Vergabekammer Lüneburg
Beschl. v. 16.06.2008, Az.: VgK 21/2008
Ausschreibung der Lieferung von Steinsalz für den Winterdienst 2008/2009 als Offenes Verfahren; Überschreitung des in einer Rechtsverordnung festgelegten maßgeblichen Schwellenwerts für einen Dienstleistungsauftrag
Bibliographie
- Gericht
- VK Lüneburg
- Datum
- 16.06.2008
- Aktenzeichen
- VgK 21/2008
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2008, 22203
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- nachfolgend
- OLG Celle - 31.07.2008 - AZ: 13 Verg 3/08
Rechtsgrundlagen
- § 13 VgV
- § 97 Abs. 7 GWB
- § 100 Abs. 1 GWB
- § 107 Abs. 2 GWB
- § 107 Abs. 3 GWB
- § 114 Abs. 1 GWB
- § 127 GWB
- § 128 Abs. 2 GWB
Verfahrensgegenstand
VOL-Vergabeverfahren "Lieferung von Steinsalz für den Winterdienst 2008/2009 nach TL-Streu Ausgabe 2003"
In dem Nachprüfungsverfahren
...
hat die Vergabekammer
durch
die Vorsitzende RD' in Dr. Raab,
die hauptamtliche Beisitzerin Dipl.-Ing. Rohn und
den ehrenamtlichen Beisitzer Herrn Dipl.-Ökonom Brinkmann
ohne mündliche Verhandlung
beschlossen:
Tenor:
- 1.
Der Nachprüfungsantrag wird zurückgewiesen.
- 2.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin.
- 3.
Die Kosten werden auf ... Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Mit europaweiter Bekanntmachung vom ... hat die - ... - Geschäftsbereich Z. - als Auftraggeberin die Lieferung von Steinsalz für den Winterdienst 2008/2009 nach TL- Streu Ausgabe 2003 als Offenes Verfahren ausgeschrieben. Eine Aufteilung in Lose ist nicht vorgesehen, der Auftrag umfasst Kauf und Lieferung von ca. 1 000 t Steinsalz im Frühbezug 2008 und ca. 3 500 t Steinsalz für das Winterhalbjahr 2008/2009. In den Teilnahmebedingungen unter Ziff. III.2 der europaweiten Bekanntmachung hat die Auftraggeberin folgende Forderungen bekannt gegeben:
III.2.2)
Wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit: Angaben und Formalitäten, die erforderlich sind, um die Einhaltung der Auflagen zu überprüfen: Es sind die Bewerbungsbedingungen für die Vergabe von Lieferungen und Leistungen im Straßen- und Brückenbau zu beachten. Firmen, die noch nicht für den Geschäftsbereich Z vergleichbare Arbeiten ausgeführt haben, müssen mit der Anforderung entsprechende Leistungsnachweise erbringen.III.2.3)
Technische Leistungsfähigkeit: Angaben und Formalitäten, die erforderlich sind, um die Einhaltung der Auflagen zu überprüfen: Es sind die Bewerbungsbedingungen für die Vergabe von Lieferungen und Leistungen im Straßen- und Brückenbau zu beachten. Firmen, die noch nicht für den Geschäftsbereich Z vergleichbare Arbeiten ausgeführt haben, müssen mit der Anforderung entsprechende Leistungsnachweise erbringen.
Der Zuschlag soll auf das Angebot mit dem niedrigsten Preis erteilt werden. Die kostenpflichtigen Verdingungsunterlagen konnten bis zum ... bei der Vergabestelle angefordert werden, als Angebotsschluss war der ... Uhr festgelegt.
Die mit den Unterlagen versandte EG-Aufforderung zur Angebotsabgabe enthält unter Ziff. 4.1 die Forderung an die Bieter und ggf. ihre Subunternehmer, einen Auszug aus dem Gewerbezentralregister mit dem Angebot vorzulegen. Weitere Nachweise und Angaben waren nicht gefordert. Als einziges Zuschlagskriterium wurde der Preis bekanntgegeben.
Die Vergabestelle hat die Verdingungsunterlagen am 18.02.2008 an 7 Firmen versandt, die ihrer Anforderung der Vergabeunterlagen zwar entsprechende Zahlungsnachweise, nicht jedoch die geforderten Nachweise der Leistungsfähigkeit beigefügt hatten. Im Vergabevermerk hat sie hierzu erklärt:
"In der Vergabebekanntmachung wurden unter III.2.2) und III.2.3) von potenziellen Bietern bereits mit der Anforderung der Ausschreibungsunterlagen Nachweise hinsichtlich ihrer finanziellen, wirtschaftlichen und technischen Leistungsfähigkeit gefordert, wenn sie noch nicht für den Geschäftsbereich Z gearbeitet haben.
Von den 7 Unternehmen hätten danach 6 solche Nachweise erbringen müssen, lediglich die Firma Y. wäre aufgrund Ihrer Lieferungen in den vergangenen Jahren von diesen Nachweisen befreit gewesen.
Keiner der Bewerber hat der Anforderung der Unterlagen Nachweise beigefügt. Daher wurde entschieden, andere Informationsmöglichkeiten, wie etwa auch Erkundigungen bei anderen ... der ... über dort bereits in der Vergangenheit beauftragte Salzlieferanten und die Einhaltung der Lieferbedingungen sowie das Internet zu nutzen.
Danach wurden allen 7 Unternehmen die Ausschreibungsunterlagen zugesandt.
5 Unternehmen haben ein Angebot eingereicht und wurden gewertet."
Nach Maßgabe der Niederschrift über die Verdingungsverhandlung am 01.04.2008 sind 5 Angebote fristgerecht bei der Vergabestelle eingegangen.
Wie den Formblättern über die erste Durchsicht der Angebote vom 01.04.2008 zu entnehmen ist, wurden bei keinem der Angebote Mängel oder Auffälligkeiten festgestellt.
Die Vergabestelle nahm eine rechnerische Angebotsprüfung vor und fertigte einen Preisspiegel an. Nach der Zusammenstellung der Angebote vom 01.04.2008 hat die Antragstellerin mit einer geprüften Gesamtsumme von ... EUR brutto das preislich günstigste Angebot abgegeben, auf Rang 2 liegt das Angebot der Fa. Y. GmbH. Unter Ziff. 7.2 "Feststellung zur Eignung der Bieter und der Angebote in der engeren Wahl" stellt die Vergabestelle im Vergabevermerk fest:
"Die Angebote mit dem Pl.-Nr.:01-04 kommen in die engere Wahl
Die Bieter der in der engeren Wahl stehenden Angebote sind für die ausgeschriebenen Leistungen geeignet.
Die Firma X. aus ... hat das preisgünstigste Angebot abgegeben.
Preisgünstigere Nebenangebote von anderen Bietern liegen nicht vor.
Die Auswertung des Preisspiegels ergab keine weiteren Auffälligkeiten."
Die Vergabestelle kam zu dem Ergebnis, dass der Zuschlag auf das Angebot der Antragstellerin zu erteilen sei.
Mit per Post übersandtem Informationsschreiben vom 24.04.2008 informierte die Vergabestelle die Bieter über das Ergebnis der Ausschreibung.
Mit anwaltlichem Schreiben vom 02.05.2008 rügte die durch die ... vertretene Fa. Y. GmbH als zweitplatzierte Bieterin den beabsichtigten Zuschlag auf das Angebot der Antragstellerin. Sie trug u.a. vor, die Antragstellerin sei lt. Veröffentlichung des Amtsgerichts Aurich erst am 12.12.2007 unter HRB ... neu in das Handelsregister eingetragen worden. Folglich könne sie noch keine vergleichbare Leistung für den Geschäftsbereich Z. erbracht und auch die in diesem Fall geforderten Nachweise ihrer wirtschaftlichen, finanziellen und technischen Leistungsfähigkeit nicht vorgelegt haben, sodass ihr Angebot zwingend auszuschließen sei.
Nachdem die Vergabestelle auf diese Rüge nicht reagiert hatte, wandte sich die Fa. Y. GmbH mit am 08.05.2008 per Fax übersandtem Schreiben an die Vergabekammer und beanstandete die von der Auftraggeberin vorgenommene Prüfung und Wertung der Angebote unter Bezugnahme auf ihre Rüge als vergaberechtswidrig. Unter Beifügung von Kopien der europaweiten Bekanntmachung, der Aufforderung zur Angebotsabgabe, des am 29.04.2008 auf dem Postwege bei ihr eingegangenen Informationsschreibens der Vergabestelle vom 24.04.2008, ihrer am 02.05.2008 an die Vergabestelle gesandte Rüge und der erwähnten Eintragung ins Handelsregister beantragte sie einen Wiedereintritt der Auftraggeberin in die Wertung.
Diesen Nachprüfungsantrag hat die Vergabekammer der Auftraggeberin unter dem AZ. VgK-16/2008 noch am selben Tag mit Aufforderung zu schriftlicher Stellungnahme und Vorlage der Vergabeakte zugestellt.
Die Auftraggeberin nahm Rüge und Nachprüfungsantrag zum Anlass für eine nochmalige Prüfung, deren Ergebnis sie in der Ergänzung zum Vergabevermerk vom 15.05.2008 festhielt. Hierin stellt sie fest, dass die ihr über die Antragstellerin zur Verfügung stehenden Informationen nicht ausreichen, um deren Leistungsfähigkeit zu belegen. Aus dem gleichen Grunde wurde auch ein weiterer Bieter ausgeschlossen. Das Angebot eines dritten Bieters scheiterte an fehlenden Angaben im Bieterangaben-Verzeichnis. Sie kam zu dem Ergebnis, dass nach Ausschluss des Angebotes der Antragstellerin der Zuschlag auf das hiernach preislich günstigste Angebot der Fa. Y. zu erteilen ist. Sie informierte die Bieter mit per Fax übersandter Information gemäß § 13 VgV am 15.05.2008 über den beabsichtigten Zuschlag auf das Angebot der Fa. Y. und die Gründe für die Nichtberücksichtigung ihrer Angebote.
Mit Schreiben vom 20.05.2008 teilte die Auftraggeberin der Vergabekammer im Rahmen des Nachprüfungsverfahrens VgK-16/2008 mit, dass sie der Rüge vom 02.05.2008 nach erneuter Prüfung abgeholfen habe und sich dadurch aus ihrer Sicht der Nachprüfungsantrag erledigt habe. Mit Fax vom 23.05.2008 erklärte auch die Fa. Y. GmbH die Erledigung ihres Nachprüfungsantrages.
Mit anwaltlicher Rüge vom 16.05.2008 beanstandete die Antragstellerin den Ausschluss ihres Angebotes wegen nicht nachgewiesener Eignung wie auch die gesamte Wertung als vergaberechtswidrig und forderte die Auftraggeberin auf, den Angebotsausschluss rückgängig zu machen.
In ihrer Rügeantwort vom 20.05.2008 wies die Auftraggeberin die Rüge unter Hinweis und Beifügung der europaweiten Bekanntmachung sowie einer Kopie des Beschlusses des OLG Düsseldorf vom 14.10.2005, AZ.: VII Verg 40/05 zurück. Ohne Zweifel habe die Antragstellerin, die bisher keine Leistungen für den Geschäftsbereich Z. erbracht habe, keinerlei Leistungsnachweise vorgelegt. Das Angebot sei daher zwingend auszuschließen und ein Nachreichen der Nachweise nicht möglich.
Mit Schriftsatz vom 22.05.2008, per Fax eingegangen bei der Vergabekammer am selben Tage, beantragte die Antragstellerin unter Bezugnahme auf ihre Rüge vom 16.05.2008 gemäß § 107 GWB die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens.
Sie trug vor, sie selbst sei durch einem Newsletter auf die Ausschreibung aufmerksam geworden, habe sich daraufhin direkt mit der Vergabestelle in Verbindung gesetzt und die Vergabeunterlagen angefordert. Nach Eingang der Unterlagen habe sie ihr Angebot an der von der Auftraggeberinübersandten EG-Aufforderung zur Angebotsabgabe orientiert, welche keinerlei Nachweisforderungen und auch keinen Hinweis auf eine bereits mit der europaweiten Bekanntmachung geforderte Vorlage von Leistungsnachweisen enthält. Vielmehr habe die dort gewählte Formulierung darauf schließen lassen, dass Nachweise nicht oder allenfalls auf Anforderung vorzulegen seien. Im Übrigen seien auch die Nachweisforderungen der europaweiten Bekanntmachung unklar und hinsichtlich des Vorlagezeitpunktes unbestimmt.
Die Antragstellerin habe nicht damit rechnen können, dass Nachweise der Leistungsfähigkeit - statt wie üblich mit der Angebotsabgabe - bereits mit der Anforderungen der Vergabeunterlagen vorzulegen sind. Hätte die Auftraggeberin korrekt gehandelt, hätte sie auf die notwenige Vorlage der Nachweise hinweisen müssen oder bei fehlender Vorlage der Nachweise die Vergabeunterlagen gar nicht übersenden dürfen. In diesem Fall hätte die Antragstellerin die Möglichkeit gehabt, die Vergabeunterlagen erneut und unter Vorlage der geforderten Nachweise anzufordern und so den Ausschluss ihres Angebotes zu vermeiden.
Die Auftraggeberin habe ihr die europaweite Bekanntmachung erst am 20.05.2008 zusammen mit ihrer Rügeantwort übersandt. Dass die Forderung zur Vorlage von Leistungsnachweisen bereits mit der Anforderung der Vergabeunterlagen überraschend gewesen sei, werde auch durch die Tatsache belegt, dass kein Bieter die Bekanntmachung diesbezüglich richtig ausgelegt habe. Wie dem Vergabevermerk in der Fassung vom 22.04.08 zu entnehmen sei, habe die Auftraggeberin selbst erkannt, dass die Bekanntmachung für Bieter problematisch abgefasst war. Ihre Entscheidung, trotz fehlender Nachweise allen anfordernden Firmen die Vergabeunterlagen zu übersenden und die Bietereignung auf andere Weise zu überprüfen, sei jedoch fehlerhaft. Abgesehen davon, dass sie den potentiellen Bietern hiermit die Möglichkeit genommen habe, die Vorlage der Nachweise nachzuholen, habe sie die Eignungsprüfung willkürlich mittels eigener Erkundigungen im Internet nach nicht bekanntgemachten Kriterien durchgeführt. Sie selbst hätte entsprechende Nachweise durchaus erbringen können, habe aber zufällig keine geeigneten Informationen ins Internet gestellt. Warum sie selbst und die anderen potentiellen Bieter die erste Eignungsprüfung auf der Basis der Internetinformationen bestanden haben, bei der zweiten, ebenfalls auf der Basis einer Internetrecherche vorgenommenen Eignungsprüfung aber, mit Ausnahme der Fa. Y, durchgefallen seien, sei nicht nachvollziehbar.
Fehlerhaft sei auch, dass die Auftraggeberin der Rüge der Fa. Y. GmbH im Nachprüfungsverfahren VgK-16/2008 abgeholfen habe, denn diese Rüge sei nicht unverzüglich i. S. des § 107 Abs. 3 VgV, sondern verspätet erfolgt.
Durch die mangelhafte EG-Aufforderung zur Angebotsabgabe und das intransparente Handeln der Auftraggeberin sei die Antragstellerin unzureichend informiert, irregeführt und im Ergebnis gegenüber anderen Bietern, die ebenso wenig informiert, aber zufällig bereits im Geschäftsbereich Z. tätig und damit von der Nachweispflicht befreit waren, diskriminiert worden.
Die Antragstellerin beantragt
den Antragsgegner anzuweisen, die Zuschlagsentscheidung unter ermessensfehlerfreier Verwendung der zuvor bekanntgemachten Zuschlagskriterien und unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer zu treffen;
hilfsweise,
die Antragsgegnerin anzuweisen, die Ausschreibung aufzuheben und die Ausschreibung zu wiederholen;
der Antragstellerin Akteneinsicht in die Vergabeakte der Antragsgegnerin zu gewähren;
der Antragsgegnerin die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen aufzuerlegen;
festzustellen, dass die Hinzuziehung der Bevollmächtigten der Antragstellerin notwendig war;
äußerst hilfsweise,
das Nachprüfungsverfahren im Falle des Unterliegens als für die Antragsgegnerin kostenpflichtig - weil mangels ausreichender Bieterinformation provoziert - zurückzuweisen.
Die Auftraggeberin beantragt
die Anträge der Antragstellerin zurückzuweisen;
der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
Sie weist die Kritik der Antragstellerin an der vorgenommenen Angebotsprüfung und am Ausschluss ihres Angebotes zurück.
Die aufgrund einer Rüge im Nachprüfungsverfahren VgK-16/2008 durchgeführte nochmalige Überprüfung habe sie veranlasst, ihre ursprüngliche Entscheidung zu korrigieren.
Die Antragstellerin gehöre zum Kreis der Bieter, die noch keine Leistungen für den Geschäftsbereich Z. erbracht haben und die gemäß der europaweiten Bekanntmachung Nachweise über ihre wirtschaftliche, finanzielle und technische Leistungsfähigkeit bereits mit der Anforderung hätten vorlegen müssen. Dies habe sie eindeutig nicht getan. Nach der Rechtsprechung sei das Angebot der Antragstellerin daher zwingend auszuschließen.
Die europaweite und die nationale Bekanntmachung erfolgten vergaberechtskonform und seien hinsichtlich des Zeitpunktes der Vorlage der Eignungsnachweise eindeutig. Die Antragstellerin habe die Vergabeunterlagen auch vollständig erhalten. Richtig sei zwar, dass in der EG-Aufforderung zur Angebotsabgabe keine Leistungsnachweise mehr gefordert worden seien. Nach der aktuellen Rechtsprechung müsse jedoch die Nachweisforderung der Bekanntmachung nicht in der Aufforderung zur Angebotsabgabe wiederholt werden. Die Tatsache, dass die Antragstellerin die europaweite Bekanntmachung und die darin enthaltenen Nachweisforderungen nicht zur Kenntnis genommen habe, könne sie nicht der Auftraggeberin anlasten, sondern habe sie selbst zu vertreten.
Soweit die Antragstellerin eine Ungleichbehandlung gegenüber Bietern, die bereits für den Geschäftsbereich Z. tätig waren, beanstandet, sei darauf hinzuweisen, dass die Vergabestelle diese Bieter durchaus von der Pflicht zur Beibringung von Eignungsnachweisen befreien könne. Dies habe sie mit den Regelungen der Bekanntmachung getan.
Akteneinsicht wurde der Antragstellerin im Nachprüfungsverfahren nur in dem Umfang gewährt, der dazu geeignet ist, Fragen der Zulässigkeit des Nachprüfungsantrags beantworten zu können.
Wegen des übrigen Sachverhaltes wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und die Vergabeakte Bezug genommen.
II.
Die Antragstellerin ist nicht in ihren Rechten gem. §§ 97 Abs. 7, 114 Abs. 1 GWB verletzt. Das Angebot der Antragstellerin war zwingend auszuschließen, da sie es versäumt hat, in der Bekanntmachung geforderte Eignungsnachweise vor Angebotsabgabe vorzulegen bzw. versäumt hat, diese Forderung der Auftraggeberin rechtzeitig zu rügen.
Der Nachprüfungsantrag ist unzulässig.
Die Vergabekammer Lüneburg ist zwar zuständig. Bei dem Auftraggeber handelt es sich um das Land Niedersachsen und damit um einen öffentlichen Auftraggeber im Sinne des § 98 Nr. 1 GWB. Ausgehend von der Angebotssumme der Antragstellerin von xxxxxx EUR netto ist der gem. §§ 100 Abs. 1, 127 GWB in einer Rechtsverordnung festgelegte maßgebliche Schwellenwert für einen Dienstleistungsauftrag von 211.000 EUR überschritten, so dass die angerufene Vergabekammer zuständig ist.
Die Antragstellerin ist aber nicht gemäß § 107 Abs. 2 GWB antragsbefugt. Zwar hat sie als Bieterin mit dem preisgünstigsten Angebot, die zunächst gemäß der Information nach § 13 VgV der Auftraggeberin vom 24.04.2008 den Zuschlag erhalten sollte, ein Interesse am Auftrag und macht eine Verletzung von Rechten durch die Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend, indem sie vorträgt, die Auftraggeberin habe die Forderung von Eignungsnachweisen in der Aufforderung zur Angebotsabgabe wiederholen müssen und sei im weiteren Verlauf des Vergabeverfahrens irreführend und widersprüchlich vorgegangen.
Eine Verletzung von Rechten durch die Nichtbeachtung von Vergabevorschriften kommt aber unter keinem Gesichtspunkt in Betracht, weil das Angebot der Antragstellerin zwingend auszuschließen war. Voraussetzung für die Antragsbefugnis nach § 107 Abs. 2 GWB ist, dass das antragstellende Unternehmen einen durch die behauptete Rechtsverletzung entstandenen oder drohenden Schaden darlegt. Das bedeutet, dass die Antragstellerin diejenigen Umstände aufzeigen muss, aus denen sich die Möglichkeit eines solchen Schadens ergibt. Die diesbezüglichen Anforderungen an die Darlegungslast dürfen einerseits nicht überspannt werden (vgl. Byok/Jaeger, VergabeR, 2. Aufl., § 107 GWB, Rdnr. 954). Andererseits ist hier jedoch ausschlaggebend, dass ein Angebot, das von vornherein vergaberechtlich nicht zuschlagsfähig ist, den Zuschlag nicht erhalten darf, so dass dem betroffenen Bieter kein Schaden entstehen oder drohen kann (vgl. OLG Naumburg, Beschluss vom 08.09.2005, Az. 1 Verg 10/05). Die Antragstellerin hat demnach ein entsprechendes Rechtsschutzbedürfnis nicht darlegen können, da ihr Angebot zwingend auszuschließen war, sie also bei vergaberechtskonformer Angebotswertung keine Chance auf den Zuschlag gehabt hätte.
Das Angebot der Antragstellerin war auszuschließen, weil es an der Vorlage von notwendigen Eignungsnachweisen fehlte. Die EG-Bekanntmachung enthielt sowie zu "Wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit" als auch zu "Technische Leistungsfähigkeit" folgenden Passus: "Firmen, die noch nicht für den Geschäftsbereich Z. vergleichbare Arbeiten ausgeführt haben, müssen mit der Anforderung entsprechende Leistungsnachweise vorlegen." Unstreitig hat die Antragstellerin mit der Anforderung der Aufforderung zur Angebotsabgabe keine Eignungsnachweise bei der Auftraggeberin eingereicht. Folglich hätte die Auftraggeberin das Angebot der Antragstellerin sogleich zwingend ausschließen müssen, weil die Antragstellerin ihre Eignung nicht hinreichend nachgewiesen hat, so dass es an ihrer Antragsbefugnis fehlt. Die Auftraggeberin hat ihren Fehler, die Antragstellerin im Verfahren zu belassen, nach Erhalt des Nachprüfungsantrags einer Konkurrentin dem Vergaberecht entsprechend korrigiert und zutreffend das Angebot der Antragstellerin ausgeschlossen.
Mit ihrem Vortrag, die Forderung von Eignungsnachweisen sei in der Aufforderung zur Angebotsabgabe zu wiederholen gewesen und sei in der hier erfolgten Form unüblich und benachteiligend, kann die Antragstellerin nicht durchdringen. Denn die Antragstellerin hat etwaige Vergaberechtsverstöße in der Bekanntmachung nicht rechtzeitig, d.h. spätestens bis zur Abgabe ihres Angebots gerügt. Die von der Antragstellerin durch ihre Verfahrensbevollmächtigte erst im Nachprüfungsverfahren vorgetragenen Rügen der in der Bekanntmachung enthaltenen Forderungen von Eignungsnachweisen ist sind verspätet und damit gem. § 107 Abs. 3 S. 2 GWB präkludiert.
Laut § 107 Abs. 3 S. 2 GWB ist ein Nachprüfungsantrag unzulässig, soweit Verstöße gegen Vergabevorschriften, die aufgrund der Bekanntmachung erkennbar sind, nicht spätestens bis zum Ablauf der in der Bekanntmachung benannten Frist zur Angebotsabgabe oder zur Bewerbung gegenüber dem Auftraggeber gerügt werden. So liegt es hier. Unstreitig hat die Antragstellerin vor Abgabe ihres Angebots keine Rüge erhoben. Unstreitig kannte die Antragstellerin den Text der Bekanntmachung vor der Abgabe ihres Angebots nicht. Sie trägt vielmehr vor, die Bekanntmachung nicht zur Verfügung gehabt zu haben und verlangt deshalb eine Wiederholung der Forderung nach Eignungsnachweisen in der Aufforderung zur Angebotsabgabe. Ihre Unkenntnis der Anforderungen aus der Bekanntmachung entbindet die Antragstellerin aber keinesfalls von ihren Rügepflichten und geht letztlich zu ihren Lasten. § 107 Abs. 3 S. 2 GWB stellt ausdrücklich auf die Erkennbarkeit etwaiger Verstöße gegen Vergaberecht in der Bekanntmachung ab, nicht aber auf die tatsächliche Kenntnis. Die strengen Regelungen des Vergaberechts zu den Rügepflichten in § 107 Abs. 3 GWB dienen der vom Gesetzgeber gewollten Beschleunigung der Vergabeverfahren. Bei der Vorschrift des § 107 Abs. 3 GWB handelt es sich um eine Präklusionsregel unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben. Der Bieter soll Vergabefehler nicht auf Vorrat sammeln.
Die Antragstellerin hätte es hier ohne weiteres in der Hand gehabt, in einem frühen Verfahrensstadium bei der Auftraggeberin auf die Korrektur der von ihr monierten Mängel bei der Anforderung der Eignungsnachweise hinzuwirken. Sie hat durch ihre Unkenntnis des Bekanntmachungstextes für eine vermeidbare Verzögerung gesorgt. Auf die weiteren Verfahrensschritte der Auftraggeberin, wie die aus Sicht der Antragstellerin zu beanstandende Irreführung durch Akzeptieren des Angebots der Antragstellerin auch ohne vorab vorgelegte Eignungsnachweise und durch Internetrecherche zur Eignung der Bewerber kommt es daher nicht mehr an. Die der Antragstellerin im Rahmen der vergaberechtlichen Rügepflichten zurechenbare Unkenntnis des Bekanntmachungstextes war Auslöser für die weiteren im Vergabeverfahren entstandenen Probleme. Ihr Versäumnis einer rechtzeitigen Rüge kann auch nicht zu Lasten des Bieters gehen, der ein vollständiges, wertbares Angebot vorgelegt hat.
Der Nachprüfungsantrag war demnach insgesamt wegen Unzulässigkeit zurückzuweisen. Eine Prüfung der Begründetheit der erhobenen Rügen durch die Vergabekammer ist damit ausgeschlossen.
Es kommt entgegen der Auffassung der Antragstellerin in diesem Verfahren nicht darauf an, ob die gegen die vorgesehene Erteilung des Zuschlags an die Antragstellerin im vorausgehenden Nachprüfungsverfahren zur streitbefangenen Ausschreibung erhobene Rüge der dortigen Antragstellerin, die nunmehr von der Auftraggeberin für den Zuschlag vorgesehen ist, rechtzeitig erhoben wurde. Vielmehr wurde das Nachprüfungsverfahren Vgk-16/2008 durch Selbstabhilfe der Auftraggeberin und übereinstimmende Erledigungserklärungen der Beteiligten beendet, ehe eine eingehende Prüfung der rechtlichen Voraussetzungen durch die Vergabekammer erfolgen konnte. Die Vergabekammer kann nur auf Antrag tätig werden, so dass ihrer Tätigkeit mit den übereinstimmenden Erledigungserklärungen die Grundlage entzogen wird.
Die der Unzulässigkeit des Antrags zugrunde liegenden Fakten aus den Vergabeakten hat die Vergabekammer der Antragstellerin in den verfahrensbegleitenden Schreiben vom 02.,03. und 04.06.2008 mitgeteilt. Die Antragstellerin hat darüber hinaus im Rahmen der Akteneinsicht aus dem vorliegenden Nachprüfungsverfahren eine Kopie des Vergabevermerks der Auftraggeberin vom 22.04.2008 und seiner Ergänzung vom 15.05.2008 sowie aus dem Nachprüfungsverfahren Vgk-16/2008 die von der xxxxxx für die Fa. Y. erhobene Rüge, den Nachprüfungsantrag und den Schriftsatz der Auftraggeberin vom 20.05.2008 an die Vergabekammer erhalten. Ein weitergehendes Recht auf Akteneinsicht besteht wegen der Unzulässigkeit des Nachprüfungsantrags nicht.
Die Kammer hat gem. § 112 Abs. 1 S. 3 GWB ohne mündliche Verhandlung nach Aktenlage entschieden, weil der Nachprüfungsantrag bereits unzulässig ist.
III. Kosten
Die Kostenentscheidung folgt aus § 128 GWB. Nach Art. 7 Nr. 5 des 9. Euro - Einführungsgesetzes (BGBl. 58/2001 vom 14.11.2001, S. 2992 ff.) vom 10.11.2001 werden die DM-Angaben in § 128 GWB für die von der Vergabekammer festzusetzende Gebühr durch Angaben in Euro im Verhältnis 1 : 2 ersetzt, so dass die regelmäßige Mindestgebühr nunmehr 2.500 EUR, die Höchstgebühr 25.000 EUR bzw. in Ausnahmefällen 50.000 EUR beträgt.
Es wird eine Gebühr in Höhe von ... EUR gemäß § 128 Abs. 2 GWB festgesetzt.
Der zu Grunde zu legende Auftragswert beträgt ... EUR. Dieser Betrag entspricht dem Bruttogesamtpreis des Angebotes der Antragstellerin und damit ihrem Interesse am Auftrag.
Die Gebührenermittlung erfolgt anhand einer Gebührentabelle des Bundeskartellamtes vom 09.02.1999 in der zzt. gültigen Fassung vom 01.01.2003. Hiernach wird der Mindestgebühr von 2.500 EUR ( § 128 (2) GWB) eine Ausschreibungssumme von bis zu 80.000 EUR zugeordnet und dem regelmäßigen Höchstwert von 25.000 EUR ( § 128 (2) GWB) eine Ausschreibungssumme von 70 Mio. EUR (höchste Summe der Nachprüfungsfälle 1996 - 1998) gegenübergestellt. Bei einer Ausschreibungssumme von ... EUR ergibt sich durch Interpolation eine Basisgebühr von ... EUR.
Diese Gebühr schließt einen durchschnittlichen sachlichen und personellen Aufwand ein. Gutachterkosten und Kosten von Zeugenvernehmungen sind nicht angefallen.
Die im Tenor verfügteKostentragungspflicht ergibt sich daraus, dass die Antragstellerin im Nachprüfungsverfahren i.S.d. § 128 Abs.3 Satz 1 GWB unterlegen ist.
Die Antragstellerin wird aufgefordert, den Betrag von ... unter Angabe des Kassenzeichens
...
innerhalb einer Frist von einem Monat nach Rechtskraft dieses Beschlusses auf folgendes Konto zu überweisen:
...
Rohn
Brinkmann