies gilt insbesondere für die unter Ziffer 2.2 der Leistungsbeschreibung aufgenommenen Zustimmungsvorbehalte bezüglich des Abstimmungsverhaltens des Eisenbahnverkehrsunternehmens (EVU) in der Gesellschafterversammlung der VBN GmbH hinsichtlich der Festlegung der Einnahmeanteile des EVU für die vergebenen Verkehrsleistungen und eine mögliche Änderung des Durchführungsvertrages. Aber auch die von der Antragstellerin angefochtene Vertragsstrafenregelung, das Kündigungsrecht der Auftraggeber, die Nichtberücksichtigung der Verzichts auf die Inanspruchnahme durch die Wiedereinsetzungsgarantie und den personenbetriebenen Vertrieb der Fahrausweise sowie die Berücksichtigung der Angebote der Beigeladenen in der Wertung sind vergaberechtlich nicht zu beanstanden.
1.
Der Nachprüfungsantrag ist teilweise zulässig. Bei der Auftraggeberin zu 2, der Freien und Hansestadt Bremen, ... handelt es sich um eine Gebietskörperschaft und somit um einen öffentlichen Auftraggeber im Sinne des § 98 Nr. 1 GWB. Bei der Auftraggeberin zu 1, ..., handelt es sich um die zentrale Stelle des Landes Niedersachsen für den Öffentlichen Personennahverkehr gemäß § 8 des Niedersächsischen Gesetzes zur Neuordnung des Öffentlichen Personennahverkehrs (NNVG) v. 28.06.1995 (Nds. GVBl. S. 180). Das Land Niedersachsen hat die ..., deren Anteile zu 100% vom Land gehalten werden, gemäß § 8 Abs. 1 NNVG zur zentralen Stelle für den Öffentlichen Personannahverkehr bestimmt und ihr die Wahrnehmung der Aufgaben nach § 2 Abs. 2 in Verbindung mit § 4 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 5, § 5 Abs. 2, § 6 Abs. 6 und § 7 mit ihrem Einverständnis übertragen. Gemäß § 8 Abs. 4 NNVG unterliegt die ... als zentrale Stelle für den Öffentlichen Personennahverkehr - ungeachtet ihrer gesellschaftsrechtlichen Selbständigkeit - bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben der Fachaufsicht des für den Öffentlichen Personennahverkehr zuständigen Ministeriums, somit dem Niedersächsischen Ministerium .... Das Land Niedersachsen nimmt die ihm als Träger des öffentlichen Schienenpersonennahverkehrs gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 1 NNVG obliegenden Aufgaben ausschließlich durch oder über die eigens dafür gegründete ... wahr. Bei der Auftraggeberin zu 1 handelt es sich somit um einen öffentlichen Auftraggeber im Sinne des § 98 Nr. 2 GWB.
Die angerufene Vergabekammer beim Niedersächsischen Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr, Regierungsvertretung Lüneburg, ist für die Nachprüfung des vorliegenden länderübergreifenden Vergabeverfahrens auch örtlich zuständig. Zwar trifft der die Zuständigkeit der Vergabekammern regelnde § 18 VgV für die Fälle, in denen ein Vergabeverfahren für mehrere Auftraggeber durchgeführt wird, die ihren Sitz in unterschiedlichen Bundesländern haben (vorrangig gerade bei der Vergabe von SPNV-Leistungen anzutreffen) keine ausdrückliche Zuständigkeitsregelung (vgl. Kadenbach in: Willenbruch/Bischoff, Vergaberecht, § 18 VgV, Rdnr. 15). Gemäß § 18 Nr. 7 VgV ist lediglich geregelt, dass dann, wenn in entsprechender Anwendung der die Abgrenzung der Zuständigkeiten der Vergabekammern des Bundes und der Länder regelnden Absätze 1 bis 5 ein Auftraggeber einem Land zuzuordnen ist, die Vergabekammer des jeweiligen Landes zuständig ist. § 18 Abs. 8 VgV regelt schließlich, dass in allen anderen Fällen die Zuständigkeit der Vergabekammern nach dem Sitz des Auftraggebers bestimmt wird, was ebenfalls die Frage der Zuständigkeit bei länderübergreifenden Vergabeverfahren mit mehreren Auftraggebern offen lässt. Die Vergabekammer vertritt daher weiterhin die Auffassung, dass es in diesen Fällen für die Abgrenzung der Zuständigkeiten darauf ankommt, in wessen Zuständigkeitsbereich das überwiegende Schwergewicht der ausgeschriebenen Maßnahme liegt (vgl. VK Düsseldorf, Beschluss vom 18.04.2002, Az.: VK-5/2002-L; VK Schleswig-Holstein, Beschluss vom 10.01.2006, Az.: VK-SH 30/05; VK Lüneburg, Beschluss vom 20.09.2004, Az.: 203-VgK 46/2004). Der überwiegende Teil der hier ausgeschriebenen 4,7 Mio. Zugkilometer pro Jahr liegt unstreitig auf niedersächsischem Gebiet. Zudem haben die Auftraggeber in ihrer europaweiten Bekanntmachung vom 26.06.2007 unter Ziffer 6.3 die Auftraggeberin zu 1 ausdrücklich als federführend für das Vergabeverfahren und unter VI 4.1 als zuständige Stelle für Nachprüfungsverfahren ausschließlich die Vergabekammer Lüneburg benannt.
Der streitbefangene Auftrag übersteigt auch den für die Zuständigkeit der Vergabekammer maßgeblichen Schwellenwert gemäß § 100 Abs. 1 GWB. Danach gilt der 4. Teil des GWB nur für solche Aufträge, die die Schwellenwerte erreichen oder überschreiten, die durch Rechtsverordnung nach § 127 GWB festgelegt sind. Bei den ausgeschriebenen Leistungen handelt es sich um einen Dienstleistungsauftrag gemäß §§ 1, 1 a Nr. 2 Abs. 2 VOL/A der Kategorie 18 (Eisenbahnen) des Anhangs I B zur VOL/A. Ausgeschrieben ist die Erbringung von Eisenbahnverkehrsleistungen im teilweise länderübergreifenden öffentlichen Schienenpersonennahverkehr auf den Linien Farge-Bremen-Verden, Bremerhaven-Bremen-Twistringen, Oldenburg-Bremen und Nordenham-Bremen sowie zwei Optionen zur Taktverdichtung Vegesack-Bremen und zur Verlängerung Oldenburg-Bad Zwischenahn mit einem Umfang von 4,7 Mio. Zugkilometern pro Jahr über eine Vertragslaufzeit von 11 bzw. 10 Jahren. Der Wert des streitbefangenen Auftrags beträgt ausweislich der Dokumentation in der Vergabeakte bereits unter Zugrundelegung der Basisangebote (ohne die Kosten für die Eventualpositionen) über .... Der Wert des Auftrags übersteigt damit deutlich den für Dienstleistungsaufträge im Verkehrsbereich maßgeblichen Schwellenwert von 422.000 EUR gemäß § 2 Nr. 1 VgV.
Auch die Vergabe derartiger, sog. nachrangiger Leistungen gemäß Anhang I B zur VOL/A (2. Abschnitt) unterliegt entgegen der Auffassung der Auftraggeber im vollen Umfang dem vergaberechtlichen Primärrechtsschutz vor der Vergabekammer und dem Vergabesenat (vgl. OLG Dresden, Beschl. v. 24.01.2008, Az.; WVerg 10/07). Gemäß § 1 a Nr. 2 Abs. 2 VOL/A sind neben den §§ 8 a, 28 a VOL/A ausdrücklich auch die Basisparagraphen bei derartigen Leistungen gemäß Anhang I B anzuwenden. Deren Einhaltung kann daher von den Nachprüfungsinstanzen uneingeschränkt überprüft werden.
Die Antragstellerin ist hinsichtlich der von ihr geltend gemachten Vergaberechtsverstöße nur teilweise antragsbefugt gemäß § 107 Abs. 2 GWB. Antragsbefugt ist danach jedes Unternehmen, das ein Interesse am Auftrag hat und eine Verletzung in seinen Rechten nach § 97 Abs. 7 GWB durch Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend macht. Die Antragstellerin hat als Bieterin ein Interesse am Auftrag. Sie kann aber nicht hinsichtlich aller von ihr im Rahmen des Nachprüfungsverfahrens behaupteten Vergaberechtsverstöße eine Verletzung von Rechten durch Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend machen. Voraussetzung für die Antragsbefugnis gemäß § 107 Abs. 2 GWB ist, dass das antragstellende Unternehmen einen durch die behauptete Rechtsverletzung entstandenen oder drohenden Schaden darlegt. Das bedeutet, dass die Antragstellerin diejenigen Umstände aufzeigen muss, aus denen sich schlüssig die Möglichkeit eines solchen Schadens ergibt (vgl. Boesen, Vergaberecht, § 107, Rdnr. 52).
Entgegen der Auffassung der Auftraggeber hat die Antragstellerin insbesondere auch ein entsprechendes Rechtschutzbedürfnis dargelegt, soweit sie sich gegen die mit den Verdingungsunterlagen auferlegte Verpflichtung zur Einhaltung der Tariftreue auf der Grundlage des Vergabegesetzes für das Land Bremen vom 17. Dezember 2002 (GVBl. S. 594) wendet.
Eine für die Antragsbefugnis erforderliche mögliche Rechtsverletzung ist vorliegend nicht allein deswegen ausgeschlossen, weil die Antragstellerin als tarifgebundenes Unternehmen durch die streitbefangene Tariftreueregelung nach dem Willen des Landesgesetzgebers gerade geschützt werden soll. Denn gemäß § 1 Satz 1 des Vergabegesetzes für das Land Bremen vom 17. Dezember 2002 wirkt das Gesetz ausdrücklich Wettbewerbsverzerrungen entgegen, die auf dem Gebiet des Bauwesens und des Öffentlichen Personennahverkehrs durch den Einsatz von Niedriglohnkräften entstehen. Zu diesem Zweck bestimmt das Gesetz, dass öffentliche Auftraggeber Aufträge über Baumaßnahmen und im Öffentlichen Personennahverkehr nur an Unternehmen vergeben dürfen, die das in Tarifverträgen vereinbarte Arbeitsentgelt am Ort der Leistungserbringung zahlen. Zu Recht weisen die Auftraggeber zudem darauf hin, dass der von ihnen den Bietern vorgegebene Tarifvertrag für die Bediensteten der nicht bundeseigenen Eisenbahnen und von Kraftverkehrsbetrieben (ETV) ein Lohn- und Gehaltsniveau vorsieht, das deutlich unter den für die Antragstellerin geltenden Tarifverträgen liegt. Dies ist unstrittig. Richtig ist auch, dass das OLG Celle mit Beschluss vom 02.09.2004, Az.: 13 Verg 11/04, seinerzeit in einem anderen Vergabeverfahren der Auftraggeberin zu 1 im Bereich des Schienenpersonennahverkehrs der Antragstellerin aus eben diesem Grunde die Antragsbefugnis abgesprochen hat, soweit sie sich mit ihrem Nachprüfungsantrag und ihrer sofortigen Beschwerde gegen die Auferlegung der Tariftreuepflicht gewendet hatte. Dazu heißt es in dem von den Auftraggebern zitierten Beschluss:
"Unabhängig von der Frage, ob die Forderung einer Tariftreuerklärung gegen Vergabebestimmungen im Sinne des § 97 Abs. 7 GWB verstößt, hat die Antragstellerin mit ihrer Rüge schon deshalb keinen Erfolg, weil sie nicht hinreichend dargelegt hat, dass ihr durch die behauptete Verletzung der Vergabevorschriften ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht (§ 107 Abs. 2 Satz 2 GWB)."
Das OLG Düsseldorf hat mit Beschluss vom 06.12.2004, Az.: VII Verg 79/04, einer Tochtergesellschaft der Antragstellerin die Antragsbefugnis mit folgender Begründung abgesprochen:
"Die Antragstellerin hat nicht zu beanstanden, dass die Antragsgegner in den Verdingungsunterlagen von den Bietern überhaupt eine Tariftreueerklärung gefordert haben. Die Antragstellerin kann dadurch in ihren Bieterrechten nicht verletzt worden sein. Sie ist deswegen nicht antragsbefugt im Sinne von § 107 Abs. 2 Satz 1 GWB. Denn der Zweck der auf das Tariftreuegesetz (TariftG) NRW gestützten Forderungen der Antragsgegner nach Abgabe einer dahin gehenden Erklärung durch die Bieter lag in der Absicht begründet, tarifgebundene Bieter vor den Angeboten solcher Bieter zu schützen, die durch Tarifverträge nicht gebunden und deshalb häufig in der Lage sind, deren Angebote zu unterbieten. Dies entspricht auch dem Schutzzweck des TariftG ... Die Antragstellerin unterfällt dem mit der Forderung einer Tariftreueerklärung bezweckten Schutz, da sie nach eigenem Vortrag tarifgebunden ist. Aus diesem Grund - und zwar weil die Antragstellerin dadurch allein begünstigt worden ist - kommt es im Streitfall auch nicht darauf an, ob die Forderung einer Tariftreueerklärung gegen den Grundsatz der Dienstleistungsfreiheit in Art. 49 EG ... verstößt."
Im Unterschied zum vorliegenden Fall hatten sich die Antragsteller in den den zitierten Beschlüssen des OLG Celle und des OLG Düsseldorf zugrunde liegenden Verfahren allerdings offenbar nicht auf die Möglichkeit eines partiellen Einsatzes von nicht tarifgebundenen Subunternehmen berufen.
Die Antragstellerin hat im vorliegenden Fall schlüssig vorgetragen, dass sie bei aus ihrer Sicht vergaberechtskonformer Gestaltung der Verdingungsunterlagen ohne Verpflichtung zur Einhaltung einer Tariftreue durch den partiellen Einsatz von externen, nicht tarifgebundenen Nachunternehmern sowie insbesondere dem aus der ... ausgegründeten Tochterunternehmen ... GmbH in der Lage gewesen wäre, ein preislich niedrigeres und daher konkurrenzfähigeres Angebot zu kalkulieren und damit eine bessere Chance auf den Zuschlag gehabt hätte. Im Hinblick auf die vermeintliche Rechtswidrigkeit der Tariftreueregelung hat sie auf die aktuelle Entscheidung des EuGH vom 03.04.2008 in der Rechtssache C-346/06 verwiesen. Der diesbezügliche Vortrag der Antragstellerin genügt den Anforderungen an eine Darlegung der Antragsbefugnis gemäß § 107 Abs. 2 GWB. Die diesbezüglichen Anforderungen an die Darlegungslast dürfen nicht überspannt werden (vgl. Byok/Jaeger, Vergaberecht, 2. Auflage, § 107 GWB, Rdnr. 954). Die Frage, ob die Forderung einer Tariftreueerklärung auf der Grundlage der zitierten aktuellen Entscheidung des EuGH tatsächlich vergaberechtswidrig ist und ob die Antragstellerin eine daraus resultierende Rechtsverletzung und einen eigenen Schaden geltend machen kann, bleibt der Prüfung der Begründetheit des Nachprüfungsantrags vorbehalten (vgl. OLG Celle, Beschluss v. 24.11.1999, Az.: 13 Verg 7/99) und ist dort zu erörtern und zu entscheiden (dazu unten unter II.).
Ebenso genügt die Darlegung der Antragsbefugnis den Anforderungen des § 107 Abs. 2 GWB, soweit sich die Antragstellerin gegen den Zustimmungsvorbehalt der Auftraggeber bezüglich des Abstimmungsverhaltens des Eisenbahnverkehrsunternehmens (EVU) in der Verkehrsverbund Bremen/Niedersachsen (VBN) GmbH im Hinblick auf die Einnahmenverteilung und eine etwaige Änderung des Durchführungsvertrages zwischen der VBN GmbH und dem Zweckverband VBN, die Vertragsstrafenregelungen gemäß § 16 des mit den Verdingungsunterlagen vorgegebenen Verkehrsvertrages, das in § 19 des Verkehrsvertrages geregelte Kündigungsrecht der Auftraggeber und die Nichtberücksichtigung des Verzichts der Antragstellerin auf eine Inanspruchnahme der Wiedereinsatzgarantie im Rahmen der Angebotswertung und die Berücksichtigung der Angebote der Beigeladenen wendet.
Dagegen ist die Antragstellerin nicht antragsbefugt, soweit sie sich mit ihrem Nachprüfungsantrag gegen eine Nichtberücksichtigung eines personenbetriebenen Vertriebes der Fahrausweise im Rahmen der Angebotswertung wendet. Da die Antragstellerin ausweislich ihres der Vergabekammer mit den Vergabeakten vorliegenden Angebotes und auch im Übrigen unstreitig selbst einen personenbetriebenen Vertrieb gar nicht angeboten hat, kann ihr durch die Nichtberücksichtigung eines derartigen Wertungskriteriums weder ein Schaden entstanden sein noch drohen.
Die Antragstellerin ist - mit Ausnahme ihres Vortrags zur Nichtberücksichtigung eines personenbedienten Vertriebes der Fahrausweise - auch ihrer Pflicht gemäß § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB nachgekommen, vor Anrufung der Vergabekammer die behaupteten Verstöße gegen die Vergabevorschriften bereits im Vergabeverfahren selbst gegenüber der Auftraggeberin unverzüglich zu rügen. Bei der Vorschrift des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB handelt es sich um eine Präklusionsregel unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben. Der Bieter soll Vergabefehler nicht auf Vorrat sammeln. Die Rügepflicht des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB entsteht, sobald und soweit ein Bieter oder Bewerber im Vergabeverfahren einen vermeintlichen Fehler erkennt. Vorausgesetzt ist die positive Kenntnis des Anbieters von den Tatsachen. Ausreichend für die positive Kenntnis eines Mangels im Sinne des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB ist bereits das Wissen um einen Sachverhalt, der den Schluss auf die Verletzung vergaberechtlicher Bestimmungen erlaubt und es bei vernünftiger Betrachtung gerechtfertigt erscheinen lässt, das Vergabeverfahren als fehlerhaft zu beanstanden (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 22.08.2202, Az.: Verg 9/02). Die Frage, ob eine Rüge noch unverzüglich nach positiver Kenntniserlangung erfolgt, hängt vom Einzelfall ab. Nach der Rechtsprechung muss die Rüge angesichts der kurzen Fristen, die im Vergaberecht allgemein gelten, grundsätzlich binnen 1 bis 3 Tagen erfolgen (vgl. OLG Koblenz, Beschluss vom 18.09.2003, Az.: 1 Verg 4/03; Bechtold, GWB, § 107, Rdnr. 2). Auch bei einer ggf. notwendigen Hinzuziehung eines Rechtsanwalts erfüllt ein Rügezeitraum von mehr als einer Woche das Zeitkriterium des § 107 Abs. 3 GWB regelmäßig nicht (vgl. OLG Dresden, Beschluss vom 11.09.2006, Az.: WVerg 13/06). Eine Rügefrist von zwei Wochen, die in der Rechtsprechung als Obergrenze anerkannt wird (vgl. OLG Düsseldorf, NZBau 2000, Seite 45 ff. [OLG Düsseldorf 13.04.1999 - Verg 1/99]), kann einem Bieterunternehmen allenfalls dann zugestanden werden, wenn eine verständliche Abfassung der Rüge durch eine schwierige Sach- und/oder Rechtslage erschwert wird und die Inanspruchnahme fachkundiger Hilfe erfordert.
Unter Zugrundelegung dieses zutreffenden Maßstabes hat die Antragstellerin die von ihr im Vergabeverfahren erkannten vermeintlichen Vergaberechtsverstöße überwiegend rechtzeitig gerügt. Die Antragstellerin hat noch während der Angebotsfrist mit Schreiben vom 07.07.2007 und 04.09.2007 insgesamt 11 Bestimmungen der Vergabeunterlagen unverzüglich gerügt, nachdem sie beim Bearbeiten der Ausschreibungsunterlagen Kenntnis von den beanstandeten Regelungen erlangt und diese rechtlich geprüft hat. Diese Rügen betrafen u.a. die im Nachprüfungsverfahren geltend gemachten vermeintlichen Vergaberechtsverletzungen hinsichtlich des Zustimmungsvorbehaltes bezüglich der Kooperation im Verkehrsverbund VBN. Dabei hat sich die Antragstellerin ausdrücklich und ausführlich gegen die Bestimmung gemäß Seite 3, Ziffer 2.2, der Leistungsbeschreibung gewandt, dass das EVU als Gesellschafter im VBN sein Stimmrecht zur Festlegung der Einnahmeanteile für die vergebenen Verkehrsleistungen nur nach vorheriger Zustimmung durch die Aufgabenträger ausüben darf. Ebenso hat sich die Antragstellerin dagegen gewandt, dass sie vor Stimmabgabe in Bezug auf geplante Änderungen des Gesellschaftsvertrages der VBN GmbH, des Rahmen- und Durchführungsvertrages zwischen der VBN und dem Zweckverband (ZVBN) die Zustimmung der Auftraggeber einholen muss. Dabei hat die Antragstellerin dargelegt, warum sie diese Bestimmungsvorbehalte als Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot gemäß § 97 Abs. 2 GWB, als ungewöhnliches Wagnis gemäß § 8 Nr. 1 Abs. 3 VOL/A und als wettbewerbswidrig gemäß § 1 GWB in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Nr. 2 VOL/A ansieht. Ebenfalls bereits mit Rügeschreiben vom 07.07.2007 rügte sie die Vertragsstrafenregelungen gemäß § 16 des Verkehrsvertrages als ungewöhnliches Wagnis gemäß § 8 Nr. 1 Abs. 3 VOL/A und ebenfalls als ungewöhnliches Wagnis die Kündigungsregelungen gemäß § 19 des Verkehrsvertrages. Mit weiteren Rügeschreiben vom 08.11.2007 und 13.11.2007 nahm die Antragstellerin auf verschiedene Antwortschreiben der Auftraggeber und mehrere der insgesamt 12 von den Auftraggebern herausgegebenen Bieterrundschreiben Bezug und vertiefte ihre bisherigen Rügen.
Dabei rügte sie mit Schreiben vom 13.11.2007 erstmalig die durch Bieterinformation Nr. 5 vom 09.10.2007 und Bieterinformation Nr. 8 vom 08.11.2007 von den Auftraggebern konkretisierte Reichweite der Tariftreueregelung auf der Grundlage des Vergabegesetzes des Landes Bremen. Die Antragstellerin wandte sich ausdrücklich dagegen, dass die Verpflichtung zur Tariftreue auch für Beschäftigte gilt, die Leistungen sowohl auf dem Gebiet des Landes Bremen als auch auf dem Gebiet des Landes Niedersachsen erbringen, auch wenn diese Verpflichtung laut Bieterinformation Nr. 5 ausdrücklich nur im Außenverhältnis zum Land Bremen gelten solle. Damit werde die Tariftreueverpflichtung des Landes Bremen faktisch auf das Land Niedersachsen übertragen, ohne dass insofern die Vorgaben des § 97 Abs. 4 2. Halbsatz GWB erfüllt werden. Es gebe keine arbeitsrechtlich legitimen Möglichkeiten, in Bezug auf den Leistungsort tariflich zu differenzieren. Ein "Wechsel" des Personals an den Landesgrenzen sei unpraktikabel. Auch diese Rüge erfolgte innerhalb von nur 4 Tagen nach Erhalt der endgültigen Erläuterung der Auftraggeber durch die Bieterinformation Nr. 8 vom 08.11.2007 und damit unverzüglich im Sinne des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB.
Aber auch, soweit sich die Antragstellerin erst nach Stellung des Nachprüfungsantrags und den Reaktionen auf das zwischenzeitlich ergangene Urteil des EuGH vom 03.04.2008 in der Rechtssache C-346/06 erstmalig gegen die Auferlegung einer Tariftreuepflicht "an sich" gewendet hat, erfolgte diese Rüge unverzüglich in entsprechender Anwendung des § 107 Abs. 3 Satz 2 GWB. Noch mit Schriftsatz vom 3. April 2008, also am Tag der Bekanntmachung des Urteils vom gleichen Tage, erweiterte die Antragstellerin ihre mit Schreiben vom 13.11.2007 erfolgte Rüge der vertraglichen Verpflichtung zur Tariftreue. Damit hat sie den von der Rechtsprechung in entsprechender Anwendung des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB aufgestellten Anforderungen an die Geltendmachung von erstmalig im Nachprüfungsverfahren bekannt gewordenen vermeintlichen Vergaberechtsverstößen Rechnung getragen. Einer darüber hinaus gehenden, weiteren Rüge gegenüber den Auftraggebern außerhalb des Nachprüfungsverfahrens bedurfte es nicht (vgl. OLG Celle, Beschlüsse vom 10.01.2008, Az.: 13 Verg 11/07 und vom 08.03.2007, Az.: 13 Verg 2/07).
Der Antragstellerin kann auch nicht entgegengehalten werden, dass sie die Tariftreueverpflichtung "an sich" nicht schon zuvor und unabhängig von der Entscheidung des EuGH vom 03.04.2008 und ggf. "vorsorglich" gerügt hat. Vielmehr konnte die Antragstellerin - wie alle anderen Beteiligten des Vergabeverfahrens auch - trotz der Anhängigkeit beim EuGH angesichts der bestätigenden Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 11.07.2006, Az.: 1 BvL 4/00, zur Tariftreueregelung des Berliner Vergabegesetzes (VgG-Be) vom 09.07.1999 und insbesondere auch aufgrund der Schlussanträge des Generalanwalts vom 20. September 2007 in dem der Entscheidung des EuGH zugrunde liegenden Verfahren in der Rechtssache C-346/06 bis zur anders lautenden Entscheidung des EuGH vom 03.04.2008 davon ausgehen, dass die Tariftreueregelungen der Vergabegesetze der Länder eben nicht nur verfassungsgemäß, sondern auch europarechtskonform sind. Der Generalanwalt hatte im Ergebnis unter Nr. 136 seiner Schlussanträge dem EuGH vorgeschlagen, die vom OLG Celle vorgelegte Vorabentscheidungsfrage dahin gehend zu beantworten, dass die Tariftreueregelungen des Niedersächsischen Landesvergabegesetzes der Entsenderichtlinie 96/71/EG vom 16. Dezember 1996 und Art. 49 EG nicht entgegenstehen. Für eine Rüge im Vorfeld der Entscheidung des EuGH bestand daher kein Anlass.
Noch unverzüglich nach Erhalt der Information gemäß § 13 VgV vom 07.03.2008 über den bevorstehenden Zuschlag an die Beigeladene zu 1 hat die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 11.03.2008 die Teilnahme der Beigeladenen zu 1 und die Wertung ihres Angebotes gerügt.
Zu spät gerügt - weil erst fast 6 Monate nach Erhalt des aufklärenden Bieterrundschreibens Nr. 4 vom 21.09.2007 am 11.03.2008 erklärt - hat die Antragstellerin lediglich die von ihr beanstandete unterbliebene Wertung des personenbetriebenen Vertriebs der Fahrausweise. Diesbezüglich ist der Nachprüfungsantrag allerdings bereits, wie oben dargelegt, ohnehin mangels Antragsbefugnis unzulässig.
2.
Der Nachprüfungsantrag ist begründet, soweit sich die Antragstellerin mit ihrem Nachprüfungsantrag gegen die Verpflichtung zur Einhaltung der Tariftreue auf der Grundlage des Vergabegesetzes für das Land Bremen vom 17.02.2002 (GVBl. S. 594) wendet. Die Auferlegung der Tariftreuepflicht ist vergaberechtswidrig, da sie unter Berücksichtigung des zwischenzeitig ergangenen Urteils des EuGH vom 03.04.2008 in der Rechtssache C-346/06 nicht mit der durch Art.49 EG-Vertrag (EGV) gewährleisteten Dienstleistungsfreiheit vereinbar ist. Dies wiederum folgt daraus, dass die nach § 4 des Vergabegesetzes für das Land Bremen geforderte Verpflichtung der Bieterunternehmen, ihren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern bei der Ausführung der Leistungen mindestens das am Ort der Ausführung tarifvertraglich vorgesehene Entgelt zum tarifvertraglich vorgesehenen Zeitpunkt zu zahlen - ebenso wie die entsprechenden Vorschriften in dem der Entscheidung des EuGH zu Grunde liegenden Niedersächsischen Landesvergabegesetzes (LVergabeG) - nicht den Vorgaben der Richtlinie 96/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.12.1996 über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen (Abl.1997, L 18, S. 1) (im Folgenden: Entsenderichtlinie) entspricht. Diese lässt gem. ihres Art.3 nur die Einforderung solcher Mindestlohnsätze zu, die durch Rechts- oder Verwaltungsvorschriften und/oder durch für allgemein verbindlich erklärte Tarifverträge oder Schiedssprüche festgelegt sind, wobei letztere Alternative ausdrücklich nur für die im Anhang der Entsenderichtlinie genannten Tätigkeiten im Baubereich gilt. Für alle anderen Dienstleistungen und damit auch für die hier streitbefangenen Dienstleistungen im Bereich des SPNV ist daher nach der Entscheidung des EuGH eine gesetzliche Bindung der Bieterunternehmen nur an solche (branchenspezifische) Mindestlohnsätze möglich, die durch Rechts- oder Verwaltungsvorschriften festgelegt sind. Um einen solchen Mindestlohnsatz handelt es sich bei dem hier von den Auftraggebern vorgegebenen Tarifvertrag für die Bediensteten der nicht bundeseigenen Eisenbahnen und von Kraftverkehrsbetrieben (ETV) nicht. Die Antragstellerin ist durch die Auferlegung der Tariftreuepflicht in ihren Rechten gem. §§ 97 Abs. 7, 114 Abs. 1 GWB verletzt, soweit sie sich darauf beruft, sie wäre ohne Auferlegung einer solchen Tariftreuepflicht in der Lage gewesen, durch den Einsatz nicht tarifgebundener Nachunternehmer und namentlich auch einer eigenen, nicht tarifgebundenen Konzerntochter (... GmbH) ein kostengünstigeres und damit konkurrenzfähigeres Angebot abzugeben, so dass sie eine bessere Chance auf Erhalt des Zuschlages gehabt hätte. Dieser von der Antragstellerin geltend gemachte Rechtsverstoß betrifft die Grundlagen des streitbefangenen Vergabeverfahrens sowie die Angebotskalkulation und kann, da die Angebotsfrist verstrichen und die Angebote durch die Auftraggeber geöffnet und ausgewertet wurden, nicht mehr durch einen Wiedereintritt in die Angebotswertung geheilt werden (vgl. OLG Celle, Beschluss v.02.09.2004, Az.: 13 Verg 11/04). Die Rechtsverletzung kann daher vorliegend nur durch eine Aufhebung des Vergabeverfahrens beseitigt werden (§ 114 Abs. 1, Satz 1 GWB) (im Folgenden a).
Nur im Hinblick auf das dadurch erforderliche erneute Vergabeverfahren weist die Vergabekammer darauf hin, dass der Nachprüfungsantrag hinsichtlich der weiteren, von der Antragstellerin geltend gemachten vermeintlichen Vergabeverstöße unbegründet ist. Dies gilt insbesondere für die von der Antragstellerin angefochtenen Zustimmungsvorbehalte zu Gunsten der Auftraggeber gem. Ziff. 2.2 der Leistungsbeschreibung hinsichtlich des Abstimmungsverhaltens des Eisenbahnverkehrsunternehmens (EVU) in der Gesellschafterversammlung der VBN GmbH (im Folgenden b). Dies gilt aber auch für die von der Antragstellerin angefochtene Vertragsstrafenregelung, das Kündigungsrecht der Auftraggeber, die Nichtberücksichtigung des Verzichts auf die Inanspruchnahme durch die Wiedereinsetzungsgarantie und die Berücksichtigung der Angebote der Beigeladenen in der Wertung (im Folgenden c).
a)
Die den Bietern mit den Vergabeunterlagen auferlegte Tariftreuebindung an den Tarifvertrag für die Bediensteten der nichtbundeseigenen Eisenbahnen und Kraftverkehrsbetriebe (ETV) auf der Grundlage des Vergabegesetzes für das Land Bremen vom 17.12.2002 (GVBl. S. 594) ist vergaberechtswidrig und verletzt die Antragstellerin in ihren Rechten i. S. des § 97 Abs. 7 GWB. Zwar ist die Tariftreueverpflichtung formalrechtlich wirksam auf der Grundlage eines gültigen Landesgesetzes i.S.d. § 97 Abs. 4 GWB festgelegt worden. Denn nach dieser Vorschrift können andere oder weitergehende Anforderungen an Auftragnehmer als Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit nur gestellt werden, wenn dies durch Bundes- oder Landesgesetz vorgesehen ist. Um ein eben solches Gesetz handelt es sich bei dem Vergabegesetz für das Land Bremen.
Die Tariftreueregelungen dieses Vergabegesetzes verstoßen jedoch unter Berücksichtigung der aktuellen Rechtsprechung des EuGH materiellrechtlich gegen Gemeinschaftsrecht. Der EuGH hat zwischenzeitig mit Urteil vom 03.04.2008 - RS.C-346/06 - auf Grund einer Vorlage des Oberlandesgerichtes Celle zur Vorabentscheidung gem. Art. 234 EG-Vertrag (dortiger Beschluss vom 03.08.2006, Az.: 13 U 72/06; VergabeR 2006, S. 756; NZBau 2006, S. 660) entschieden, dass die im niedersächsischen Landesvergabegesetz (LVergabeG) festgelegten Regelungen zur Auferlegung und Einhaltung von Tariftreuepflichten im Rahmen von öffentlichen Aufträgen nicht mit den Bestimmungen der Gemeinschaftsrichtlinie über die Entsendung von Arbeitnehmern - 96/71/EG - und damit auch nicht mit dem durch Art. 49 EG-Vertrag geregelten Verbot der Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs vereinbar sind. In dem der Entscheidung des EuGH zu Grunde liegenden Fall hatte das klagende Land Niedersachsen auf der Grundlage des Landesvergabegesetzes für den Fall eines Verstoßes gegen die Tariftreue mit einem zwischenzeitlich insolvent gewordenen Auftragnehmer eine entsprechende Vertragsstrafe vereinbart. Der Auftragnehmer setzte ein polnisches Unternehmen als Nachunternehmer ein, der seinen auf der Baustelle eingesetzten Arbeitnehmern nur 46,57% des gesetzlich vorgeschriebenen Mindestlohn zahlte. Gegen das Vertragsstrafenverlangen des Landes wendete sich der Insolvenzverwalter des Auftragnehmers mit der Argumentation, dass das Niedersächsische Landesvergabegesetz gegen Europarecht verstoße. Das Oberlandesgericht Celle hat daraufhin dem EuGH die Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt, ob es eine nicht gerechtfertigte Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit gem. Art. 49 EG-Vertrag darstellt, wenn dem öffentlichen Auftraggeber durch ein Gesetz aufgegeben wird, Aufträge für Bauleistungen nur an solche Unternehmer zu vergeben, die sich bei der Angebotsabgabe schriftlich verpflichten, ihren Arbeitnehmern bei der Ausführung dieser Leistungen mindestens das am Ort der Ausführung tarifvertraglich vorgesehene Entgelt zu bezahlen.
Der EuGH hat die aus den Gründen des Vorlagebeschlusses ersichtlichen Bedenken in seinem Urteil vom 03.04.2008 bestätigt. Die Unvereinbarkeit der Tariftreueregelungen mit der durch Art. 49 EG-Vertrag gewährleisteten Leistungsfreiheit hat er wie folgt begründet:
- (1)
Unter Bezugnahme auf Art. 3 ("Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen") der Richtlinie 96/71/EG (Entsenderichtlinie) hat er seine Entscheidung im Wesentlichen damit begründet, dass der im Ausgangsfall vom Auftraggeber mit den Verdingungsunterlagen vorgegebene Baugewerbe-Tarifvertrag nicht für allgemein verbindlich erklärt worden ist. Ein im "jeweiligen geografischen Bereich" nicht flächendeckend geltender Tarifvertrag könne dann aber auch nicht durch öffentliche Auftraggeber im Rahmen von Ausschreibungen den Bieterunternehmen aus anderen Herkunftsmitgliedsstaaten zur Bedingung gemacht werden.
- (2)
Eine solche Maßnahme sei auch nicht durch das Ziel des Arbeitnehmerschutzes gerechtfertigt. Dies folge daraus, dass der durch einen Tarifvertrag festgelegte Lohnsatz, wie im Ausgangsverfahren auf Grund von Rechtsvorschriften wie dem Landesvergabegesetz, eben nur für einen Teil der Bautätigkeit gelte, da zum einen diese Rechtsvorschriften nur auf die Vergabe öffentlicher Aufträge anwendbar sind und nicht für die Vergabe privater Aufträge gelten und zum anderen dieser Tarifvertrag nicht für allgemein verbindlich erklärt worden ist.
- (3)
Der EuGH hat zugleich betont, dass eine derartige Regelung dem Europarecht (Art. 49 EGV - Freier Dienstleistungsverkehr) entgegensteht. Nur unter den in Art. 3 der Richtlinie 96/71/EG festgelegten Bedingungen könne der nationale Gesetzgeber Vorgaben zu Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen der Arbeitnehmer im Zusammenhang mit Vergabeverfahren machen.
Lohnvorgaben sind danach nur unter folgenden Voraussetzungen zulässig:
Bindung an ausdrücklich im gesamten Hoheitsgebiet des Mitgliedsstaates geltende, durch Rechts- oder Verwaltungsvorschriften festgelegte Mindestlohnsätze für öffentliche und private Aufträge,
alternativ dazu für Tätigkeiten im Baubereich auch: Vorgabe eines Lohnsatzes auf der Grundlage von im gesamten Mitgliedsstaat für allgemein verbindlich erklärten Tarifverträgen oder Schiedssprüchen,
nur sofern es in einem Mitgliedsstaat kein System für zur Allgemeinverbindlichkeitserklärung von Tarifverträgen oder Schiedssprüchen gibt, können die Mitgliedsstaaten danach auch beschließen, die Tarifverträge, die für alle in den jeweiligen geografischen Bereich fallenden und die betreffende Tätigkeit oder das betreffende Gewerbe ausübenden gleichartigen Übernehmen allgemein wirksam sind, und/oder die Tarifverträge, die von den auf nationaler Ebene repräsentativsten Organisationen der Tarifvertragsparteien geschlossen werden und innerhalb des gesamten nationalen Hoheitsgebietes zur Anwendung kommen (Art. 3 Abs. 8 der Richtlinie 96/71/EG) zu Grunde zu legen. Der EuGH hat jedoch betont, dass diese Alternative für die Bundesrepublik Deutschland nicht in Betracht kommt, weil es hier ausdrücklich ein System zur Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen gibt.
Die Entscheidung des EuGH vom 03.04.2008 und die dort festgestellte Gemeinschaftsrechtswidrigkeit von diesen den gemeinschaftrechtlichen Vorgaben nicht entsprechenden, gesetzlich geregelten Tariftreuepflichten beschränkt sich nicht auf das der Entscheidung zu Grunde liegende niedersächsische LVergabeG. Es hat Auswirkungen auf alle gleich oder ähnlich lautenden Regelungen, die nach wie vor in den Vergabegesetzen mehrerer Bundesländer enthalten sind. Ohne Einschränkung gilt dies insbesondere auch für das den streitbefangenen Tariftreueregelungen im vorliegenden Fall zu Grunde liegende Vergabegesetz für das Land Bremen vom 17.12.2002 (GVBl. S. 594). Denn die dort maßgeblichen Vorschriften zur Durchsetzung der Tariftreue entsprechen exakt den Regelungen des niedersächsischen LVergabeG in der ursprünglichen Fassung vom 02.09.2002, das der Entscheidung des EuGH zu Grunde lag und seinerzeit im Übrigen ebenfalls noch die Tariftreue ausdrücklich auch auf die Vergabe von Verkehrsleistungen im öffentlichen Personennahverkehr ausdehnte (§ 3 Abs. 1 Satz 3 LVergabeG).
Die vom EuGH in seiner Entscheidung zu Grunde gelegte Entsenderichtlinie 96/71/EG beschränkt sich entgegen der Auffassung der Beigeladenen zu 1. auch nicht auf Tätigkeiten im Baubereich, sondern gilt für alle Dienstleistungen. So heißt es in Art. 1 Abs. 1:
"Diese Richtlinie gilt für Unternehmen mit Sitz in einem Mitgliedsstaat, die im Rahmen der länderübergreifenden Erbringung von Dienstleistungen Arbeitnehmer gem. Abs. 3 in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedsstaates entsenden."
Zur Durchsetzung von "Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen" und insbesondere auch Mindestlohnsätzen heißt es in Art. 3 der Entsenderichtlinie 96/71/EG:
"(1)
Die Mitgliedsstaaten sorgen dafür, dass unabhängig von dem auf das jeweilige Arbeitsverhältnis anwendbaren Recht die in Art. 1 Abs. 1 genannten Unternehmen den in ihr Hoheitsgebiet entsandten Arbeitnehmern bezüglich der nachstehenden Aspekte die Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen garantieren, die in dem Mitgliedsstaat, in dessen Hoheitsgebiet die Arbeitsleistung erbracht wird,- durch Rechts- oder Verwaltungsvorschriften und/oder
- durch für allgemein verbindlich erklärte Tarifverträge der Schiedssprüche im Sinne des Abs. 8, sofern sie die im Anhang genannten Tätigkeiten betreffen,
festgelegt sind:
.....
c)
Mindestlohnsätze einschließlich der Überstundensätze ; dies gilt nicht für die zusätzlichen betrieblichen Altersversorgungssysteme;.....
Zum Zweck dieser Richtlinie wird der in unter Absatz (1) c) genannte Begriff der Mindestlohnsätze durch die Rechtsvorschriften und/oder Praktiken des Mitgliedsstaates bestimmt, in dessen Hoheitsgebiet der Arbeitnehmer entsandt wird.
......
(8)
Unter "für allgemein verbindlich erklärten Tarifverträgen oder Schiedssprüchen" sind Tarifverträge oder Schiedssprüche zu verstehen, die von allen in den jeweiligen geografischen Bereich fallenden und die betreffende Tätigkeit oder das betreffende Gewerbe auszuübenden Unternehmen einzuhalten sind......."
(Hervorhebungen durch die Kammer)
Da der durch Art. 3 Abs. 1 in Bezug genommene Anhang zur Entsenderichtlinie ausschließlich Tätigkeiten im Zusammenhang mit Bauarbeiten auflistet, die der Errichtung, der Instandsetzung, der Instandhaltung, dem Umbau oder dem Abriss von Bauwerken dienen, folgt daraus für alle übrigen Arten von Dienstleistungen und damit auch für die im vorliegenden Fall streitbefangenen Verkehrsdienstleistungen im Bereich des SPNV, dass nach der Richtlinie 96/71/EG unter Berücksichtigung des Urteils des EuGH vom 03.04.2008 ausdrücklich nur eine gesetzliche Verpflichtung zur Einhaltung von solchen Mindestlohnsätzen europarechtskonform wäre, die durch Rechts- oder Verwaltungsvorschriften festgelegt sind.
Eine Bezugnahme auf für allgemein verbindlich erklärte Tarifverträge ist danach nur für Vergaben im Baubereich denkbar. Konkret bedeutet dies für die Bundesrepublik Deutschland, dass außerhalb des Baubereiches eine Bindung von Bieterunternehmen an Mindestlohnsätze im Rahmen von Vergabeverfahren überhaupt nur in Betracht kommt, wenn es sich um einen vom Bundes gesetzgeber durch Rechts- oder Verwaltungsvorschriften flächendeckend festgelegten - z.B. branchenspezifischen - Mindestlohn handelt. Der Bundesgesetzgeber hat z.B. die Möglichkeit, das zur Umsetzung der EU-Entsenderichtlinie verabschiedete Arbeitnehmerentsendegesetz (AEntG) - derzeit gültig in der Fassung vom 28.12.2007 - um entsprechende branchenspezifische Mindestlöhne zu erweitern.
Die im vorliegenden Fall maßgebliche Regelung zur Abgabe einer Tariftreueerklärung gem. § 4 des Vergabegesetzes für das Land Bremen vom 17.12.2002 sowie alle weiteren, die Tariftreueregelung sanktionierenden Vorschriften des Vergabegesetzes verstoßen daher nach Maßgabe des Urteils des EuGH vom 03.04.2008, Rs. C-346/06, gegen die durch Artikel 49 EG-Vertrag gewährleistete Dienstleistungsfreiheit und sind daher vergaberechtswidrig.
Die Antragstellerin kann sich entgegen der Auffassung der Auftraggeber auch auf eine durch die vergaberechtswidrige Tariftreueregelung verursachte Rechtsverletzung und eine damit verbundene Schädigung eigener Interessen i. S. der §§ 97 Abs. 7, 114 Abs. 1 GWB berufen:
Einer Berufung auf die Vergaberechtswidrigkeit der Tariftreueverpflichtung und die tragenden Gründe des Urteils des EuGH vom 03.04.2008 steht nicht entgegen, dass die vom EuGH herangezogene Entsenderichtlinie 96/71/EG nach ihrem Art. 1 Abs. 1 ausdrücklich für Unternehmen mit Sitz in einem Mitgliedsstaat gilt, die im Rahmen der länderübergreifenden Erbringung von Dienstleistungen Arbeitnehmer in das Hoheitsgebiet eines (anderen) Mitgliedsstaates entsenden. Zwar handelt es sich bei der Antragstellerin wie auch bei allen anderen der Unternehmen im vorliegenden Verfahren um inländische Unternehmen. Der EuGH hat jedoch in mehreren Entscheidungen deutlich gemacht, dass sich auch inländische Bieterunternehmen auf die Einhaltung der Dienstleistungsfreiheit gem. Art. 49 EG-Vertrag berufen können (vgl. EuGH, Urteil vom 13.10.2005, RS. C-458/03 - "Parking Brixen"; Urteil vom 21.07.2005, RS. C-231/03 - "Coname"). Das Urteil des EuGH vom 03.04.2008 kann daher auch nicht dahin gehend interpretiert werden, dass die Tariftreueregelungen der Landesvergabegesetze nur dann gemeinschaftsrechtswidrig sind, wenn und soweit sich tatsächlich auch Unternehmen aus anderen Mitgliedsstaaten direkt oder indirekt an einem Vergabeverfahren beteiligen.
Einer Berufung auf eine Verletzung des Art. 49 EGV steht auch nicht entgegen, dass der EG-Vertrag für Verkehrsdienstleistungen besondere Regelungen enthält. Gemäß Art. 51 Abs. 1 EGV gelten für den freien Dienstleistungsverkehr auf dem Gebiet des Verkehrs die Bestimmungen des Titels V für den Verkehr (Art. 70 ff.). Diese legen fest, dass auf dem in diesem Titel geregelten Sachgebiet die Mitgliedsstaaten die Ziele dieses Vertrages im Rahmen einer gemeinsamen Verkehrspolitik verfolgen. Art. 80 Abs. 1 regelt schließlich, dass der Titel für die Beförderungen im Eisenbahn-, Straßen- und Binnenschiffsverkehr gilt. Die Bestimmungen des Titels V konkretisieren daher für den Verkehrsbereich die Gewährleistung des freien Dienstleistungsverkehrs. Sie führen aber nicht dazu, dass der Grundsatz des gemeinschaftsrechtlich geschützten freien Dienstleistungsverkehrs und die diesen Primärzielen dienenden EG-Richtlinien wie eben die Entsenderichtlinie 96/71/EG für Dienstleistungen im Verkehrsbereich von vornherein keine Anwendung finden.
Zu Recht weisen die Auftraggeber und die Beigeladene zu 2 allerdings darauf hin, dass die Antragstellerin als ohnehin tarifgebundenes Unternehmen durch die Auferlegung der Tariftreuepflicht hier jedenfalls nicht i. S. der §§ 97 Abs. 7, 114 Abs. 1 GWB in ihren Rechten verletzt und hinsichtlich ihrer eigenen Interessen geschädigt sein kann, soweit sie Dienstleistungen ausschließlich mit eigenen Mitarbeitern erbringt. Denn der Schutzzweck der Tariftreueregelungen in den Landesvergabegesetzen dient gerade auch der Antragstellerin als tarifgebundenes Unternehmen. Gem. § 1 Satz 1 des Vergabegesetzes für das Land Bremen vom 17.12.2002 soll das Gesetz gerade ausdrücklich Wettbewerbsverzerrungen entgegenwirken, die auf dem Gebiet des Bauwesens und des Öffentlichen Personennahverkehrs durch den Einsatz von Niedriglohnkräften entstehen. Da die Auftraggeber mit dem "Tarifvertrag für die Bediensteten der nicht bundeseigenen Eisenbahnen- und Kraftverkehrsbetriebe (ETV)" zudem einen Mindestlohnsatz vorgegeben haben, der deutlich unter den Tarifverträgen liegt, an die die Antragstellerin unmittelbar gebunden ist, kann die Tariftreueverpflichtung keinerlei negative Auswirkungen zu Lasten der Antragstellerin entfalten, soweit diese Dienstleistungen unmittelbar mit eigenem Personal erbringt. Aus diesem Grunde hatte das OLG Celle der Antragstellerin mit Beschluss vom 02.09.2004, Az.: 13 Verg 11/04, in einem anderen Vergabeverfahren, wie oben unter II. 1. dargelegt, die Antragsbefugnis abgesprochen. Ebenso erging es einer Tochtergesellschaft der Antragstellerin im Rahmen eines vom OLG Düsseldorf mit Beschluss vom 06.12.2004, Az.: VII Verg 79/04, entschiedenen Verfahren.
Im Unterschied zu den den dortigen Entscheidungen zu Grunde liegenden Verfahren beruft sich die Antragstellerin im vorliegenden Fall jedoch ausdrücklich auf die Möglichkeit eines zumindest partiellen Einsatzes von nicht tarifgebundenen Nachunternehmen für die Erbringung der streitbefangenen Dienstleistungen, wenn sie nicht auf Grund der Vergabeunterlagen gezwungen gewesen wäre, eine Tariftreueverpflichtung sowohl für sich wie auch für etwaige Nachunternehmer abzugeben. Eine Berufung auf ein derartiges Alternativverhalten kann der Antragstellerin nicht von vornherein abgesprochen werden. Dies gilt um so mehr, als auch dem Urteil des EuGH vom 03.04.2008 in der Rs. C-346/06 und der entsprechenden Vorlage zur Vorabentscheidung durch das OLG Celle mit Beschluss vom 03.08.2006 - 13 U 72/06 - ein Sachverhalt zu Grunde lag, in dem die strittige Tariftreueregelung deshalb zum Zuge kam, weil ein an sich tarifgebundenes inländisches Unternehmen ein Unternehmen aus einem anderen Mitgliedsstaat als Nachunternehmen einsetzte, das wiederum seine Mitarbeiter unter Tarif entlohnte.
Entscheidend ist im vorliegenden Fall aber vor allem, dass die Antragstellerin im Gegensatz zu den seinerzeit 2004 entschiedenen Verfahren nunmehr konkret vorträgt, dass ihr nicht nur der Einsatz von nicht näher benannten externen, nicht tarifgebundenen Nachunternehmen möglich wäre, sondern dass ihr insbesondere auch mit der aus ihrem Unternehmen ausgegründeten Tochtergesellschaft, der ... GmbH, sogar ein konzerninternes Unternehmen als Nachunternehmen zur Verfügung stände, das selbst nicht tarifgebunden ist. Die Antragstellerin hat daher im vorliegenden Fall konkret dargelegt, dass sie ohne die Tariftreueverpflichtung in der Lage gewesen wäre, ein preislich günstigeres und damit konkurrenzfähigeres Angebot abzugeben. Sie hat damit auch eine Schädigung ihrer Interessen durch die streitbefangene Tariftreueregelung dargelegt. Die Darlegung einer Rechtsverletzung und Schädigung der eigenen Interessen des Bieters i. S. des § 114 Abs. 1 GWB erfordert dagegen nicht, dass der Bieter - etwa im Wege einer vollständigen Alternativkalkulation - im Nachprüfungsverfahren nachweist, dass er ohne den Vergaberechtsverstoß den Zuschlag auch tatsächlich erhalten würde.
Gemäß § 114 Abs. 1 GWB trifft die Vergabekammer die geeigneten Maßnahmen, um eine Rechtsverletzung zu beseitigen und eine Schädigung der betroffenen Interessen zu verhindern. Der durch die Auferlegung der Tariftreuepflicht bewirkte Verstoß gegen das gemeinschaftsrechtliche Verbot der Behinderung des freien Dienstleistungsverkehrs gem. Art. 49 ff. EG-Vertrag betrifft die Grundlagen des streitbefangenen Vergabeverfahrens sowie die Angebotskalkulation und kann, da insoweit eine Änderung der Verdingungsunterlagen erforderlich ist, die Angebotsfrist verstrichen und die Angebote durch die Auftraggeber geöffnet und ausgewertet wurden, nicht mehr durch einen Wiedereintritt in die Angebotswertung geheilt werden (vgl. OLG Celle, Beschluss v. 02.09.2004, Az.: 13 Verg 11/07). Aus diesem Grunde ist es im Rahmen des § 114 Abs. 1 Satz 1 GWB auch nicht möglich, die Auftraggeber zu verpflichten, das laufende Vergabeverfahren an den Zeitpunkt vor Aufforderung zur Angebotsabgabe zu versetzen und den Bietern noch im laufenden Vergabeverfahren die Möglichkeit zu geben, ein erneutes Angebot ohne Berücksichtigung einer Tariftreueverpflichtung zu unterbreiten. Die Rechtsverletzung kann daher vorliegend nur durch eine Aufhebung des Vergabeverfahrens beseitigt werden.
Nur im Hinblick auf das dadurch erforderliche erneute Vergabeverfahren weist die Vergabekammer darauf hin, dass der Nachprüfungsantrag hinsichtlich der weiteren, von der Antragstellerin geltend gemachten vermeintlichen Vergabeverstöße unbegründet ist. Das Vergabeverfahren war im Übrigen nicht zu beanstanden:
b)
Zustimmungsvorbehalte für das Abstimmungsverhalten des EVU im Verkehrsverbund Bremen/Niedersachsen (VBN)
Die Antragstellerin ist insbesondere nicht durch die von Auftraggebern unter Ziff. 2.2 der Leistungsbeschreibung aufgenommenen Zustimmungsvorbehalte bezüglich des Abstimmungsverhaltens des Eisenbahnverkehrsunternehmens (EVU) in der Gesellschafterversammlung der VBN GmbH hinsichtlich der Festlegung der Einnahmeanteile des EVU für die vorgegebenen Verkehrsleistungen und eine mögliche Änderung des Durchführungsvertrages in ihren Rechten verletzt. Durch die Zustimmungsvorbehalte wird der Antragstellerin weder ein ungewöhnliches Wagnis i. S. des § 8 Nr. 1 Abs.3 VOL/A aufgebürdet, noch kann sie sich diesbezüglich im Vergleich zu den anderen Bietern im Vergabeverfahren auf eine Ungleichbehandlung i. S. des § 97 Abs. 2 GWB berufen. Vielmehr tragen die streitbefangenen Zustimmungsvorbehalte berechtigten Interessen der Auftraggeber im angestrebten Vertragsverhältnis Rechnung, da die Festlegung der Einnahmeanteile durch die Gesellschafter der VBN GmbH unmittelbar Einfluss auf die Höhe des an den Auftraggebern zu begleichenden Zuschussbedarfs von defizitären Strecken haben können. Die aktuelle Fassung der von der Antragstellerin angefochtenen und auf ihre Rüge hin durch die Auftraggeber bereits geänderte Regelung der Leistungsbeschreibung (S. 2) hat folgenden Wortlaut:
2.2 "Kooperation im Verkehrsverbund Bremen/Niedersachsen (VBN)
Die Durchführung der Verkehrsleistungen erfolgt vollständig im Verkehrsgebiet des Verkehrsverbundes Bremen/Niedersachsen (VBN). Die im VBN für die Angebotserstellung relevanten Verträge und Dokumente finden sich in Teil IV (4.1 - 4.11) auf der beigefügten CD.Der Auftragnehmer ist verpflichtet, rechtzeitig vor Betriebsaufnahme einen Antrag auf Aufnahme als Gesellschafter im Verkehrsverbund Bremen/Niedersachsen GmbH (VBN GmbH) zu stellen, sofern er noch kein Gesellschafter ist. Bei Aufnahme in die VBN GmbH wird der Auftragnehmer Gesellschafter und hat die aus den VBN-Verträgen resultierenden Rechte und Pflichten im Verkehrsverbund wahrzunehmen.
Eine etwa erforderliche Zustimmung des Eisenbahnverkehrsunternehmens (EVU) zur Festlegung der Einnahmeanteile des EVU für die vergebenen Verkehrsleistungen und das diesbezügliche Abstimmungsverhalten des EVU in der Gesellschafterversammlung der VBN GmbH bedürfen der vorherigen Zustimmung der Auftraggeber. Diese wird erteilt, wenn die Festlegung der Einnahmeanteile den Regelungen des Durchführungsvertrages in seiner aktuell gültigen Fassung entspricht oder für den Fall, dass dieser keine entsprechenden Vorgaben enthält, eine leistungsgerechte Zuweisung der Fahrgeldeinnahmen auf die im VBN erbrachten Verkehrsleistungen zur Folge hat. Ist Letzteres zwischen den Vertragspartnern streitig, entscheidet ein von beiden Vertragspartnern zu benennender Sachverständiger über diese Frage. Teil III, Anlage A.0, § 7 Abs. 3 Sätze 6 - 8 geltend entsprechend. Finanzierungsanteile zur Deckung der Kosten der VBN GmbH nach dem Finanzierungsvertrag sind vom Auftragnehmer zu übernehmen.
.......
Innerhalb der VBN GmbH wird die Einnahmenaufteilung durch die Maßgaben des zwischen dem Zweckverband Verkehrsverbund Bremen/Niedersachsen (ZVBN) und der VBN GmbH geschlossenen Rahmenvertrages und des dazugehörigen Durchführungsvertrages geregelt. Die Verträge sind im Teil IV auf der CD enthalten.
Soll während der Mitgliedschaft des Auftragnehmers in der VBN GmbH der Durchführungsvertrag zwischen der VBN GmbH und dem ZVBN geändert werden und bedürfen die geplanten Änderungen der Zustimmung der VBN-Gesellschafterversammlung, so benötigt der Auftragnehmer für sein Abstimmungsverhalten in der VBN-Gesellschafterversammlung die vorherige Zustimmung der Aufgabenträger, soweit die Änderung des Vertrages Auswirkungen auf den Zuschuss nach Teil III, Anlage A.0, haben kann. Die Zustimmung zur Änderung des Durchführungsvertrages wird erteilt, wenn die novellierte Fassung des Vertrages eine leistungsgerechtere Zuweisung der Fahrgeldeinnahmen auf die im VBN erbrachten Verkehrsleistungen zur Folge hat. Ist dies zwischen den Vertragspartnern streitig, entscheidet ein von beiden Vertragspartnern zu benennender Sachverständiger über diese Frage. Teil III, Anlage A.0, § 7 Abs. 3 Sätze 6 - 8 gelten entsprechend."
(Hervorhebungen durch die Vergabekammer).
Die Antragstellerin hat im Zuge des Nachprüfungsverfahrens zwar selbst eingeräumt, dass die Auftraggeber berechtigte Interessen an der Festlegung der Einnahmeanteile haben. Zustimmungsvorbehalte seien aber gleichwohl vergaberechtswidrig, weil die Vorbehalte nicht auf die auftragsgegenständlichen Schienenverkehre beschränkt seien. Sie selbst sei bereits Gesellschafter der VBN GmbH. Nur sie selbst erbringe im VBN-Gebiet bereits andere SPNV-Leistungen auf der Grundlage sog. Netto-Verträge. Anders als im anhängigen Verfahren mit einem sog. Brutto-Vertrag mit Anreizsystem liege beim Netto-Vertrag das Absatz- und Erlösrisiko vollständig beim EVU. Bei diesen, hier nicht vertragsgegenständlichen Verkehren trage sie allein das Risiko mit ihren Einnahmen aus den Verträgen. Sie sei deshalb im Vergleich zu den übrigen Bieterunternehmen, die im vorliegenden Vergabeverfahren bisher keine SPNV-Leistungen auf der Grundlage von Netto-Verträgen erbringen, durch die Zustimmungsvorbehalte der Auftraggeber benachteiligt. Die Antragstellerin sieht darin die Aufbürdung eines ungewöhnlichen Wagnisses. Gemäß § 8 Nr. 1 Abs. 3 VOL/A soll dem Auftragnehmer kein ungewöhnliches Wagnis aufgebürdet werden für Umstände und Ereignisse, auf die er keinen Einfluss hat und deren Einwirkung auf die Preise und Fristen er nicht im Voraus schätzen kann. Diese Regelung ist im Zusammenhang mit der Risikoverteilung zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer zu sehen, die sich aus § 8 Nr. 1 Abs. 1 VOL/A ergibt (vgl. Zdzieblo in Daub/Eberstein, VOL/A, 5. Auflage, § 8, Rdnr. 36 ff., m.w.N.). Danach ist die Leistung eindeutig und so erschöpfend zu beschreiben, dass alle Bewerber die Beschreibung im gleichen Sinne verstehen müssen und die Angebote miteinander verglichen werden können. Der Auftraggeber trägt somit die Verantwortung für die Erstellung einer erschöpfenden Leistungsbeschreibung. Da er die benötigte Leistung durch die von ihm vorgegebene Leistungsbeschreibung spezifiziert, legt der Auftraggeber prinzipiell auch die Risiken fest, die der Auftragnehmer später mit der Ausführung seiner Leistung übernimmt. Der Auftragnehmer andererseits trägt die Verantwortung für die von ihm erbrachte Leistung. Er ist grundsätzlich auch verantwortlich für diejenigen Risiken, die sich aus der Übernahme der vertraglichen Verpflichtung ergeben (Erfüllungsrisiko). Er trägt damit regelmäßig z.B. die Gefahr für den zufälligen Untergang oder die zufällige Verschlechterung der Leistung bis zur Abnahme. Der Auftragnehmer soll nach § 8 Nr. 1 Abs. 3 VOL/A also nur gewöhnliche Wagnisse eingehen müssen. Ein Wagnis in diesem Sinne kommt nur in Betracht, wenn das Risiko auf Umständen und Ereignissen beruht, die außerhalb des Einflussbereiches des Auftragnehmers liegen. Zu derartigen Umständen und Ereignissen können beispielsweise Beistellungen, Leistungen vorgeschriebener Unterauftragnehmer, Ersatzteilbedarf und Wartungsaufwand in der Nutzungsphase sowie andere Leistungsziele zählen (vgl. Zdzieblo, am angegebenen Ort, Rdnr. 39). Zu einem ungewöhnlichen Wagnis wird aber auch in diesen Fällen das dem Auftraggeber auferlegte Risiko erst dann, wenn es darüber hinaus nach der Vertragsgestaltung und nach dem allgemeinen geplanten Ablauf nicht zu erwarten ist und im Einzelfall wirtschaftlich schwerwiegende Folgen für den Auftragnehmer mit sich bringen kann. Schließlich ist Voraussetzung eines unzulässigen ungewöhnlichen Wagnisses i. S. des § 8 Nr. 1 Abs. 3 VOL/A, dass der Auftragnehmer das Wagnis und dessen Einwirkung auf Preise und Fristen nicht im Voraus schätzen kann, so dass das Wagnis hinsichtlich seines Eintritts für den Auftragnehmer ungewiss ist und er keine Möglichkeit hat, es abzuwenden.
Unter Berücksichtigung dieses Maßstabes beinhalten die streitbefangenen Zustimmungsvorbehalte unter 2.2 der Leistungsbeschreibung keine einseitige Risikoverteilung und sind nicht als Verstoß gegen § 8 Nr. 1 Abs. 3 VOL/A zu werten. Vielmehr erweisen sich die angefochtenen Zustimmungsvorbehalte zumindest in der vom Auftraggeber als Reaktion auf die Rügen der Antragstellerin modifizierten Fassung als ausgewogene Regelung, die den Interessen sowohl der Auftraggeber als auch des EVU Rechnung trägt. Der den Vergabeunterlagen beigefügte Verkehrsvertrag (Teil III, Anlage A.0) ist unstreitig als sog. Brutto-Vertrag mit Anreizmodell ausgestaltet. Das Risiko für die Höhe der Fahrgeldeinnahmen für die vertragsgegenständlichen Verkehrsleistungen tragen überwiegend die Auftraggeber, da sie für den Fall, dass die Kosten die Einnahmen für die vertragsgegenständlichen Verkehrsleistungen übersteigen, zu entsprechenden Zuschusszahlungen verpflichtet sind. Die Zuschussbedürftigkeit der einzelnen vertragsgegenständlichen Verkehrsleistungen auf den ausgeschriebenen Strecken wird somit unmittelbar gerade auch durch die Verteilung der Einnahmen innerhalb der VBN GmbH, beeinträchtigt. Eine unmittelbare Einflussnahme der Auftraggeber auf die Festlegung der Einnahmeanteile ist jedoch nicht möglich, weil die Länder Niedersachsen und Bremen als Aufgabenträger nicht selbst Gesellschafter gemäß § 2 Abs. 4 des Gesellschaftervertrages der VBN GmbH werden können. Gesellschafter werden können danach ausdrücklich nur Unternehmen, die selbst Öffentlichen Personennahverkehr mit Straßenbahnen sowie mit Kraftfahrzeugen im Linienverkehr mit eigener Konzession betreiben oder nachweisen können, dass sie zu einem festgelegten Zeitpunkt entsprechende ÖPNV-Betriebsleistungen erbringen werden oder Unternehmen, die selbst Dienstleistungen im SPNV betreiben oder nachweisen können, dass sie diese zu einem festgelegten Zeitpunkt erbringen werden. Aber auch über den Durchführungsvertrag vom 31.05.2006 zwischen der VBN GmbH und dem Zweckverband Verkehrsverbund Bremen/Niedersachsen (ZVBN) werden die Auftraggeber weder bei einer etwaigen Änderung des Durchführungsvertrages beteiligt noch können sie Einfluss auf die Festlegung der Einnahmeanteile für die vergebenen Verkehrsleistungen nehmen, da die Länder Niedersachsen und Bremen als Träger des SPNV im Gegensatz zu den Kommunen als Träger des straßengebundenen ÖPNV selbst nicht Mitglied im Zweckverband sind.
Da sich die Zustimmungsvorbehalte gem. Ziff. 2.2 der Leistungsbeschreibung ausdrücklich nur auf die vergebenen Verkehrsleistungen und damit auf die vertragsgegenständlichen, ggf. zuschussbedürftigen Strecken beziehen, erstrecken sich diese Vorbehalte ausdrücklich nicht auch auf die bereits von der Antragstellerin im Verkehrsverbund Bremen/Niedersachsen auf Grund von Netto-Verträgen erbrachten Verkehrsleistungen, die nicht Gegenstand dieser Ausschreibung sind. Die Antragstellerin kann deshalb auch nicht in einer gegen den Gleichheitsgrundsatz des § 97 Abs. 2 GWB verstoßenen Weise im Vergleich zu den anderen Bietern im Vergabeverfahren durch die Zustimmungsvorbehalte benachteiligt werden.
Vielmehr haben die Auftraggeber und die Beigeladene zu 1 schlüssig dargelegt, dass sich die Zustimmungsvorbehalte auch in der Praxis auf die Festlegung der Einnahmeanteile für die vergebenen Verkehrsleistungen beschränken lassen. Die Festlegung der Einnahmeanteile wird in den §§ 3 Abs. 1 und 14 des Durchführungsvertrages sowie in dessen Anlagen 3 und 10 geregelt. Nach § 3 Abs. 1 des Durchführungsvertrages werden die Brutto-Fahrgeldeinnahmen aus dem sog. Basissortiment nach den in der Anlage 2 zum Durchführungsvertrag dargestellten Marktanteilen je Verkehrsunternehmen und Preisstufe verteilt. Dies gilt auf Basis von § 14 des Durchführungsvertrages durchzuführenden Verkehrserhebungen. Gemäß Anlage 3 zum Durchführungsvertrag wird das Verfahren zur Ermittlung der Marktanteile nach den Ergebnissen der Verkehrserhebungen dergestalt durchgeführt, dass zunächst die Linienbeförderungsfälle für jedes Verkehrsunternehmen in jeder Preisstufe und Linie ermittelt werden. Sodann werden die Linien-Personenkilometer für jedes Verkehrsunternehmen je Preisstufe und Linie ermittelt. Schließlich werden die Marktanteile je Preisstufe und Verkehrsunternehmen ermittelt. Da die Ermittlung der Marktanteile gem. Anlage 3 zum Durchführungsvertrag ausdrücklich in sämtlichen Stufen linienspezifisch erfolgt und die so ermittelten Marktanteile maßgebend für die Festlegung der Einnahmeanteile sind, lassen sich die Zustimmungsvorbehalte auch in der Praxis auf die im vorliegenden Vergabeverfahren vergebenen Verkehrsleistungen beschränken. Auch der Zustimmungsvorbehalt bezüglich des Abstimmungsverhaltens des EVU in der VBN-Gesellschafterversammlung für eine etwaige Änderung des Durchführungsvertrages ist durch die Auftraggeber wirksam auf die verfahrensgegenständlichen, ausgeschriebenen Verkehrsleistungen beschränkt, da der Zustimmungsvorbehalt ausdrücklich nur gelten soll, "soweit die Änderung des Vertrages Auswirkungen auf den Zuschuss nach Teil III, Anlage A.0, haben kann".
c)
Aber auch die weiteren Rügen der Antragstellerin sind unbegründet:
- Vertragsstrafen
Die von den Auftraggebern in Teil III, Anlage A.0, § 16 und Teil III, Anlage A.3 der Vergabeunterlagen aufgenommenen Vertragsstrafenregelungen verstoßen mit Ausnahme der Sanktionierung der Tariftreuepflicht gemäß § 16 Abs. 5 des Verkehrsvertrages weder dem Grunde noch der Höhe nach gegen Vergaberecht. Sie bürden der Antragstellerin kein ungewöhnliches Wagnis im Sinne des § 8 Nr. 1 Abs. 3 auf und verstoßen auch nicht gegen § 12 VOL/A. Die Auftraggeber haben in Teil III, Anlage A.0, § 16 zur Vermeidung von Nachteilen bei Verstößen des Auftragnehmers gegen bestimmte vertragliche Pflichten Vertragsstrafen geregelt. Mit den sanktionierten Sachverhalten und den Voraussetzungen für die Vertragsstrafen und deren Höhe haben sich die Auftraggeber in Anlage 3 zum vorliegenden Vergabevergabe ausführlich auseinandergesetzt. Danach sind in Teil III, Anlage A.0, § 16 des Verkehrsvertrages folgende Vertragsstrafen vorgesehen:
Verstöße gegen einzelne Vorlage-, Abstimmungs-, Berichts- und Meldepflichten mit einer Vertragsstrafe von bis zu 10.000 EUR je Einzelfall (§ 16 Abs. 1)
Verstöße gegen die vertraglich geschuldete Zugbegleitquote oder die vertraglich geschuldeten Vertriebsleistungen mit einer Vertragsstrafe von bis zu 100.000 EUR (§ 16 Abs. 2 Unterabsatz 1)
Nichterbringung der vertraglich geschuldeten Sitzplatzkapazität mangels Zurverfügungstellung der hierfür erforderlichen Anzahl der geschuldeten Fahrzeuge (§ 16 Abs. 2 Unterabsatz 2 des Verkehrsvertrages).
Hier bemisst sich die Höhe der Vertragsstrafe nach der Bedeutung der qualitativen Abweichung des eingesetzten und geschuldeten Fahrzeugs für die Durchführung des Betriebes nach der Bedeutung des abweichenden Fahrzeugeinsatzes für den Reisekomfort der Fahrgäste und der Dauer des Verstoßes. Wörtlich heißt es:
"Weicht die Qualität des eingesetzten Fahrzeugs nur geringfügig von der des geschuldeten Fahrzeugs ab, fällt keine Vertragsstrafe an. Gleiches gilt für den Fall, dass Abweichungen von der vertraglich geschuldeten Zugbildung keine Auswirkungen auf den Reisekomfort der Fahrgäste haben. Die Vertragsstrafen nach dem Unterabsatz sind für jeden Einzelfall auf 1.500 EUR pro Tag und fehlendem bzw. nicht geschuldetem Fahrzeug beschränkt und werden erst erhoben, wenn ein Fahrzeug mindestens einen ganzen Tag nicht zur Verfügung steht."
Ferner weist der Vertragstext darauf hin, dass die Vertragsstrafen nach Abs. 2 nur verwirkt werden, wenn das EVU den Vertragsverstoß zu vertreten hat, was widerleglich vermutet wird.
- Überschreitung von Ausführungsfristen (verspätete und/oder nicht vollständige Aufnahme zum vereinbarten Beginn) (§ 16 Abs. 3 der Vergabeunterlagen).
Hier wird für jede vollendete Woche eine Vertragsstrafe in Höhe von 0,5% des Betrages, der sich aus den angebotenen Kosten gemäß Anlage A.5 Pos. K für eine Woche ergibt. Auch diesbezüglich wird festgelegt, dass die Vertragsstrafen nach diesem Absatz nur verwirkt werden, wenn das EVU den Vertragsverstoß zu vertreten hat, was widerleglich vermutet wird. Das EVU hat die Nichtaufnahme des Verkehrs insbesondere dann nicht zu vertreten, wenn die zuständige Behörde ihm die erforderliche Zulassung als EVU nicht erteilt, obwohl es alle Zulassungsvoraussetzungen rechtzeitig erfüllt hat oder ein Fall höherer Gewalt im Sinne des § 1 Abs. 2 Haftpflichtgesetz vorliegt.
§ 16 Abs. 4 des Verkehrsvertrages nennt schließlich für alle vorgenannten Vertragsstrafen eine Gesamtgrenze der Höhe nach. Dort heißt es:
"Die jährliche Höhe der vorstehend genannten Vertragsstrafen ist auf insgesamt 3% der im Angebot des EVU benannten Kosten pro Normjahr für das Hauptangebot gemäß Anlage A.5 Pos. F begrenzt. Ist eine Vertragsstrafe unverhältnismäßig hoch, hat das EVU die Möglichkeit zur Beantragung einer Herabsetzung der Strafe entsprechend § 343 BGB. Für das Verfahren gilt § 22. Die vorstehenden Vertragsstrafen werden zusätzlich zu einer etwaigen Zuschusskürzung gemäß § 9 erhoben. Schadensersatzansprüche der Aufgabenträger gegen das EVU bleiben unberührt. Die bezahlten Vertragsstrafen sind jedoch auf den Schadensersatzanspruch anzurechnen."
Gemäß § 12 VOL/A sollen Vertragsstrafen nur für die Überschreitung von Ausführungsfristen ausbedungen werden und auch nur dann, wenn die Überschreitung erheblich Nachteile verursachen kann. Die Strafe ist dabei in angemessenen Grenzen zu halten. Da es sich bei der Vorschrift ausdrücklich um eine "Soll-Regelung" handelt, ist es nicht ausgeschlossen, über die Fallgruppe der Überschreitung von Ausführungsfristen hinaus auch weiterreichende Vertragsstrafenregelungen im Rahmen der BGB-Vorschriften zu treffen (vgl. Vavra in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß, VOL/A, § 12, Rdnr. 8). Dabei ist die Frage, wann ein erheblicher Nachteil im Sinne des § 12 VOL/A vorliegt, stets eine Frage des Einzelfalls. Es darf sich nicht nur um einen minimalen Schaden handeln, sondern der Auftraggeber muss in seiner wirtschaftlichen Kalkulation schwerwiegende Einbußen erleiden, wie etwa die verzögerte Eröffnung eines Krankenhauses (vgl. Vavra, am angegebenen Ort, Rdnr. 6). Sind die Vertragsstrafenregelungen Teil von allgemeinen Geschäftsbedingungen, ist darauf zu achten, dass gemäß § 307 Abs. 2 BGB der Vertragspartner durch die Vereinbarung einer Vertragsstrafe nicht unangemessen benachteiligt werden darf. Werden die Vertragsstrafen individualvertraglich vereinbart, ist die Grenze durch den Grundsatz von Treu und Glauben nach § 242 BGB bestimmt.
Unter Berücksichtigung dieses zutreffenden Maßstabes sind die in § 16 Abs. 1 bis 4 geregelten Vertragsstrafen dem Grunde nach nicht zu beanstanden. Dies gilt auch, soweit sie über die in § 12 VOL/A ausdrücklich geregelte Überschreitung von Ausführungsfristen hinaus ausbedungen werden. Sämtliche dort sanktionierten Fallgruppen der Vertragsverstöße können erhebliche wirtschaftliche Folgen für den Auftraggeber haben, zumal die Aufgabenträger nach den jeweiligen Landesgesetzen zur Gewährleistung eines funktionierenden SPNV-Systems verantwortlich bleiben, und insbesondere - wegen der Zuschusspflichtigkeit von defizitären Strecken - letztlich in wesentlichen Teilen das Einnahmerisiko tragen. Die in § 16 Abs. 1 bis 4 des Verkehrsvertrages geregelten Sachverhalte und die genannten möglichen Verstöße hängen daher typischerweise mit der Erbringung von Verkehrsdienstleistungen im SPNV zusammen und bürden dem fachkundigen Bieterunternehmen deshalb auch kein ungewöhnliches Wagnis im Sinne des § 8 Nr. 1 Abs. 3 VOL/A auf.
Die Höhe der ausbedungenen Vertragsstrafen ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Nach Rechtsprechung des BGH (vgl. Urteil vom 23.01.2003 - VII ZR 210/01, vgl. NZBau 2003, Seite 21 ff.) stellt eine in allgemeinen Geschäftsbedingungen getroffene Vertragsstrafenregelung dann eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners dar, wenn diese die Höchstgrenze von 5% der Auftragssumme überschreitet. Im Schrifttum hat sich die Auffassung durchgesetzt, dass diese Grenze auch für Verträge zu ziehen ist, die nicht aufgrund allgemeiner Geschäftsbedingungen formuliert werden und deshalb lediglich der Kontrolle des § 242 BGB unterliegen (vgl. Vavra, am angegebenen Ort, Rdnr. 10). Im vorliegenden Fall begrenzt § 16 Abs. 4 des Verkehrsvertrages die jährliche Höhe der vorstehend genannten Vertragsstrafen ausdrücklich auf insgesamt 3% der im Angebot des EVU benannten Kosten pro Normjahr für das Hauptangebot. Im Übrigen kann das EVU, sofern ihm die Vertragsstrafe unverhältnismäßig hoch erscheint, ausdrücklich eine Herabsetzung der Strafe entsprechend § 343 BGB beantragen. Auch eine Kumulierung der Vertragsstrafen mit Schadensersatzansprüchen ist nicht zu besorgen, da gemäß § 16 Abs. 4 des Verkehrsvertrages die gezahlten Vertragsstrafen auf einen etwaigen Schadensersatzanspruch anzurechnen sind.
Die Vertragsstrafenregelungen sind somit ausgewogen, halten sich in angemessen Grenzen im Sinne des § 12 VOL/A und beinhalten kein ungewöhnliches Wagnis im Sinne des § 8 Nr. 1 Abs. 3 VOL/A.
Lediglich, soweit § 16 Abs. 5 des Verkehrsvertrages eine Vertragsstrafe bei Verstößen gegen die Tariftreupflichten des Auftragnehmers aus den §§ 4, 5 und 8 Abs. 2 des Vergabegesetzes für das Land Bremen vorsieht, ist diese Vertragsstrafenregelung wegen der oben unter II. 2. a erläuterten Wirtschaftsrechtswidrigkeit von Tariftreueregelungen unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des EuGH vergaberechtswidrig.
Die zulässige maximale Höhe der Vertragsstrafen wird entgegen der Auffassung der Antragstellerin auch nicht durch die in Teil III, Anlage A.3 aufgenommene Malusregelung für den Fall von Unterschreitungen der dort vorgegebenen Qualitätsstandards überschritten. Nach Ziffer 1 der Anlage A.3 des Verkehrsvertrages verpflichtet sich der Auftragnehmer gegenüber den Aufgabenträgern zur Einhaltung der in dieser Anlage definierten Qualitätsstandards, die die wichtigsten Leistungsmerkmale der Fahrgastbeförderung erfassen sowie der von ihm angebotenen Mehrqualitäten. Zur Malusregelung heißt es dort:
"Diese Anlage stellt Anforderungen an einzelne Qualitäten der SPNV-Leistungen auf. Im Qualitätsstandard 3.7 (Zugbegleitpersonal) ist ein Mindeststandard definiert. Abweichungen hiervon bedeuten eine Vertragsverletzung und führen zur Vertragsstrafe nach § 16 des Verkehrsvertrages. Gleiches gilt für die Abweichungen von der Zugbildung laut Qualitätsstandard 3.3. Alle übrigen in diese Anlage definierten Qualitätsstandards stellen ein Soll-Qualitätsniveau dar, dessen Unterschreitung zu einer Kürzung der Zuschusszahlung an den Auftragnehmer führt. Die Zuschussminderung aufgrund von Qualitätsmängeln wird nach den in dieser Anlage beschriebenen Verfahren zur Messung und Bewertung der einzelnen Standards ermittelt (vgl. Abschnitt 3).
...
Minderungsbeträge berechnen sich aus den Kosten gemäß § 7 des Verkehrsvertrages abzüglich der Infrastrukturkosten (im Folgenden Zugförderkosten genannt, im Sinne von Anlage A.5 Pos. F) für die im jeweiligen Kalenderjahr zu erbringenden Leistungen des Auftragnehmers.
Abweichungen der gemessenen Qualität vom vereinbarten Qualitätsniveau führen zu Zuschussminderungen nach den in dieser Anlage beschriebenen Maßgaben: ..."
Von diesen Minderungsrechten betroffen sind die unter Ziffer 3.1 bis 3.8 genannten Qualitätsstandards in Sachen Pünktlichkeit, Zugausfall, Fahrscheinkontrollen, Busnot-/Schienenersatzverkehr, Fahrzeugzustand und Fahrgastinformation. Lediglich die Qualitätsstandards in Sachen Zugbildung (Ziffer 3.3) und Zugbegleitpersonal (Ziffer 3.7) unterliegen als Mindeststandard der Vertragsstrafenregelung. Zu Recht haben die Auftraggeber darauf hingewiesen, dass es sich bei den in Anlage A.3 des Verkehrsvertrages geregelten Minderungsrechten nicht um eine Vertragsstrafe handelt. Sinn der Vertragsstrafe ist es, den Schuldner als Zwangsmittel zur rechtzeitigen und ordnungsgemäßen Erbringung der vertraglich geschuldeten Leistungen anzuhalten (Druckfunktion) und dem Gläubiger im Fall einer schuldhaft nicht vertragsgerecht erbrachten Leistung die Möglichkeit eines erleichterten Schadensersatzes zu geben (Ausgleichsfunktion) (vgl. BGH, Urteil vom 23.06.1988, VII ZR 117/87; Vavra, a.a.O., § 12, Rdnr. 5). Demgegenüber ist das Minderungsrecht die Herabsetzung der Vergütung des Auftragnehmers um einen der Wertminderung durch den Mangel seiner Leistung entsprechenden Betrag (vgl. Palandt-Sprau, § 638 BGB, Rdnr. 1). Die Anlage A.3 enthält eine zulässige Vereinbarung zur Höhe der Minderung und konkretisiert damit § 9 des Verkehrsvertrages (Teil III, Anlage A.0), der eine Änderung des Zuschusses durch Leistungsstörungen dem Grunde nach regelt. Die in Anlage A.3 enthaltenen Regelungen für die Ermittlung der Höhe der Minderung im Schlechtleistungsfall führen im Ergebnis dazu, dass der verringerte Wert der Leistungen umso höher ist, je größer die einschlägigen Abweichungen von den genannten Qualitätsstandards sind. So wird die Zuschussminderung z.B. umso stärker, je schlechter die jährlichen Pünktlichkeitswerte des Auftragnehmers ausfallen (Anlage A.3, Ziffer 3.1) und Unterschreitungen der geschuldeten Platzkapazität führen zu einer Zuschussminderung im Verhältnis zwischen den nicht erbrachten Platzkilometern pro Jahr, den im jeweiligen Jahr geschuldeten Platzkilometern (Anlage A.3, Kapitel 3.3).
Bei der in Anlage A.3 enthaltenen Malusregelung handelt es sich somit nicht um eine Vertragsstrafe, sondern um eine zulässige vertragliche Konkretisierung des Rechts des Gläubigers zur Minderung der Gegenleistung im Falle einer Schlechtleistung durch den Schuldner im Sinne des § 638 BGB und ist daher nicht zu beanstanden. Dadurch wird nicht die Möglichkeit der Aufnahme von Vertragsstrafen im Sinne des § 339 BGB eingeschränkt, sofern diese, wie im vorliegenden Fall, den nach § 12 VOL/A zulässigen Rahmen nicht überschreiten.
- Kündigungsrechte
Auch die in § 19 des Verkehrsvertrages den Auftraggebern eingeräumten Kündigungsrechte stellen für das EVU kein ungewöhnliches Wagnis im Sinne des § 8 Nr. 1 Abs. 3 VOL/A dar. Sie stellen auch keine unangemessene Benachteiligung des Auftragnehmers im Sinne der §§ 305 Abs. 1, 307 Abs. 1 BGB dar. Soweit die Antragstellerin ihre Rechtsauffassung auf die Rechtsprechung des BGH (vgl. Urteil vom 27.03.1991, IV ZR 130/90, = NJW 1991, S. 1828, 1830) [BGH 27.03.1991 - IV ZR 130/90] stützt, ist die zitierte Entscheidung im vorliegenden Fall nicht einschlägig. Denn der BGH hatte ausdrücklich für den Fall eines verschuldensunabhängigen Kündigungsrechts entschieden, dass es den Vertragsparteien in gleicher Weise zustehen müsse. Die vorliegenden Kündigungsrechte in § 19 Abs. 2 des Verkehrsvertrages knüpfen dagegen ausdrücklich nicht an verschuldensunabhängige Tatbestände an. So heißt es dort z.B. in § 19 Abs. 2 des Verkehrsvertrages:
"Ein wichtiger Grund für die Aufgabenträger ist insbesondere gegeben, wenn
a)
das EVU die nach seinem Betriebsaufnahmekonzept gemäß Anlage A.11 für die Aufnahme des Betriebes notwendigen Maßnahmen und Vorarbeiten trotz schriftlicher Nachfristsetzung von einem Monat nicht ordnungsgemäß durchgeführt hat und deshalb der Termin für die Betriebsaufnahme nicht mehr eingehalten werden kann und das EVU dies zu vertreten hat ;b)
das EVU den Termin für die Betriebaufnahme verschuldet nicht einhält ;c)
das EVU die Zulassung nach § 6 AEG während der Vertragslaufzeit bestands- oder rechtskräftig verliert oder der Widerruf der Zulassung nach § 6 AEG für sofort vollziehbar erklärt worden ist;...
e)
ein Insolvenz- oder Liquidationsverfahren gegenüber dem EVU beantragt, eröffnet oder mangels Masse abgelehnt wird; ..."
(Hervorhebungen durch die Vergabekammer)
Sämtliche in § 19 Abs. 2 des Verkehrsvertrages aufgeführten Gründe für eine außerordentliche Kündigung durch die Auftraggeber setzen also ausdrücklich ein Verschulden des EVU voraus oder liegen zumindest ausdrücklich in der Sphäre des EVU, so dass hier Eintritt oder Nichteintritt ausschließlich durch das EVU beeinflussbar ist. Es handelt sich sämtlich um Kündigungsgründe, mit denen ein EVU im Rahmen eines Vertrages über SPNV-Leistungen üblicherweise rechnen muss. Der Antragstellerin wird daher durch das den Auftraggebern eingeräumte Kündigungsrecht in § 19 Abs. 2 des Verkehrsvertrages kein ungewöhnliches Wagnis im Sinne des § 8 Abs. 3 VOL/A aufgebürdet. Das Vertragswerk ist hinsichtlich der Kündigung auch im Übrigen ausgewogen, da § 19 Abs. 3 des Verkehrsvertrages, ebenfalls in üblicher Weise, das Recht des EVU zur außergewöhnlichen Kündigung regelt. Als wichtiger Grund werden dort die Nichtleistung von Abschlägen oder der Verstoß gegen sonstige Verpflichtungen durch einen Aufgabenträger trotz zweimaliger schriftlicher Mahnung genannt.
- Wiedereinsatzgarantie
Auch soweit sich die Antragstellerin gegen die Nichtberücksichtigung ihres Verzichts auf die Inanspruchnahme der Wiedereinsatzgarantie nach Teil II, Ziffer 4.4 bei der Angebotswertung wendet, liegt kein Verstoß gegen den vergaberechtlichen Transparenzgrundsatz, das Diskriminierungsverbot oder den Gleichbehandlungsgrundsatz gemäß § 97 Abs. 1 und 2 GWB vor. Gemäß Ziffer 4.4.1.2 der Leistungsbeschreibung (Teil II der Vergabeunterlagen) verpflichten sich die Auftraggeber gegenüber dem EVU oder einem sonstigen Eigentümer der Fahrzeuge nach Maßgabe der nachfolgenden Bestimmungen, das Risiko der Wiederverwendung neu beschaffter Fahrzeuge für weitere 10 Jahre nach Ablauf des Verkehrsvertrages zu übernehmen und zu diesem Zweck die Fahrzeuge zum Ende der Laufzeit des hiesigen Verkehrsvertrages vom EVU oder einem sonstigen Eigentümer derselben zu einem im Folgenden näher beschriebenen Restwert zu kaufen. In Teil III, Anlage B war unter B.3 ein "Formblatt Wiedereinsatzgarantie" beigefügt, wonach der Bieter ausdrücklich zu erklären hatte, ob er die Wiedereinsatzgarantie in Anspruch nehmen will oder nicht. Die Antragstellerin vertritt die Auffassung, dass es sich bei dieser Erklärung zur Inanspruchnahme der Wiedereinsatzgarantie um einen wirtschaftlich relevanten Sachverhalt handelt, der bei der Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes als Zuschlagskriterium hätte berücksichtigt werden müssen.
Die Frage der Inanspruchnahme der Wiedereinsatzgarantie ist aber unstreitig weder im Rahmen der Angebotswertung berücksichtigt worden noch hat sie als Zuschlagskriterium Eingang in die Verdingungsunterlagen gefunden. Zur Begründung der Nichtberücksichtigung bei der Angebotswertung haben die Auftraggeber ausgeführt, dass eine Inanspruchnahme der Wiedereinsatzgarantie aus ihrer Sicht weder eine finanzielle Belastung noch ein wirtschaftliches Risiko zu ihren Lasten darstelle, das zu bewerten gewesen wäre. Demzufolge sei hier weder eine positive Bewertung der Nichtinanspruchnahme der Wiedereinsatzgarantie, noch eine negative Bewertung bei der Inanspruchnahme erfolgt. Dies folge daraus, dass die Auftraggeber im Falle einer Inanspruchnahme aus der Wiedereinsatzgarantie die Fahrzeuge einfach an das Nachfolgeunternehmen nach Ablauf des hier ausgeschriebenen Vertragszeitraums weiterverkauft hätten.
Vorliegend kann aber im Ergebnis dahin stehen, ob die Frage des Wiederverwendungsrisikos und ggf. Veräußerungsrisikos der vertragsgegenständlichen Fahrzeuge zulässigerweise ein zweckmäßiges Zuschlagskriterium hätte sein können. Entscheidend ist, worauf die Auftraggeber zu Recht verweisen, dass im Ergebnis der Antragstellerin durch die Nichtberücksichtigung des Verzichts auf die Inanspruchnahme der Wiedereinsatzgarantie kein Schaden entstanden ist. Denn aus der vorliegenden Vergabeakte und den vorliegenden Angeboten ergibt sich, dass alle in der Wertung verbliebenen Bieter mit ihren Angeboten im Formblatt B.3 erklärt haben, dass sie die Wiedereinsatzgarantie nicht in Anspruch nehmen. Die Nichtberücksichtigung des Verzichts auf die Inanspruchnahme der Wiedereinsatzgarantie hat also keine Auswirkung auf die Rangfolge bei der Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes und ist daher nicht vergaberelevant.
- Wertung der Angebote der Beigeladenen
Entgegen der Auffassung der Antragstellerin ist die von den Auftraggebern in der Vergabeakte ausführlich gemäß § 30 VOL/A dokumentierte Angebotswertung unter keinem Gesichtspunkt zu beanstanden. Die Auftraggeber waren und sind insbesondere nicht gehalten, das Angebot der Beigeladenen zu 1 deshalb auszuschließen, weil ihre Anteile zu 36% von der Stadtwerke ... AG und der Verkehr und Wasser GmbH ... damit von kommunalen Unternehmen gehalten werden. Die Antragstellerin vertritt die Auffassung, dass es sich bei der Beigeladenen um ein sog. kommunales Querverbundsunternehmen handele, welches im Bedarfsfall von seinen kommunalen Trägern - ebenso wie diese selbst - quersubventioniert werden kann. Dadurch könnten Defizite aus dem Verkehrsbetrieb mit Gewinnen aus der ertragreichen Energiesparte ausgeglichen werden. Die Antragstellerin stützt ihre Forderung auf Ausschluss der Beigeladenen zu 1 vom Wettbewerb auf die Verordnung (EG) Nr. 1370/2007über öffentliche Verkehrsdienste auf Schiene und Straße und zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nr. 1191/69 und (EWG) Nr. 1107/70 des Rates, die am 03.12.2007 im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften veröffentlicht worden ist (ABl. EU L 315/1 vom 03.12.2007). Gemäß Art. 5 Abs. 2 lit. b und c der VO (EG) Nr. 1370/2007 entfaltet die Verordnung grundsätzlich eine Sperrwirkung für die Teilnahme von kommunalen Unternehmen, die Verkehrsdienstleistungen im Wege einer Direktvergabe erhalten haben. Danach ist eine Direktvergabe nur zulässig, wenn der sog. "interne Betreiber" seine Personenverkehrsdienste nur im Zuständigkeitsbereich der örtlichen Behörde erbringt und außerhalb dieses Zuständigkeitsbereiches nicht an wettbewerblichen Verfahren teilnimmt. Hat ein Verkehrsunternehmen einen Auftrag im Wege der Direktvergabe erhalten, darf es während der Laufzeit des Auftrags nur unter den Voraussetzungen des Art. 5 Abs. 2 lit. c VO (EG) Nr. 1370/2007 an einem wettbewerblichen Vergabeverfahren teilnehmen. Voraussetzung ist danach, dass der direkt an den internen Betreiber vergebene Auftrag spätestens in zwei Jahren ausläuft. Der öffentliche Auftraggeber muss beschlossen haben, dass die öffentlichen Personenverkehrsdienste, die Gegenstand der Direktvergabe waren, zukünftig im Rahmen eines wettbewerblichen Verfahrens vergeben werden sollen. Ferner darf gemäß Art. 5 Abs. 2 lit. c VO (EG) Nr. 1370/2007 der interne Betreiber nicht Auftragnehmer anderer direkt vergebener öffentlicher Dienstleistungsaufträge sein. Kommunale Verkehrsunternehmen müssen sich danach also künftig entscheiden, ob sie am Wettbewerb um öffentliche Verkehrsdienstleistungsaufträge teilnehmen oder statt dessen lieber in den Genuss von Direktvergaben im Wege von "In-House-Aufträgen" durch ihre kommunalen Träger kommen wollen. Ein Nebeneinander von In-House-Aufträgen und Teilnahme an einem wettbewerblichen Vergabeverfahren soll danach künftig grundsätzlich ausgeschlossen sein. Damit soll erreicht werden, dass Betreiber nicht einerseits Konkurrenzschutz in Anspruch nehmen können und andererseits dort, wo ein solcher Schutz nicht besteht, mit anderen Anbietern in wettbewerbliche Konkurrenz treten dürfen (vgl. Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu KOM (2005) 319, ABl. EU 2006 C 195 S. 20 Ziffer 4.2.2.).
Die Auftraggeber und die Beigeladene zu 1 haben dieser Auffassung der Antragstellerin jedoch zu Recht entgegengehalten, dass die zitierte Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 die hier streitbefangenen und ausgeschriebenen Verkehrsleistungen überhaupt nicht erfasst. Zum einen tritt diese Verordnung erst am 03.12.2009 in Kraft und entfaltet erst nach Ablauf des in Art. 8 VO (EG) Nr. 1370/2007 geregelten Übergangszeitraums uneingeschränkte Verbindlichkeit. Zum anderen gilt die Regelung des Art. 5 VO (EG) Nr. 1370/2007 gemäß ihrem Abs. 1 ausdrücklich nur für Dienstleistungskonzessionen, während die übrigen Dienstleistungsaufträge weiterhin der Richtlinie 2004/17/EG (Vergabekoordinierungsrichtlinie - VKR) und den zu ihrer Umsetzung ergangenen Regelungen der Mitgliedsstaaten unterliegen. Darüber hinaus hat die Beigeladene zu 1 erklärt, dass ihre kommunalen Anteilseigner ihrerseits nicht mit der Erbringung von Verkehrsleistungen im Wege von In-House-Aufträgen ihrer kommunalen Träger beauftragt worden sind. Ein solcher In-House-Auftrag liege weder im Verhältnis der Stadt ... zur Stadtwerke ... AG noch im Verhältnis der Stadt ... zur Verkehr- und Wasser GmbH ... vor.
Die Frage, ob die Beigeladene zu 1 oder ihre kommunalen Antragseigner aktuell Aufträge bedienen, die sie im Wege der In-House-Vergabe erhalten haben, ist jedoch für den vorliegenden Fall nicht entscheidungserheblich. Die Beteiligung der Beigeladenen zu 1 im Wettbewerb ist nach der aktuellen Rechtslage auch unter Berücksichtigung der von der Antragstellerin zum Thema In-House-Geschäfte zitierten Rechtssprechung nicht zu beanstanden. Ein Ausschluss vom Wettbewerb folgt nicht aus § 7 Nr. 6 VOL/A. Danach sind lediglich Justizvollzugsanstalten, Einrichtungen der Jugendhilfe, Aus- und Fortbildungsstätten oder ähnliche Einrichtungen vom Vergabewettbewerb ausgeschlossen. Zu den "ähnlichen Einrichtungen" im Sinne dieser Vorschrift zählen nach der Rechtsprechung lediglich Einrichtungen, die soziale Belange verfolgen und die aufgrund steuerlicher Vorteile, staatlicher Gewährträgerhaftung und finanzieller Zuschüsse der öffentlichen Hand maßgeblich im Wettbewerb bevorzugt sind (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 17.11.2004, Az.: Verg 46/04). Privatrechtlich organisierte kommunale Unternehmen wie die Beigeladene zu 1 oder auch Regiebetriebe der öffentlichen Hand fallen dagegen in der Regel nicht unter diese Vorschrift und sind daher grundsätzlich zum Wettbewerb mit gewerblichen Unternehmen zuzulassen (vgl. Dittmann in Kulartz/Marx/Portz/Prieß, VOL/A, § 7, Rdnr. 257, 261; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 29.03.2006, Az.: VII Verg 77/05, m.w.N.).
Nach der aktuellen Rechtslage hat die Rechtsprechung bislang lediglich entschieden, unter welchen Umständen auch ein in 100%iger Trägerschaft der öffentlichen Hand stehendes Unternehmen seine In-House-Fähigkeit verlieren kann. So hat das OLG Celle mit Beschluss vom 14.09.2006, Az.: 13 Verg 2/06, für den Fall eines kommunalen Dienstleistungsunternehmens im EDV-Bereich entschieden, dass ein In-House-Geschäft grundsätzlich ausscheidet, wenn das für den Auftrag vorgesehene Unternehmen nur 92,5% seines Umsatzes aus Geschäften mit den Gebietskörperschaften erzielt, denen das Unternehmen gehört. Jedes - gemessen am Gesamtumsatz - nicht völlig unerhebliche Maß von Tätigkeiten für Dritte führt daher dazu, dass eine In-House-Beauftragung nicht möglich ist. Dies folgt daraus, dass die öffentlichen Träger zwar auch dann über das Unternehmen eine Kontrolle ausüben können wie über ihre eigenen Dienststellen. Das Unternehmen verrichtet dann aber nicht mehr seine Tätigkeit im Wesentlichen für die Gebietskörperschaft oder die Gebietskörperschaften, die ihre Anteile inne haben (vgl. EuGH, Urteil vom 18.11.1999 - RS.C 107/98 "Teckal"; Urteil vom 11.01.2005 - RS.C 26/03 "Stadt Halle"). Ferner ist ein zu 100% in öffentlicher Trägerschaft stehendes Unternehmen nach der Rechtsprechung dann keine "öffentliche Stelle" im Sinne der EuGH-Rechtsprechung, wenn der Gesellschaftszweck des Unternehmens vorrangig die Gewinnerzielung ist und sie als werbendes Unternehmen am Markt auftritt und Transportleistungen auf Schiene und Straße anbietet (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 10.11.2005, Az.: 13 Verg 12/05).
Daraus folgt jedoch lediglich, dass auch ein zu 100% in öffentlicher Trägerschaft befindliches Unternehmen dann nicht von seinen Trägern im Wege eines In-House-Geschäfts beauftragt werden kann, wenn es zugleich in nicht völlig unerheblichem Maße als werbendes Unternehmen am Markt auftritt, um Gewinne zu erzielen oder auch nur seine logistischen und personellen Kapazitäten besser auszulasten.
Aus dieser Rechtsprechung folgt aber umgekehrt nicht, dass es öffentlichen Unternehmen in privatrechtlicher Rechtsform untersagt wird, sich an öffentlichen Vergabeverfahren zu beteiligen.
Die Vergabekammer weist darauf hin, dass die Angebotswertung entgegen der Auffassung und Vermutungen der Antragstellerin auch im Übrigen nicht zu beanstanden ist. Sowohl die Beigeladene zu 1 als auch die Beigeladene zu 2 haben ebenso wie die Antragstellerin in jeder Hinsicht vollständige und wertbare Angebote abgegeben, die insbesondere auch nicht wegen Abweichung von Festlegungen der Verdingungsunterlagen im Sinne des § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. d VOL/A in Verbindung mit § 21 Nr. 1 Abs. 4 VOL/A auszuschließen sind. Auch die Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes durch die Auftraggeber gemäß § 25 Abs. 3 VOL/A erfolgte ausschließlich unter Berücksichtigung der nach § 25 a Abs. 1 und 2 VOL/A festgelegten und bekannt gemachten Zuschlagskriterien und ihrer Gewichtung. Die Auftraggeber haben die Angebotswertung auch transparent und ausführlich in einer den Anforderungen des § 30 VOL/A in jeder Hinsicht genügenden Weise in der Vergabeakte dokumentiert.
Die Entscheidung der Vergabekammer, die Auftraggeber gemäß § 114 Abs. 1 GWB zu verpflichten, das Vergabeverfahren aufzuheben, ist somit allein durch die oben unter II. 2. a erörterte, unter Berücksichtigung des aktuellen Urteils des EuGH vom 03.04.2008 in der RS.C 346/06 als gemeinschaftsrechtswidrig einzustufenden Tariftreueregelungen auf der Grundlage des § 4 des Vergabegesetzes für das Land Bremen veranlasst. Dieser von der Antragstellerin geltend gemachte Rechtsverstoß betrifft die Grundlagen des streitbefangenen Vergabeverfahrens sowie die Angebotskalkulation und kann, da die Angebotsfrist verstrichen und die Angebote durch die Auftraggeber geöffnet und ausgewertet wurden, nicht mehr durch einen Wiedereintritt in die Angebotswertung geheilt werden (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 02.09.2004, Az.: 13 Verg 11/04).
III. Kosten
Die Kostenentscheidung folgt aus § 128 GWB. Nach Art. 7 Nr. 5 des 9. Euro - Einführungsgesetzes (BGBl. 58/2001 vom 14.11.2001, S. 2992 ff.) vom 10.11.2001 werden die DM-Angaben in § 128 GWB für die von der Vergabekammer festzusetzende Gebühr durch Angaben in Euro im Verhältnis 1 : 2 ersetzt, so dass die regelmäßige Mindestgebühr nunmehr 2.500 Euro, die Höchstgebühr 25.000 Euro bzw. in Ausnahmefällen 50.000 Euro beträgt.
Es wird eine Gebühr in Höhe der regelmäßigen Höchstgebühr von ... EUR gemäß § 128 Abs. 2 GWB festgesetzt.
Der zu Grunde zu legende Auftragswert beträgt nach dem Ergebnis der streitbefangenen Ausschreibung ... EUR brutto. Dieser Betrag entspricht den Kosten nach dem Hauptangebot der Antragstellerin über die ausgeschriebene Mindestvertragslaufzeit von 10 Jahren (also inkl. Linie Farge-Bremen-Verden) (... EUR netto/Jahr zzgl. 19% MwSt X 10 Vertragsjahre) und damit ihrem Interesse am Auftrag.
Die Gebührenermittlung erfolgt anhand einer Gebührentabelle des Bundeskartellamtes vom 09.02.1999 in der zurzeit gültigen Fassung vom 01.01.2003. Hiernach wird der Mindestgebühr von 2.500 EUR (§ 128 (2) GWB) eine Ausschreibungssumme von bis zu 80.000 EUR zugeordnet und dem regelmäßigen Höchstwert von 25.000 EUR (§ 128 (2) GWB) eine Ausschreibungssumme von 70 Mio. EUR (höchste Summe der Nachprüfungsfälle 1996-1998) gegenübergestellt. Bei einer Ausschreibungssumme von ... EUR ergibt sich eine Gebühr in Höhe der regelmäßigen Höchstgebühr von ... EUR.
Diese Gebühr schließt einen durchschnittlichen sachlichen und personellen Aufwand ein. Gutachterkosten oder Kosten durch Zeugenvernehmung in der mündlichen Verhandlung sind nicht angefallen.
Die in Ziffer 2 des Tenors verfügte grundsätzliche Kostentragungspflicht der Auftraggeber folgt aus § 128 Abs. 3 Satz 1 GWB. Danach hat ein Beteiligter, soweit er im Verfahren unterliegt, die Kosten zu tragen. Hier war zu berücksichtigen, dass der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin in einem entscheidenden Punkt begründet ist und zur Verpflichtung der Auftraggeber zur Aufhebung des Vergabeverfahrens geführt hat.
Die Auftraggeber sind jedoch von der Entrichtung der Kosten gemäß § 128 Abs. 1 GWB i.V.m. § 8 Abs. 1 Nr. 3 Nds. VwKostG von der Kostentragungspflicht befreit (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 13.07.2005, Az.: 13 Verg 9/05; OLG Dresden, Beschluss vom 25. 01. 2005, Az.: WVerg 0014/04).
Gemäß § 128 Abs. 4 GWB i.V.m. § 80 Abs. 2 VwVfG in entsprechender Anwendung war auf Antrag der Antragstellerin gem. Ziffer 4 des Tenors auszusprechen, dass die Zuziehung eines Rechtsanwalts durch die Antragstellerin im Nachprüfungsverfahren notwendig war. Das folgt daraus, dass die Antragstellerin ungeachtet der Tatsache, dass das GWB für das Nachprüfungsverfahren 1. Instanz vor der Vergabekammer keine rechtsanwaltliche Vertretung vorschreibt, gleichwohl wegen der Komplexität des Vergaberechts und des das Nachprüfungsverfahren regelnden Verfahrensrechts einerseits sowie auch der Komplexität des konkreten streitbefangenen Vergabeverfahrens rechtsanwaltlicher Beratung und Begleitung bedurfte.
Die Auftraggeber haben der Antragstellerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten zu erstatten.
Schulte