Vergabekammer Lüneburg
Beschl. v. 11.03.2008, Az.: VgK-05/2008
Schadensentstehung bei einem von vornherein vergaberechtlich nicht zuschlagsfähigen Angebot; Möglichkeit der Darlegung eines Rechtsschutzbedürfnisses bei zwingend auszuschließenden Angeboten; Zulässigkeit einer Verdingungsunterlagenänderung mit der Folge der Gefährdung der Angebotsvergleichbarkeit; Einbeziehung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) des Bieters in das Angebot als Kriterium des Ausschlusses eines ansonsten wirtschaftlich und technisch einwandfreien Angebotes
Bibliographie
- Gericht
- VK Lüneburg
- Datum
- 11.03.2008
- Aktenzeichen
- VgK-05/2008
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2008, 15690
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 107 Abs. 2 GWB
- § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. d VOL/A
- § 21 Nr. 1 Abs. 4 VOL/A
Verfahrensgegenstand
Vergabeverfahren - Lieferung eines Farbdoppler-Ultraschallsystems für die ...
In dem Nachprüfungsverfahren
...
hat die Vergabekammer
durch
den Vorsitzenden MR Gause,
die hauptamtliche Beisitzerin Dipl.-Ing. Rohn und
den ehrenamtlichen Beisitzer, Herrn RA Hintz,
ohne mündliche Verhandlung
beschlossen:
Tenor:
- 1.
Der Nachprüfungsantrag wird zurückgewiesen.
- 2.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin.
- 3.
Die Kosten werden auf ... EUR festgesetzt.
- 4.
Die Antragstellerin hat der Auftraggeberin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen zu erstatten. Die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes war für die Auftraggeberin notwendig.
Begründung
I.
Mit europaweiten Vorinformationen vom ... kündigte die ... als Auftraggeberin zwei Ausschreibungen an. Ausgeschrieben werden sollten
- 1.
die Neubeschaffung der med. Ausstattung der Endoskopie mit einem geschätzten Wert von ... EUR und
- 2.
die Beschaffung eines Farbdoppler-Ultraschallsystems für die Endoskopie mit einem geschätzten Wert von ... EUR.
Eine Aufteilung in Lose sahen die Vorinformationen in beiden Fällen nicht vor.
Mit Schreiben vom 30.11.2007 rügte die Antragstellerin die Ausschreibungen der med. Ausstattung der Endoskopie bezüglich des angekündigten Verzichts auf eine losweise Vergabe. Sie sieht hierin die Absicht, einen großen Mitbewerber zu bevorzugen, wo hingegen sie selbst und andere kleine und mittlere Unternehmen, die nicht über ein entsprechend umfassendes Produktangebot verfügen, hierdurch diskriminiert und vom freien und fairen Wettbewerb ausgeschlossen werden. Die Antragstellerin forderte die Auftraggeberin auf, die Lieferleistung für die Ausstattung der Endoskopie in mindestens drei Lose aufzuteilen.
Die Auftraggeberin wies diese Rüge mit Schreiben vom 03.12.2007 zurück und informierte die Antragstellerin über ihre Gründe.
Mit Bekanntmachung vom ... schrieb die Auftraggeberin beide Lieferleistungen wie zuvor angekündigt im Offenen Verfahren europaweit aus.
Auf die Rügen der Antragstellerin und einen hierauf gestützten Nachprüfungsantrag im parallel anhängigen Verfahren VgK ... hat die Auftraggeberin das Vergabeverfahren zur Neubeschaffung der medizinischen Ausstattung der Endoskopie inzwischen aufgehoben.
Die hier streitbefangene Ausschreibung für die Lieferung des Farbdoppler-Ultraschallsystems für die ... beinhaltet die Neuanschaffung eines Endosonographiesystems mit Ultraschallendoskop, 5 Ultraschallsonden, Endosonographie und Minisondentechnologie. Die Bekanntmachung enthält zu den Zuschlagskriterien die folgenden Informationen:
"Wirtschaftlich günstigstes Angebot in Bezug auf die nachstehenden Kriterien:
1.
Kompatibilität aller angebotenen Komponenten miteinander. Gewichtung: 1.2.
Neuester medizintechnischer Stand. Gewichtung: 2.3.
Umfang der diagnostischen Verfahren und Anwendungen. Gewichtung: 3."
Nach Ziff. II.1.9) der Bekanntmachung waren Varianten/Alternativangebote nicht zulässig.
Als Vertragslaufzeit wurden 14 Tage (ab Auftragsvergabe) bekannt gegeben. Als Schlusstermin für den Eingang der Angebote war der ... - festgelegt, die Bindefrist sollte am ... enden.
Bestandteil der Verdingungsunterlagen ist u.a. das Angebotsschreiben EVM (L) Ang EG. Unter Ziff. 1 werden die den Vergabeunterlagen beigefügten Besonderen Vertragsbedingungen, die Zusätzlichen Vertragsbedingungen und die Leistungsbeschreibung und unter Ziff. 1.2 die - nicht beigefügte - VOL/B zu Vertragsbestandteilen erklärt. Unter Ziff. 8 haben die Bieter ihre für alle Teile des Angebotes geltende Unterschrift zu leisten.
Regelungen zu Nebenangeboten enthalten die Verdingungsunterlagen nicht.
In die allgemeinen Vorbemerkungen zum Leistungsverzeichnis hat die Auftraggeberin unter den Ziff. 16 und 17 folgende Regelungen aufgenommen:
"16.
Der Verwendung von Vertragsbedingungen des Auftragnehmers wird widersprochen. Soweit solche dem Angebot beigefügt sind, gelten sie nicht als Vertragsbestandteil.17.
Im übrigen gelten die der Aufforderung zum Angebot beigefügten "ZUSÄTZLICHE Vertragsbedingungen" kurz EVM (L) ZVB und "BESONDERE VERTRAGSBEDINGUNGEN" kurz EVM (L) BVB."
Das Leistungsverzeichnis für das Farbdoppler-Ultraschallsystem setzt unter Ziff. 1.1 für das Endosonographiegerät u.a. folgende Systemmerkmale voraus:
"Ultraschall-Farbdopplersystem mit volldigitaler aktueller auf Windows XP basierender Technologieplattform und Hochleistungsrechner Betriebsarten: B-Bild, ..., M-Mode, Farbdoppler, Color-Flow-Angio, Pulsed-Wave, Continous-Wave."
Ziff. 2 des Leistungsverzeichnisses enthält die Abfragen für die anzubietenden Ultraschallsonden. Für die hierzu gehörende Konvexsonde für den Bereich Abdomen unter Ziff. 2.1 des Leistungsverzeichnisses wird vorgegeben:
"Leistungsmerkmale:
Geeignet für folgende Modi: B /.../ CFM / PW / CFA / sonst: _________
_____________________________________"
Gleiche Vorgaben bzw. Abfragen gibt es unter
Ziff. 2.3 Biopsie-Sonde, convex,
Ziff. 2.4 Transrektalsonde,
Ziff. 3.1 Video-Ultraschallendoskop, Longitudinalscan und
Ziff. 3.2 Video-Ultraschallendoskop, Radialscan.
Nach Erhalt der Rügeantwort der Auftraggeberin und Befassung mit den von ihr angeforderten Vergabeunterlagen vertiefte die Antragstellerin mit Schreiben vom 21.12.2007 ihre bisherige Rüge des Verzichts auf eine losweise Vergabe in der Ausschreibung der Leistungen zur Ausstattung der Endoskopie. Außerdem rügte sie die Vergabeunterlagen für beide Ausschreibungen.
Sie trägt vor, nach ausführlicher Analyse der Verdingungsunterlagen bestätige sich ihr Eindruck, dass die Entscheidung über die Vergabe beider Leistungen bereits vor Beginn des öffentlichen Ausschreibungsverfahrens getroffen worden ist. Beide Ausschreibungen ließen entsprechende Manipulationen zu Gunsten der jeweils bevorzugten Bieter erkennen.
Diese Manipulationen seien bereits am Zuschnitt der mit beiden Verfahren ausgeschriebenen Leistungspakete erkennbar.
Im Falle der Ausschreibung des Farbdoppler-Ultraschallsystems seien mit Verwendung der Begriffe "..." und "..." ohne den Zusatz "oder gleichwertiger Art" Handelsnamen und Markenzeichen des für diese Leistungen bevorzugten Bieters als Mindestforderung in das Leistungsverzeichnis aufgenommen worden. Dies stelle einen Verstoß gegen § 8 Abs. 5 VOL/A dar und diskriminiere die Antragstellerin und ihre Mitbewerber, da sie auf Grund dieser Mindestforderungen nicht in der Lage seien, ein ausschreibungskonformes Angebot abzugeben. Als vergaberechtswidrig rügte sie in beiden Verfahren außerdem die Angaben zu den Wertungskriterien. Weder die Bekanntmachungen noch die Verdingungsunterlagen enthielten die erforderlichen Angaben zur Gewichtung der Zuschlagskriterien. Unter Fristsetzung bis zum 07.01.2008 forderte sie die Auftraggeberin auf, die Ausschreibung aufzuheben.
Die Auftraggeberin bat mit Schreiben vom 02.01.2008 um Fristverlängerung. Unter Hinweis auf die wegen des Ablaufs der Angebotsfrist gebotene Eile verlängerte die Antragstellerin die Frist bis zum 11.01.2008.
Nachdem die Antragstellerin innerhalb dieser Frist keine Stellungnahme der Auftraggeberin erhalten hatte, erinnerte sie am 15.01.2008 telefonisch und schriftlich an ihre Rügen und ergänzte ihre Rügen um weitere Indizien für die von ihr geltend gemachte Diskriminierung.
Mit Schreiben vom 16.01.2008 teilte die Auftraggeberin mit, dass sie im Vortrag der Antragstellerin keinen Grund erkennen könne, der die Antragstellerin von einer Angebotsabgabe abhalten könne und wies darauf hin, dass sie in der noch laufenden Angebotsphase keine Möglichkeit habe, weitere Auskünfte zu erteilen.
Mit Schreiben vom 18.01.2008 stellte die Antragstellerin klar, dass ihre bisherigen Schreiben kein Auskunftsbegehren ausdrücken, sondern entsprechend ihrem Inhalt vergaberechtlich als Rügen zu werten seien und kündigte entsprechende Nachprüfungsverfahren an.
Gleichwohl legte sie der Auftraggeberin noch fristgerecht ein Angebot vor.
Ihrem Angebot zur Lieferung eines Farbdoppler-Ultraschallsystems fügte sie ein 3-seitiges Schreiben vom 18.01.2008 bei, in welchem die technischen Besonderheiten ihres Angebotes ausführlich erläutert werden. Auf der Rückseite der ersten Seite dieses Schreibens sind ihre eigenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen (... - Liefer- und Zahlungsbedingungen, Stand 9/2003) abgedruckt. Hierin finden sich u.a. folgende Regelungen:
"1.
Für die Geschäftsbeziehungen zwischen der ... (im Übrigen auch als ... bezeichnet) und unseren Bestellern gelten ausschließlich die folgenden Liefer- und Zahlungsbedingungen (im folgenden auch LZB). Andere Regelungen, insbesondere die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Besteller, gelten nur, wenn sie von uns ausdrücklich schriftlich bestätigt worden sind.2.
Unsere Angebote sind freibleibend."
Nach Maßgabe der Niederschrift über die Angebotseröffnung am 22.01.2008 waren für die Beschaffung des Farbdoppler-Ultraschallsystems insgesamt drei Angebote fristgerecht beim Auftraggeber eingegangen. Nach der tabellarischen Zusammenstellung der Angebotsendsummen hatte die Antragstellerin mit einer Auftragssumme von ... EUR brutto das preislich günstigste Angebot abgegeben.
Über die Prüfung und Wertung der Angebote hat die Auftraggeberin einen mit dem 28.01.2008 datierten Vermerk gefertigt. Diesem Vermerk ist zu entnehmen, dass das Angebot der Antragstellerin wegen unzulässiger Änderungen / Ergänzungen der Verdingungsunterlagen in Form der Beifügung ihrer eigenen Allgemeiner Geschäftsbedingungen gemäß § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit d VOL/A von der Wertung auszuschließen ist. Das preislich zweitgünstigste Angebot war nach den Feststellungen der Auftraggeberin aus technischen und funktionsbedingten Gründen nicht das wirtschaftlichste. Die Auftraggeberin entschied sich für das Angebot des - nach Auffassung der Antragstellerin vergaberechtswidrig begünstigten - Bieters.
Mit Schreiben vom 06.02.2008 erweiterte die Antragstellerin nach juristischer Beratung ihre Rüge gegen die Zuschlagskriterien. Diese seien im Hinblick auf die Kompatibilität aller angebotenen Komponenten miteinander, den neuesten medizinischen Stand und den Umfang der diagnostischen Verfahren und Anwendungen intransparent. Auch könne, da der Preis in der vorgesehenen Wertung überhaupt keine Berücksichtigung finde, kein wirtschaftlichstes Angebot i.S. des § 97 Abs. 5 GWB ermittelt werden.
In einer weiteren Rüge vom 18.02.2008 beanstandete die Antragstellerin einen Verstoß gegen § 7a Nr. 3 Abs. 3 VOL/A. Die Auftraggeberin habe in der Aufforderung zur Angebotsabgabe eine Referenzliste verlangt, ohne dass dieser Eignungsnachweis zuvor in der Vergabebekanntmachung aufgeführt war. In der Bekanntmachung war als Eignungsnachweis lediglich einen Auszug aus dem Gewerbezentralregister gefordert.
Eine Antwort auf diese zusätzlichen Rügen erhielt die Antragstellerin nicht.
Mit Schriftsatz vom 18.02.2008, per Fax eingegangen bei der Vergabekammer am selben Tage, beantragte die Antragstellerin bei der Vergabekammer gemäß § 107 GWB die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens. Unter Verweis auf ihre Rügen beanstandet sie die Ausschreibung zur Lieferung des Farbdoppler-Ultraschallsystems als vergaberechtswidrig. Die Auftraggeberin habe gegen die Grundsätze des freien und fairen Wettbewerbs, die Chancengleichheit und das Diskriminierungsverbot verstoßen. Bereits durch den Zuschnitt der in den beiden Verfahren ausgeschriebenen Leistungen würden die von der Auftraggeberin bevorzugten Bieter begünstigt. Zudem habe sie durch Verwendung eingetragener Handelsnamen und Markennamen des jeweils bevorzugten Bieters als Mindestforderungen die Vergabeunterlagen so manipuliert, dass nur dieser ein ausschreibungskonformes und damit erfolgreiches Angebot abgeben konnte. Da auf Grund des Verstoßes gegen das Gebot zu produktneutraler Ausschreibung ein Teil der abgefragten Leistungen nur von dem von ihr bevorzugten Bieter erbracht werden könne, wiege der Verstoß gegen das Gebot zur losweisen Vergabe besonders schwer. Für Service- und Wartungsleistungen hätte ein eigenes Los gebildet werden müssen.
Die von der Auftraggeberin bekannt gegebenen Zuschlagskriterien seien wegen fehlender bzw. nicht eindeutiger Angaben zu ihrer Gewichtung intransparent, zudem sei durch den Verzicht auf die Wertung des Preises eine transparente Zuschlagserteilung auf das wirtschaftlichste Angebot nicht gewährleistet. Ein Indiz für manipulatives Verhalten sieht sie schließlich auch in der aus ihrer Sicht unangemessen kurzen Bindefrist.
Der Nachprüfungsantrag wurde der Auftraggeberin am 19.02.2008 zugestellt.
Am selben Tag informierte die Auftraggeberin die Antragstellerin schriftlich über den Ausschluss ihres Angebotes für die Lieferung des Farbdoppler-Ultraschallsystems.
Der Ausschluss wurde wie folgt begründet:
"Sie haben Ihrem Anschreiben eigene AGB beigefügt. Dieses stellt eine Änderung der Verdingungsunterlagen dar, da nicht eindeutig ist, welche Vertragsregelungen zur Anwendung kommen und führt nach der Rechtsprechung zum zwingenden Ausschluss Ihres Angebotes."
Daraufhin rügte die Antragstellerin mit Schreiben vom 19.02.2008 per Fax den Angebotsausschluss und die beabsichtigte anderweitige Zuschlagsentscheidung gegenüber der Vergabekammer als vergaberechtswidrig. Hierzu trägt sie vor, sie habe aus Zeitgründen keine andere Möglichkeit gehabt, als zunächst ein Angebot abzugeben, obwohl sie sich durch die Vergaberechtsverstöße der Auftraggeberin an einer Angebotsabgabe gehindert gesehen habe. Selbst wenn diesem Angebot versehentlich eigene AGB beigefügt worden seien, habe dies für das bereits auf Grund unzulässiger Vorgaben der Bekanntmachung und der Vergabeunterlagen beantragte Nachprüfungsverfahren keine Bedeutung.
Nach eingeschränkter Akteneinsicht trug sie mit Schreiben vom 05.03.2008 ergänzend vor, die versehentlich auf der Rückseite des Schreibens vom 18.01.2008 abgedruckten eigenen AGB seien im vorliegenden Fall nicht als eine den Angebotsausschluss rechtfertigende Änderung oder Ergänzung an den Verdingungsunterlagen zu werten. Nach der Rechtsprechung setze der Angebotsausschluss in einem solchen Fall voraus, dass durch die Beifügung der eigenen AGB darauf zu schließen ist, dass zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer keine deckenden Willenserklärungen vorliegen oder durch die Beifügung zumindest eine Rechtsunsicherheit auftritt. Die Antragstellerin habe an keiner Stelle ihres Angebotes auf ihre eigenen AGB verwiesen. Auch habe sie mit ihrer Unterschrift auf dem Angebotsschreiben die Besonderen Vertragsbedingungen und die Zusätzlichen Vertragsbedingungen der Auftraggeberin ausdrücklich und ohne Widerspruch anerkannt und auch bezüglich des Verweises auf die Einbeziehung der VOL/B keine Änderungen vorgenommen. Zudem habe die Auftraggeberin selbst für den Fall, dass Bieter ihrem Angebot die eigenen AGB beifügen, eine entsprechende Abwehrklausel in die allgemeinen Vorbemerkungen zum Leistungsverzeichnis aufgenommen. Hierdurch sei eine irgendwie geartete Rechtsunsicherheit durch den versehentlichen Abdruck der AGB auf der Rückseite des Begleitschreibens der Antragstellerin unbeachtlich.
Selbst wenn das Hauptangebot der Antragstellerin mit einem solchen Mangel behaftet wäre, hätte die Auftraggeberin die Nebenangebote der Antragstellerin berücksichtigen müssen.
Die Antragstellerin beantragt
- 1.
festzustellen, dass die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt ist;
- 2.
der Auftraggeberin aufzugeben, die Ausschreibung aufzuheben;
- 3.
hilfsweise: der Auftraggeberin aufzugeben, das Vergabeverfahren unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer weiterzuführen;
- 4.
hilfsweise: andere geeignete Maßnahmen zu treffen,
- 5.
die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten als für die Antragstellerin notwendig zu erklären
- 6.
der Auftraggeberin die Kosten des Verfahrens sowie die Kosten für eine zweckentsprechende Rechtsverfolgung aufzuerlegen.
Die Auftraggeberin beantragt
- 1.
den Nachprüfungsantrag als unzulässig zurückzuweisen;
- 2.
die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten für die Antragsgegnerin für notwendig zu erklären und
- 3.
der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung durch die Antragsgegnerin aufzuerlegen.
Sie hält den Nachprüfungsantrag wegen fehlender Antragsbefugnis für unzulässig. Das Angebot der Antragstellerin sei wegen der widersprechenden AGB zwingend von der Wertung auszuschließen. Hierbei verweist sie insbesondere auf die Regelungen unter Ziff. 1 und 2 der AGB der Antragstellerin. Unter den gegebenen Bedingungen sei nicht eindeutig, welche Vertragsbedingungen dem Vertragsverhältnis zugrunde gelegt würden. Da die Antragstellerin kein wertungsfähiges Angebot vorgelegt hat, jedoch von anderen Bietern wertungsfähige Angebote vorliegen, sei die Antragstellerin nicht antragsbefugt.
Zudem habe die Antragstellerin des Rechtmäßigkeit des Angebotsausschlusses nicht unverzüglich gerügt.
Wegen des übrigen Sachverhaltes wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und die Vergabeakte Bezug genommen.
II.
Der Nachprüfungsantrag ist mangels Antragsbefugnis unzulässig. Die Antragstellerin ist nicht im Sinne der §§ 97 Abs. 7, 114 Abs. 1 GWB in ihren Rechten verletzt. Die Auftraggeberin hat das Angebot der Antragstellerin zu Recht gemäß § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. d VOL/A in Verbindung mit § 21 Nr. 1 Abs. 4 VOL/A wegen unzulässiger Änderung der Verdingungsunterlagen ausgeschlossen, weil die Antragstellerin sowohl hinsichtlich ihres Hauptangebotes wie auch hinsichtlich ihrer Nebenangebote mit den Angebotsanschreiben ihre eigenen AGB einbezogen hat. Die Beifügung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen in den Begleitschreiben der Antragstellerin zu ihrem Hauptangebot und zu ihren Nebenangeboten stellt eine abweichende Bestimmung gegenüber den verbindlichen Festlegungen in den Verdingungsunterlagen (vgl. § 9 Nr. 2, 3 Abs. 1 und Abs. 2 VOL/A) dar.
Der Nachprüfungsantrag ist unzulässig. Zwar ist die Vergabekammer zuständig. Bei der Auftraggeberin handelt es sich um das in der Rechtsform einer gemeinnützigen GmbH organisierte ... und damit um eine juristische Person des privaten Rechts, die zu dem besonderen Zweck gegründet wurde, im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nicht gewerblicher Art zu erfüllen. Sie steht in 100%iger Trägerschaft der ... und ist damit öffentliche Auftraggeberin im Sinne des § 98 Nr. 2 GWB. Der streitbefangene Auftrag übersteigt auch den für die Zuständigkeit der Vergabekammer maßgeblichen Schwellenwert gemäß § 100 Abs. 1 GWB. Danach gilt der 4. Teil des GWB nur für solche Aufträge, die die Auftragswerte erreichen oder überschreiten, die durch Rechtsverordnung nach § 127 GWB festgelegt sind. Bei den ausgeschriebenen Leistungen handelt es sich um Lieferleistungen im Sinne des § 1 VOL/A. Hinsichtlich der Lieferung eines Farbdoppler-Ultraschallsystems für die Endoskopie, für den gemäß § 2 Nr. 3 der Vergabeverordnung (VgV) ein Schwellenwert von 211.000 EUR gilt. Zwar beträgt das preislich niedrigste Angebot ausweislich der in der Vergabeakte enthaltenen tabellarischen Zusammenstellung der Angebotsendsummen lediglich ... EUR netto (... EUR brutto). Die Auftraggeberin ist jedoch ausweislich ihrer europaweiten Vorinformation im Rahmen ihrer Schätzung der Auftragswerte gemäß §§ 1, 3 VOL/A in nicht zu beanstandender Weise von einem geschätzten Wert von ... EUR ausgegangen (europaweite Vorinformationen vom ...).
Die Antragstellerin ist aber nicht gemäß § 107 Abs. 2 GWB antragsbefugt. Zwar hat sie als Bieterin ein Interesse am Auftrag und macht eine Verletzung von Rechten durch die Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend, indem sie vorträgt, die Auftraggeberin habe ihr Angebot zu Unrecht ausgeschlossen und das Vergabeverfahren sei zudem mit den von ihr geltend gemachten, oben im Sachverhalt im Einzelnen aufgeführten Mängeln zu Lasten der Antragstellerin behaftet.
Eine Verletzung von Rechten durch die Nichtbeachtung von Vergabevorschriften kommt aber unter keinem Gesichtspunkt in Betracht, weil das Angebot der Antragstellerin zwingend auszuschließen war. Voraussetzung für die Antragsbefugnis nach § 107 Abs. 2 GWB ist, dass das Antrag stellende Unternehmen einen durch die behauptete Rechtsverletzung entstandenen oder drohenden Schaden darlegt. Das bedeutet, dass die Antragstellerin diejenigen Umstände aufzeigen muss, aus denen sich die Möglichkeit eines solchen Schadens ergibt. Die diesbezüglichen Anforderungen an die Darlegungslast dürfen einerseits nicht überspannt werden (vgl. Byok/Jaeger, Vergaberecht, 2. Auflage, § 107 GWB, Randnr. 954). Andererseits ist hier jedoch ausschlaggebend, dass ein Angebot, das von vornherein vergaberechtlich nicht zuschlagsfähig ist, den Zuschlag nicht erhalten darf, so dass dem betroffenen Bieter kein Schaden entstehen oder drohen kann (vgl. OLG Naumburg, Beschluss vom 08.09.2005, Az.: 1 Verg 10/05). Die Antragstellerin hat demnach ein entsprechendes Rechtschutzbedürfnis nicht darlegen können, da ihr Angebot zwingend auszuschließen war. Sie hat also bei vergaberechtskonformer Angebotswertung keine Chance auf den Zuschlag.
Das Angebot der Antragstellerin ist sowohl hinsichtlich ihres Hauptangebots wie auch ihrer Nebenangebote nicht zuschlagsfähig. Nach § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. d VOL/A in Verbindung mit § 21 Nr. 1 Abs. 4 VOL/A sind Angebote zwingend auszuschließen, bei denen Änderungen oder Ergänzungen an den Verdingungsunterlagen vorgenommen worden sind. Die Bieter müssen grundsätzlich davon ausgehen, dass der Auftraggeber die Leistung so angeboten haben will, wie er sie in den Verdingungsunterlagen festgelegt hat. Falls Bieter eine anders geartete Leistung oder eine Leistung zu anderen Bedingungen für zweckmäßig halten, können sie zwar einen Änderungsvorschlag machen oder ein Nebenangebot einreichen, soweit diese nicht ausgeschlossen sind (was vorliegend nicht der Fall ist). Voraussetzung für die Wertbarkeit von Nebenangeboten ist darüber hinaus jedoch - auch hinsichtlich abweichender Bedingungen -, dass der Bieter mit Angebotsabgabe die Gleichwertigkeit der Nebenangebote in Bezug zu den in den Verdingungsunterlagen festgelegten Anforderungen an das Hauptangebot mit Angebotsabgabe nachweist. Änderungen an den Verdingungsunterlagen sind in jedem Fall unzulässig, da sie die Vergleichbarkeit der Angebot gefährden. Gehen die Bieter von unterschiedlichen Voraussetzungen aus, fehlt es an der Vergleichbarkeit der eingereichten Angebote (vgl. Brinker/Ohler in: Beck'scher VOB-Kommentar, § 25 VOB/A, Randnr. 17; Franke/Grünhagen, VOB, § 21 VOB/A, Randnr. 142, mit weiteren Nachweisen). Neben dem Schutz des Wettbewerbs und der Gleichbehandlung aller Bieter sowie der Vergleichbarkeit der Angebote bezwecken die zwingenden Ausschlussregelungen des § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b VOB/A und des § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. d VOL/A gerade auch, dass der Auftraggeber eigenverantwortlich bestimmen kann, zu welchen Bedingungen er den Vertrag abschließen möchte (vgl. Franke/Grünhagen, am angegebenen Ort, § 25 VOB/A, Randnr. 141). Die Beifügung eigener AGB führt dann zwingend zum Ausschluss eines ansonsten wirtschaftlich und technisch einwandfreien Angebotes, wenn der Bieter seine AGB in das Angebot einbezogen hat. Zwar werden durch die Beifügung eigener AGB durch den Bieter die Verdingungsunterlagen selbst nicht unmittelbar "geändert". Jedoch können die sich nicht deckenden Willenserklärungen nicht zu dem beabsichtigten Vertragsschluss führen (vgl. BayObLG vom 08.12.2004 - Verg 019/04 und vom 17.02.2005 - Verg 027/04; OLG München vom 29.03.2007 - Verg 02/07).
Die Beifügung eigener Allgemeiner Geschäftsbedingungen in den Begleitschreiben der Antragstellerin zu ihren Angeboten stellen jedoch eine unzulässige abweichende Bestimmung gegenüber den verbindlichen Festlegungen in den Verdingungsunterlagen dar. Denn das Begleitschreiben ist Bestandteil des Angebotes. Die auf der Rückseite des Begleitschreibens abgedruckten, ausdrücklich als "Liefer- und Zahlungsbedingungen", Stand 09/2003, Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Antragstellerin wären inhaltlich in den Vertrag im Falle eines Zuschlags einbezogen worden (vgl. OLG München, Beschluss vom 21.02.2008 - Verg 1/08). Bei dem Angebot der Antragstellerin handelt es sich um eine bürgerlich-rechtliche empfangsbedürftige Willenserklärung, die nach den §§ 133, 157 BGB unter Berücksichtigung der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze auszulegen ist. Danach sind nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs empfangsbedürftige Willenserklärungen so auszulegen, wie sie der Erklärungsempfänger nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen musste, wobei bei der Auslegung nur solche Umstände berücksichtigt werden dürfen, die bei Zugang der Erklärungen für den Empfänger erkennbar waren. Ein nachträgliches Verhalten der Partei kann nur in dem Sinne berücksichtigt werden, dass spätere Vorgänge Rückschlüsse auf den tatsächlichen Willen und das tatsächliche Verständnis der am Rechtsgeschäft Beteiligten zulassen (vgl. BGH, NZBau 2007, Seite 241 [BGH 07.12.2006 - VII ZR 166/05]). Auf den Horizont und die Verständnismöglichkeit des Empfängers ist die Auslegung abzustellen. Dies gilt auch dann, wenn der Erklärende die Erklärung anders verstanden hat und sich im vorliegenden Fall möglicherweise gar nicht bewusst war, dass er durch die Beifügung der eigenen AGB von den Verdingungsunterlagen in unzulässiger Weise abweicht. Entscheidend ist im Ergebnis nicht der empirische Wille des Erklärenden, sondern der durch normative Auslegung zu ermittelnde objektive Erklärungswert eines Verhaltens. Beachtet werden muss bei der Auslegung von Bietererklärungen im Rahmen von Vergabeverfahren schließlich auch das in § 97 Abs. 1 und 2 GWB aufgestellte Gebot der Auftragsvergabe im Rahmen eines transparenten Wettbewerbes unter Gleichbehandlung der Bieter (vgl. BayObLG vom 16.09.2002, VergabeR 2002, Seite 644 ff., 646).
Der Einbeziehung dieser Allgemeinen Geschäftsbedingungen in das Angebot der Antragstellerin steht entgegen der Auffassung der Antragstellerin nicht entgegen, dass die Angebotsanschreiben selbst keinen ausdrücklichen Hinweis auf die auf der Rückseite des Schreibens abgedruckten AGB enthalten. Denn die Obliegenheit eines ausdrücklichen Hinweises gilt nach § 310 Abs. 1 BGB nicht gegenüber juristischen Personen des öffentlichen Rechts. Notwendig, aber auch ausreichend ist, wenn mit dem Angebot in irgendeiner Weise der Wille des Verwenders, bestimmte AGB zum Vertragsbestandteil werden zu lassen, in irgendeiner Weise - auch stillschweigend (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, § 310, Rn. 4) - schlüssig zum Ausdruck kommt. Die Verkehrssitte und/oder der Grundsatz von Treu und Glauben gebietet aber kein Verständnis des Empfängers, dass die Allgemeinen Geschäftsbedingungen im behördlichen oder kaufmännischen Verkehr bei Abdruck auf der Rückseite eines Schreibens nicht Bestandteil des Angebotes sein können. Vielmehr musste die Auftraggeberin davon ausgehen, dass die Antragstellerin alle das Angebot betreffenden Erklärungen berücksichtigt wissen will (vgl. OLG München, Beschluss vom 21.02.2008 - Verg 01/08).
Das Angebot der Antragstellerin entspricht durch die Beifügung der eigenen AGB nicht den Anforderungen der Verdingungsunterlagen. Die Auftraggeberin hat in den Allgemeinen Vorbemerkungen zum Leistungsverzeichnis unter den lfd. Nrn. 16 und 17 folgende Regelungen aufgenommen:
"16.
Der Verwendung von Vertragsbedingungen des Auftragnehmers wird widersprochen. Soweit solche dem Angebot beigefügt sind, gelten sie nicht als Vertragsbestandteil.17.
Im Übrigen gelten die der Aufforderung zum Angebot beigefügten "ZUSÄTZLICHEN VERTRAGSBEDINGUNGEN" kurz EVM (L) ZVB und "BESONDEREN VERTRAGSBEDINGUNGEN" kurz EVM (L) BVB."
Demgegenüber enthalten die auf der Rückseite des Angebotsanschreibens vom 18.01.2008 abgedruckten Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Antragstellerin unter der Überschrift "Liefer- und Zahlungsbedingungen" u.a. folgende Bedingungen:
"I. Allgemeines
1.
Für die Geschäftsbeziehungen zwischen der ... im Übrigen auch als "..." bezeichnet) und unseren Bestellern gelten die folgenden allgemeinen Liefer- und Zahlungsbedingungen (im Folgenden auch "LZB"). Andere Regelungen, insbesondere die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Besteller, gelten nur, wenn sie von uns ausdrücklich schriftlich bestätigt worden sind. Unsere LZB gelten spätestens durch die Annahme der Lieferung als anerkannt. Sie gelten weiterhin innerhalb dauernder Geschäftsverbindungen als anerkannt.2.
Unsere Angebote sind freibleibend....
5.
Die Unwirksamkeit einzelner Vertragsbestimmungen berührt die Wirksamkeit der übrigen nicht.... "
Damit führt die unter der lfd. Nr. 16 in den Allgemeinen Vorbemerkungen zum Leistungsverzeichnis von der Auftraggeberin aufgenommene Abwehrklausel vorliegend nicht dazu, dass eine Änderung an den Verdingungsunterlagen durch die Beifügung eigener AGB des Bieters ausgeschlossen wird. Denn auch die AGB der Antragstellerin enthält unter der lfd. Nr. 1 eine entsprechende Abwehrklausel. Dies hat nach der Rechtsprechung zur Folge, dass bei zwei widersprechenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen im Zweifel keine dieser Vertragsbedingungen gilt. Es liegt dann ein Dissens vor, der dazu führt, dass die vom Auftraggeber gewollte Vertragsbedingung gerade nicht zum Vertragsbestandteil wird, wenn es zur Zuschlagserteilung kommt (vgl. BGH NJW 1985, Seite 1838 ff., 1839 [BGH 20.03.1985 - VIII ZR 327/83]; VK Lüneburg, Beschluss vom 20.08.2004, Az.: 203-VgK-41/2004; Niebuhr in: Niebuhr/Kulartz/Kus/Portz, Kommentar zum Vergaberecht, 1. Auflage, § 97, Randnr. 53). Die Antragstellerin hat keine ausdrückliche Zustimmung gegeben, dass ihre AGB für ihr Angebot nicht gelten sollen. Die allgemeine Erklärung, dass die Leistung den Bedingungen der Angebotsaufforderung entspricht und dem Angebot u.a. die zusätzlichen Vertragsbedingungen zugrunde liegen, reicht für die Feststellung der Ungültigkeit der AGB nicht aus (vgl. VK Nordbayern, Beschluss vom 27.02.2007, Az.: 21.VK-3194-04/07). Es ist ein anerkennenswertes Auftraggeberinteresse, zu verhindern, dass über die Geltung von Vertragsbedingungen nachträglich Streit entsteht bzw. von vornherein einen solchen Streit dadurch zu unterbinden, dass ergänzende Bedingungen als Abweichung von den Verdingungsunterlagen behandelt werden (vgl. OLG Jena, Beschluss vom 17.03.2003 - 6 Verg 2/03).
Die Auftraggeberin hat daher das Hauptangebot der Antragstellerin zu Recht wegen Abweichung von den Verdingungsunterlagen von der Angebotswertung ausgeschlossen. Sie war entgegen der Auffassung der Antragstellerin auch nicht gehalten oder berechtigt, die Nebenangebote der Antragstellerin zu berücksichtigen, die auf der Rückseite ihrer Anschreiben ebenfalls die AGB der Antragstellerin enthalten. Zwar ist es grundsätzlich denkbar, dass Nebenangebote eben nicht nur in fachlicher Hinsicht, sondern auch hinsichtlich ihrer Vertragsbedingungen vom Hauptangebot abweichen. Erforderlich ist aber in jedem Fall, dass der Bieter mit Angebotsabgabe die Nebenangebote so unterbreitet, dass der Auftraggeber in der Lage ist, die Gleichwertigkeit der Nebenangebote im Vergleich zu einem ausschreibungskonformen Hauptangebot festzustellen. Der zumutbare Prüfungsaufwand eines Auftraggebers wird bei der Unterbreitung einer kompletten AGB aber überschritten. Es ist ein anerkennenswertes Auftraggeberinteresse zu verhindern, dass über die Geltung von Vertragsbedingungen nachträglich Streit entsteht und den Prüfungsumfang im Vergabeverfahren im Interesse einer schnellen und reibungslosen Umsetzung des Investitionsvorhabens nicht ausufern zu lassen. Eine derartige materielle Prüfung der Bedingungswerke kann der Vergabestelle und den weiteren Bietern nicht zugemutet werden (vgl. VK Brandenburg, Beschluss vom 03.04.2007 - 1 VK 9/07; OLG München, Beschluss vom 21.02.2008 - Verg 01/08; Weyand, ibr-online Kommentar Vergaberecht, Stand: 09.01.2008, § 25 VOB/A, Randnr. 5557, 5563). Vorliegend scheitert die Berücksichtigungsfähigkeit der Nebenangebote als gleichwertig schon an der unter Nr. 2 der AGB der Antragstellerin festgelegten Bedingung: "Unsere Angebote sind freibleibend." Es bestehen somit auch hinsichtlich der Nebenangebote Zweifel, ob die Antragstellerin überhaupt ein verbindliches Angebot abgegeben hat.
Da das Angebot der Antragstellerin gemäß § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. d VOL/A in Verbindung mit § 21 Nr. 1 Abs. 4 VOL/A zwingend auszuschließen war, kann die Antragstellerin keine Verletzung von Rechten durch Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend machen. Sie ist somit nicht antragsbefugt im Sinne des § 107 Abs. 2 GWB. Der Nachprüfungsantrag war daher als unzulässig zurückzuweisen. Eine Prüfung der Begründetheit der erhobenen Rügen durch die Vergabekammer ist damit ausgeschlossen.
Da der Nachprüfungsantrag bereits unzulässig ist, hat die Vergabekammer von ihrer gemäß § 112 Abs. 1 Satz 3 GWB eingeräumten Möglichkeit Gebrauch gemacht, ohne mündliche Verhandlung nach Aktenlage zeitnah zu entscheiden.
III. Kosten
Die Kostenentscheidung folgt aus § 128 GWB. Nach Art. 7 Nr. 5 des 9. Euro-Einführungsgesetzes (BGBl. 58/2001 vom 14.11.2001, S. 2992 ff.) vom 10.11.2001 werden die DM-Angaben in § 128 GWB für die von der Vergabekammer festzusetzende Gebühr durch Angaben in Euro im Verhältnis 1 : 2 ersetzt, so dass die regelmäßige Mindestgebühr nunmehr 2.500 EUR, die Höchstgebühr 25.000 EUR bzw. in Ausnahmefällen 50.000 EUR beträgt.
Es wird eine Gebühr in Höhe von ... EUR gemäß § 128 Abs. 2 GWB festgesetzt.
Der zu Grunde zu legende Auftragswert für den streitbefangenen Auftrag beträgt ausweislich des mit der Vergabeakte vorgelegten Originalangebotes der Antragstellerin ... EUR (brutto). Dieser Wert entspricht dem Angebot der Antragstellerin und damit ihrem Interesse am Auftrag.
Die Gebührenermittlung erfolgt anhand einer Gebührentabelle des Bundeskartellamtes vom 09.02.1999 in der zzt. gültigen Fassung vom 01.01.2003. Hiernach wird der Mindestgebühr von 2.500 EUR (§ 128 (2) GWB) eine Ausschreibungssumme von bis zu 80.000 EUR zugeordnet und dem regelmäßigen Höchstwert von 25.000 EUR (§ 128 (2) GWB) eine Ausschreibungssumme von 70 Mio. EUR (höchste Summe der Nachprüfungsfälle 1996-1998) gegenübergestellt. Bei einer Angebotssumme von ... EUR ergibt sich durch Interpolation eine Basisgebühr von ... EUR.
Diese Gebühr schließt einen durchschnittlichen sachlichen und personellen Aufwand ein. Gutachterkosten und Kosten von Zeugenvernehmungen sind nicht angefallen.
Die in Ziffer 2 des Tenors geregelte Kostentragungspflicht folgt aus § 128 Abs. 3 Satz 1 GWB. Danach hat ein Beteiligter, soweit er im Verfahren unterliegt, die Kosten zu tragen. Hier war zu berücksichtigen, dass der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin keinen Erfolg hatte.
Die Erstattungspflicht bezüglich der Kosten der Auftraggeberin, die dieser zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstanden sind, folgt aus § 128 Abs. 4 GWB i.V.m. § 80 VwVfG. Danach war festzustellen, dass die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes durch die Auftraggeberin im konkreten Verfahren erforderlich war. Auch wenn man von öffentlichen Auftraggebern grundsätzlich verlangen darf, dass sie über das notwendige personelle Know-how bezüglich der für eine Ausschreibung erforderlichen Rechtsgrundlagen, insbesondere der VOL/A und der VOB/A verfügen, bedurfte der Auftraggeber für eine angemessene Reaktion in der auch für einen erfahrenen öffentlichen Auftraggeber ungewohnten Situation eines vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahrens besonderen rechtskundigen Beistandes.
Nach den zu § 80 VwVfG geltenden Grundsätzen ist die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes dann notwendig, wenn sie vom Standpunkt eines verständigen Beteiligten für erforderlich gehalten werden durfte (BVerwGE 55, 299, 306) [BVerwG 10.04.1978 - 6 C 27/77]. Dies ist nach der herrschenden Lehre nicht nur in schwierigen und umfangreichen Verfahren zu bejahen, sondern entspricht der Regel (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 7. Aufl., § 80, Rdnr. 45; Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 5. Aufl.,
§ 80, Rdnr. 81). Dieser Grundsatz soll allerdings nur im Verhältnis des Bürgers zum Staat gelten. Zugunsten der Ausgangsbehörde im Verwaltungsverfahren wird demgegenüber die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Bevollmächtigten nur in besonders gelagerten Einzelfällen angenommen, da die Ausgangsbehörde in der Regel mit eigenem Fachpersonal so gut ausgestattet sein muss, dass sie ihre Verwaltungstätigkeit, zu der auch die Mitwirkung im Vorverfahren (Widerspruchsverfahren) gehört, ohne fremde Unterstützung ausführen kann. Diese für die Situation der Ausgangsbehörde in einem Widerspruchsverfahren zutreffende Auffassung kann jedoch nicht auf das vergaberechtliche Nachprüfungsverfahren übertragen werden. Schon beim materiellen Vergaberecht handelt es sich um eine überdurchschnittlich komplizierte Materie, die nicht nur in kurzer Zeit zahlreiche Veränderungen und Neuregelungen erfahren hat, sondern auch durch komplexe gemeinschaftsrechtliche Fragen überlagert ist. Entscheidend aber ist, dass das Nachprüfungsverfahren gerichtsähnlich ausgebildet ist, die Beteiligten also auch prozessuale Kenntnisse haben müssen, um ihre Rechte umfassend zu wahren. Deshalb ist im vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren die nach § 80 VwVfG gebotene Rechtspraxis zur Erstattung der Rechtsanwaltskosten nicht übertragbar (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 09.11.2001, Az.: Verg 1/01; OLG Stuttgart, Beschluss v. 19.07.2000, 2 Verg 4/00, NZBau 11/2000, S. 543 ff.). Denn durch seinen Charakter als gerichtsähnlich ausgestaltetes Verfahren unterscheidet sich das Vergabenachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer eben grundlegend von dem Widerspruchsverfahren nach der VwGO.
Die Antragstellerin wird aufgefordert, innerhalb einer Frist von einem Monat nach Rechtskraft dieses Beschlusses den Betrag von ... EUR unter Angabe des Kassenzeichens
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auf folgendes Konto zu überweisen:
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