Vergabekammer Lüneburg
Beschl. v. 08.10.2007, Az.: VgK-40/2007

Ausschluss eines Nebenangebots von einem vergaberechtlichen Verfahren als zwingende Rechtsfolge einer Abweichung des Angebots von den vergabemäßigen Kriterien des Auftraggebers; Schlüssige Darlegung einer Chance auf eine Zuschlagerteilung bei ordnungsgemäßer Angebotswertung als Anforderung an das Rechtsschutzbedürfnis für ein Nachprüfungsverfahren; Kenntnis von einem den Schluss auf eine Vergaberechtsverletzung erlaubenden Sachverhalt als maßgeblicher Zeitpunkt für die Ausübung der vergaberechtlichen Rügeobliegenheit; Bestehen einer anteiligen Kostentragungspflicht eines Beigeladenen als Folge einer aktiven Verfahrensbeteiligung durch Stellung eines eigenen Antrags

Bibliographie

Gericht
VK Lüneburg
Datum
08.10.2007
Aktenzeichen
VgK-40/2007
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2007, 47803
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgegenstand

VOB-Vergabeverfahren Grunderneuerung der BAB A 39 von km 12,231 bis km 15,335 beide Richtungsfahrbahnen sowie AS xxxxxxx

In dem Nachprüfungsverfahren
...
hat die Vergabekammer
durch
die Vorsitzende RD'in Dr. Raab,
die hauptamtliche Beisitzerin Dipl.-Ing. Rohn und
den ehrenamtlichen Beisitzer Dipl.-Ing. Lohmöller
auf die mündliche Verhandlung vom 08.10.2007
beschlossen:

Tenor:

  1. 1.

    Es wird festgestellt, dass die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt ist. Die Auftraggeberin wird verpflichtet, erneut in die Angebotswertung einzutreten und diese unter Beachtung der aus den Entscheidungsgründen ersichtlichen Rechtsauffassung der Vergabekammer erneut durchzuführen.

  2. 2.

    Die Kosten des Verfahrens haben die Auftraggeberin und die Beigeladene je zur Hälfte zu tragen. Die Auftraggeberin ist jedoch von der Entrichtung des auf sie entfallenden Kostenanteils befreit.

  3. 3.

    Die Kosten werden auf 4.991 EUR festgesetzt.

  4. 4.

    Die Auftraggeberin und die Beigeladene haben der Antragstellerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten je zur Hälfte zu erstatten. Die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts war für die Antragstellerin notwendig.

Begründung

1

I.

Mit Bekanntmachung vom 31.01.2007 hat die Auftraggeberin den Bauauftrag "Grunderneuerung der BAB A 39 von km 12,231 bis km 15,335 beide Richtungsfahrbahnen" europaweit als Offenes Verfahren ausgeschrieben.

2

Der Auftrag beinhaltet die Grunderneuerung der Fahrbahn der BAB A 39, das Herstellen der Markierung, Verkehrssicherungsarbeiten, die Erneuerung der Entwässerungsanlagen sowie die Herstellung von Schutzeinrichtungen. Eine Aufteilung in Lose ist nicht vorgesehen, Varianten / Alternativangebote sind zugelassen.

3

Nach Maßgabe der EG-Aufforderung zur Angebotsabgabe sollen als Zuschlagskriterien der Preis nach der Wertungssumme des Angebotes zu 85 % und der technische Wert - mit den Unterkriterien "Bauverfahren", "Qualitätssicherung", "Geräteeinsatz" und "Umwelt" - zu 15 % gewichtet werden. Nebenangebote sind - mit Ausnahme von Pauschalierungen für Leistungen im Erdbau - zugelassen. Bezüglich der Mindestbedingungen wird auf Abschnitt 1.5. der Baubeschreibung und auf den beigefügten Vordruck "StB-Mindestanforderungen" hingewiesen, in welchem die einschlägigen Regelwerke aufgeführt sind.

4

Die Bewerbungsbedingungen enthalten für Nebenangebote unter Ziffer 5 u. a. folgende formale Regelungen:

5.1
Nebenangebote müssen auf besonderer Anlage gemacht und als solche deutlich gekennzeichnet sein; deren Anzahl ist an der im Angebotsschreiben bezeichneten Stelle aufzuführen.

5.2
Sind Nebenangebote zugelassen, müssen sie die geforderten Mindestbedingungen erfüllen; dies ist mit Angebotsabgabe nachzuweisen.

5.3
Der Bieter hat die in Nebenangeboten enthaltenen Leistungen eindeutig und erschöpfend zu beschreiben; die Gliederung des Leistungsverzeichnisses ist, soweit möglich, beizubehalten. Nebenangebote müssen alle Leistungen erfassen, die zu einer einwandfreien Ausführung der Bauleistung erforderlich sind. Soweit der Bieter eine Leistung anbietet, deren Ausführung nicht in Allgemeinen Technischen Vertragsbedingungen oder in den Verdingungsunterlagen geregelt ist, hat er im Angebot entsprechende Angaben über Ausführung und Beschaffenheit dieser Leistung zu machen.

5.4
Nebenangebote sind, soweit sie Teilleistungen (Positionen) des Leistungsverzeichnisses beeinflussen (ändern, ersetzen, entfallen lassen, zusätzlich erfordern), nach Mengenansätzen und Einzelpreisen aufzugliedern (auch bei Vergütung durch Pauschalsumme).

5.5
Nebenangebote, die den Nummern 5.1 erster Halbsatz, 5.2 bis 5.4 nicht entsprechen, werden von der Wertung ausgeschlossen.

5

Abschnitt 1.5. der Baubeschreibung trifft auf den S. 20 - 21 folgende Regelungen zu den Mindestbedingungen für Nebenangebote:

"Als Mindestbedingungen für Nebenangebote/ Änderungsvorschläge gelten, wenn im Folgenden keine weiteren Bedingungen angegeben sind, nur die Bedingungen und Parameter, die im Leistungsverzeichnis an Werk-, Material-, Funktions- und Produkteigenschaften bereits beschrieben sind.

Nebenangebote und Änderungsvorschläge müssen folgender Bedingung entsprechen:

1)
Die nach Baubeschreibung geforderten Lastannahmen und Bauklassen nach RStO 01 sind einzuhalten.

2)
Die Vertragsfristen gemäß Besondere Vertragsbestimmungen müssen eingehalten werden.

3)
Die Bauabschnitte gemäß Baubeschreibung müssen beibehalten werden.

4)
Die Durchführbarkeit der Bauleistungen innerhalb der Bauabschnitte ist sicherzustellen.

5)
Der Wartungs- und Unterhaltungsaufwand während der Baudurchführung sowie auch am fertigen Produkt darf nicht erhöht werden.

6)
Änderungen im Zusammenhang mit der Art der Baustoffe für Rohre und Schächte sind nicht zugelassen.

7)
Änderungen am Entwässerungskonzept sind nicht zugelassen.

8)
Die in den Verdingungsunterlagen beschriebenen Verkehrslenkungs- und Sicherungsmaßnahmen sind einzuhalten.

9)
In den bituminösen Materialien ist Asphaltgranulat lediglich in der Asphalttragschicht bis 25 Gew.-v. H. zulässig."

6

Nach Maßgabe der Niederschrift über die Angebotseröffnung am 29.03.2007 waren 7 Angebote fristgerecht beim Auftraggeber eingegangen. Nach den geprüften Angebotsendsummen der Hauptangebote liegt das Hauptangebot der Antragstellerin auf Rang 3, das der Beigeladenen auf Rang 4.

7

Über das Vergabeverfahren hat die Auftraggeberin einen mit dem 30.05.2007 datierten Vergabevermerk angefertigt. Ziffer 8.4.4 des Vermerks beschreibt das Verfahren zur Prüfung und Wertung der Nebenangebote. Als Anlagen 3 und 4 sind dem Vergabevermerk eine Zusammenstellung der Nebenangebote und ein Vermerk zu ihrer Wertung beigefügt. In diesem Vermerk hat die Auftraggeberin die Wertung / Nichtwertung der Nebenangebote der Bieter im Einzelnen begründet. In der Tabelle "Angebotswertung Nebenangebote" wurden die Angebotssummen der Bieter unter Berücksichtigung der wertbaren Nebenangebote und der angebotenen Preisnachlässe miteinander verglichen.

8

Für das Angebot der Antragstellerin wurden 2 der 25 von ihr vorgelegten Nebenangebote - und zwar die Nebenangebote Nr. 9 und 19 - gewertet, für die Wertung des Angebots der Beigeladenen wurden 4 von insgesamt 21 Nebenangeboten - und zwar die Nebenangebote 10, 12, 14 und 17 - berücksichtigt.

9

Unter zusätzlicher Berücksichtigung der angebotenen Preisnachlässe liegt das Angebot der Antragstellerin mit einer Angebotssumme von 7.863.439,98 EUR brutto preislich auf Rang 2 hinter dem Angebot der Beigeladenen mit einer Angebotssumme von 7.803.887,30 EUR brutto.

10

Die Wertung nach den bekanntgemachten Zuschlagskriterien "Preis" (85%) und "technischer Wert" (15 %) hat die Auftraggeberin in der Tabelle Angebotswertung dokumentiert.

11

Hiernach liegt in der Gesamtwertung das Angebot der Beigeladenen mit 978 Punkten auf Rang 1 vor dem Angebot der Antragstellerin mit 950 Punkten.

12

Der Vergabevermerk enthält unter Ziff. 8.8 folgenden Vergabevorschlag:

"Der Auftrag soll auf das wirtschaftlichste (ggf. bevorzugte) Angebot und unter

Berücksichtigung folgender Nebenangebote, die aus Wettbewerbsgründen nicht in die Wertung einbezogen werden durften, erteilt werden:

Bieter: Fa. xxxxxxx

Nebenangebot(e) Nr(n).: 10, 12, 14, 17

Hieraus ergibt sich folgende Auftragssumme (einschließlich MWSt):

7.803.887,30 EUR"

13

Mit Schreiben vom 31.08.2007 hat die Auftraggeberin die Bieter über den beabsichtigten Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen informiert. Der Antragstellerin wurde mitgeteilt, dass sie nicht das wirtschaftlichste Angebot vorgelegt habe. In tabellarischer Form wurde sie - meist stichwortartig - über die jeweiligen Gründe für die Nichtwertung von 23 ihrer 25 Nebenangebote informiert.

14

Mit anwaltlichem Schreiben vom 05.09.2007 rügte die Antragstellerin die Information gemäß § 13 VgV wegen der fehlenden Angabe der Wertungssumme des Konkurrenzbieters als unzureichend, da dies eine genaue Bezugnahme der nicht gewerteten Nebenangebote auf das Konkurrenzangebot verhindere. Auch seien die allgemein und zu kurz gehaltenen Begründungen zur Nichtwertung der Nebenangebote oft nicht nachvollziehbar. Sie rügt den Ausschluss ihrer Nebenangebote und trägt detailliert vor, warum ihre Nebenangebote Nr.1, 10, 11/12, 13, 14, 15, 16/17, 18 und 22/23 zwingend in die Wertung einzubeziehen sind.

15

Bei Wertung dieser Nebenangebote ergebe sich ein erheblicher Preisvorteil, sodass als Ergebnis einer Neubewertung der Zuschlag zwingend auf ihr Angebot zu erteilen sei.

16

Die Auftraggeberin teilte der Antragstellerin mit Rügeantwort vom 11.09.2007 mit, dass sie an ihrer Entscheidung festhalten werde.

17

Mit Schriftsatz vom 14.09.2007, per Fax eingegangen bei der Vergabekammer am selben Tage, beantragte die Antragstellerin bei der Vergabekammer gemäß § 107 GWB die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens. Trotz der aus ihrer Sicht unzureichenden Information gemäß § 13 VgV müsse sie davon ausgehen, dass die Entscheidung der Auftraggeberin vergaberechtswidrig ist, was sie auch unverzüglich gerügt habe.

18

Nach Akteneinsicht trägt sie hierzu vor, bei korrekter Wertung des Kriteriums "technischer Wert" und bei Wertung der von ihr in der Rüge benannten Nebenangebote habe sie selbst das wirtschaftlichste Angebot vorgelegt, zumal die Auftraggeberin mindestens zwei Nebenangebote der Beigeladenen vergaberechtswidrig in die Wertung einbezogen habe.

19

Die Beigeladene habe - unter Verstoß gegen die Mindestbedingungen - in ihrem Nebenangebot Nr. 14 alternativ zur Asphaltbauweise eine Ausführung als "Kompaktasphalt" angeboten, welche nicht gleichwertig sei, da sie die von der Auftraggeberin erwarteten Dichtungsfunktionen nicht erfüllen könne. Dennoch habe die Auftraggeberin dieses Nebenangebot gewertet.

20

Hinsichtlich der ausgeschriebenen Bodenverbesserungsmaßnahmen, bei denen die Auftraggeberin im Angebot der Antragstellerin unzulässige Pauschalierungen für Leistungen im Erdbau erkannt haben will, hätten Beigeladene und Antragstellerin gleich strukturierte Nebenangebote bezüglich der Bindemittelzugabe abgegeben. Anders als die Antragstellerin in ihrem Nebenangebot Nr. 9 habe die Beigeladene in ihrem Nebenangebot Nr. 10 aber nicht das hiermit verbundene Mengenrisiko und die Gewährleistung der Tragfähigkeit übernommen. Die erst nach Submission am 14.06.2007 abgegebene Risikoerklärung der Beigeladenen stelle eine unzulässige Abänderung ihres Nebenangebotes dar.

21

Mit ihrem Nebenangebot Nr. 12 habe die Beigeladene abweichend vom Hauptangebot, welches den Einbau der 18 cm dicken Asphalttragschicht in zwei Lagen vorsehe, den Einbau in nur einer Lage angeboten. Dieses Nebenangebot sei hinsichtlich der - mit diesem Verfahren im unteren Teil der Schicht nur unzureichend herzustellenden - Verdichtung nicht gleichwertig und daher aus der Wertung auszuschließen.

22

Bereits unter Berücksichtigung der wegen unzulässiger Pauschalierung und nachträglicher Änderung nicht zu wertenden Nebenangebote Nr. 10 und 17 der Beigeladenen würde sich das Angebot der Antragstellerin als das wirtschaftlichste erweisen, selbst wenn seine Wertung durch die Auftraggeberin unverändert bliebe.

23

Soweit die Beigeladene erst im Nachprüfungsverfahren die Nichtwertung eines Teils ihrer Nebenangebote beanstandet und deren Wertung verlangt, sei sie mit ihrem Vortrag präkludiert. Abgesehen hiervon habe die Auftraggeberin diese Nebenangebote überwiegend zu Recht nicht in die Wertung einbezogen.

24

Zur Nichtwertung ihrer Nebenangebote trägt sie im Einzelnen folgendes vor:

25

Der von der Auftraggeberin vermisste Eignungsnachweis zum Nebenangebot Nr. 1 (Längsmarkierung durch Farbe High Solid) erübrige sich, da die bei der Auftraggeberin mit der Vergabe befassten Mitarbeiter aus anderen aktuellen Ausschreibungen über entsprechendes anwendungsbereites Wissen verfügen. Die verwendete Farbe sei auch gleichwertig. Entgegen den Darlegungen der Auftraggeberin erfolge die spätere Entfernung der Markierung mit Farbe nicht in einem gesonderten Arbeitsgang, sondern beim Abfräsen der Deckschicht.

26

Die Nebenangebote Nr. 10, 13, 15 und 18 (Bodenverbesserung / Verfestigung) widersprächen nicht dem von der Auftraggeberin vorgegebenen Pauschalierungsverbot für Erdbauleistungen. Da die Antragstellerin das Risiko des Umfangs der Bindemittelzugabe und der Tragfähigkeit der betreffenden Erdplanumsbereiche trage, entstünden selbst im Falle einer Abminderung der Bindemittelmenge für die Auftraggeberin keine Nachteile. Unter diesen Bedingungen seien diese Nebenangebote gleichwertig und wirtschaftlich vorteilhafter als die ausgeschriebenen Leistungen. Soweit die Auftraggeberin Bodenuntersuchungen vermisse, sei darauf hinzuweisen, dass eine solche auch zum vergleichbaren Nebenangebot Nr. 9 nicht vorgelegt wurde und im Hinblick auf die hinreichenden Angaben zu den Baugrundverhältnissen in der Baubeschreibung auch nicht erforderlich sei.

27

Im Nebenangebot Nr. 14 (Verfestigung) wird die in der Pos. 02.04.0005 ausgeschriebene Verfestigung im Zentralmischverfahren zu Einsparungen bei den Transportkosten alternativ im Wege des Baumischverfahrens angeboten. Entgegen den Darstellungen der Auftraggeberin kann gemäß der ZTVT das Baumischverfahren auch dann zur Anwendung kommen, wenn Arbeiten im Unterbau ausgeführt werden. Die mit diesem Verfahren erzielten Ergebnisse seien gleichwertig mit denen des Zentralmischverfahrens. Außerdem seien in das Nebenangebot Transportkosten einzukalkulieren gewesen, weil das Material abzutragen und zwischenzulagern ist.

28

Die Nebenangebote Nr. 11, 12, 16 und 17 (Aufbereitung und Wiedereinbau des beim Aufbruch anfallenden PAK-haltigen Ausbaumaterials) sehen alternativ zur ausgeschriebenen teuren Entsorgung die Aufbereitung und Wiederverwertung des PAK-haltigen Ausbaumaterials als Tragschicht zur Verfestigung vor. Bei den Nebenangeboten 11 und 16 soll jeweils das Zentralmischverfahren angewandt werden, mit den Nebenangeboten 12 und 17 wird alternativ hierzu das Baumischverfahren angeboten. Die Nebenangebote beziehen sich ausdrücklich auf die für die Behandlung des PAK-haltigen Materials maßgeblichen gesetzlichen Vorgaben und Richtlinien, die u. a. auch die Lagerung regeln. Auch der erforderliche Grundwasserabstand werde eingehalten, denn dies ergebe sich bereits nach dem Inhalt der Verdingungsunterlagen. Die vorgelegten Massenbilanzen seien schlüssig und korrekt und ohne weiteres nachvollziehbar. Eine von der Auftraggeberin bei den Nebenangeboten Nr. 11 und 12 vermisste Untersuchung des Durchlässigkeitsbeiwertes des zu gewinnenden Bodens erübrige sich nach den Vorgaben der Verdingungsunterlagen ebenfalls. Da die Auftraggeberin in Pos. 02.02.0023 selbst den Einbau von Boden der Bodenklasse Z2 aus den Pos. 02.01.0035 bis 02.01.0038 im Mittelstreifen ausgeschrieben habe, ohne entsprechende Absicherungsmaßnahmen vorzusehen, sei auch nicht nachvollziehbar, warum das Eindringen von Oberflächenwasser aus dem Mittelstreifen in diesen beiden Nebenangeboten hätte untersucht werden müssen. Bezüglich des Einbaues des Schotter-Splitt-Sand-Gemisches im Dammbereich seien die beiden Nebenangebote gemäß ihrer Beschreibung identisch mit den vorgesehenen Ausführungen des Hauptangebotes und daher nicht unvollständig. Als Anlage 3 seien beiden Nebenangeboten auch entsprechende Angaben zur Abdichtung von Durchdringungskörpern beigefügt. Die Nebenangebote Nr. 11, 12,16 und 17 seien in jeder Beziehung vollständig und gleichwertig und führten zu erheblichen Kosteneinsparungen.

29

Bei den Nebenangeboten Nr. 22 und 23 (zusätzliche Mittelstreifenüberfahrt) werde lediglich die Länge der Verkehrssicherung in den Bauphasen 1 bis 5 geändert. Die in der Baubeschreibung als Mindestbedingungen vorgegebenen Bauabschnitte (Ziffer 1.5.3) wie auch die in den Verdingungsunterlagen beschriebenen Verkehrslenkungs- und Sicherungsmaßnahmen (Ziffer 1.5.8) blieben hierbei unverändert, die Mindestbedingungen seien also eingehalten. Die Nebenangebote seien gleichwertig und wirtschaftlich vorteilhafter als die ausgeschriebene Leistung.

30

Die Antragstellerin beantragt

  • festzustellen, dass die Antragstellerin durch die vergaberechtswidrige Wertung ihres Angebotes vom 28.03.2007 nebst der dazugehörigen Nebenangebote in ihren Rechten verletzt ist;

  • die Auftraggeberin zu verpflichten, den Zuschlag auf das Angebot der Antragstellerin vom 28.03.2007 zu erteilen;

  • hilfsweise die Auftraggeberin zu verpflichten, erneut in die die Wertung der Angebote einzutreten und unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung der Vergabekammer vergaberechtsgemäß abzuschließen;

  • die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin für notwendig zu erklären.

  • der Auftraggeberin die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung der Antragstellerin aufzuerlegen.

31

Die Auftraggeberin beantragt

  • den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin kostenpflichtig zurückzuweisen.

32

Zunächst einmal habe sie die Antragstellerin in nicht zu beanstandender Weise gemäß § 13 VgV informiert, einen Anspruch auf weitergehende Informationen gebe es nicht.

33

Die in der Rüge der Antragstellerin aufgeführten Nebenangebote seien zu Recht nicht in die Wertung einbezogen worden.

34

Das Nebenangebot Nr. 1 (Längsmarkierung durch Farbe High Solid) scheitere an der fehlenden Vorlage eines Eignungsnachweises. Außerdem sei das angebotene Material hinsichtlich Griffigkeit und Dauerhaftigkeit nicht gleichwertig.

35

Das Nebenangebot Nr. 10 (Bindemittel ausstreuen, Boden verbessern) enthalte eine unzulässige Pauschalierung von Erdbauleistungen und sei im Falle der Unterschreitung der vorgesehenen Bindemittelmenge unwirtschaftlich.

36

In den Nebenangeboten Nr. 11 und 12 (Wiedereinbau des PAK-haltigen Materials in die Schwäche- und Störzonen) fehlten Aussagen zur Einhaltung des erforderlichen Grundwasserabstandes, auch wurde der Durchlässigkeitsbeiwert des zu gewinnenden Bodens nicht untersucht. Die Möglichkeit des Eindringens von Oberflächenwasser aus dem Mittelstreifen wurde nicht berücksichtigt und es fehlen Aussagen über die Abdichtung. Weiterhin fehlen Angaben zum Einbau des Schotter-Splitt-Sand-Gemisches im Dammbereich und Details zur Ausführung der Abdichtung von Durchdringungskörpern. Die vorgelegten Massenbilanzen seien nicht prüfbar. Im Nebenangebot Nr. 11 sei zudem der Transport von der Baustelle zum Mischwerk nicht beschrieben.

37

Auch das Nebenangebot Nr. 13 (Verfestigung herstellen ZM.-Verfahren, Bindemittel liefern) enthalte eine unzulässige Pauschalierung von Erdbauleistungen und sei für den Fall, dass die vorgesehene Bindemittelmenge unterschritten wird, unwirtschaftlich.

38

Beim Nebenangebot Nr. 14 (Verfestigung herstellen BM.-Verfahren) gehe die Antragstellerin von falschen Voraussetzungen aus. Das angebotene Baumischverfahren sei im vorliegenden Fall mit Risiken für den Auftraggeber verbunden, auch sei es bezüglich der Einsparungen unvollständig.

39

Das Nebenangebot Nr. 15 (Verfestigung herstellen BM.-Verfahren, Bindemittel liefern) sei als Kombination aus den Nebenangeboten Nr. 13 und 14 mit den gleichen Mängeln behaftet.

40

Mit den Nebenangeboten Nr. 16 und 17 (Wiederverwendung der PAK-haltigen Asphaltgranulate als hydraulische gebundene Verfestigung unterhalb des Asphaltoberbaues) werde die gleiche Leistung in unterschiedlichen Verfahren angeboten. In beiden Fällen sei die Massenbilanz nicht nachvollziehbar, auch fehlten - wie in den Nebenangeboten 11 und 12 - Angaben zur Einhaltung der Randbedingungen und zur Durchführung der Leistung. Das Nebenangebot Nr. 17 gehe zudem von falschen Voraussetzungen aus, der Einsatz des Baumischverfahrens sei hier nicht möglich.

41

Auch das Nebenangebot Nr. 18 (Bindemittel ausstreuen, Boden verbessern) enthalte eine unzulässige Pauschalierung von Erdbauleistungen und sei im Falle der Unterschreitung der vorgesehenen Bindemittelmenge unwirtschaftlich.

42

Die Nebenangebote Nr. 22 und 23 (Ein- und Ausbau einer zusätzlichen Mittelstreifenüberfahrt) widersprächen den Mindestbedingungen unter den Ziffern 1.5 Nr.3 und 1.5 Nr. 8 der Baubeschreibung, wonach die Bauabschnitte und die in den Verdingungsunterlagen beschriebenen Verkehrslenkungs- und Sicherungsmaßnahmen beizubehalten sind.

43

Soweit die Wertung der Nebenangebote der Beigeladenen beanstandet werde, sei zuzugestehen, dass das Nebenangebot Nr. 17 der Beigeladenen ebenfalls wegen unzulässiger Pauschalierung von Leistungen im Erdbau nicht gewertet werden könne. Hierdurch ändere sich die ermittelte Rangfolge der Angebote jedoch nicht.

44

Die Beigeladene beantragt

  • den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen,

  • die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten der Beigeladenen für notwendig zu erklären und

  • der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen aufzuerlegen.

45

Sie unterstützt grundsätzlich den Vortrag der Auftraggeberin. Diese habe zu Recht die streitgegenständlichen Nebenangebote der Antragstellerin wegen formeller und materieller Mängel nicht gewertet und das Angebot der Beigeladenen als das wirtschaftlichste Angebot ermittelt.

46

Allerdings habe die Auftraggeberin auch ihr Angebot hinsichtlich des Kriteriums "technischer Wert" unterbewertet und drei ihrer Nebenangebote (Nr. 1, Nr. 8 und Nr. 18) zu Unrecht nicht in die Wertung einbezogen. Sollte die Antragstellerin im Nachprüfungsverfahren eine Wertung ihrer Nebenangebote durchsetzen, müsse die Auftraggeberin bei einem Wiedereintritt in die Wertung auch die Wertung des Angebotes der Beigeladenen korrigieren.

47

Zum Nebenangebot Nr. 1 (Fräsguteinbau im Bankettbereich) unterstelle die Auftraggeberin zu Unrecht den Einbau kontaminierten Fräsgutes, obwohl das Nebenangebot für dieses Verständnis keinen Anlass biete.

48

Das Nebenangebot Nr. 8 (Gelb-Markierung mit Farbe) entspreche inhaltlich dem Nebenangebot Nr. 1 der Antragstellerin und beschränke sich wie dieses auf die Bereiche des zu erneuernden Oberbaus, sodass die in beiden Fällen monierte aufwendige Entfernung der Farbmarkierung gar nicht erforderlich ist. Allerdings liege ihrem Nebenangebot der geforderte Eignungsnachweis bei.

49

Das Nebenangebot Nr. 18 (Wiedereinbau des PAK-haltigen Materials in die Schwäche- und Störzonen) entspreche inhaltlich dem Nebenangebot Nr. 11/12 der Antragstellerin, enthalte aber eine nachvollziehbare Massenberechnung. Die Eignung der angebotenen Bitumenemulsion sei gegeben, weil eine Randabdichtung wegen der ausreichenden Verfestigung nicht erforderlich sei, außerdem werde das PAK-haltige Material mit Zement gebunden.

50

Insoweit sei eine Nichtwertung der genannten Nebenangebote vergaberechtswidrig.

51

Den Vorwurf, sie habe ihr Nebenangebot Nr. 10 im Rahmen der Aufklärung in unzulässiger Weise geändert bzw. erst wertbar gemacht, weist sie zurück. Sie sei dem Aufklärungsverlangen der Auftraggeberin bezüglich ihres Nebenangebotes nachgekommen, obwohl sie selbst keine Notwendigkeit hierfür gesehen habe. Ihr Schreiben vom 14.06.2007 korrigiere eine fehlerhafte Auskunft eines nicht mit diesem Vergabeverfahren befassten Mitarbeiters, enthalte aber weder eine Angebotsänderung, noch werde hiermit der Nachweis der Gleichwertigkeit nachgeholt.

52

Wegen des übrigen Sachverhaltes wird auf die Vergabeakte, die Schriftsätze der Beteiligten und das Protokoll über die mündliche Verhandlung am 08.10.2007 Bezug genommen.

53

II.

Der Nachprüfungsantrag ist zulässig und begründet. Die Antragstellerin ist im Sinne der §§ 97, Abs. 7, 114 Abs. 1 GWB in ihren Rechten verletzt. Die Auftraggeberin ist gehalten, erneut in die Angebotswertung einzutreten und diese unter Beachtung der aus den Entscheidungsgründen ersichtlichen Rechtsauffassung der Vergabekammer erneut durchzuführen.

54

Die Vergabekammer Lüneburg ist zuständig. Bei der Auftraggeberin, der Bundesrepublik Deutschland, handelt es sich um eine Gebietskörperschaft und damit einen öffentlichen Auftraggeber i. S. d. § 98 Nr. 1. Das Land Niedersachsen, vertreten durch die Niedersächsische Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr - Geschäftsbereich xxxxxxx -, führt das beanstandete Vergabeverfahren im Rahmen der Bundesauftragsverwaltung gem. Artikel 85 GG für die Bundesrepublik Deutschland - Straßenbauverwaltung - durch. Ausgehend von der geprüften Angebotssumme der Antragstellerin von 7.863.439,99 EUR brutto und damit 6.607.932,76 EUR netto unter Berücksichtigung der Angebotssumme ihres Hauptangebots gemindert um die Einsparungen der von der Auftraggeberin gewerteten 2 Nebenangebote und den bedingungslos gewährten Nachlass von 4 %, ist der gem. §§ 100 Abs. 1, 127 GWB in einer Rechtsverordnung festgelegte maßgebliche Schwellenwert für einen Bauauftragauftrag von 5.278.000 EUR überschritten, so dass die angerufene Vergabekammer zuständig ist.

55

Die Antragstellerin ist auch gem. § 107 Abs. 2 GWB antragsbefugt, da sie als Bieterin ein Interesse am Auftrag hat und eine Verletzung von Rechten durch Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend macht, indem sie behauptet, dass die Auftraggeberin das Angebot der Beigeladenen nur deshalb als das wirtschaftlichste Angebot ermittelt habe, weil sie vergaberechtswidrig im Einzelnen bezeichnete Nebenangebote der Antragstellerin nicht gewertet habe. Voraussetzung für die Antragsbefugnis gem. § 107 Abs. 2 GWB ist, dass das antragstellende Unternehmen einen durch die behauptete Rechtsverletzung entstandenen oder drohenden Schaden darlegt. Das bedeutet, dass die Antragstellerin diejenigen Umstände aufzeigen muss, aus denen sich schlüssig die Möglichkeit eines solchen Schadens ergibt (vgl. Boesen, Vergaberecht, § 107, Rn. 52). Die diesbezüglichen Anforderungen an die Darlegungslast dürfen aber nicht überspannt werden (vgl. Byok/Jaeger, Vergaberecht, 2. Auflage, § 107 GWB, Rn. 954). Die Antragstellerin hat ein entsprechendes Rechtsschutzbedürfnis dargelegt. Sie hat schlüssig vorgetragen, dass sie bei aus ihrer Sicht vergaberechtskonformer Angebotswertung eine Chance auf den Zuschlag gehabt hätte. Ausweislich des Vergabevermerks - Reihenfolge der Bieter - liegt das Angebot der Antragstellerin mit einer geprüften Angebotsendsumme von 7.863.439,99 EUR brutto auf Rang 2 hinter dem Angebot der Beigeladenen mit einer geprüften Angebotsendsumme von 7.803.887,30 EUR. Es ist im Übrigen nicht erforderlich, dass ein Antragsteller auch schlüssig darlegt, dass er bei vergabekonformem Verhalten des Auftraggebers den Zuschlag auch tatsächlich erhalten hätte (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss v. 13.04.1999, Az.: Verg 1/99, S. 24).

56

Die Antragstellerin ist auch ihrer Pflicht gem. § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB nachgekommen, vor Anrufung der Vergabekammer die behaupteten Verstöße gegen die Vergabevorschriften bereits im Vergabeverfahren selbst gegenüber der Auftraggeberin unverzüglich zu rügen. Bei der Vorschrift des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB handelt es sich um eine Präklusionsregel unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben. Der Bieter soll Vergabefehler nicht auf Vorrat sammeln. Die Rügepflicht des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB entsteht, sobald ein Bieter oder Bewerber im Vergabeverfahren einen vermeintlichen Fehler erkennt. Vorausgesetzt ist die positive Kenntnis des Anbieters von den Tatsachen. Ausreichend für die positive Kenntnis eines Mangels im Sinne des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB ist bereits das Wissen um einen Sachverhalt, der den Schluss auf die Verletzung vergaberechtlicher Bestimmungen erlaubt und es bei vernünftiger Betrachtung gerechtfertigt erscheinen lässt, das Vergabeverfahren als fehlerhaft zu beanstanden (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss v. 22.08.2002, Az.: Verg 9/02). Unter Zugrundelegung dieses zutreffenden Maßstabes hat die Antragstellerin den vermeintlichen Vergaberechtsverstoß rechtzeitig gerügt. Die Antragstellerin hat die mit dem 31.08.2007 datierte Information gemäß § 13 VgV der Auftraggeberin per Briefpost am Montag, den 03.11.2007 erhalten und per Fax am 05.11.2007 gerügt, dass die Wertung der Auftraggeberin im Hinblick auf den Ausschluss bestimmter Nebenangebote der Antragstellerin vergaberechtswidrig erfolgt sei. Diese bereits zwei Tage nach Erhalt der Information gemäß § 13 VgV erhobene Rüge ist unverzüglich im Sinne des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB erfolgt. Eine vorherige Rüge der Wertung der Nebenangebote der Beigeladenen war nicht erforderlich, da es der Antragstellerin insoweit an der Kenntnis des Inhalts dieser Nebenangebote fehlte, ihr dieser Inhalt auch nicht im Rahmen der Akteneinsicht zugänglich gemacht wurde. Die Antragstellerin ist nicht gezwungen, Rügen ins Blaue hinein zu erheben. Es war insoweit ausreichend, dass die Antragstellerin die Vergabekammer um Prüfung der Wertung der Nebenangebote der Beigeladenen ersucht hat bzw. nach neuem Kenntnisstand aus dem Nachprüfungsverfahren jeweils umgehend schriftsätzlich vorgetragen hat. Auch war die Beigeladene, die den Zuschlag erhalten sollte, in dieser Situation keineswegs verpflichtet, bereits bei der Auftraggeberin zu rügen, dass einige ihrer Nebenangebote nicht gewertet wurden.

57

Der Nachprüfungsantrag ist auch begründet. Die Auftraggeberin ist gehalten, erneut in die Angebotswertung einzutreten und dabei zusätzlich zu dem im Laufe des Nachprüfungsverfahrens ausgeschlossenen Nebenangebot Nr. 17 der Beigeladenen auch das Nebenangebot Nr. 10 der Beigeladenen auszuschließen und des Weiteren die Nebenangebote Nrn. 12 und 14 der Beigeladenen einer erneuten Prüfung zu unterziehen. Hierbei ist zu klären, ob im Falle des Nebenangebotes Nr. 12 hinreichend nachgewiesen ist, dass bei dem angebotenen einlagigen Einbau der Asphalttragschicht in einer Dicke von 18 cm eine gleichwertige Verdichtung erreicht wird, und ob im Fall des Nebenangebotes Nr. 14 die Wirksamkeit der Abdichtung unter Berücksichtigung des geplanten/möglichen Geräteeinsatzes (gestückelte Ausführung) gewährleistet ist. Hingegen hat die Auftraggeberin betreffend die streitbefangenen Nebenangebote der Beteiligten die Nebenangebote Nrn. 1, 10, 11, 12, 13, 14, 15, 16, 17, 18, 22 und 23 der Antragstellerin und die Nebenangebote Nrn. 1, 8 und 18 der Beigeladenen zu Recht von der Wertung ausgeschlossen.

58

Im Einzelnen:

59

Die Auftraggeberin hat das Nebenangebot Nr. 1 der Antragstellerin bzw. das Nebenangebot Nr. 8 der Beigeladenen zu Recht gemäß § 25 Nr. 1 Abs. 1 Ziff. b), Nr. 4 und Nr. 5 VOB/A, i. V. m. § 21 Nr. 2 S. 3 VOB/A von der Wertung ausgeschlossen, da es an der Gleichwertigkeit der Nebenangebote hinsichtlich der geforderten Qualitäts- und Produkteigenschaften fehlt. Der Vortrag der Auftraggeberin, wonach bei der Baumaßnahme, die sich über einen Zeitraum von einem Dreivierteljahr erstreckt, die Dauerhaftigkeit der Markierung mit Farbe gegenüber der ausgeschriebenen Markierung mit Folie nicht gleichwertig sei, wurde weder von der Antragstellerin noch von der Beigeladenen bestritten.

60

Die Voraussetzungen für einen zwingenden Ausschluss von der Wertung liegen auch hinsichtlich der Nebenangebote Nrn. 10, 13, 15 und 18 der Antragstellerin vor. Gemäß § 25 Nr. 1 Abs. 1 Ziffer d) und Nr. 5 VOB/A werden Nebenangebote ausgeschlossen, wenn der Auftraggeber in der Bekanntmachung oder in den Vergabeunterlagen erklärt hat, dass er diese nicht zulässt. In Ziffer 11.2 der Aufforderung zur Angebotsabgabe hat die Auftraggeberin ausdrücklich Nebenangebote mit Pauschalierungen für Leistungen im Erdbau nicht zugelassen. Die Auftraggeberin hat vergaberechtmäßig entschieden, die genannten Nebenangebote wegen Pauschalierungen im Erdbau gemäß § 25 Nr. 1 Abs. 1 Ziffer d) und Nr. 5 VOB/A von der Wertung auszuschließen. Mit den Nebenangeboten Nr. 10, 13, 15 und 18 hat die Antragstellerin jeweils in zwei Positionen ausgeschriebene Maßnahmen zur Bodenverbesserung zusammengefasst und hierbei das Mengenrisiko der Bindemittelzugabe und die Gewährleistung der Tragfähigkeit übernommen. Zwar trägt die Antragstellerin vor, ein Pauschalpreis fehle, denn es würde nach Mengeneinheiten abgerechnet und die Kalkulationsgrundlage sei jeweils offen gelegt, sodass für die Auftraggeberin kein Mengenrisiko bei der Bindemittelzugabe bestehe. Die Auftraggeberin ginge auch im Fall der Unterschreitung der kalkulierten Bindemittelmenge kein wirtschaftliches Risiko ein, denn schon aus § 2 Nr. 5 der vereinbarten VOB/B ergebe sich der Anspruch auf Minderpreisbildung. Aber es lag im Ermessen der Auftraggeberin, angesichts der Formulierung der Nebenangebote, die ausdrücklich das Mengenrisiko für die Bindemittelzugabe übernehmen und insoweit im Widerspruch zur spitzen Abrechnung des § 2 Nr. 5 VOB/B zu stehen scheinen, eine Pauschalierung für Leistungen des Erdbaus zu vermuten. Anders betrachtet, hätte die Antragstellerin bei ihrem in der mündlichen Verhandlung erläuterten Verständnis die Abrechnungsmodalitäten bereits in ihren Nebenangeboten aufklären müssen. Es bleibt offen, wie Massengarantie mit spitzer Abrechnung zu vereinbaren ist, bzw. letztlich, wie für eine Position, die gar nicht mehr abgerechnet wird, eine Preisanpassung erfolgen kann.

61

Im Nachprüfungsverfahren hat die Auftraggeberin festgestellt, dass auch im Nebenangebot Nr. 17 der Beigeladenen eine vergleichbare Pauschalierung angeboten worden ist. Aus diesem Grunde war auch dieses Nebenangebot von der Wertung auszuschließen.

62

Die Auftraggeberin hat auch die Nebenangebote Nrn. 11 und 12 der Antragstellerin zu Recht von der Wertung ausgeschlossen, denn die Voraussetzung für einen zwingenden Ausschluss gemäß § 25 Nr. 1 Abs. 1 Ziff. b), Nr. 4 und Nr. 5 VOB/A liegen vor, weil deren technische Gleichwertigkeit i. S. d. § 21 Nr. 2 S. 3 VOB/A nicht nachgewiesen ist. Die Nebenangebote Nrn. 11 und 12 sehen alternativ zur ausgeschriebenen Entsorgung der auszubauenden PAK-haltigen Asphaltgranulate nach Aufbereitung deren eingekapselten Wiedereinbau in die Schwäche- und Störzonen vor. Sie unterscheiden sich voneinander hinsichtlich des Verfahrens (Baumischverfahren / Zentralmischverfahren). Die Auftraggeberin vermisst zu Recht einen Nachweis darüber, dass der gemäß LAGA erforderliche Grundwasserabstand von 1 m an jeder Stelle eingehalten wird. Der Damm war bis auf den gewachsenen Boden abzutragen, so dass bei schwankender Abtragshöhe durch die verschiedenen Höhen im Streckenverlauf eine Nähe zum Grundwasser bzw. eine Grundwasserberührung nicht ausgeschlossen ist. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang die Forderung der Antragstellerin, unter diesen Voraussetzungen hätte die Auftraggeberin entsprechende Aussagen zur Grundwasserproblematik in die Verdingungsunterlagen aufnehmen müssen. Da die Auftraggeberin in ihrem Amtsentwurf nicht vorgesehen hatte, im Dammbereich ungebundenes PAK-haltiges Material einzubauen, bestand für sie kein Anlass, das Grundwasser zu untersuchen und entsprechende Angaben in die Verdingungsunterlagen aufzunehmen. Auch der Hinweis der Antragstellerin, die Auftraggeberin habe im Mittelstreifenbereich selbst den Einbau von Z2 - Boden ohne entsprechende Sicherungsmaßnahmen ausgeschrieben, führt zu keinem anderen Ergebnis, denn hieraus konnte die Antragstellerin nicht den Schluss ziehen, dass die Grundwasserverhältnisse für die gesamte Baustrecke einheitlich und für ihr Nebenangebot nicht zu berücksichtigen waren.

63

Auch das Nebenangebot Nr. 14 der Antragstellerin war gem. § 25 Nr. 1 Abs. 1 Ziff. b), Nr. 4 und Nr. 5 VOB/A i. V. m. § 21 Nr. 2 S. 3 VOB/A zwingend auszuschließen, weil es unvollständig und seine technische Gleichwertigkeit nicht nachgewiesen ist. Mit diesem Nebenangebot bietet die Antragstellerin die in Pos. 02.04.0005 ausgeschriebene Verfestigung im Zentralmischverfahren alternativ im Baumischverfahren an. Nach den Ausführungen der Antragstellerin in der mündlichen Verhandlung ist beabsichtigt, zunächst den Boden abzutragen, ihn dann seitlich zwischenzulagern, lagenweise wieder aufzutragen und währenddessen mit hydraulischem Bindemittel zu verfestigen. Unabhängig von der umstrittenen Frage, ob dieses Verfahren ein Baumischverfahren gemäß der Definition der ZTVT darstellt bzw. ob mit dem Verständnis der Auftraggeberin ein Baumischverfahren im Dammbereich gar nicht denkbar sei, weil ein vollständiger Bodenabtrag in den darunter liegenden Schichten gefordert gewesen sei, bleibt festzuhalten, dass die Antragstellerin jedenfalls nicht das klassische Baumischverfahren (Aufreißen des Bodens und Verfestigen an Ort und Stelle) anbietet. Das Nebenangebot der Antragstellerin, das zu seiner Beschreibung lediglich die Aussage: "Alternativ bieten wir Ihnen an, die Herstellung der Verfestigung im Baumischverfahren herzustellen" enthält, lässt ihre in der mündlichen Verhandlung vorgetragenen Vorstellungen zur Ausführung nicht erkennen und ist damit unvollständig. Die Antragstellerin hätte jedenfalls die sich aufdrängende Frage nach der Abrechnung der entfallenden Transportkosten zum zentralen Mischplatz beantworten müssen. Auch nach den mündlichen Darlegungen der Antragstellerin bleibt weiterhin unklar, ob bzw. wo ihr entsprechende Lagerflächen zur Verfügung stehen.

64

Die Nebenangebote Nrn. 16 und 17 der Antragstellerin hat die Auftraggeberin ebenso vergaberechtmäßig gemäß § 25 Nr. 1 Abs. 1 Ziff. b), Nr. 4 und Nr. 5 VOB/A i. V. m. § 21 Nr. 2 S. 3 VOB/A wegen mangelnder technischer Gleichwertigkeit von der Wertung ausgeschlossen. Die Nebenangebote sehen vor, das auszubauende pechhaltige Asphaltgranulat nicht, wie ausgeschrieben, zu entsorgen, sondern es, mit einem Teil des ausgebauten Schotter-Splitt-Sand-Gemisches gemischt, als hydraulische gebundene Verfestigung unterhalb des Asphaltoberbaues wieder einzubauen. Sie unterscheiden sich voneinander durch das eingesetzte Mischverfahren (Zentralmischverfahren / Baumischverfahren). Beide Nebenangebote haben Auswirkungen auf die Massenbilanzen. Die Auftraggeberin weist zu Recht darauf hin, dass die Antragstellerin die Pos. 02.02.0023 des Hauptangebots vernachlässigt, nach welcher ein Teil der bei den Abbrucharbeiten unter den Pos. 02.01.0035 bis 38 anfallenden Massen als Hinterfüllung der Betonschutzwände im Mittelstreifen eingebaut werden sollte. Die Antragstellerin bestreitet nicht, dies mengenmäßig in ihren Nebenangeboten nicht berücksichtigt zu haben.

65

Die Nebenangebote Nrn. 22 und 23 der Antragstellerin, die im Rahmen der Verkehrssicherung den Ein- und Ausbau einer zusätzlichen Mittelstreifenüberfahrt vorsehen, sind ebenfalls vergaberechtmäßig von der Auftraggeberin gemäß § 25 Nr. 1 Abs. 1 Ziff. b), Nr. 4 und Nr. 5 VOB/A i. V. m. § 21 Nr. 2 S. 3 VOB/A von der Wertung ausgeschlossen worden. Die Auftraggeberin weist zu Recht darauf hin, dass nach den Mindestbedingungen für Nebenangebote ausdrücklich die Verkehrslenkungs- und Sicherungsmaßnahmen beizubehalten waren, sodass schon aus Gründen der Gefahr einer Wettbewerbsverzerrung derartige Nebenangebote - ungeachtet ihrer Praktikabilität - nicht gewertet werden konnten.

66

Zusammengefasst hat also die Auftraggeberin alle streitbefangenen Nebenangebote der Antragstellerin vergaberechtmäßig von der Wertung ausgeschlossen. Abgesehen vom Nebenangebot Nr. 17 der Beigeladenen, dessen nachträgliche Nichtwertung die Auftraggeberin während des Nachprüfungsverfahrens erklärt hat, ist die Auftraggeberin gehalten, auch das Nebenangebot Nr. 10 der Beigeladenen auszuschließen und bezüglich der Nebenangebote Nrn. 12 und 14 der Beigeladenen erneut in die Wertung einzutreten. Die weiteren streitbefangenen Nebenangebote der Beigeladenen Nrn. 1, 8 und 18 wurden zu Recht nicht gewertet.

67

Zum Nebenangebot Nr. 1 der Beigeladenen vermisst die Auftraggeberin Angaben zur Belastung des anstelle des ausgeschriebenen Mineralgemisches einzubauenden Fräsgutes. In der Tat enthält das Nebenangebot der Beigeladenen hierzu nichts. Im Hinblick auf die bei Fräsgut nicht selten anzutreffenden Belastungen war die Auftraggeberin gehalten und berechtigt, das diesbezüglich unvollständige Nebenangebot der Beigeladenen nicht in die Wertung einzubeziehen. Das Nebenangebot war nicht gleichwertig und gemäß § 25 Nr. 1 Abs. 1 Ziff. b), Nr. 4 und Nr. 5 VOB/A i. V. m. § 21 Nr. 2 S. 3 VOB/A von der Wertung auszuschließen.

68

Das Nebenangebot Nr. 8 der Beigeladenen entspricht inhaltlich dem Nebenangebot Nr. 1 der Antragstellerin und die Auftraggeberin hat es, wie oben bereits ausgeführt, rechtmäßig unberücksichtigt gelassen.

69

Das Nebenangebot Nr. 10 der Beigeladenen war nicht gleichwertig und gemäß § 25 Nr. 1 Abs. 1 Ziff. b), Nr. 4 und Nr. 5 VOB/A i. V. m. § 21 Nr. 2 S. 3 VOB/A von der Wertung auszuschließen. Mit der Pos. 02.02.0004 schreibt die Auftraggeberin das Lösen von 16.200 cbm Boden aus dem zu sanierenden Damm aus. Der Aushub soll der Verwertung nach Wahl des AN zugeführt werden. Die Pos. 02.02.0007 sieht die Lieferung und den Einbau von 17.400 cbm grobkörnigen Bodens nach DIN 18 196 vor. Mit ihrem Nebenangebot Nr.10 bietet die Beigeladene ersatzweise als Pos. 02.02.0004.N10 an, die 16.200 cbm zu lösenden Bodens aufzubereiten und als Material für die Pos. 02.02.0007 des Hauptangebotes wieder einzubauen und zu verdichten. Diese Leistung bietet sie zu einem Einheitspreis pro cbm Boden an. Im Preis enthalten ist die Lieferung und Zugabe von Bindemittel nach Eignungsprüfung. In gesonderter Position 02.02.0007.N10 bietet die Beigeladene für die rechnerische Fehlmenge von 1.200 cbm Boden deren Lieferung und Einbau ebenfalls zu einem Einheitspreis pro cbm an.

70

Das Nebenangebot beschränkt sich auf die Beschreibung der angebotenen Leistung. Eindeutig ist, dass in der Pos. 02.02.0004.N10 die Bindemittellieferung und -beigabe enthalten ist. Erklärungen zum Bodenrisiko / zu den Abrechnungsmodalitäten bzw. Mengengarantien enthält das Nebenangebot aber nicht und sind ihm entgegen dem Vortrag der Beigeladenen auch nicht immanent. Das Nebenangebot kann vielmehr so verstanden werden, dass die Beigeladene Ausbau, Verbesserung und Wiedereinbau des Bodens, soweit er verbesserungsfähig ist, nach Pos. 02.02.0004.N10 abrechnen, Fehlmengen aber der bereits rechnerisch prognostizierten Fehlmenge von 1.200 cbm in Pos. 02.02.0007 N10 zuschlagen und über diese abrechnen wird, denn die Beigeladene ist lediglich an ihre Einheitspreise, aber nicht ohne weiteres an die kalkulierten Mengen gebunden. Dass noch weitere Variationen vorstellbar sind, macht - ohne es inhaltlich werten zu wollen - auch das erste Aufklärungsschreiben der Beigeladenen vom 22.05.2007 deutlich.

71

Das Nebenangebot der Beigeladenen war - wenn nicht bereits unvollständig, so doch zumindest - aufklärungsbedürftig. Die entsprechenden Nachfragen der Auftraggeberin, die in der Tat Probleme mit der Wertung der angebotenen Einsparungen hatte, da sie zu Recht ein Mehrkostenrisiko sah, waren daher grundsätzlich nachvollziehbar. Nach Maßgabe der Schreiben der Beigeladenen vom 22.05. und 14.06.2007 haben hierzu zwischen der Beigeladenen und der Auftraggeberin offenbar mehrere persönliche und telefonische Gespräche stattgefunden. Die Auftraggeberin hat die von ihr vorgenommene Aufklärung in der Vergabeakte nicht dokumentiert, sondern die Schreiben der Beigeladenen vom 22.05.2007 und vom 14.06.2007 lediglich deren Angebot beigefügt. Die Dokumentation der Aufklärung entspricht nicht den vergaberechtlichen Anforderungen in dem sensiblen Bereich etwaiger unzulässiger Nachverhandlungen.

72

Das Schreiben der Beigeladenen vom 14.06.2007 enthält folgende Formulierung: "Durch Abgabe des Nebenangebots Nr. 10 hat der AN automatisch das Bodenrisiko für die betreffende OZ der Ausschreibung (OZ 02.02.0004) übernommen." Die Auftraggeberin hat diese Erklärung der Beigeladenen offenbar akzeptiert und daraufhin deren Nebenangebot Nr. 10 gewertet. Hierbei hat sie verkannt, dass die Beigeladene mit dieser Erklärung erstmals das Mengenrisiko überhaupt übernommen hat. Mit dieser vergaberechtswidrigen nachträglichen Änderung hat sie ihr Nebenangebot nachträglich wertungsfähig gemacht. Denn der Auftraggeberin kam es darauf an, durch die nachträgliche Übernahme des Bodenrisikos bzw. Mengenrisikos seitens der Beigeladenen ein Mehrkostenrisiko auszuschließen, so dass hier faktisch in unzulässiger Weise preisrelevante Faktoren abgeändert wurden.

73

Im Fall des Nebenangebotes Nr. 12 der Beigeladenen hat die Auftraggeberin nachzuprüfen, ob es wegen fehlender technischer Gleichwertigkeit zwingend gemäß § 25 Nr. 1 Abs. 1 Ziff. b), Nr. 4 und Nr. 5 VOB/A i. V. m. § 21 Nr. 2 S. 3 VOB/A von der Wertung auszuschließen ist. Die Beigeladene hat angeboten, die laut Ausschreibung in zwei Lagen herzustellende Asphalttragschicht in einer Lage mit einer Schichtdicke von 18 cm herzustellen. Die Auftraggeberin hat dieses Nebenangebot gewertet, weil sie sich aufgrund eines dem Nebenangebot beigefügten Prüfungszeugnisses, das die Gewährleistung der geforderten Verdichtung auch im unteren Teil der Schicht belegt, dazu verpflichtet sah. Die Kammer hat dem Prüfzeugnis an keiner Stelle entnehmen können, ob tatsächlich eine Asphalttragschicht in gleicher oder größerer Schichtdicke geprüft wurde und so die gefundenen Ergebnisse überhaupt auf das Nebenangebot der Beigeladenen übertragbar sind. Die Auftraggeberin ist gehalten aufzuklären, ob die Asphalttragschichten der in dem Prüfzeugnis in Bezug genommenen Autobahnen eine Schichtdicke von 18 cm oder mehr aufweisen. Nur dann wäre die Einhaltung aller technischen Normen nachgewiesen. Im Übrigen hält die Kammer die Äußerung während der mündlichen Verhandlung von Auftraggeberseite, das Nebenangebot hielte alle geforderten Werte ein, wenngleich es nicht als technisch gleichwertig anzusehen sei, nicht für ausschlaggebend. Die Äußerung war aus dem Zusammenhang heraus als rein herstellungstechnisch zu verstehen, nicht aber auf die vergaberechtlich definierte technische Gleichwertigkeit des zu beurteilenden Nebenangebots bezogen. Im Gegenteil gingen alle Vertreter der Auftraggeberin stets von der Gleichwertigkeit des Nebenangebots aus. Die fragliche Äußerung kann angesichts des Kontextes letztlich auch nicht der Beigeladenen zum Nachteil gereichen.

74

Das Nebenangebot Nr. 14 der Beigeladenen betreffend ist die Auftraggeberin ebenfalls gehalten nachzuprüfen, ob es wegen fehlender technischer Gleichwertigkeit zwingend gemäß § 25 Nr. 1 Abs. 1 Ziff. b), Nr. 4 und Nr. 5 VOB/A i. V. m. § 21 Nr. 2 S. 3 VOB/A von der Wertung auszuschließen ist. Laut Nebenangebot Nr. 14 soll der ausgeschriebene bituminöse Oberbau in Kompaktbauweise hergestellt werden (Kompaktasphalt). Zwar ist die angebotene Ausführung in Kompaktasphalt grundsätzlich als Stand der Technik und als technisch gleichwertig anzusehen. Auch durfte die Auftraggeberin davon ausgehen, dass das Nebenangebot eine ausreichende Abdichtungsebene aufweist. Aber die Auftraggeberin hat in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich erklärt, dass sie nach dem Nebenangebot der Beigeladenen nicht von einer gestückelten Ausführung ausgehe. Die Kammer hat mit der Antragstellerin große Zweifel, ob bei dem Einsatz von Kompaktasphalt eine gestückelte Ausführung bei dem ausgeschriebenen Auftrag und den vorgefundenen örtlichen Gegebenheiten überhaupt vermeidbar ist. Die Auftraggeberin möge daher aufklären, ob bei den von der Beigeladenen vorgegebenen Gerätedimensionen eine Ausführung ohne ein Absetzen, z. B. vor einer Brücke, technisch möglich ist oder ob sie bei der Wertung des Nebenangebots von einer falschen Prämisse ausgegangen ist.

75

Das Nebenangebot Nr. 18 der Beigeladenen entspricht inhaltlich den Nebenangeboten Nrn. 11 und 12 der Antragstellerin. Die Auftraggeberin hat es daher, mit den oben zu den Nebenangeboten der Antragstellerin niedergelegten Gründen, wegen der Grundwasserproblematik vergaberechtmäßig von der Wertung ausgeschlossen.

76

Die Kammer hat keine Anhaltspunkte dafür, dass sich die Auftraggeberin bei der umstrittenen Bewertung des technischen Werts, der neben dem Preis mit 15 % Anteil in die Gesamtwertung eingeht, außerhalb ihres Beurteilungsspielraums bewegt hat. Sie hat die jeweils zu 5 Kriterien vergebenen Punktzahlen zwischen 1 und 3 Punkten auftragsbezogen nachvollziehbar begründet, dabei das Angebot der Antragstellerin mit insgesamt 10, das der Beigeladenen mit insgesamt 12 Punkten bewertet.

77

Gemäß § 114 Abs. 1 GWB trifft die Vergabekammer die geeigneten Maßnahmen, um eine Rechtsverletzung zu beseitigen und eine Schädigung der betroffenen Interessen zu verhindern. Wegen der noch nach Korrektur der Wertung hinsichtlich Nebenangebot Nr. 17 der Beigeladenen festgestellten vergaberechtswidrigen Wertung des Nebenangebots Nr. 10 der Beigeladenen und wegen der offenen Fragen der technischen Gleichwertigkeit der Nebenangebote Nrn. 12 und 14 der Beigeladenen ist es erforderlich, die Auftraggeberin zu verpflichten, erneut in die Angebotswertung einzutreten und diese unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer erneut durchzuführen.

78

III. Kosten

79

Die Kostenentscheidung folgt aus § 128 GWB. Nach Art. 7 Nr. 5 des 9. Euro- Einführungsgesetzes (BGBl. 58/2001 vom 14.11.2001, S. 2992 ff.) vom 10.11.2001 werden die DM-Angaben in § 128 GWB für die von der Vergabekammer festzusetzende Gebühr durch Angaben in Euro im Verhältnis 1 : 2 ersetzt, so dass die regelmäßige Mindestgebühr nunmehr 2.500 EUR, die Höchstgebühr 25.000 EUR bzw., in Ausnahmefällen, 50.000 EUR beträgt.

80

Es wird eine Gebühr in Höhe von 4.991 EUR gemäß § 128 Abs. 2 GWB festgesetzt.

81

Der zu Grunde zu legende Auftragswert für den streitbefangenen Gesamtauftrag beträgt 7.863.439,99 EUR brutto. Dieser Betrag entspricht den Kosten nach dem Angebot der Antragstellerin - unter Berücksichtigung der von der Auftraggeberin vorgenommenen Wertung der Nebenangebote der Antragstellerin und dem bedingungslos gewährten Nachlass von 4 % - und damit ihrem Interesse am Auftrag.

82

Die Gebührenermittlung erfolgt an Hand einer Gebührentabelle des Bundeskartellamtes vom 09.02.1999 in der z. Zt. gültigen Fassung vom 01.01.2003. Hiernach wird der Mindestgebühr von 2.500 EUR (§ 128 (2) GWB) eine Ausschreibungssumme von bis zu 80.000 EUR zugeordnet und dem regelmäßigen Höchstwert von 25.000 EUR (§ 128 (2) GWB) eine Ausschreibungssumme von 70 Mio. EUR (höchste Summe der Nachprüfungsfälle 1996-1998) gegenübergestellt. Bei einer Ausschreibungssumme von 7.863.439,99 EUR brutto ergibt sich durch Interpolation eine Basisgebühr von 4.991 EUR.

83

Diese Gebühr schließt einen durchschnittlichen sachlichen und personellen Aufwand ein. Gutachterkosten und Kosten von Zeugenvernehmungen sind nicht angefallen.

84

Die in Ziffer 2 des Tenors verfügte Aufteilung der Kosten auf die Auftraggeberin und auf die Beigeladene folgt aus § 128 Abs. 3 Satz 1 GWB. Danach hat ein Beteiligter, soweit er im Verfahren unterliegt, die Kosten zu tragen. Hier war zu berücksichtigen, dass der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin begründet und damit erfolgreich war.

85

Die anteilige Kostentragungspflicht der Beigeladenen ergibt sich daraus, dass die Beigeladene sich nicht nur durch Schriftsätze und ihren mündlichen Vortrag in der Verhandlung vor der Vergabekammer aktiv am Verfahren beteiligt hat, sondern auch selbst einen Antrag auf Zurückweisung des Nachprüfungsantrags gestellt hat und somit ebenso wie die Auftraggeberin im Nachprüfungsverfahren unterlegen ist. Gemäß § 128 Abs. 3, 4 GWB i. V. m. den entsprechend anzuwendenden §§ 91, 100 Abs. 1, 101 ZPO haben die Auftraggeberin und die Beigeladene die Kosten daher grundsätzlich als Gesamtschuldner zu tragen (Vg. OLG Celle, Beschluss vom 14.09.2006, Az.: 13 Verg 3/06).

86

Die Auftraggeberin ist jedoch von der Entrichtung ihres Kostenanteils gemäß § 128 Abs. 1 GWB i. V. m. § 8 Abs. 1 Nr. 3 Nds. VwKostG von der Kostentragungspflicht befreit (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 13.07.2005, Az.: 13 Verg 9/05; OLG Dresden, Beschluss vom 25.01.2005, Az.: WVerg 0014/04).

87

Gemäß § 128 Abs. 4 GWB i. V. m. § 80 Abs. 2 VwVfG in entsprechender Anwendung war auf Antrag der Antragstellerin gem. Ziffer 4 des Tenors auszusprechen, dass die Zuziehung eines Rechtsanwalts durch die Antragstellerin im Nachprüfungsverfahren notwendig war. Das folgt daraus, dass die Antragstellerin ungeachtet der Tatsache, dass das GWB für das Nachprüfungsverfahren 1. Instanz vor der Vergabekammer keine rechtsanwaltliche Vertretung vorschreibt, gleichwohl wegen der Komplexität des Vergaberechts und des das Nachprüfungsverfahren regelnden Verfahrensrechts einerseits sowie auch der Komplexität des konkreten streitbefangenen Vergabeverfahrens rechtsanwaltlicher Beratung und Begleitung bedurfte.

88

Die Auftraggeberin und die Beigeladene haben der Antragstellerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten je zur Hälfte zu erstatten.

89

Die Beigeladene wird aufgefordert, den anteiligen Betrag von 2.495,50 EUR unter Angabe des Kassenzeichens

xxxxxxxxxxxxxxxxxx
90

innerhalb einer Frist von einem Monat nach Rechtskraft dieses Beschlusses auf folgendes Konto zu überweisen:

xxxxxxxxxxxxxxxxxx.
Dr. Raab
Rohn
Lohmöller