Vergabekammer Lüneburg
Beschl. v. 11.11.2008, Az.: VgK-39/2008

Verstoß gegen den Transparenzgrundsatz bei mangelnder Berücksichtigung aller laut Leistungsbeschreibung zu kalkulierenden Positionen i.R.d. Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes; Pflicht zum Ausschluss unvollständiger Angebote; Vorrang des Kriteriums des "wirtschaftlichsten Angebots" vor dem Kriterium des "niedrigsten Preises"

Bibliographie

Gericht
VK Lüneburg
Datum
11.11.2008
Aktenzeichen
VgK-39/2008
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2008, 30121
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgegenstand

Vergabeverfahren "Beteiligung eines privaten Partners an einer bestehenden Gesellschaft des Auftraggebers (bis zu 49% der Gesellschaftsanteile) und Beauftragung dieser Gesellschaft mit Reinigungs- und Cateringleistungen"

In dem Nachprüfungsverfahren
...
hat die Vergabekammer
durch
den Vorsitzenden MR Gause,
die hauptamtliche Beisitzerin BOAR'in Schulte und
den ehrenamtlichen Beisitzer, Herrn Bürgermeister Prokop,
auf die mündliche Verhandlung vom 31.10.2008
beschlossen:

Tenor:

  1. 1.

    Es wird festgestellt, dass die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt ist. Die Auftraggeberin wird verpflichtet, erneut in das Vergabeverfahren einzutreten und das dortige Verhandlungsverfahren mit den im Teilnahmewettbewerb ausgewählten 5 Bewerbern erneut unter Beachtung der aus den Gründen ersichtlichen Rechtsauffassung der Vergabekammer durchzuführen.

  2. 2.

    Die Kosten werden auf ... EUR festgesetzt.

  3. 3.

    Die Kosten des Verfahrens hat die Auftraggeberin zu tragen. Die Auftraggeberin ist jedoch von der Entrichtung der Kosten befreit.

  4. 4.

    Die Auftraggeberin hat der Antragstellerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten zu erstatten. Die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts war für die Antragstellerin notwendig.

Begründung

1

I.

Die Antragsgegnerin ist als gGmbH eine 100-prozentige Tochter der Stadt ... mit drei Krankenhausstandorten im Stadtgebiet. Sie hat mit Datum vom ... die Suche nach einem Partner europaweit im Verhandlungsverfahren ausgeschrieben. Die Bieter wurden darauf hingewiesen, dass beabsichtigt sei, mit einem zu gewinnenden Partner eine gemeinsame Servicegesellschaft durch Umwandlung der bereits bestehenden Servicegesellschaft Klinikum ... (...) GmbH in eine Organtochter zur Durchführung von Dienstleistungen zu etablieren. Sie beabsichtigt, diese Gesellschaft mit Reinigungs- und Cateringleistungen für die nächsten sieben Jahre zu beauftragen. Dabei wird eine Beteiligung eines Dritten an der GmbH bis zur Höhe von 49% angestrebt.

2

Aufgrund des Teilnahmewettbewerbs wurden von 15 Bewerbern fünf zum Verhandlungsverfahren eingeladen, unter ihnen die Antragstellerin und die Beigeladene. Diesen Bewerbern wurde eine Leistungsbeschreibung übermittelt. Der Leistungsbeschreibung waren mehrere Anlagen zur Kalkulation beigefügt, die die Bewerber auszufüllen hatten. Ferner wurden als ausschließliche Ansprechpartner für die Teilnehmer der stv. Geschäftsführer und ein Unternehmensberater benannt.

3

Der Leistungsbeschreibung ist zu entnehmen, dass als Auswahlkriterien

  • die Kalkulationen der Ausschreibung,

  • die geforderten Anlagen und

  • die Finanzierung der neuen Zentralküche, der Vorteillogistik inkl. Transportfahrzeug(e) und des Patientenabfragesystems mit dazugehörender Soft- und Hardware

4

zugrunde gelegt werden.

5

Ausschlaggebend für den Zuschlag sollte Wirtschaftlichkeit des Angebotes sein.

6

Im Nachgang zu der mit den Bietern durchgeführten Ortsbesichtigung ergaben sich Fragen, speziell im Zusammenhang mit den Kalkulationsgrundlagen, die letztendlich zu einer Verlängerung der Angebotsfrist führten. Ferner wurden die Verdingungsunterlagen zum Teil geändert bzw. ergänzt.

7

Zur Angebotseröffnung am ... hatten nur die Antragstellerin und die Beigeladene ein Angebot eingereicht. Im Vorfeld zum ersten Bietergespräch am 11. bzw. 12.08.2008 ergaben sich aus Sicht der Auftraggeberin bei den beiden Bietern sehr große Differenzen hinsichtlich der Kalkulation. Der beauftragte Unternehmensberater übersandte mit Mail vom 14.08.2008 der Auftraggeberin die Mitschriften aus den Bietergesprächen. Ferner wies er darauf hin, dass bezüglich des Angebotes der Beigeladenen ein neues Angebot abgewartet werden soll. In einer weiteren Angebotsrunde legten die Beigeladene und die Antragstellerin offenbar ein verändertes Angebot mit Datum vom 15.08.2008 vor.

8

Weitere Gespräche mit den beiden Bietern fanden am 18. bzw. am 19.08.2008 statt. Offenbar wurde die Beigeladene aufgrund eines Bietergesprächs am 21.08.2008 von der Auftraggeberin aufgefordert, bis zum 22.08.2008 ein in einer Anlage korrigiertes Angebot vorzulegen.

9

Da im Vorfeld des letzten Angebotes der Beigeladenen offenbar Irritationen wegen der umsatzsteuerrechtlichen Einordnung der Organgesellschaft auftraten, wies der Rechtsanwalt der Beigeladenen, jetzt Bevollmächtigter im anhängigen Nachprüfungsverfahren, die Auftraggeberin mit Schreiben vom 19.08.2008 auf zwei Entscheidungen des Bundesfinanzgerichts hin und stellte als "allgemeines Muster" einen innerhalb der Unternehmensgruppe verwendeten Managementvertrag zur Verfügung. Ferner übermittelte der Bevollmächtigte der Beigeladenen mit Schreiben vom 27.08.2008 der Auftraggeberin die Bewertungsstandards des Instituts der ....

10

Da die Auftraggeberin bei der Bewertung des Angebotes der Beigeladenen offenbar auf eine Unstimmigkeit bei Personalkosten gestoßen war, bat sie die Beigeladene mit E-Mail vom 28.08.2008 um schnellstmögliche Klärung. Sie erklärte, dass sie dankbar wäre, wenn die Beigeladene ihr spätestens bis zum 02.09.2008, 10.00 Uhr, antworten würde.

11

Mit E-Mail vom 02.09.2008, 10.05 Uhr, legte die Beigeladene die Aufschlüsselung der Lohnkosten vor und erklärte die Gründe für die Differenz aus ihrer Sicht. Die korrigierten Unterlagen erhielt die Auftraggeberin mit E-Mail vom 02.09.2008 um 10.50 Uhr.

12

Mit Mail vom 03.09.2008, 14.47 Uhr übersandte die Beigeladene der Auftraggeberin die noch fehlenden Unterlagen. Sie erklärte, dass sie der Vollständigkeit halber neben derüberarbeiteten Anlage "Personalkosten ..." die bereits zur Verfügung gestellten Planungsberechnungen beigefügt habe.

13

In einer fünfseitigen Zusammenfassung vom 09.09.2008 kommt der beauftragte Unternehmensberater zu dem Ergebnis, dass die Beigeladene in der Zielgröße Wareneinsatz, Personalkosten und Dienstleistungsvergütung bereits im Jahr 2009 um ... EUR günstiger ist und im Planungszeitraum 2009 - 2013 in der definierten Zielgröße um rund ... Mio. EUR. Dabei wird festgehalten, dass nur die vom Dienstleister beeinflussbaren Kosten berücksichtigt wurden. Alle anderen Positionen seien bei der Beurteilung der Wirtschaftlichkeit ausgeschlossen worden, da sie entweder nahezu identische Größen aufweisen oder von Dritten stark beeinflusst werden. Ferner wurde ausgeführt, dass die Position "Erlöse" nur eine Verrechnung der Gesamtkosten und budgetierten Ergebnisse sei und daher ebenfalls nicht in die Beurteilung einfließe. Der Unternehmensberater schlug gemeinsam mit dem stv. Geschäftsführer der Auftraggeberin vor, der Beigeladenen den Zuschlag zu erteilen.

14

Bei der Überprüfung der in der Vergabeakte enthaltenen Zusammenfassung der Endbewertung ist der Vergabekammer aufgefallen, dass verschiedene Anlagen und Positionen weder bei der Angebotsabgabe noch im weiteren Verfahren bepreist wurden, obwohl sich aus der Anlage 5.4a "Planungsrechnungen" ergibt, dass die Auftraggeberin für die einzelnen Standorte bei unterschiedlichen Positionen entsprechende Angaben gefordert hat. Weder die Antragstellerin noch die Beigeladene haben alle Anlagen komplett ausgefüllt.

15

Mit Schreiben vom 10.09.2008 informierte die Auftraggeberin die Antragstellerin gemäß § 13 VgV, dass sie nicht das wirtschaftlichste Angebot hinsichtlich der in den Verdingungsunterlagen genannten Kriterien Preis und Dienstleistungspauschale abgegeben habe und dass die Beigeladene den Zuschlag erhalten soll. Weitere Angaben sind dem Schreiben nicht zu entnehmen. In einem zweiten Schreiben vom 18.09.2008 informierte die Auftraggeberin die Antragstellerin, das die Zuschlagsfrist am 25.09.2008 beginnt.

16

Mit Schreiben vom 17.09.2008, persönlich übergeben am 18.09.2008, rügte der Rechtsanwalt der Antragstellerin, jetzt Bevollmächtigter im anhängigen Nachprüfungsverfahren die beabsichtigte Vergabe an die Beigeladene.

17

Zunächst moniert sie, dass die Auftraggeberin als Zuschlagskriterium die "Dienstleistungspauschale" berücksichtigt hat. Dieses Kriterium sei weder in der Bekanntmachung noch in den Verdingungsunterlagen als Zuschlagskriterium genannt worden. Ferner beanstandet sie, dass die zu erbringende Leistung nicht eindeutig und erschöpfend beschrieben wurde. Sie fordert auch den Ausschluss des Angebotes der Beigeladenen, da diese die Verdingungsunterlagen dahingehend geändert habe, dass sie die Personalkosten nicht anhand der vorgegebenen Tarife kalkuliert habe. Abschließend kritisiert sie den Einsatz und die Neutralität des beauftragten Unternehmensberaters, von dem sie sich 2007 im Streit getrennt habe.

18

Offenbar zeitgleich kündigte die Antragstellerin den Pachtvertrag "Cafeteria und Kiosk im Klinikum ...", den sie zurzeit betreibt.

19

Mit E-Mail vom 24.09.2008 schlug der Bevollmächtigte der Beigeladenen gegenüber seiner Mandantin einen Textvorschlag zu dem Rügeschreiben der Antragstellerin vor. Die Beigeladene leitete diesen Textvorschlag an die Auftraggeberin weiter. Wann und wie die Beigeladene Kenntnis von dem Rügeschreiben erhalten hat, ist der Vergabeakte nicht zu entnehmen.

20

Handschriftlichen Vermerken der Auftraggeberin vom 25. und 26.09.2008 ist zu entnehmen, dass sie mit Ihrem Bevollmächtigten das Risiko der Abhilfe bzw. Zurückweisung der Rüge abwog. Sie entschloss sich der Rüge nicht abzuhelfen und teilte dies der Antragstellerin mit Schriftsatz vom 26.09.2008 mit.

21

Mir Schriftsatz vom 26.09.2008, eingegangen bei der Vergabekammer am selben Tage, beantragte die Antragstellerin die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens. Sie begründet ihren Nachprüfungsantrag unter Zugrundelegung ihres Rügeschreibens und führt ferner aus, dass die für die Zuschlagsentscheidung angewandten Kriterien und deren Gewichtung nicht bekannt gemacht wurden und daher nur der Preis als Zuschlagskriterium gewertet werden dürfe. Dieses Kriterium müsse aber alle finanziellen Aspekte der Organgesellschaft berücksichtigen. Wenn für die Auftraggeberin das ebenfalls berücksichtigte Kriterium "Dienstleistungspauschale" maßgeblich gewesen wäre, hätte sie dies den Bietern jederzeit während der verschiedenen Phasen des Verhandlungsverfahrens klar und eindeutig mitteilen können. ImÜbrigen sei aber aus der Bekanntmachung als auch aus den gesamten Vergabeunterlagen erkennbar, dass die Auftraggeberin bei der Auswahlentscheidung eine Vielzahl anderer Aspekte berücksichtigen wollte als allein den Preis.

22

Nach Durchführung der eingeschränkten Akteneinsicht beanstandet die Antragstellerin die Wertung der Angebote durch die Auftraggeberin und hält die Zuschlagsentscheidung für intransparent und nicht nachvollziehbar. Sie bemängelt zunächst die Verletzung des Neutralitätsgrundsatzes durch die Auftraggeberin und führt aus, dass bereits seit Mitte August 2008 ein reger E-Mail-Kontakt zwischen Vertretern der Auftraggeberin, der Beigeladenen und dem Rechtsanwalt der Beigeladenen bestand. Eine unmittelbare Veranlassung für den Austausch über verschiedene Unterlagen, die eng mit dem Ausschreibungsgegenstand zusammenhängen, gab es nach Ansicht der Antragstellerin nicht. Diese Feststellung gelte ihrer Ansicht nach auch für ihr Rügeschreiben, zu dem der Bevollmächtigte der Beigeladenen sogar einen konkreten Textvorschlag als Antwort formuliert habe.

23

Auch habe die Auftraggeberin in unzulässiger Weise Eignungs- und Zuschlagskriterien bei der Wertung der Angebote vermischt. Als Beleg für diese Behauptung führt sie die Referenzen auf, die sowohl bei der Eignung als auch bei der Wirtschaftlichkeit gewertet worden seien.

24

Ferner habe die Beigeladene ihr Angebot unzulässig nachbessern dürfen, nachdem die Auftraggeberin Ende August festgestellt habe, dass "Unstimmigkeiten im Angebot" der Beigeladenen vorliegen. Da die Beigeladene die Unstimmigkeiten erst mit fast 29 Stunden Verspätung ausgeräumt habe, liege ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz vor.

25

Auch seien der Auftraggeberin bei der Wertung der Angebote Fehler bei der Übertragung unterlaufen. So sei in der Zusammenfassung der Endbewertung der Dienstleistungspauschale bei ihr ...% zu ...% für die Beigeladene festgehalten worden. Sie habe jedoch in ihrem finalen Angebot eine Dienstleistungspauschale von lediglich ...% angeboten.

26

Außerdem habe die Auftraggeberin nicht alle Parameter der Dienstleistungsvergütung berücksichtigt, so dass durch diese Vorgehensweise sich ihre Kalkulation im Angebot völlig verschiebt. Insoweit seien die beiden Angebote nicht mehr miteinander vergleichbar.

27

Die Antragstellerin hat beantragt,

  1. 1.

    der Antragsgegnerin zu untersagen, den Zuschlag in dem Vergabeverfahren ... auf das Angebot der Firma ... zu erteilen,

  2. 2.

    das Angebot der Firma ... vom Wettbewerb auszuschließen,

  3. 3.

    die Antragsgegnerin zu verpflichten, den Zuschlag auf das Angebot der Antragstellerin zu erteilen,

    hilfsweise

    das Vergabeverfahren in das Stadium vor Angebotsabgabe zurückzuversetzen,

  4. 4.

    der Antragsgegnerin die Kosten des Verfahrens einschließlich der Rechtsverfolgungskosten der Antragstellerin aufzuerlegen,

  5. 5.

    die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin gemäß § 128 Abs. 4 GWB für notwendig zu erklären.

28

Die Auftraggeberin beantragt,

die Anträge der Antragstellerin zurückzuweisen.

29

Die Auftraggeberin tritt den Behauptungen und Rechtsauffassungen der Antragstellerin entgegen.

30

Der Nachprüfungsantrag sei unzulässig, da die Antragstellerin keinen der von ihr behaupteten Vergaberechtsverstöße unverzüglich gerügt habe.

31

Der Antragstellerin sei die angebliche Intransparenz der Zuschlagsentscheidung bereits aus der Vergabebekanntmachung und den Verdingungsunterlagen bekannt gewesen. Soweit sie jetzt die fehlende Benennung der Zuschlagskriterien sowie die unterbliebene Mitteilung rüge, ist dieser Vorwurf präkludiert. Die Präklusion gelte auch für die jetzt monierte, vermeintlich fehlende eindeutige und erschöpfende Leistungsbeschreibung. Soweit die Antragstellerin im Nachprüfungsantrag jetzt behauptet, dass sie, die Auftraggeberin, bei der Bewertung eine "Vielzahl anderer Aspekte" als allein den Preis berücksichtigt habe, sei auch dieser Antrag mangels unverzüglicher Rüge unzulässig. Die Antragstellerin habe erst sieben Tage nachdem sie über die beabsichtigte Vergabe informiert wurde, die Entscheidung gerügt. Diese Rüge sei damit nicht mehr unverzüglich erfolgt. Bei der Behauptung der Antragstellerin, dass das Angebot der Beigeladenen auszuschließen sei, handelt es sich aus Sicht der Auftraggeberin um eine unzulässige Verdachtsrüge, die in keiner Form untermauert sei. Auch habe die Antragstellerin den von ihr jetzt als vergaberechtswidrig beanstandeten Einsatz des Unternehmensberaters nicht rechtzeitig gerügt. Bereits seit Mai 2008 sei der Antragstellerin aus den Verdingungsunterlagen die Einschaltung des Unternehmensberaters bekannt gewesen. Gerügt habe sie dessen Mitwirken erst am 18.09.2008.

32

Der Nachprüfungsantrag sei aber auch unbegründet. Es läge kein Verstoß gegen das Transparenzgebot vor. Zur Begründung verweist sie u.a. auf das Rügeschreiben der Antragstellerin vom 17.09.2008. Der Antragstellerin sei aufgrund der Ausführungen in den Verdingungsunterlagen bekannt gewesen, wie die Wertung erfolgen würde. Dass auch die Dienstleistungspauschale im Rahmen der Betrachtung der Wirtschaftlichkeit eines Angebotes eine Rolle spielt, verstehe sich für einen fachkundigen Bieter von selbst. So habe sie die Dienstleistungspauschale ausdrücklich als einer von mehreren kostenrelevanten Faktoren abgefragt. Soweit die Antragstellerin als Beispiel für eine mangelhafte Leistungsbeschreibung die einzutragenden Betriebsnebenkosten anführt, weist die Auftraggeberin darauf hin, dass beide Bieter die Betriebsnebenkosten ordnungsgemäß eingetragen hätten. Zu jedem Zeitpunkt des Verhandlungsverfahrens sei eine Vergleichbarkeit der Angebote gegeben gewesen. Bei den von ihr letztendlich als Zuschlagskriterien gewerteten Positionen Wareneinsatz, Personalkosten und Dienstleistungsgebühr handele es sich um die zentralen Blöcke, bei denen sich der Unterschied in der Kalkulation gezeigt habe.

33

Es lägen ferner keine Gründe für den Ausschluss des Angebotes der Beigeladenen vor, da die von der Antragstellerin behaupteten Änderungen in den Verdingungsunterlagen der Beigeladenen unzutreffend sind. Der Vortrag hinsichtlich eines Verstoßes gegen den Neutralitäts-, Gleichheitsgrundsatz oder die Vorschriften über den Einsatz von Sachverständigen gem. § 6 Nr. 3 VOL/A sei in jeder Hinsicht unsubstantiiert. Die Auftraggeberin sei während der gesamten Ausschreibung Herrin des Verfahrens gewesen und habe sich alle wichtigen Entscheidungen vorbehalten.

34

Soweit die Antragstellerin aufgrund der eingeschränkten Akteneinsicht meint, dass die Referenzen als Zuschlagskriterium berücksichtigt wurden, weist die Auftraggeberin darauf hin, dass für die Zuschlagsentscheidung alleine die Kalkulation der Bieter maßgebend gewesen sei.

35

Aus Sicht der Auftraggeberin fand auch keine unzulässige Nachbesserung des Angebotes der Beigeladenen statt. Sie habe lediglich die Beigeladene gebeten, Fehler im Angebot zu korrigieren, aber nicht das Angebot inhaltlich zu ändern. Die Fehler habe die Beigeladene mit Mail vom 02.09.2008 um 10.05 Uhr berichtigt und um 10.50 Uhr desselben Tages die korrigierten Wirtschaftspläne vorgelegt. Eine unzulässigeÄnderung des Angebotes vermag die Auftraggeberin darin nicht zu erkennen.

36

Die Beigeladene stellt keinen Antrag. Sie unterstützt den Vortrag der Auftraggeberin.

37

Wegen des übrigen Sachverhaltes wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 31.10.2008 und die Vergabeakte Bezug genommen.

38

II.

Der Nachprüfungsantrag ist zulässig und begründet, soweit sich die Antragstellerin gegen die in der Vergabeakte dokumentierte Angebotswertung wendet. Die Auftraggeberin hat gegen den Transparenzgrundsatz gemäß § 97 Abs. 1 GWB verstoßen, indem sie bei der Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes gemäß § 25 Nr. 3 VOL/A nicht alle laut Leistungsbeschreibung ausdrücklich von den Bewerbern zu kalkulierenden Positionen berücksichtigt hat. Darüber hinaus hat sie entgegen § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. a VOL/A nicht beachtet, das sowohl im Angebot der Antragstellerin als auch im Angebot der Beigeladenen - in unterschiedlichem Umfang - in mehreren Positionen abgeforderte Preisangaben fehlten, die auch in den nachfolgenden Verhandlungsrunden nicht völlig vervollständigt wurden. Bezüglich der Angebotswertung ist die Antragstellerin in ihren Rechten im Sinne des § 97 Abs. 7 GWB verletzt.

39

Dagegen ist der darüber hinausgehende Nachprüfungsantrag mangels rechtzeitiger Rüge gemäß § 107 Abs. 3 GWB unzulässig, soweit sich die Antragstellerin gegen die Mitwirkung des von der Auftraggeberin mit der Betreuung des Vergabeverfahrens beauftragten Beraters und gegen die fehlende Bekanntgabe von detaillierten Zuschlagkriterien und ihrer Gewichtung wendet.

40

1.

Der Nachprüfungsantrag ist teilweise zulässig. Bei der Auftraggeberin handelt es sich um die in der Trägerschaft der Stadt ... stehende Klinikum ... GmbH und damit um einen öffentlichen Auftraggeber im Sinne des § 98 Nr. 2 GWB.

41

Der streitbefangene Auftrag übersteigt auch den für die Zuständigkeit der Vergabekammer maßgeblichen Schwellenwert gemäß § 100 Abs. 1 GWB. Danach gilt der 4. Teil des GWB nur für solche Aufträge, die die Schwellenwerte erreichen oderüberschreiten, die durch Rechtsverordnung nach § 127 GWB festgelegt sind. Bei den ausgeschriebenen Leistungen handelt es sich um einen Dienstleistungsauftrag gemäß §§ 1, 1 a Nr. 1 VOL/A, da die mit dem vorliegenden Vergabeverfahren angestrebte Beteiligung eines privaten Partners an einer bestehenden Gesellschaft der Auftraggeberin (bis zu 49% der Gesellschaftsanteile) ausdrücklich mit der Beauftragung dieser Gesellschaft mit Reinigungs- und Cateringleistungen verknüpft wird. Der von der Auftraggeberin gemäß Ziff. II.2.1 der Bekanntmachung vom ... geschätzte Auftragswert für die gesamte ausgeschriebene 7-jährige Vertragslaufzeit beträgt auf Basis des für 7 Jahre zugrunde gelegten Gesamtumsatzes ... EUR netto. Der Wert des Auftrags übersteigt damit deutlich den für Dienstleistungsaufträge maßgeblichen Schwellenwert gemäß § 2 Nr. 1 VgV.

42

Die Antragstellerin ist hinsichtlich der von ihr geltend gemachten Vergaberechtsverstöße antragsbefugt gemäß § 107 Abs. 2 GWB. Antragsbefugt ist danach jedes Unternehmen, das ein Interesse am Auftrag hat und eine Verletzung in seinen Rechten nach § 97 Abs. 7 GWB durch Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend macht. Die Antragstellerin hat als Bieterin ein Interesse am Auftrag. Voraussetzung für die Antragsbefugnis gemäß § 107 Abs. 2 GWB ist, dass das antragstellende Unternehmen einen durch die behauptete Rechtsverletzung entstandenen oder drohenden Schaden darlegt. Das bedeutet, dass die Antragstellerin diejenigen Umstände aufzeigen muss, aus denen sich schlüssig die Möglichkeit eines solchen Schadens ergibt (vgl. Boesen, Vergaberecht,§ 107, Rdnr. 52). Diesbezügliche Anforderungen an die Darlegungslast dürfen aber nicht überspannt werden (vgl. Byok/Jaeger, Vergaberecht, 2. Auflage, § 107 GWB, Rdnr. 954). Die Antragstellerin hat ein entsprechendes Rechtschutzbedürfnis dargelegt. Sie macht eine Verletzung von Rechten durch Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend, indem sie vorträgt, dass die Auftraggeberin bei der Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes gemäß § 25 Nr. VOL/A nicht alle von den Bewerbern bei der Kalkulation zu berücksichtigenden finanziellen Aspekte der Organgesellschaft berücksichtigt habe. Dazu sei die Auftraggeberin aber verpflichtet gewesen, da sie mangels Festlegung und Bekanntmachung von Zuschlagskriterien gemäß § 25 a VOL/A alleine den Preis als Wirtschaftlichkeitskriterium berücksichtigen dürfe. Sie dürfe daher im Rahmen ihrer Wertung nicht allein maßgeblich auf das Kriterium der Dienstleistungspauschale abstellen.

43

Die Antragstellerin ist allerdings nicht hinsichtlich aller von ihr geltend gemachten, vermeintlichen Vergabeverstöße ihrer Pflicht gemäß § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB nachgekommen, vor Anrufung der Vergabekammer die behaupteten Verstöße gegen Vergabevorschriften bereits im Vergabeverfahren selbst gegenüber der Auftraggeberin unverzüglich zu rügen. Bei Vorschrift des § 107 Abs. 3 Satz 1 handelt es sich um eine Präklusionsregel unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben. Der Bieter soll Vergabefehler nicht auf Vorrat sammeln. Die Rügepflicht des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB entsteht, sobald ein Bieter oder Bewerber im Vergabeverfahren einen vermeintlichen Fehler erkennt. Vorausgesetzt ist die positive Kenntnis des Anbieters von den Tatsachen. Ausreichend für die positive Kenntnis eines Mangels im Sinne von § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB ist bereits das Wissen um einen Sachverhalt, der den Schluss auf die Verletzung vergaberechtlicher Bestimmungen erlaubt und es bei vernünftiger Betrachtung gerechtfertigt erscheinen lässt, das Vergabeverfahren als fehlerhaft zu beanstanden (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 22.08.2002, Az.: Verg 9/02). Die Frage, ob eine Rüge noch unverzüglich nach positiver Kenntniserlangung erfolgt, hängt vom Einzelfall ab. Nach der Rechtsprechung muss die Rüge angesichts der kurzen Fristen, die im Vergaberecht allgemein gelten, grundsätzlich 1 bis 3 Tagen nach positiver Kenntnisnahme erfolgen (vgl. OLG Koblenz, Beschluss vom 18.09.2003, Az. 1 Verg 4/03; Bechthold, GWB, § 107 Rdnr. 2). Auch bei einer ggf. notwendigen Hinzuziehung eines Rechtsanwalts erfüllt ein Rügezeitraum von mehr als einer Woche das Zeitkriterium des § 107 Abs. 3 GWB regelmäßig nicht (vgl. OLG Dresden, Beschluss vom 11.09.2006, Az.: WVerg 13/06). Eine Rügefrist von zwei Wochen, die in der Rechtsprechung als Obergrenze anerkannt wird (vgl. OLG Düsseldorf, NZBau 2000, S. 45 ff. [OLG Düsseldorf 13.04.1999 - Verg 1/99]), kann einem Bieterunternehmen allenfalls dann zugestanden werden, wenn eine verständlich Abfassung der Rüge durch eine schwierige Sach- und oder Rechtslage erschwert wird und die Inanspruchnahme fachkundiger Hilfe erfordert.

44

Unter Zugrundelegung dieses zutreffenden Maßstabes erfolgte die mit Anwaltsschriftsatz vom 17.09.2008 abgesetzte Rüge der Antragstellerin zu spät, soweit sie einen Verstoß gegen den vergaberechtlichen Neutralitätsgrundsatz und Gleichbehandlungsgrundsatz und die Vorschriften über den Einsatz von Sachverständigen gemäß § 6 Nr. 3 VOL/A geltend macht, indem sie sich gegen den Einsatz des Unternehmensberaters auf Seiten der Auftraggeberin, Herrn ..., wendet. Dieser sei zulasten der Antragstellerin befangen weil er zuvor Mitarbeiter der Antragstellerin war und das Klinikum ... für die Antragstellerin in der Vergangenheit betreut hat. Die Antragstellerin und Herr ... haben sich im Jahre 2007 im Streit mit einem anschließenden arbeitsgerichtlichen Verfahren getrennt. Die Mitwirkung des Unternehmensberaters im Vergabeverfahren war der Antragstellerin jedoch spätestens seit Mai 2008 aufgrund der Leistungsbeschreibung vom 13.05.2008 bekannt. Dort wurde der Unternehmensberater unter Angabe der E-Mail-Adresse ausdrücklich auf Seite 8 als Ansprechpartner für inhaltliche und organisatorische Rückfragen benannt. Spätestens bei der Prüfung des Leistungsverzeichnisses und Erstellung des Angebotes zum Eröffnungstermin am ... hatte die Antragstellerin daher positive Kenntnis von der Mitwirkung ihres ehemaligen Mitarbeiters und hätte dies ohne weiteres zeitnah rügen können.

45

Präkludiert ist der Vortrag der Antragstellerin gemäß § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB auch, soweit sie erstmalig in der Rüge vom 17.09.2008 beanstandet hat, dass die zu erbringende Leistung nicht eindeutig und erschöpfend beschrieben worden sei. Auch von diesen von ihr geltend gemachten, vermeintlichen Mängeln hatte sie spätestens im Zuge der Kalkulation ihres eigenen Angebotes auf der Grundlage der Vergabeunterlagen vom ... positive Kenntnis. Das gilt darüber hinaus auch bezüglich der von der Antragstellerin gerügten Tatsache, dass die Auftraggeberin weder in der Bekanntmachung noch in den Vergabeunterlagen Zuschlagskriterien im Sinne des § 25 Nr. 1 Abs. 1 VOL/A bzw. deren Gewichtung angegeben hat, obwohl sie dazu gemäß §§ 9 a Nr. 1 Abs. 1 lit. c, § 25 a VOL/A verpflichtet war.

46

Noch unverzüglich und damit rechtzeitig nach positiver Kenntniserlangung erfolgte die Rüge dagegen, soweit sich die Antragstellerin dagegen wendet, dass die Auftraggeberin ausweislich ihres Absageschreibens vom 10.09.2008 die Auswahl des wirtschaftlichsten Angebotes allein auf die Kriterien "Preis" und "Dienstleistungspauschale" gestützt habe. Beim Kriterium Dienstleistungsvergütung habe sie einen Teilaspekt des Auftragsgegenstands herausgehoben, obwohl sie mangels Bekanntgabe von Zuschlagskriterien verpflichtet gewesen sei, lediglich das Zuschlagskriterium "Preis" zu berücksichtigen. Daher habe sie für die Auswahlentscheidung sämtliche monetären Aspekte (Gesamtkosten, Erlöse und Gewinne) der zukünftigen ...GmbH zugrunde zu legen. Das Informationsschreiben gemäß § 13 VgV vom 10.09.2008 ist ausweislich des Rückscheins am 11.09.2008 bei der Antragstellerin eingegangen. Angesichts der Tatsache, dass die Antragstellerin in nicht zu beanstandender Weise einen Rechtsanwalt mit der Prüfung der Rechtslage und der Absetzung des Rügeschreibens beauftragt hat, erfolgte die am 18.09.2008 bei der Auftraggeberin eingegangene Rüge vom 17.09.2008 noch unverzüglich im Sinne des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB.

47

2.

Soweit der Nachprüfungsantrag zulässig ist, ist er auch begründet. Die Antragstellerin ist in ihren Rechten gemäß §§ 97 Abs. 7, 114 Abs. 1 GWB verletzt. Die Auftraggeberin hat gegen den vergaberechtlichen Transparenzgrundsatz gemäß § 97 Abs. 1 GWB und den Wirtschaftlichkeitsgrundsatz gemäß § 97 Abs. 5 GWB verstoßen, indem sie bei der Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes gemäß § 25 Nr. 3 VOL/A nicht alle finanziellen Aspekte der angestrebten Organgesellschaft berücksichtigt hat, obwohl sie in ihren Ausschreibungsunterlagen vom ... von den Bewerbern in mehreren Anlagen, insbesondere in der Anlage 5.4 "Planungsrechnung ... GmbH für 5 Jahre", detaillierte Kalkulationen und Preisangaben hinsichtlich sämtlicher Kosten und Erlöspositionen des Servicebetriebes verlangt hatte. Da die Auftraggeberin es entgegen § 9 a Nr. 1 lit. c VOL/A und § 25 a VOL/A versäumt hat, Zuschlagskriterien und ihre Gewichtung zu definieren und bekanntzugeben, war sie verpflichtet, die Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes allein unter Zugrundelegung des Kriteriums des niedrigsten Angebotspreises vorzunehmen, wobei sie wiederum alle von den Bietern abgefragten Kosten- und Erlösfaktoren berücksichtigen musste (im Folgenden a). Im Übrigen hat die Auftraggeberin entgegen § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. a VOL/A ausweislich der Vergabeakte außer Acht gelassen, dass weder das Angebot der Antragstellerin noch das Angebot der Beigeladenen alle abgefragten Preise enthielt. Dies gilt sowohl hinsichtlich des ersten Angebots zur Angebotseröffnung vom ... als auch hinsichtlich der von den Bewerbern im Zuge des Verhandlungsverfahrens mit Datum vom 15.08.2008 vorgelegten, überarbeiteten Angebote. Selbst ein wiederum überarbeitetes Angebot der Beigeladenen vom 22.08/02.09 2008 wies immer noch offene Positionen aus (im Folgenden b).

48

a)

Gemäß § 97 Abs. 5 GWB und § 25 Nr. 3 Satz 1 VOL/A war der Zuschlag auf das unter Berücksichtigung aller Umständewirtschaftlichste Angebot zu erteilen. Gemäß § 25 Nr. 3 Satz 2 VOL/A ist der niedrigste Angebotspreis - grundsätzlich - nicht allein entscheidend. Die Vergaberichtlinien der EU legen übereinstimmend fest, dass für die Auftragsvergabe grundsätzlich zwei Kriterien maßgebend sein dürfen. Der öffentliche Auftraggeber darf entweder den Anbieter auswählen, der den niedrigsten Preis anbietet, oder denjenigen Anbieter, der das wirtschaftlich günstigste Angebot abgegeben hat (vgl. Art. 53 und 54 der Vergabekoordinierungsrichtlinie RL 2004/18/EG (VKR) wie zuvor bereits Art. 36 der Dienstleistungskoordinierungsrichtlinie RL 92/50 EWG, ABl. EG Nr. L209/1; Art. 34 der Baukoordinierungsrichtlinie RL 93/37/EWG, ABl. EG Nr. L199/54; Art. 26 der Lieferkoordinierungsrichtlinie RL 93/36/EWG, ABl. EG Nr. L199/1).

49

Der deutsche Gesetzgeber hat sich in § 97 Abs. 5 GWB jedoch zulässigerweise ausdrücklich dafür entschieden, dem Kriterium "wirtschaftlichstes Angebot" den Vorzug vor dem ebenfalls zulässigen Kriterium "niedrigster Preis" zu geben. Das deutsche Recht schließt damit nicht aus, dass die preisliche Beurteilung des Angebotes im Rahmen der Prüfung des wirtschaftlich günstigsten Angebotes eine maßgebliche Rolle spielt. Der Preis ist nach dem deutschen Vergaberecht vielmehr regelmäßig das wichtigste, aber eben nicht das allein entscheidende Kriterium (vgl. Boesen, Vergaberecht, § 97, Rdnr. 144). Der Auftraggeber ist bei der Angebotswertung an die von ihm festzulegenden und bekannt zu machenden Zuschlagskriterien und ihrer ebenfalls festzulegenden und bekannt zu machenden Gewichtung gemäß § 9 a Nr. 1 lit. c VOL/A und § 25 a Nr. 1 VOL/A gebunden.

50

Die Auftraggeberin hat vorliegend jedoch weder Zuschlagskriterien noch ihre Gewichtung festgelegt geschweige denn eine solche bekannt gemacht. Lediglich unter IV.2.1 ihrer Bekanntmachung vom ... wurde unter Verwendung der im Vordruck enthaltenen Standardformulierung darauf hingewiesen, dass "der Zuschlag auf das wirtschaftlich günstigste Angebot in Bezug auf die Kriterien, die in den Verdingungs-/Ausschreibungsunterlagen, der Aufforderung zur Angebotsabgabe oder zur Verhandlung bzw. in der Beschreibung des wettbewerblichen Dialogs aufgeführt sind". Eine ausdrückliche Festlegung zur Bekanntmachung der Zuschlagskriterien erfolgte jedoch auch in den im Zuge des Verhandlungsverfahrens den Bewerbern vorgelegten Vergabeunterlagen vom 13.05.2008 nicht. Da die Auftraggeberin das Zuschlagskriterium "Wirtschaftlichkeit" nicht näher definiert hat, durfte sie bei der Wirtschaftlichkeitsbetrachtung nur den niedrigsten Preis zugrunde legen. In Rechtsprechung und Schrifttum hat sich die Auffassung durchgesetzt, dass in den Fällen, in denen der öffentliche Auftraggeber die Zuschlagskriterien entweder nicht bekannt gemacht hat oder zwar das Kriterium Wirtschaftlichkeit genannt, aber nicht näher definiert hat, nur der niedrigste Preis als Wirtschaftlichkeitskriterium angewendet werden darf (vgl. OLG Schleswig, VergabeR 2001, S. 214 ff.; Kulartz in: Niebuhr/Kulartz/Kus/Portz, Vergaberecht, § 97 GWB, Rdnr. 209; noch in: Müller-Wrede, 2. Auflage, § 25, Rdnr. 290; Kulartz in: Daub/Eberstein, VOL/A, 5. Auflage, § 25, Rdnr. 43 m.w.N.; Heiermann/Riedl/Rusam, VOB, 10. Auflage, § 25 a VOB/A, Rdnr. 3).

51

Die Auftraggeberin war somit vorliegend gehalten, das wirtschaftlichste Angebot in Form des kostengünstigsten Angebotes unter Berücksichtigung aller von den Bieter ausdrücklich abgefragten Umsatzpositionen zu ermitteln. Die Auftraggeberin hatte ihren Vergabeunterlagen vom 13.05.2008 mehrere detaillierte Tabellen beigefügt, in denen die Bewerber für die in der Trägerschaft der Auftraggeberin stehenden Standorte detailliert die dort aufgelisteten Kostenpositionen zu kalkulieren und zu bepreisen hatten. Es handelt sich dabei um die Anlage 5.1 "Zusammenfassung Personalkosten ... GmbH", die Anlage 5.2 "Personalkosten Leitungsbereich ... GmbH", die Anlage 5.3 "Zusammenfassung Betriebsnebenkosten ... GmbH", Anlage 5.3.1 "Betriebsnebenkosten Leitungsbereich ... GmbH" und schließlich um die Anlage 5.4 "Planungsrechnung ... GmbH für 5 Jahre". Dort waren für die Wirtschaftsjahre 2009 bis 2013 detailliert Erlöse, Wareneinsatz, Personalkosten, Betriebskosten, Kapitalkosten, Beratungskosten, Reparatur- und Instandhaltungskosten, Raumkosten, Werbe-/Reisekosten, Beiträge, Abgaben und Gebühren, die Dienstleistungsvergütung, Gründungskosten, Gemeinkosten und schließlich für jedes Haushaltsjahr Gesamtkosten von den Bewerbern einzutragen.

52

Die Auftraggeberin hat ausweislich der Dokumentation in der Vergabeakte die Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes zwar auf der Grundlage dieser von den Bewerbern ausgefüllten und vorgelegten Anlagen durchgeführt. Sie hat dabei aber nicht alle abgefragten Umsatzpositionen berücksichtigt. So schließt der mit "Zusammenfassung der Endbewertung gemäß der geforderten Anlagen der Bieter"überschriebene Vergabevermerk vom 09.09.2008 mit dem Vorschlag:

"Der Auftrag wird nach Auswertung aller Unterlagen an die ... (Beigeladene) zum 01.01.2009 vergeben. Bereits im Jahr 2009 ist die Firma ... in der Zielgröße Wareneinsatz, Personalkosten und Dienstleistungsvergütung um ... EUR günstiger. Im Planungszeitraum 2009 bis 2013 ist die Firma ... in der definierten Zielgröße rund ... Mio. EUR günstiger."

53

Die Auftraggeberin stellt im Vermerk vom 09.09.2008 zuvor aber fest, dass die Angebote hinsichtlich mehrerer Positionen nicht vergleichbar und einige Positionen ihrer Auffassung nach nicht berücksichtigungsfähig sind. So heißt es zur Ausschreibung Teil I (Servicegesellschaft), Seite 1 unter Ziffer 5.2:

"Personalkosten Leitungsbereich ... GmbH

Angebote sind nicht vergleichbar, da bei ... (Beigeladene) der Geschäftsführer der ... und bei ... (Antragstellerin) der externe Betriebsleiter eingeplant worden sind."

54

Unter Ziffer 5.4a "Planungsrechnung ... GmbH für 5 Jahre" heißt es:

"Folgende Positionen wurden zur Beurteilung der Wirtschaftlichkeit ausgeschlossen, da sie entweder nahezu identische Größen aufweisen oder von Dritten stark beeinflusst werden. Dies betrifft nach unserer Analyse alle Positionen bis auf die Positionen: Wareneinsatz, Personalkosten und Dienstleistungsgebühr. Position "Erlöse" ist nur eine Verrechnung der Gesamtkosten und budgetierten Ergebnisses und fließt ebenfalls nicht mit in die Beurteilung ein. Bereits im Jahre 2009 ist die Firma ... in der Zielgröße Wareneinsatz, Personalkosten und Dienstleistungsvergütung um ... EUR günstiger, im Planungszeitraum 2009 bis 2013 ist die Firma ... in der definierten Zielgröße um rd. ... EUR günstiger."

55

Auch hinsichtlich des Teils II der Ausschreibung (Catering) hat die Auftraggeberin nicht alle Positionen berücksichtigt. Dort heißt es auf Seite 2 des Vermerks vom 09.09.2008 unter Ziffer 3.2 "Personalproduktivstunden":

"Vergleich ist bis auf 0,9 VZ-Kräfte identisch! Vergleich ist nicht aussagekräftig, da VZ-Kräfte bei ... (Antragstellerin) über die DLV (Dienstleistungsvergütung) abgegolten werden."

56

Schließlich hat die Auftraggeberin auch hinsichtlich des Teils III der Ausschreibung (Unterhaltsreinigung) nicht alle Positionen berücksichtigt. Dort heißt es auf Seite 4 des Vermerks vom 09.09.2008 unter Ziffer 3.10 "Erläuterung zur Berechnung der Stundenverrechnungssätze":

"Differenz eigentlich nicht erklärbar, da beide sich auf den gleichen Tarifvertrag beziehen. Für die weitere Betrachtung nicht relevant, da die Servicegesellschaft die Tarifbestimmungen einhalten muss."

57

Die Auftraggeberin hat daher ausweislich ihrer Zusammenfassung der Endbewertung vom 09.09.2008 die Wirtschaftlichkeitsprüfung letztlich lediglich an den Zielgrößen Wareneinsatz, Personalkosten und Dienstleistungsvergütung ausgerichtet und mehrere von den Antragsteller ausdrücklich abgefragte Positionen nicht berücksichtigt, da sie die diesbezüglichen Kalkulationen der Bewerber entweder nicht für vergleichbar hielt oder für nicht aussagekräftig, weil sie von Dritten stark beeinflusst werden. Da die Bewerber aber gehalten waren, ihre Kalkulationen unter Berücksichtigung sämtlicher abgefragten Umsatzpositionen zu erstellen und insbesondere auch die Dienstleistungsvergütung unter Berücksichtigung des Gesamtumsatzes zu kalkulieren, hat die Auftraggeberin nicht in einer dem Transparenzgrundsatz des § 97 Abs. 1 GWB und den Vorgaben des § 25 Nr. 3 VOL/A genügenden Weise das wirtschaftlichste Angebot ermittelt. Die Auftraggeberin hat in der mündlichen Verhandlung vom 31.10.2008 ihre Vorgehensweise dahin gehend erläutert, dass sie davon abgesehen hat, derartige Positionen sowie mehrere Positionen, die von den Bewerbern nicht bepreist wurden, nachfordern bzw. zu berücksichtigen, weil sie erst im Zuge der Wertung festgestellt habe, dass mehrere detaillierte Positionen so gestaltet gewesen seien, dass die Bewerber keinen Einfluss darauf hätten. Das sei bei mehr oder weniger vergleichbaren Ansätzen oder fixen Kosten, die vorgegeben seien, der Fall gewesen. Insbesondere gelte dies auch für die Finanzierungskosten. Beide Bewerber seien z.B. gehalten gewesen, entsprechende Angebote einzuholen und zu einem jeweiligen Stichtag müssten diese Konditionen, die die Banken gewähren, nach Auffassung der Auftraggeberin eigentlich vergleichbar gewesen sein. Daher habe man diese Positionen nicht nachgefordert respektive teilweise auch bei der Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes nicht berücksichtigt.

58

Damit genügt die in der Vergabeakte dokumentierte Angebotswertung nicht den Anforderungen des § 25 Nr. 3 VOL/A.

59

b)

Der Wertung der Angebote auf der Grundlage der vorliegenden Vergabeunterlagen steht aber darüber hinaus auch die Tatsache entgegen, dass sowohl das Angebot der Antragstellerin als auch das Angebot der Beigeladenen - wenn auch in unterschiedlichem Umfang - unvollständig eingereicht wurden, da beide Bieter Preispositionen offen gelassen hatten.

60

Gemäß § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. a VOL/A i.V.m. § 21 Nr. 1 Abs. 1 Satz 1 VOL/A werden u.a. Angebote, für deren Wertung wesentliche Preisangaben fehlen, von der Wertung ausgeschlossen. Der Bundesgerichtshof hat in mehreren Entscheidungen den zwingenden Charakter dieser Regelung betont und die damit verbundene Beschränkung des Beurteilungs- und Entscheidungsspielraumes des Auftraggebers herausgestellt. Mit Urteil vom 07.01.2003 (Az.: X ZR50/01 = VergabeR 5/2003, S. 558 ff.[BGH 07.01.2003 - X ZR 50/01]) hat er betont, dass ein Angebot, dass nicht alle geforderten Preisangaben enthält und deshalb nicht § 21 Nr. 1 Abs. 1 VOB/A bzw. § 21 Nr. 1 Abs. 1 Satz 1 VOL/A entspricht, zwingend auszuschließen ist. Ein Ausschluss komme nicht etwa nur dann in Betracht, wenn das betreffende Angebot im Ergebnis nicht mit den anderen Angeboten verglichen werden kann. Ein transparentes, auf Gleichbehandlung aller Bieter beruhendes Vergabeverfahren, wie es das Vergaberecht gewährleisten soll, sei nur zu erreichen, wenn in jeder sich aus den Verdingungsunterlagen ergebenden Hinsicht vergleichbare Angebote abgegeben werden.

61

Einem Ausschluss unvollständiger Angebote kann daher nur ausnahmsweise der Grundsatz von Treu und Glauben entgegen stehen. Das Oberlandesgericht Celle hat in einem aktuellen Beschluss vom 02.10.2008 (Az.: 13 Verg 4/08) entschieden, dass der Grundsatz, dass beim Fehlen von Preisen und geforderten Erklärungen ein Angebot zwingend auszuschließen ist, ausnahmsweise dann nicht gilt, wenn die Unvollständigkeit eine unbedeutende und sich auf den Wettbewerb nicht auswirkende Position betrifft und wenn der Auftraggeber selbst bei der Wertung der verschiedenen Angebote zu erkennen gibt, dass es ihm auf die geforderte Angabe in keiner Weise ankommt, dadurch widerlege der Auftraggeber grundsätzlich die Annahme, dass den von ihm in den Ausschreibungsunterlagen geforderten Preisangaben und Erklärungen Relevanz für die Vergabeentscheidung zukommt. Auch unter Berücksichtigung dieser Rechtsprechung kann der öffentliche Auftraggeber jedoch angesichts der eindeutigen Regelung des § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. a VOL/A und der restriktiven Rechtsprechung des BGH nicht beliebig im Rahmen der Wertung auf Preise verzichten, die er zuvor ausdrücklich von den Bietern in den Verdingungsunterlagen abgefragt hat und die diese deshalb im Rahmen ihrer Kalkulation berücksichtigen mussten. Andernfalls ist eine Vergleichbarkeit der Angebot nicht gewährleistet, wie die Auftraggeberin ausweislich der Vergabeakte zum Teil selbst festgestellt hat. Angesprochen auf die sich aus der synoptischen Darstellung der Angebote der in der Vergabeakte enthaltenen, ausgefüllten Anlage 5.4a "Planungsrechung ... GmbH für 5 Jahre" ergebende teilweise Unvollständigkeit der Angebote der Antragstellerin und auch der Beigeladenen, hat die Auftraggeberin erklärt, sie habe im Rahmen der Wertung hinsichtlich etwa 7 bis 10% der Kostenpositionen auf Vollständigkeit verzichtet. Sie habe beschlossen, diese nicht mehr aufzuklären, weil sie der Auffassung gewesen sei, dass letztlich jedenfalls zu allen aus ihrer Sicht wesentlichen Punkten, insbesondere hinsichtlich der Kostenpositionen, die durch die Bieter beeinflussbar gewesen seien, vollständige Angebote vorgelegen hätten.

62

Die Unvollständigkeit der Angebote beschränkte sich vorliegend aber nicht auf völlig unerhebliche, zu vernachlässigende Kostenpositionen. So hatte etwa die Beigeladene in ihrem ersten Angebot vom 26.06.2008 zwar die geforderte Anlage 5.2 "Personalkosten Leitungsbereich ... GmbH" unterschrieben und beigefügt. Sie hat dort jedoch keinerlei Kosten und Preise eingetragen. Gleiches gilt für die Anlage 5.3.1 a "Betriebsnebenkosten Leitungsbereich ... GmbH". Auch die Antragstellerin machte zu diesen wesentlichen Kostenbereichen in ihrem ersten, ebenfalls auf den 26.06.2008 datierenden Angebot keinerlei Angaben und fügte diese Anlage unterschrieben aber unausgefüllt bei. Erst in ihrem überarbeiteten Angebot vom 15.08.2008 hat die Antragstellerin dann die von ihr kalkulierten Personalkosten für den Leitungsbereich Monat gesamt und pro Jahr gesamt eingetragen, ohne allerdings, wie in der Anlage 5.2 gefordert, Angaben zu Lohnnebenkosten, Sozialversicherungskosten sowie Rückstellungen und Schulungskosten zu machen. Hinsichtlich der abgefragten Kapitalkosten fehlten Angaben zu Zinsen und ....

63

Selbst ein wiederum überarbeitetes Angebot der Beigeladenen vom 22.08./02.09.2008 wies noch offene Positionen aus. So fehlten u.a. Angaben zu Reparatur- und Wartungskosten und ebenfalls zu den ....

64

Auch wenn bei einem Verhandlungsverfahren gemäß § 3 a Nr. 1 Abs. 5 VOL/A das strikte Preisverhandlungsgebot des § 24 Nr. 2 VOL/A im Gegensatz zum offenen Verfahren und zum nichtoffenen Verfahren nicht gilt, ist der Auftraggeber jedoch aufgrund des Transparenzgebotes gemäß § 97 Abs. 1 GWB und aufgrund des Gleichbehandlungsgebotes gemäß § 97 Abs. 2 GWB gehalten, von den Bietern in den einzelnen Verhandlungsrunden vollständige Angebote einzufordern, die die Bewerber dann zu dem vom Auftraggeber festgesetzten Termin vorlegen müssen.

65

Gemäß § 114 Abs. 1 GWB trifft die Vergabekammer die geeigneten Maßnahmen, um eine Rechtsverletzung zu beseitigen und eine Schädigung der betroffenen Interessen zu verhindern. Sie ist dabei gemäß § 114 Abs. 1 Satz 2 GWB an die Anträge nicht gebunden und kann auch unabhängig davon auf die Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens einwirken. Wegen der oben erörterten Mängel bei der Angebotswertung und unter Berücksichtigung der Erläuterungen der Auftraggeberin in der mündlichen Verhandlung vom 31.10.2008 ist es erforderlich, aber auch ausreichend, die Auftraggeberin zu verpflichten, erneut in die Angebotswertung einzutreten, um die im nicht zu beanstandenden Teilnahmewettbewerb ausgewählten Bewerber mit überarbeiteten Vergabeunterlagen erneut zur Angebotsabgabe aufzufordern und das Vergabeverfahren unter Beachtung der aus den Gründen ersichtlichen Rechtsauffassung der Vergabekammer durchzuführen.

66

Da die Auftraggeberin erklärt hat, dass sie erst im Zuge des Vergabeverfahrens festgestellt hat, dass mehrere von ihr abgefragte, detaillierte Positionen so gestaltet gewesen sind, dass die Bewerber keinen Einfluss auf die dortigen Kostenansätze hatten, wird die Auftraggeberin durch die Zurückversetzung des Vergabeverfahrens in die Lage versetzt, ihre Unterlagen entsprechend zu überarbeiten. Dabei muss die Auftraggeberin bei der Vorgabe der Kalkulationsgrundlagen die aus ihrer Sicht fixen und/oder von den Bewerbern nicht beeinflussbaren Kostenfaktoren und -positionen entsprechend kennzeichnen und deutlich machen, welche Preisangaben sie für die Angebotswertung benötigt und verbindlich verlangt. Dadurch wird gewährleistet, dass die Auftraggeberin vergleichbare Angebote erhält, aus denen sie das wirtschaftlichste Angebot ermitteln kann. Eine Aufhebung des Vergabeverfahrens war vorliegend dagegen gemäß § 114 Abs. 1 GWB nicht erforderlich.

67

III. Kosten

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Die Kostenentscheidung folgt aus § 128 GWB. Nach Art. 7 Nr. 5 des 9. Euro-Einführungs-

69

gesetzes (BGBl. 58/2001 vom 14.11.2001, S. 2992 ff.) vom 10.11.2001 werden die

70

DM-Angaben in § 128 GWB für die von der Vergabekammer festzusetzende Gebühr durch Angaben in Euro im Verhältnis 1 : 2 ersetzt, so dass die regelmäßige Mindestgebühr nunmehr 2.500 Euro, die Höchstgebühr 25.000 Euro bzw. in Ausnahmefällen 50.000 Euro beträgt.

71

Es wird eine Gebühr in Höhe von ... EUR gemäß § 128 Abs. 2 GWB festgesetzt.

72

Der zugrunde zu legende Auftragswert beträgt nach dem Ergebnis der streitbefangenen Ausschreibung ... EUR brutto. Dieser Betrag folgt aus den Gesamtkostenkosten der angestrebten ... GmbH mit den Bereichen Servicegesellschaft, Catering und Reinigung nach dem Angebot der Antragstellerin in der überarbeiteten Fassung vom 15.08.2008 über die gesamte ausgeschriebene siebenjährige Vertragslaufzeit. Da Gegenstand des PPP-Vergabeverfahrens eine Beteiligung an der ... bis zu 49% ist, würde die Antragstellerin im Zuschlagsfall die Kosten in dieser anteiligen Höhe selbst tragen müssen. Deshalb ist der Auftragswert um den entsprechenden Anteil zu reduzieren (... EUR (brutto) x 7 Jahre x 0,51). Dieser Wert entspricht ihrem Interesse am Auftrag.

73

Die Gebührenermittlung erfolgt anhand einer Gebührentabelle des Bundeskartellamtes vom 09.02.1999 in der zurzeit gültigen Fassung vom 01.01.2003. Hiernach wird der Mindestgebühr von 2.500 EUR ( § 128 (2) GWB) eine Ausschreibungssumme von bis zu 80.000 EUR zugeordnet und dem regelmäßigen Höchstwert von 25.000 EUR ( § 128 (2) GWB) eine Ausschreibungssumme von 70 Mio. EUR (höchste Summe der Nachprüfungsfälle 1996-1998) gegenübergestellt. Bei einer Ausschreibungssumme von ... EUR ergibt sich eine Gebühr in Höhe von ... EUR.

74

Diese Gebühr schließt einen durchschnittlichen sachlichen und personellen Aufwand ein. Gutachterkosten oder Kosten durch Zeugenvernehmung in der mündlichen Verhandlung sind nicht angefallen.

75

Die in Ziffer 2 des Tenors verfügtegrundsätzliche Kostentragungspflicht der Auftraggeberin folgt aus § 128 Abs. 3 Satz 1 GWB. Danach hat ein Beteiligter, soweit er im Verfahren unterliegt, die Kosten zu tragen. Hier war zu berücksichtigen, dass der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin in einem entscheidenden Punkt begründet ist und zur Verpflichtung der Auftraggeberin zum Wiedereintritt in das Vergabeverfahren geführt hat. Von einer Kostenquote zulasten der Beigeladenen hat die Vergabekammer abgesehen, weil die Beigeladene keinen eigenen Antrag gestellt hat.

76

Die Auftraggeberin ist jedoch von der Entrichtung der Kosten gemäß § 128 Abs. 1 GWB i.V.m. § 8 Abs. 1 Nr. 3 Nds. VwKostG von der Kostentragungspflicht befreit (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 13.07.2005, Az.: 13 Verg 9/05; OLG Dresden, Beschluss vom 25.01.2005, Az.: WVerg 0014/04).

77

Gemäß § 128 Abs. 4 GWB i.V.m. § 80 Abs. 2 VwVfG in entsprechender Anwendung war auf Antrag der Antragstellerin gem. Ziffer 4 des Tenors auszusprechen, dass die Zuziehung eines Rechtsanwalts durch die Antragstellerin im Nachprüfungsverfahren notwendig war. Das folgt daraus, dass die Antragstellerin ungeachtet der Tatsache, dass das GWB für das Nachprüfungsverfahren 1. Instanz vor der Vergabekammer keine rechtsanwaltliche Vertretung vorschreibt, gleichwohl wegen der Komplexität des Vergaberechts und des das Nachprüfungsverfahren regelnden Verfahrensrechts einerseits sowie auch der Komplexität des konkreten streitbefangenen Vergabeverfahrens rechtsanwaltlicher Beratung und Begleitung bedurfte.

78

Die Auftraggeberin hat der Antragstellerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten zu erstatten.

79

IV. Rechtsbehelf

80

Gemäß § 116 GWB kann gegen diese Entscheidung sofortige Beschwerde eingelegt werden.

81

...

Gause
Schulte
Prokop