Vergabekammer Lüneburg
Beschl. v. 26.06.2008, Az.: VgK 23/2008

Ausschluss eines Angebots von der Wertung bei fehlender Aufgliederung des Preises nach Material und Lohn; Ziel der Erreichung eines transparenten und auf Gleichbehandlung aller Bieter beruhenden Vergabeverfahrens

Bibliographie

Gericht
VK Lüneburg
Datum
26.06.2008
Aktenzeichen
VgK 23/2008
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2008, 22263
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

nachfolgend
OLG Celle - 02.10.2008 - AZ: 13 Verg 4/08

Verfahrensgegenstand

VOB-Vergabeverfahren "Rück- und Neubau der ..."

In dem Nachprüfungsverfahren
...
hat die Vergabekammer
durch
die Vorsitzende RD' in Dr. Raab,
die hauptamtliche Beisitzerin Dipl. Ing. Rohn und
den ehrenamtlichen Beisitzer Hintz
ohne mündliche Verhandlung
beschlossen:

Tenor:

  1. 1.

    Der Nachprüfungsantrag wird zurückgewiesen.

  2. 2.

    Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin.

  3. 3.

    Die Kosten werden auf xxxxxx Euro festgesetzt.

Gründe

1

I.

Mit europaweiter Bekanntmachung vom xxxxxx hat die Stadt xxxxxx als Auftraggeberin das VOB-Vergabeverfahren "Rück- und Neubau der xxxxxx" als Offenes Verfahren ausgeschrieben. Eine Aufteilung in Lose ist nicht vorgesehen, Nebenangebote waren zugelassen. Die Auftraggeberin rechnet mit einer Bauzeit von 22 Monaten ab Auftragsvergabe. Der Zuschlag soll auf das Angebot mit dem niedrigsten Preis erteilt werden. Als Angebotsschluss war der xxxxxx festgelegt.

2

Mit EG-Aufforderung zur Angebotsabgabe übersandte die Auftraggeberin die Verdingungsunterlagen an insgesamt 10 Bewerber. In den Bewerbungsbedingungen wurden die Bieter u.a. darüber informiert, dass das Angebot vollständig sein muss und dass unvollständige Angebote ausgeschlossen werden. Zu den Verdingungsunterlagen gehört ein ausführliches Leistungsverzeichnis, welches unter Pos. 2.2.15 folgende Bieterabfrage enthält:

"2.2.15. Suchgraben herstellen

Klassen 3 bis 5*Tiefe 1,75-2,5 m

M.Verbau/+10m3 W.*Abrechnung Abtrag

Boden für Suchgraben ausheben, zur Wiederverwendung seitlich lagern und nach Beendigung der Suche wieder einbauen und verdichten.

Vorschriften der Versorgungsunternehmen beachten.

Klassen 3 bis 5.

Grabentiefe über 1,75 bis 2,5 m.

Verbau entsprechend statischen und konstruktiven Erfordernissen herstellen, vorhalten und von der Baustelle entfernen.

Wasserhaltung bis zu einer Pumpenleistung von 10 m3 Fördermenge mal 5 m Förderhöhe je Stunde und Haltung ausführen.

Abgerechnet wird nach Abtragsprofilen.

Für alle Arbeiten dieses Leistungsverzeichnisses.

Material: .........................

Lohn: .........................

15,000 m3 ......................... ........................."

3

Nach Maßgabe der Niederschrift über die Verdingungsverhandlung am 08.05.2008, zu welcher u.a. auch ein Vertreter der Antragstellerin anwesend war, sind 4 Angebote fristgerecht bei der Vergabestelle eingegangen. Nach Maßgabe der ungeprüften Angebotsendsummen hatte die BiGe Fa. X/Fa. Y mit einer Angebotssumme von ... das preislich günstigste Hauptangebot vorgelegt. Auf Rang 2 folgt das Angebot der Antragstellerin mit einer Angebotssumme von ... EUR.

4

Über das Ergebnis ihrer Prüfung und Wertung fertigte die Auftraggeberin den Vergabenachweis vom 27.05.2008. Hierin stellte die Auftraggeberin fest, dass die BiGe Fa. X/Fa. Y mit einer geprüften Angebotsendsumme von ... EUR das wirtschaftlichste Angebot abgegeben habe und daher der Zuschlag auf ihr Angebot zu erteilen sei.

5

Mit Informationsschreiben vom 27.05.2008 informierte die Auftraggeberin die Bieter über das Ergebnis der Ausschreibung und die Gründe der Nichtberücksichtigung ihrer Angebote. Der Antragstellerin wurde mitgeteilt, dass ihr Hauptangebot nicht das wirtschaftlichste gewesen sei, wobei ein wertbares Nebenangebot berücksichtigt worden ist.

6

Mit Schreiben vom 30.05.2008 rügte die Antragstellerin den beabsichtigten Zuschlag auf das Angebot der BiGe Fa. X/Fa. Y und verlangte dessen Ausschluss. Das Angebot enthalte in Pos. 2.0.10 eine unzulässige Mischkalkulation, denn nach den Vorgaben der Verdingungsunterlagen sollten die Kosten für das Vorhalten, Unterhalten und Betreiben der Geräte, Anlagen und Einrichtungen einschließlich Mieten, Pacht, Gebühren und dergleichen nicht mit der Pauschale in Pos. 2.0.10, sondern mit den Einheitspreisen der betreffenden Teilleistungen vergütet werden. In Abweichung hiervon habe die BiGe Fa. X/Fa. Y aber die Vorhaltung von Gerät unzulässig in die Pos. 2.0.10 Baustelleneinrichtung einkalkuliert. Außerdem bestehe die begründete Annahme, dass das Angebot hinsichtlich des Nachunternehmereinsatzes unvollständig sei. So sei anzunehmen, dass für die Erdungsarbeiten in den Positionen 2.050, 2.0.60, 6.0.30 und 14.2.10 keine qualifizierte und durch die xxxxxx zugelassene Fachfirma als Nachunternehmer benannt worden ist und auch keine entsprechenden Verpflichtungserklärungen vorgelegt worden sind.

7

Des Weiteren sei davon auszugehen, dass auch die Bieterangaben zu Pos. 18.0.30 fehlen oder zumindest unvollständig sind.

8

Schließlich habe sie Anlass für die Annahme, dass das gewertete Nebenangebot der BiGe Fa. X/Fa. Y die hierfür festgelegten Mindestbedingungen nicht erfülle, nicht vollständig und nicht gleichwertig und daher auch nicht wertbar sei. Welche Tatsachen ihre Annahmen rechtfertigen, teilte sie nicht mit.

9

Unter Fristsetzung forderte sie die Auftraggeberin auf, ihre Entscheidung entsprechend zu korrigieren und den Zuschlag auf ihr Angebot zu erteilen.

10

Nach entsprechender Überprüfung informierte die Auftraggeberin die Antragstellerin mit Schreiben vom 30.05.2008 darüber, dass sie die behaupteten Vergaberechtsverstöße nicht bestätigt gefunden habe und daher keinen Anlass für eine Änderung ihrer Entscheidung sehe.

11

Daraufhin beantragte die Antragstellerin mit per Fax übersandtem anwaltlichem Schriftsatz vom 09.06.2008 unter Bezugnahme auf ihre Rüge die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens. Sie beanstandet die Entscheidung der Auftraggeberin, die trotz des Vorliegens zwingender Ausschlussgründe gemäß § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b i. V. mit § 21 Nr. 1 Abs. 2 VOB/A den Zuschlag auf das Angebot der BiGe Fa. X/Fa. Y erteilen wolle, als vergaberechtswidrig.

12

Das Angebot der BiGe Fa. X/Fa. Y enthalte in Pos. 2.0.10 "Baustelle einrichten" Preisbestandteile, die dort nicht hätten kalkuliert werden dürfen. Auch seien die Angaben der BiGe Fa. X/Fa. Y zum Nachunternehmereinsatz bzw. die hierfür vorgelegten Verpflichtungserklärungen für die Positionen 2.0.50, 2.0.60, 6.0.30 und 14.0.10 unvollständig. Unvollständig seien auch die Bieterangaben zu Pos. 18.0.30. Zudem habe sie Anlass zu der Annahme, dass die BiGe Fa. X/Fa. Y die Mindestanforderungen für Nebenangebote nicht eingehalten habe. Schließlich habe die Auftraggeberin versäumt, die Angemessenheit des Angebotes der BiGe Fa. X/Fa. Y zu prüfen, wozu die Differenz von mehr als 10% zum nächst höheren Angebot Anlass gegeben hätte. Sie selbst gehe davon aus, dass es sich um ein unangemessenes Unterangebot handele. Ihr eigenes Angebot sei mängelfrei, vollständig und damit zuschlagfähig.

13

Der Nachprüfungsantrag wurde der Auftraggeberin zugestellt. Diese nahm eine erneute Prüfung vor und stellte nunmehr fest, dass das Angebot der Antragstellerin selbst wegen Unvollständigkeit zwingend auszuschließen sei. Mangelhaft sei das Angebot bezüglich der Erklärungen zum Nachunternehmereinsatz in Pos. 18.0.30. Hier sei die Zulassung eines Entsorgungsfachbetriebes benannt und vorgelegt worden, welcher nicht als Nachunternehmer in die Liste eingetragen worden sei. Außerdem habe die Antragstellerin in Pos. 2.2.15 die hier verlangte Aufgliederung des Einheitspreises nach Material und Lohn nicht vorgenommen.

14

Die Antragstellerin weist die Behauptung der Auftraggeberin, ihre Erklärungen zum Nachunternehmereinsatz in Pos. 18.0.30 seinen unzureichend bzw. nicht schlüssig, als unzutreffend zurück. Die Fa. B, deren Zulassung als Entsorgungsfachbetrieb - wie gefordert - zu dieser Position in der Abfrage bezeichnet und vorgelegt wurde, übernehme die entsprechenden Teile der auszuführenden Leistungen der als Nachunternehmer für die Titel 17 bis 20 in die Nachunternehmerliste eingetragenen Fa. A. Sie sei Vertragspartner des Nachunternehmers Fa. A, stehe selbst aber nicht in einem Nachunternehmerverhältnis zur Auftraggeberin und sei deshalb im Nachunternehmerverzeichnis nicht zu benennen.

15

Die von der Auftraggeberin zu Pos. 2.2.15 "Suchgraben herstellen" abgefragte Aufgliederung des Einheitspreises nach Material und Lohn fehle in ihrem Angebot tatsächlich. Sie habe hierzu keine Eintragungen vorgenommen, da zur Erbringung dieser Leistung kein Materialeinsatz erforderlich sei. Die von der Auftraggeberin geforderte Aufgliederung sei objektiv unsinnig, nicht erfüllbar, nicht wettbewerbsrelevant und offenbar irrtümlich in das Leistungsverzeichnis aufgenommen worden. Soweit die Auftraggeberin hier auf einer Eintragung bestehe, sei dies reine Förmelei. Abgesehen hiervon hätte die Auftraggeberin die geforderte Aufgliederung der mit dem Angebot vorgelegten Urkalkulation entnehmen können, in welcher zu erkennen ist, dass sie den Materialkostenanteil mit 0,00 EUR kalkuliert habe. Nach der Rechtsprechung sei in einem solchen Fall ein Angebotsausschluss wegen Fehlens derartiger Eintragungen nicht gerechtfertigt.

16

Die Antragstellerin beantragt

  • der Antragstellerin Einsicht in die Vergabeakten gemäß § 111 Abs. 1 GWB zu gewähren

  • festzustellen, dass die Antragstellerin durch die vergaberechtswidrige Wertung der Antragsgegnerin hinsichtlich der vorliegenden Angebote in ihren Rechten verletzt ist;

  • die Antragsgegnerin zu verpflichten, unter Einbeziehung des Angebotes der Antragstellerin erneut in die Angebotswertung einzutreten;

17

hilfsweise

  • die Antragsgegnerin zu verpflichten, den Zuschlag auf das Angebot der Antragstellerin vom 08.05.2008 zu erteilen;

  • höchst hilfsweise die Antragsgegnerin zu verpflichten, das Vergabeverfahren aufzuheben

  • die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin gemäß § 128 Abs. 4 GWB für notwendig zu erklären

  • der Antragsgegnerin die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten für die zweckentsprechende Rechtsverfolgung der Antragstellerin aufzuerlegen.

18

Die Auftraggeberin beantragt

den Antrag abzulehnen.

19

Sie hält den Nachprüfungsantrag für unzulässig, da der Antragstellerin die erforderliche Antragsbefugnis fehle. Die behauptete Rechtsverletzung könne sich nicht zum Schaden der Antragstellerin auswirken, da diese den Zuschlag ohnehin nicht erhalten könne. Wie die nochmalige Überprüfung im Nachprüfungsverfahren ergeben habe, sei ihr Angebot wegen unvollständiger Angaben bezüglich des Nachunternehmereinsatzes in Position 18.0.30 zwingend auszuschließen, da sich das für diese Position im Leistungsverzeichnis eingetragene Entsorgungszertifikat nicht auf die als Nachunternehmer benannte Fa. A beziehe, sondern auf die Fa. B., welche nicht in der Nachunternehmerliste aufgeführt sei. Außerdem sei das Angebot der Antragstellerin unvollständig, da es weder in der Langfassung noch in der Kurzfassung des Leistungsverzeichnisses die für Pos. 2.2.15 verlangte Aufgliederung des Einheitspreises nach Material und Lohn enthalte. Entgegen den Annahmen der Antragstellerin sei die Abfrage nicht versehentlich, sondern aus wirtschaftlichen Erwägungen in das Leistungsverzeichnis aufgenommen worden, um - ohne Öffnung der Urkalkulation - spekulative Preisbildung auszuschließen. Es wäre der Antragstellerin ohne weiteres möglich gewesen, den Materialansatz mit 0,00 EUR und den Lohnkostenanteil mit xxxxxx EUR einzutragen. Dies hat sie jedoch nicht getan.

20

Im Übrigen sei der Nachprüfungsantrag unbegründet, weil die von der Antragstellerin gerügten Vergaberechtsverstöße bezüglich der Wertung des Angebotes der BiGe Fa. X/Fa. Y nicht vorliegen. Ihre diesbezüglichen Behauptungen und Mutmaßungen habe die Antragstellerin durch nichts belegt. Im Angebot der BiGe Fa. X/Fa. Y gebe es weder Anhaltspunkte für eine Mischkalkulation, noch seien ihre Angaben und Nachweise zum Nachunternehmereinsatz unvollständig. Soweit die Antragstellerin derartige Mängel bei den die Bahnerdung betreffenden Positionen 2.0.50, 2.0.60 und 6.0.30 unterstelle, sei darauf hinzuweisen, dass für diese Leistungen nicht zwingend ein Nachunternehmer zu benennen war, sondern grundsätzlich vorgesehen war, diese Arbeiten durch den Fachdienst der xxxxxx ausführen zu lassen. Dieser sei kein Nachunternehmer, seine Leistungen seien in den genannten Positionen als Fremdleistungsanteile zu berücksichtigen gewesen. Alternativ können diese Arbeiten durch eine durch die xxxxxx zugelassene Fachfirma erfolgen, die dann als Nachunternehmer hätte benannt werden müssen. Das Angebot der BiGe Fa. X/Fa. Y sieht einen solchen Nachunternehmereinsatz nicht vor. Auch die Mutmaßungen der Antragstellerin bezüglich der Unvollständigkeit der Angaben zur Pos. 18.0.30 seien unzutreffend. Die hier geforderten Angaben zu Ort und Art der Verwertung des zu entsorgenden Bodens sowie zur Zulassung des Entsorgungsfachbetriebes seien vollständig. Daran, dass die Fa. Y als Entsorgungsfachbetrieb zertifiziert sei, bestehe kein Zweifel.

21

Das gewertete Nebenangebot stehe nicht im Widerspruch zu den Mindestbedingungen. Da es lediglich einen Baubehelf zur Herstellung der Gründungspfähle beinhalte und keinerlei Veränderungen an Gründung und Bauwerk vorsehe, bedürfe es keiner weiterer Berechnungen oder Aussagen eines Bodengutachters. Selbst im Falle einer Nichtwertbarkeit dieses Nebenangebotes sei im Übrigen das Angebot der BiGe Fa. X/Fa. Y immer noch das wirtschaftlich günstigste.

22

Die erst im Nachprüfungsantrag vorgetragene Rüge bezüglich der vermeintlich fehlenden Überprüfung der Angemessenheit des Angebotspreises sei bereits präkludiert. Überdies sei die Angemessenheit durchaus überprüft worden. Hierbei sei festgestellt worden, dass die angebotenen Preise auskömmlich sind.

23

Wegen des übrigen Sachverhaltes wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und die Vergabeakte Bezug genommen.

24

II.

Der Nachprüfungsantrag ist unzulässig.

25

Die Antragstellerin ist nicht in ihren Rechten gem. §§ 97 Abs. 7, 114 Abs. 1 GWB verletzt. Das Angebot der Antragstellerin ist gem. § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit b VOB/A i.V.m. § 21 Nr. 1 Abs. 1 VOB/A zwingend von der Wertung auszuschließen. Denn die Antragstellerin hat die im Leistungsverzeichnis zu Pos. 2.2.15 geforderte Aufgliederung ihres Preises nach Material und Lohn nicht ausgefüllt, so dass ihr bereits die Antragsbefugnis fehlt.

26

Bei der Auftraggeberin, der Stadt ... , handelt es sich um einen öffentlichen Auftraggeber im Sinne des § 98 Nr.2 GWB. Die Gesamtbaumaßnahme hat nach der Schätzung der Auftraggeberin einen Wert von ... EUR brutto bzw. ... EUR netto. Der Wert des streitbefangenen Auftrags übersteigt damit auch den für die Zuständigkeit der Vergabekammer maßgeblichen Schwellenwert gem. § 100 Abs. 1 GWB von 5,15 Mio. EUR.

27

Die Antragstellerin ist aber nicht gemäß § 107 Abs. 2 GWB antragsbefugt. Zwar hat sie als Bieterin mit dem zweitgünstigsten Hauptangebot ein Interesse am Auftrag und macht eine Verletzung von Rechten durch die Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend, indem sie die Entscheidung der Auftraggeberin für das Angebot der BiGe Fa. X/Fa. Y beanstandet und auf das Vorliegen zwingender Ausschlussgründe hinweist.

28

So enthalte das Angebot der BiGe Fa. X/Fa. Y eine Mischkalkulation, unvollständige Angaben im Leistungsverzeichnis und zu Nachunternehmerleistungen und ihr Nebenangebot entspreche nicht den festgelegten Mindestanforderungen der Auftraggeberin. Im Nachprüfungsantrag beanstandete sie außerdem, dass die Auftraggeberin auf die bei einer Preisdifferenz von mehr als 10% gebotene Angemessenheitsprüfung verzichtet habe.

29

Eine Verletzung von Rechten durch die Nichtbeachtung von Vergabevorschriften kommt aber unter keinem Gesichtspunkt in Betracht, weil das Angebot der Antragstellerin zwingend wegen einer fehlenden Preisangabe im Leistungsverzeichnis auszuschließen war. Voraussetzung für die Antragsbefugnis nach § 107 Abs. 2 GWB ist, dass das antragstellende Unternehmen einen durch die behauptete Rechtsverletzung entstandenen oder drohenden Schaden darlegt. Das bedeutet, dass die Antragstellerin diejenigen Umstände aufzeigen muss, aus denen sich die Möglichkeit eines solchen Schadens ergibt. Die diesbezüglichen Anforderungen an die Darlegungslast dürfen einerseits nicht überspannt werden (vgl. Byok/Jaeger, VergabeR, 2. Aufl., § 107 GWB, Rdnr. 954). Andererseits ist hier jedoch ausschlaggebend, dass ein Angebot, das von vornherein vergaberechtlich nicht zuschlagsfähig ist, den Zuschlag nicht erhalten darf, so dass dem betroffenen Bieter kein Schaden entstehen oder drohen kann (vgl. OLG Naumburg, Beschluss vom 08.09.2005, Az. 1 Verg 10/05). Die Antragstellerin hat demnach ein entsprechendes Rechtsschutzbedürfnis nicht darlegen können, da ihr Angebot zwingend auszuschließen war, sie also bei vergaberechtskonformer Angebotswertung keine Chance auf den Zuschlag gehabt hätte.

30

Das Angebot der Antragstellerin ist auszuschließen, weil sie im Leistungsverzeichnis die Abfrage zur Aufgliederung der Position 2.2.15 in Material- und Lohnkosten nicht ausgefüllt hat, sondern lediglich Einheits- und Gesamtpreis eingetragen hat. Denn damit ist ihr Angebot unvollständig. Ein transparentes, auf Gleichbehandlung aller Bieter beruhendes Vergabeverfahren ist nur zu erreichen, wenn lediglich in jeder sich aus den Verdingungsunterlagen ergebenden Hinsicht vergleichbare Angebote gewertet werden. Dies erfordert, dass hinsichtlich jeder Position der Leistungsbeschreibung alle zur Kennzeichnung der insoweit angebotenen Leistung geeigneten Parameter bekannt sind, deren Angabe den Bieter nicht unzumutbar belastet und ausweislich der Ausschreibungsunterlagen gefordert war, so dass sie als Umstände ausgewiesen seien, die für die Vergabeentscheidung relevant sein sollen. Folglich fehlt es der Antragstellerin an der notwendigen Antragsbefugnis.

31

Soweit die Antragstellerin vorträgt, sie habe die fehlende Eintragung nicht vorgenommen, weil die von der Auftraggeberin geforderte Aufgliederung objektiv unsinnig, nicht erfüllbar, nicht wettbewerbsrelevant und offenbar irrtümlich in das Leistungsverzeichnis aufgenommen worden sei, ist dem entgegenzuhalten, dass sie diese Forderung unverzüglich noch vor Abgabe des Angebotes hätte rügen müssen, statt kommentarlos auf die geforderte Aufgliederung ihres Preises zu verzichten. Dies hat sie versäumt.

32

Die Antragstellerin ist nicht ihrer Pflicht gem. § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB nachgekommen, vor Anrufung der Vergabekammer die behaupteten Verstöße gegen die Vergabevorschriften bereits im Vergabeverfahren selbst gegenüber der Auftraggeberin unverzüglich zu rügen. Bei der Vorschrift des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB handelt es sich um eine Präklusionsregel unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben. Der Bieter soll Vergabefehler nicht auf Vorrat sammeln. Die Rügepflicht des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB entsteht, sobald ein Bieter oder Bewerber im Vergabeverfahren einen vermeintlichen Fehler erkennt. Vorausgesetzt ist die positive Kenntnis des Anbieters von den Tatsachen. Ausreichend für die positive Kenntnis eines Mangels im Sinne des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB ist bereits das Wissen um einen Sachverhalt, der den Schluss auf die Verletzung vergaberechtlicher Bestimmungen erlaubt und es bei vernünftiger Betrachtung gerechtfertigt erscheinen lässt, das Vergabeverfahren als fehlerhaft zu beanstanden (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss v. 22.08.2002, Az.: Verg 9/02). Unter Zugrundelegung dieses zutreffenden Maßstabes hat die Antragstellerin den vermeintlichen Vergaberechtsverstoß in der geforderten Aufgliederung in Material- und Lohnkostenanteil bei Position 2.2.15 nicht rechtzeitig gerügt. Ihre diesbezügliche Rüge im Nachprüfungsverfahren ist gemäß § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB präkludiert und sie muss die im Leistungsverzeichnis enthaltene Abfrage von Material- und Lohnkostenanteilen bei Position 2.2.15 gegen sich gelten lassen.

33

Hiervon abgesehen erscheint die Kritik der Antragstellerin an dieser Forderung unbegründet. Wie die Auftraggeberin im Schriftsatz vom 24.06.2008 deutlich gemacht hat, hat sie diese Abfrage durchaus mit guten Gründen und keineswegs versehentlich in das Leistungsverzeichnis aufgenommen. Nach den Feststellungen der Auftraggeberin vom 10.06.2008 haben auch alle übrigen Bieter diese Abfrage vollständig ausgefüllt, und zumindest das der Vergabekammer vorliegende Angebot der BiGe Fa. X/Fa. Y weist für diese Position einen Materialkostenanteil von mehr als 0,00 EUR aus. Nach alledem ist nicht zu erkennen, warum die Abfrage objektiv nicht erfüllbar sein soll.

34

Soweit die Antragstellerin sich zur Abwehr des Angebotsausschlusses auf die Rechtsprechung zu überspitztem Formalismus und Angaben mit fehlender Wettbewerbsrelevanz berufen will, ist dem entgegenzuhalten, dass es im vorliegenden Fall weder um eine unsinnige Abfrage, noch um reinen Formalismus geht. Für sie wie für die anderen Bieter gilt, dass das Leistungsverzeichnis die abgefragten Preise vollständig zu enthalten hat. Es wäre ihr unbenommen gewesen, für den Materialkostenanteil bei der Position 2.2.15 den Betrag von 0,00 EUR anzusetzen und einen aufklärenden Hinweis in das Anschreiben zum Angebot aufzunehmen. Auch kann im vorliegenden Fall nicht davon die Rede sein, dass, wie die Antragstellerin vorträgt, "sich die versäumten Erklärungen zumindest aus dem Kontext der übrigen Angaben im Angebot ergeben", weil entsprechende Angaben in der mit dem Angebot vorgelegten verschlossenen Urkalkulation vorhanden seien. Eine Einsichtnahme in die verschlossene Urkalkulation wäre der Auftraggeberin im Vergabeverfahren allenfalls gemäß § 24 VOB/A im Rahmen der Aufklärung des Angebotsinhalts möglich. Dadurch, dass die Auftraggeberin in ihren Bewerbungsbedingungen für den Fall unvollständiger Angebote eindeutig den Angebotsausschluss angekündigt hatte, war das Angebot der Antragstellerin nicht wertbar und es bestand kein Aufklärungsbedarf. Ohnehin hätte das unvollständige und damit nicht wertbare Angebot der Antragstellerin nicht im Wege der Aufklärungsverhandlung gemäß § 24 VOB/A wertbar gemacht werden können.

35

Folglich hätte die Auftraggeberin das Angebot der Antragstellerin sogleich zwingend ausschließen müssen, weil die Antragstellerin kein vollständiges Angebot vorgelegt hat, so dass es an ihrer Antragsbefugnis fehlt. Die Auftraggeberin hat ihren Fehler, die Antragstellerin im Verfahren zu belassen, nach Erhalt ihres Nachprüfungsantrags erkannt und zutreffend das Angebot der Antragstellerin ausgeschlossen.

36

Ob des Weiteren eine fehlerhafte Erklärung der Nachunternehmerleistungen der Antragstellerin vorliegt, kann hier offen bleiben, obgleich die Kammer zu bedenken gibt, dass zertifikatsbewehrte Tätigkeiten eignungsrelevant sind und entsprechend die Notwendigkeit der Vorlage einer Verpflichtungserklärung für den Nachunternehmereinsatz bedeuten könnten.

37

Die Antragsbefugnis der Antragstellerin lebt auch nicht wegen gleichartiger Mängel in den Angeboten von Konkurrenzbietern wieder auf; ihr Angebot ist unvollständig wegen fehlender Angaben im Leistungsverzeichnis, das Angebot der Angebot der BiGe Fa. X/Fa. Y, die die Auftraggeberin für den Zuschlag vorgesehen hat, nicht.

38

Der Nachprüfungsantrag war demnach insgesamt wegen Unzulässigkeit zurückzuweisen. Eine Prüfung der Begründetheit der erhobenen Rügen durch die Vergabekammer ist damit ausgeschlossen.

39

Akteneinsicht war der Antragstellerin im Nachprüfungsverfahren nur in dem Umfang zu gewähren, der dazu geeignet ist, Fragen der Zulässigkeit des Nachprüfungsantrags beantworten zu können. Sämtliche diesbezüglichen Informationen hat die Antragstellerin mit der Antragserwiderung erhalten.

40

Die Kammer hat gem. § 112 Abs. 1 S. 3 GWB ohne mündliche Verhandlung entschieden, weil der Nachprüfungsantrag bereits unzulässig ist.

41

III. Kosten

42

Die Kostenentscheidung folgt aus § 128 GWB. Nach Art. 7 Nr. 5 des 9. Euro - Einführungsgesetzes (BGBl. 58/2001 vom 14.11.2001, S. 2992 ff.) vom 10.11.2001 werden die DM-Angaben in § 128 GWB für die von der Vergabekammer festzusetzende Gebühr durch Angaben in Euro im Verhältnis 1 : 2 ersetzt, so dass die regelmäßige Mindestgebühr nunmehr 2.500 EUR, die Höchstgebühr 25.000 EUR bzw. in Ausnahmefällen 50.000 EUR beträgt.

43

Es wird eine Gebühr in Höhe von ... EUR gemäß § 128 Abs. 2 GWB festgesetzt.

44

Der zu Grunde zu legende Auftragswert beträgt ... EUR brutto . Dieser Betrag entspricht den Kosten auf der Grundlage des Angebotes der Antragstellerin und damit ihrem Interesse am Auftrag.

45

Die Gebührenermittlung erfolgt anhand einer Gebührentabelle des Bundeskartellamtes vom 09.02.1999 in der zzt. gültigen Fassung vom 01.01.2003. Hiernach wird der Mindestgebühr von 2.500 EUR (§ 128 (2) GWB) eine Ausschreibungssumme von bis zu 80.000 EUR zugeordnet und dem regelmäßigen Höchstwert von 25.000 EUR (§ 128 (2) GWB) eine Ausschreibungssumme von 70 Mio. EUR (höchste Summe der Nachprüfungsfälle 1996 - 1998) gegenübergestellt. Bei einer Ausschreibungssumme von ... EUR ergibt sich durch Interpolation eine Basisgebühr von ... EUR.

46

Diese Gebühr schließt einen durchschnittlichen sachlichen und personellen Aufwand ein. Gutachterkosten und Kosten von Zeugenvernehmungen sind nicht angefallen.

47

Die im Tenor verfügte Kostentragungspflicht ergibt sich daraus, dass die Antragstellerin im Nachprüfungsverfahren i.S.d. § 128 Abs.3 Satz 1 GWB unterlegen ist.

48

Die Antragstellerin wird aufgefordert, den Betrag von ... EUR unter Angabe des Kassenzeichens

49

...

50

innerhalb einer Frist von einem Monat nach Rechtskraft dieses Beschlusses auf folgendes Konto zu überweisen:

51

...

Dr. Raab
Rohn
Hintz