Finanzgericht Niedersachsen
Beschl. v. 03.07.2000, Az.: 1 V 626/99

Voraussetzungen der Vermögensteuer-Pflichtigkeit

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
03.07.2000
Aktenzeichen
1 V 626/99
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2000, 21859
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:2000:0703.1V626.99.0A

Tatbestand

1

Die Parteien streiten in der Hauptsache über die Frage, ob die Antragsteller (Ast) vermögensteuerpflichtig waren.

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Die Ast sind miteinander verheiratet. Aus der Ehe sind 3 Kinder hervorgegangen, ... Die Ast sind inzwischen 71 und 60 Jahre alt. Der Ast ist Rentner, seine Ehefrau, die Antragstellerin, befindet sich im Vorruhestand. Bis Eintritt in den Ruhestand war der Ehemann als Arbeitnehmer bei der V AG beschäftigt, seine Frau war bis 1998 als Bankangestellte bei der V-Bank in V tätig. Die Ast besitzen Grundvermögen. Neben einem selbstgenutzten Wohnhaus hatten sie noch 4 weitere Häuser bzw. Eigentumswohnungen, die vermietet waren. Darunter befanden sich das ... Zweifamilienhaus in W... und eine im Jahre 1994 erworbene Eigentumswohnung in W. Einen Teil ihres Grundvermögens haben die Ast inzwischen nach den hier streitigen Veranlagungszeitpunkten auf ihre Kinder übertragen. Vermögensteuererklärungen haben die Ast bisher nicht abgegeben.

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Im Jahre 1998 führte das Finanzamt für Fahndung und Strafsachen (FuSt) in B Ermittlungen bei verschiedenen Banken und Sparkassen wegen Verdachts der Steuerhinterziehung im Zusammenhang mit der Transferierung von Geldern ins Ausland durch, darunter auch bei der V-Bank V, bei der die Ast diverse Konten unterhielten. Dabei stießen die Beamten auf einen Überweisungsauftrag des Ast vom 30. Dezember 1992, in dem er 183 TDM auf ein eigenes Konto bei der D-Bank Luxemburg überwiesen hatte. Nach den weiteren Belegen war das Geld zunächst bar von einem Sparkonto abgehoben und sogleich wieder bar auf ein bankinternes anderes Konto eingezahlt worden, von wo aus es über die V-Bank F nach Luxemburg transferiert worden war. Auf die Kopien des Überweisungs- und Auszahlungsbeleges Bl. 85 der Gerichtsakten wird Bezug genommen. Das FuSt leitete daraufhin ein Ermittlungsverfahren gegen die Ast wegen Verdachts der Hinterziehung von Einkommensteuer für die Jahre 1992 - 1996 und Vermögensteuer für 1991 bis 1996 ein. Im Zuge der Ermittlungen erwirkten das FuSt beim zuständigen Amtsgericht ... einen Durchsuchungsbeschluß und nahm am 14. Mai 1998 eine Durchsuchung der Wohnräume der Ast vor. Nach den dabei gewonnenen Erkenntnissen haben die Ast zwischen dem 9. Dezember 1992 und dem 11. Januar 1993 insgesamt 292.770,00 DM nach Luxemburg transferiert. Unterlagen über die weitere Entwicklung des Kontos konnten nicht aufgefunden werden. Aus Anlaß der Ermittlungen haben die Ast das Konto in Luxemburg am 25. Mai 1998 aufgelöst. Es wies zu der Zeit noch ein Guthaben von ca. 6 TDM auf. In seiner Beschuldigtenvernehmung vor dem FuSt hat der Ast auf die Frage nach der Herkunft der Gelder, die er nach Luxemburg verbracht habe, auf ein Konto bei der N-Bank verwiesen. Auf das Vernehmungsprotokoll vom 25. Oktober 1998 Bl. 69 72 der Gerichtsakten wird ebenfalls verwiesen. Über das Konto bei der N-Bank liegen keine weiteren Erkenntnisse vor.

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Auf Grund der Erkenntnisse des FuSt aus dem Ermittlungsverfahren hat der Antragsgegner (Ag) durch Bescheide vom 8. und 13. September 1999 Vermögensteuerveranlagungen auf den 1. Januar 1988 (Nachveranlagung), 1. Januar 1989 (Hauptveranlagung), 1. Januar 1991 (Neuveranlagung) 1. Januar 1993 (Hauptveranlagung), 1. Januar 1995 (Hauptveranlagung, Steuer 0,00 DM) und 1. Januar 1996 (Neuveranlagung) durchgeführt. Darin hat er die Kontenstände der Konten bei der N-Bank und der D-Bank in Luxemburg geschätzt. Wegen der Höhe der Schätzung wird auf die Anlage 2 zum Einspruchsbescheid vom 26. November 1999 Bl. 23 der Gerichtsakten Bezug genommen. Persönliche Freibeträge nach § 6 Abs. 2 i. Verb. mit § 14 II VStG hat das Finanzamt nach einer Verböserung im Einspruchsverfahren nur für den Sohn M bis einschließlich der Veranlagung zum 1. Januar 1993 berücksichtigt.

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Dagegen haben die Ast nach erfolglosem Vorverfahren Klage erhoben, die unter dem Aktenzeichen ... vor dem Senat anhängig ist. Im Klageverfahren erstreben sie die Aufhebung sämtlicher Veranlagungen. Sie verweisen dazu zunächst auf ein Verwertungsverbot für alle bei der Durchsuchung aufgefundenen Unterlagen für den Zeitraum vor 1993, weil für frühere Zeiträume bereits eine Verfolgungsverjährung eingetreten sei und sich im übrigen der Durchsuchungsbeschluß des Amtsgerichts nur auf den Verdacht der Einkommensteuerhinterziehung der Jahre 1992 bis 1996 beschränke. Außerdem sei die Festsetzungsfrist für Steuerfestsetzungen vor 1993 bereits abgelaufen. Die Festsetzungsfrist betrage nur 5 Jahre. Die längere Festsetzungsfrist bei Steuerhinterziehungen greife nicht ein, weil sie - die Ast - keine Steuerhinterziehung begangen hätten. Dies beruhe zum einen darauf, daß die Vermögensteuer inzwischen vom Bundesverfassungsgericht als verfassungswidrig erkannt worden sei. Zum anderen scheitere die Annahme einer Straftat daran, weil bei ihnen ein Tatbestandsirrtum vorgelegen habe. Zu keiner Zeit sei ihnen bewußt gewesen, daß eine typische Arbeiterfamilie - wie sie es sei - vermögensteuerpflichtig gewesen sei. Man habe angenommen, daß dies nur eine Steuer für Millionäre gewesen sei. Irgendwelche Aufforderungen zur Abgabe einer Vermögensteuererklärung hätten sie nicht erhalten. Auch habe die V-Bank sie nicht darauf hingewiesen. Mit der Transferierung des Geldes nach Luxemburg hätten sie - die Ast - ihre Vermögensverhältnisse auch nicht verschleiern und den Finanzbehörden Steueransprüche vorenthalten wollen. Das Geld sei nur deshalb nach Luxemburg verbracht worden, weil dort eine höhere Renditeerwartung bestanden habe. Aus der Tatsache, daß belegmäßig das Geld seinerzeit zunächst bar vom Sparkonto abgehoben und sodann bar auf ein anderes Konto eingezahlt worden sei, lasse sich keine Verschleierungsabsicht herleiten. Er, der Ast, habe gar nicht erkannt, daß eine Barabhebung und eine Bareinzahlung vorgenommen worden sei. Die Überweisungsmodalitäten habe die Bank vorbereitet, er - der Ast - habe sich darauf beschränkt, die ihm vorgelegten ausgefüllten Formulare zu unterschreiben. Außerdem seien in allen Bescheiden die Schätzung der Besteuerungsgrundlagen falsch. Zu einer Schätzung bestehe gar kein Anlaß. Sie - die Ast - hätten sämtliche Belege über das Konto, die in ihrem Besitz seien, den Ermittlungsbehörden vorgelegt. Weitere Belege habe die Bank in Luxemburg nicht ausgestellt. Im übrigen habe der um die Jahreswende 1992/1993 nach Luxemburg überwiesene Betrag von ca. 290 TDM dort nur kurzzeitig zur Verfügung gestanden. Das Geld sei bereits in den Jahren 1993 und 1994 bis auf den bei der Auflösung noch vorhandenen Restbestand von 6 TDM verbraucht worden. Unvorhergesehener Weise hätte sie nämlich noch im Jahre 1993 mit dem Bau des Zweifamilienhauses beginnen können. Dafür habe ein Finanzbedarf von mehr als 500 TDM bestanden. Außerdem sei im Jahre 1994 die Eigentumswohnung erworben worden. Die dafür benötigten Gelder habe der Ast persönlich in bar aus Luxemburg geholt. Dazu sei er mehrmals mit dem PKW nach Luxemburg gefahren und habe jeweils Beträge in Höhe von 50 - 70 TDM abgehoben. Dank des Einsatzes der Gelder aus Luxemburg sei es ihnen gelungen, den Fremdkapitalbedarf auf etwa 200 TDM zu reduzieren. Im übrigen sei der Ansatz eines Freibetrages für nur ein Kind falsch. Ihr Sohn M habe bis einschließlich 1991 studiert. Er habe sich deshalb noch in einer Berufsausbildung befunden und auch noch zu ihrer Haushaltsgemeinschaft gehört. Für ihn sei deshalb für die Veranlagungszeitpunkte 1. Januar 1988, 1. Januar 1989 und 1. Januar 1991 ein weiterer Freibetrag gem. §§ 6 II, 14 II VStG zu gewähren.

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Parallel zur Klage haben die Ast bei Gericht die Aussetzung der Vollziehung der angefochtenen Bescheide beantragt, nach dem ein entsprechender Antrag im Vorverfahren beim Finanzamt keinen Erfolg hatte.

Gründe

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Der Antrag hat bei Gericht teilweise Erfolg.

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Nach § 69 Abs. 3 i. V. m. Abs. 2 FGO kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsaktes ganz oder teilweise aussetzen. Die AdV soll erfolgen, wenn ernstli-che Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungs-aktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebo-tene Härte zur Folge hätte (§ 69 Abs. 2 FGO). Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes bestehen, wenn bei summari-scher Prüfung des angefochtenen Verwaltungsaktes neben für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige gegen die Rechtmä-ßigkeit sprechende Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklar-heiten in der Beurteilung von Tatfragen bewirken (vgl. Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 10. Februar 1967 III B 9/66, BFHE 87, 447, BStBl. III 1967, 182; vom 18. Juni 1997 II B 33/97, BStBl. II 1997, 515).

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Im Streitfall haften den angefochtenen Vermögensteuerbescheiden nachfolgend erkannte Unsicherheiten an:

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Der Bescheid auf den 1. Januar 1988 ist erst nach Ablauf der Festsetzungsfrist ergangen. Dabei mag dahinstehen, ob eine Festsetzungsfrist von 4 Jahren oder " wegen leichtfertiger Steuerverkürzung " von 5 Jahren eingreift. Selbst wenn man eine Festsetzungsfrist von 5 Jahren annehmen wollte, wäre sie mit Ende des Jahres 1996 und damit noch vor Aufnahme der ablaufhemmenden Ermittlungshandlungen des Jahres 1998 abgelaufen.

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Die verlängerte 10-jährige Festsetzungsfrist des § 169 Abs. II S. 2 AO greift im Streitfall nicht ein. Sie kommt nur zur Anwendung, wenn eine Steuerhinterziehung begangen worden ist. Da die Ast eine Vermögensteuererklärung nicht abgegeben und das Finanzamt somit nicht aktiv durch Vorspiegelung falscher Tatsachen getäuscht haben, ließe sich eine Steuerhinterziehung ohnehin nur als sog. echtes Unterlassungsdelikt aus der Norm des § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO herleiten. Danach wird bestraft, wer die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis läßt. Der Tatbestand setzt eine Verpflichtung zur Abgabe einer Steuererklärung oder zu einer sonstigen Unterrichtung des Finanzamts voraus. Daran fehlt es aber deshalb, weil der Veranlagungszeitpunkt 1. Januar 1988 kein Hauptveranlagungszeitpunkt ist. Nach § 19 Abs. 1 VStG sind Vermögensteuererklärungen nur auf jeden Hauptveranlagungszeitpunkt abzugeben. Auf andere Veranlagungszeitpunkte ist eine Vermögensteuererklärung nur dann abzugeben, wenn das Finanzamt dazu auffordert. Eine derartige Aufforderung ist an die Ast nicht ergangen.

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Der Bescheid auf den 1. Januar 1989 ist ebenfalls erst nach Ablauf der Festsetzungsfrist ergangen. Auch in Bezug auf diesen Bescheid hat das Gericht ernste Zweifel gegenüber der Annahme einer Steuerhinterziehung. Der Senat hat - wie er bereits wiederholt zum Ausdruck gebracht hat - Bedenken, ob der Straftatbestand aus Rechtsgründen objektiv erfüllt ist. Sie resultieren aus der höchstrichterlich bisher nicht geklärten Rechtsfrage, ob eine Hinterziehung von Vermögensteuer überhaupt möglich ist, nachdem das BVerfG mit Beschluss vom 22. Juni 1995 2 BvL 37/91, BStBl. II 1995, 655 erkannt hat, dass die Vermögensteuer nicht verfassungskonform ist. Die Tatsache allein, dass das BVerfG die zeitlich befristete Fortgeltung des materiell verfassungswidrigen Gesetzes mit der Begründung akzeptiert hat, -die Erfordernisse verlässlicher Haushalts- und Finanzplanung und eines gleichmäßigen Gesetzesvollzuges für Zeiträume einer weitgehend schon abgeschossenen Veranlagung rechtfertigten es, die Regelungen zur Vermögensbesteuerung für zurückliegende Jahre wie bisher weiter anzuwenden, erlaubt keine Rückschlüsse zu der Frage, ob ein Verstoss gegen das Vermögensteuergesetz den Straftatbestand erfüllt. Trotz vorübergehender Weitergeltung aus fiskalischen Gründen bleibt das Gesetz verfassungswidrig, es ist ein "Unrechtsgesetz", das nicht in die Steuerrechtsordnung passt. Es erscheint nicht vorstellbar, dass der Staat seine Bürger durch Einsatz strafrechtlicher Mittel zwingt, eine derartige Rechtsnorm einzuhalten, die in ihrem Inhalt verfassungswidrig ist.

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Weitere Bedenken gegenüber einer Erfüllung des Straftatbestandes ergeben sich aus § 2 Abs. 3 StGB. Nach dieser Norm ist bei einer Gesetzesänderung nach Beendigung der Tat das mildeste Gesetz anzuwenden. Dieses sog. Rückwirkungsgebot zugunsten eines Beschuldigten gilt auch dann, wenn durch eine Gesetzesänderung die Tat im Nachhinein nicht nur mit milderer Strafe belegt, sondern gänzlich straflos geworden ist (BGHSt 20, 119; Dreher/Tröndle, StGB, 47 Aufl. § 2 Rdnr. 10) und zwar selbst dann, wenn die Straflosigkeit darauf beruht, dass bei einer Blankettstraftat die außerstrafrechtliche blankettausfüllende Norm geändert wird (BGHSt 20, 177; Lackner, StGB, 20. Aufl. § 2 Rdnr. 4; zweifelnd Schönke-Schröder-Eser, StGB 24. Aufl. § 2 Rdnr. 26). Nach dem Sinn und Zweck der Norm des § 2 Abs. 3 StGB soll vermieden werden, Gerichte zu zwingen, Gesetze anzuwenden, zu dessen Existenzberechtigung der Gesetzgeber sich im Entscheidungszeitpunkt nicht mehr bekennt (Schönke-Schröder-Eser, StGB 24. Aufl. § 2 Rdnr. 16), dem gewandelten Rechtsempfinden der Bevölkerung, das schon vor der förmlichen Gesetzesänderung vorherrschte und das zur Gesetzesänderung geführt hat, soll Rechnung getragen werden. Die Regelung trägt somit dazu bei, eine "Vergewaltigung der materiellen Gerechtigkeit" zu verhindern (Schönke-Schröder-Eser, StGB, 24. Aufl. § 2 Rdnr. 16).

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Für das Steuerstrafrecht - für das nach § 369 Abs. 2 AO die allgemeinen Gesetze über das Strafverfahren Anwendung finden - kann nichts anderes gelten. Im Streitfall greift deshalb das Rückwirkungsgebot des § 2 Abs. 3 StGB ein. Das VStG ist - jedenfalls in der den Steuersatz festlegenden Norm des § 10 - heute nicht mehr existent. Es ist zum 31. Dezember 1996 aufgehoben worden, die Entscheidung des BVerfG hat Gesetzeskraft. Die Gründe für die Gesetzesänderung und die Tatsache, dass die Weitergeltung des verfassungswidrigen Gesetzes für eine Übergangszeit zugelassen worden ist, haben keinen Einfluss auf das Rückwirkungsgebot des § 2 Abs. 3 StGB. Der Senat folgt damit der Rechtsauffassung der 5. Strafkammer des LG München II, wie sie im Beschluss vom 11. November 1999 5 Qs 12/99, BB 2000, 290 zum Ausdruck gekommen ist. Da das VStG auch kein zeitlich begrenztes Gesetz im Sinne von § 2 Abs. 4 StGB ist, muss eine Bestrafung wegen Hinterziehung von Vermögensteuer ausscheiden. Ist demnach der Straftatbestand nicht erfüllt, greift die verlängerte Festsetzungsfrist des § 169 Abs. 2 S. 2 AO nicht ein.

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Nach alledem kam es bei diesem Veranlagungszeitpunkt auf die zwischen den Parteien weiterhin streitige Frage, ob die Ast einem Tatbestandsirrtum erlegen sind, nicht mehr an. Ebenfalls nicht mehr entscheidungserheblich ist die Frage, ob ein Kinderfreibetrag für den Sohn M zu gewähren ist.

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Der Bescheid auf den 1. Januar 1991 ist dagegen noch innerhalb der Festsetzungsfrist des § 169 Abs. 1 S. 1 AO ergangen. Da die Ast eine Erklärung auf den Hauptveranlagungszeitpunkt 1. Januar 1989 nicht abgegeben haben, kam es zu einer dreijährigen Anlaufhemmung gem. §§ 170 II Nr. 1, IV AO. Damit lief die Festsetzungsfrist erst mit Ablauf des Jahres 1998 ab. Vor Ablauf dieser Frist hat das FuSt jedoch Ermittlungsmaßnahmen eingeleitet und den Ast bekanntgegeben. Dies führte zu einer Ablaufhemmung im Sinne von § 171 Abs. V AO.

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Gleichwohl ergeben sich bei summarischer Prüfung Bedenken auch gegen diesen Bescheid, weil darin ein Freibetrag nach §§ 6 II, 14 II VStG für den Sohn M nicht berücksichtigt worden ist. Der Sohn war an dem Veranlagungszeitpunkt 26 Jahre alt und befand sich noch in einer Berufsausbildung. Die Ast haben dazu im Klageverfahren eine Bescheinigung der Fachhochschule H vom 27. Februar 1991 vorgelegt, nach der M dort als Student eingeschrieben war und seine Prüfung als Diplomingenieur erst am 26. Februar 1991 abgelegt hat - Gerichtsakten Bl. 105.

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Anderweitige Bedenken haften dem Bescheid jedoch nicht an. Sie ergeben sich insbesondere nicht aus der Höhe des Vermögens, das der Besteuerung unterworfen worden ist. Soweit die Ast darauf verweisen, daß ihnen Aufwendungen für den Bau und den Erwerb ihrer Immobilien im ... und in der ... Str. erwachsen sind, berührt das die Vermögensverhältnisse späterer Zeiträume. Das Gericht teilt auch nicht die Auffassung der Ast über ein Verwertungsverbot der bei der Durchsuchung in ihrer Wohnung aufgefundenen Unterlagen. Der Durchsuchung lag ein Durchsuchungsbeschluß des Amtsgerichts W zugrunde. Das erkennende Gericht ist nicht befugt, die Durchsuchungsanordnung eines Amtsgerichts einer rechtlichen Würdigung zu unterziehen (vgl. Beschluß des BFH vom 10. März 1992 X B 18/91, BFH/NV 1992, 369). Da die Rechtswidrigkeit dieser Ermittlungsmaßnahme bisher nicht festgestellt ist, läßt sich ein Verwertungsverbot der durch diese Ermittlungsmaßnahme aufgefundenen Unterlagen daraus nicht herleiten (BFH vom 10. März 1992 X B 18/91). Soweit Unterlagen vorgefunden und verwertet wurden, die über den Tatverdacht hinausgehen, der im Durchsuchungsbeschluß seinen Niederschlag gefunden hat, ist deren Verwertung in Anlehnung an § 108 StPO zulässig.

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Der Bescheid auf den 1. Januar 1993 läßt dagegen keine Bedenken erkennen. Soweit das Finanzamt darin Kontenstände bei der N-Bank und der D-Bank in Luxemburg geschätzt hat, lag eine Berechtigung zur Schätzung gem. § 162 Abs. 1 u. 2 AO vor. Nach diesen Normen ist das Finanzamt zu einer Schätzung der Besteuerungsgrundlagen berechtigt und verpflichtet, wenn der Steuerpflichtige über die steuerlich erheblichen Tatsachen keine Auskünfte zu geben vermag. Im Streitfall haben die Ast die Kontenstände zum Veranlagungszeitpunkt nicht nennen können. Folglich war das Finanzamt zu einer Schätzung verpflichtet. Inhaltlich läßt die Schätzung ebenfalls keine Bedenken aufkommen. Die Kapitalabflüsse durch die vorgenannten Bauten haben nach den Feststellungen des FuSt im wesentlichen erst nach dem Veranlagungszeitpunkt stattgefunden. Auf die Berechnungen des FuSt über die Zu- und Abflüsse auf den bekannten Konten (Bl. 36 der Rechtsmittelheftung des Finanzamts) wird Bezug genommen. Die Klagebegründung der Ast bestätigt diese Annahme. Sie weisen selbst darauf hin, daß die Rechnungen für den Hausbau erst in 1993 und damit nach dem streitigen Veranlagungszeitpunkt angefallen sind.

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Anders verhält es sich mit dem Bescheid auf den 1. Januar 1996. Auf diesen Veranlagungszeitpunkt ist das Finanzamt bei der Schätzung des Kontenstandes bei der D-Bank in Luxemburg von einem Betrag von 350 TDM ausgegangen. Diese Schätzung erscheint in ihrer Höhe bedenklich. Nach den Ermittlungserkenntnissen des FuSt haben die Ast bis zum 29. Dezember 1994 Baukosten in Höhe von 499.762,92 DM beglichen (Bl. 36 der Rechtsmittelheftung des Finanzamts). Gleichwohl hat das geschätzte Gesamtvermögen zwischen dem 1. Januar 1993 und dem 1. Januar 1996 nur eine Minderung von ca. 150 TDM erfahren. Angesichts der Tatsache, daß bei der Vermögensumschichtung durch den Kapitalabfluß einerseits und den Zuwachs an Grundvermögen andererseits, das einheitswertgebundene Grundvermögen nur mit einem Bruchteil seines tatsächlichen Wertes erfaßt wird, erscheint dem Gericht die Minderung des Gesamtvermögens im Bescheid auf den 1. Januar 1996 nicht ausreichend berücksichtigt worden zu sein. Das Gericht geht statt dessen von einer weiteren Minderung von wenigstens 150 TDM aus. Das führt auf den 1. Januar 1996 - wie bereits auf den 1. Januar 1995 - zu einer Steuerfestsetzung von 0,00 DM.

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Soweit die Ast neben dem Antrag auf AdV der angefochtenen Bescheide auch beantragt haben, die Säumniszuschläge aufzuheben, die seit dem erfolglosen AdV-Antrag beim Finanzamt angefallen sind, konnte dem Antrag nach den vorangestellten Gründen nur zum Teil entsprochen werden. Nach § 240 Abs. 1 S. 4 AO sind Säumniszuschläge in der bisherigen Höhe auch dann verwirkt, wenn die Steuerfestsetzung nachträglich eine Änderung erfährt. Die Vorschrift eröffnet nach ihrem Wortlaut keinen Spielraum für eine anderweitige Entscheidung. Das Gericht hat jedoch die Möglichkeit, gem. § 69 Abs. 3 S. 3 FGO neben der Aussetzung auch die rückwirkende Aufhebung der Vollziehung auszusprechen mit der von den Ast beantragten Wirkung auf die Säumniszuschläge. Eine derartige Aufhebung ist jedoch erst ab dem Zeitpunkt möglich, in dem ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide erkennbar geworden sind BFH-Beschluß vom 10. Dezember 1986 I B 121/86, BStBl. II 1987, 389. Das ist bei den Bescheiden auf den 1. Januar 1988, 1. Januar 1989 und 1. Januar 1996 aus den vorangestellten Gründen ab der Antragstellung im Vorverfahren, also ab dem 13. September 1999 der Fall. Beim Bescheid auf den 1. Januar 1991, bei dem nur die Nichtberücksichtigung des Freibetrages für den Sohn rechtsbedenklich erscheint, sind die Zweifel erst im Klageverfahren durch Vorlage einer entsprechenden Schulbescheinigung aufgetreten. Im Vorverfahren hatte das Finanzamt sich noch vergeblich um Vorlage eines geeigneten Beleges bemüht.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 FGO.