Finanzgericht Niedersachsen
Beschl. v. 10.07.2000, Az.: 5 KO 23/99
Höhe des Streitwerts im Verfahren bezüglich der Aussetzung der Vollziehung
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 10.07.2000
- Aktenzeichen
- 5 KO 23/99
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2000, 21883
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2000:0710.5KO23.99.0A
Tatbestand
Im gerichtlichen Verfahren über die Aussetzung der Vollziehung (5 V 673/98) setzte der Kostenschuldner mit Bescheid vom 4. Juni 1999 die Umsatzsteuerbescheide 1992 bis 1996 sowie die Umsatzsteuervorauszahlungsbescheide Januar 1997 bis März 1998 antragsgemäß von der Vollziehung aus. Nachdem die Beteiligten das Verfahren in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt hatten, beschloss der erkennende Senat durch die Vorsitzende, die Kosten dem Kostenschuldner aufzuerlegen. Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 12. August 1999 setzte der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle die Kosten fest, wobei er einen Streitwert von 10 v.H. des Hauptsacheverfahrens zugrunde legte.
Hiergegen richtet sich die Erinnerung. Zu deren Begründung trägt der Kostengläubiger unter Bezugnahme auf den Beschluss des FG Berlin vom 10. Dezember 1998 2 B 2507/98, EFG 1999, 312) vor, der Streitwert des Verfahrens sei nicht mit 10 v.H. sondern mit 25 v.H. des Wertes der Hauptsache anzusetzen.
Gründe
Die Erinnerung ist unbegründet.
Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat die Kosten zutreffend festgesetzt. Insbesondere ist die Streitwertfestsetzung nicht zu beanstanden. Gemäß § 13 Abs. 1 in Verbindung mit§ 20 Abs. 3 GKG ist bei Verfahren über die Aussetzung der Vollziehung (AdV) der Streitwert aus der sich aus nach dem Antrag des Antragstellers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Der BFH bewertet das Interesse des Antragstellers, vorläufig nicht zahlen zu müssen, in ständiger Rechtsprechung mit 10 v.H. des streitigen Steuerbetrages (BFH Urteile vom 9. Dezember 1954 IV 437/53 U, BStBl III 1955, 56; vom 9. November 1962 IV 44/58 U, BStBl III 1963, 76; Beschlüsse vom 6. Februar 1967 VII B 29/66, BStBl III 1967, 121; vom 14. April 1967 IV B 23/66, BStBl III 1967, 321; vom 16. März 1976 VII E 4/75, BStBl II 1976, 385; vom 10. Dezember 1980 VII S 16/80, BStBl II 1981, 276; vom 12. März 1985 VII R 150/81, BFH/NV 1986, 752; vom 13. März 1985 VII R 22/85, BFH/NV 1986, 346; vom 20. November 1987 III R 209/84, BFH/NV 1989, 310; vom 21. Dezember 1993 VIII B 107/93, BStBl II 1994, 300; vom 22. November 1995 II S 10/95, BFH/NV 1996, 432). Der Senat schließt sich dieser Rechtsprechung an. Ein Abweichen von dieser der Rechtsvereinheitlichung dienenden Rechtsprechung wäre nur dann geboten, wenn zwingende Gründe hierfür sprächen. Solche Gründe sind nicht ersichtlich.
Die gegen diese Rechtsprechung vereinzelt vorgebrachten Einwände greifen im Ergebnis nicht durch. Insbesondere der Gesichtspunkt, dass das Interesse des Antragstellers im AdV-Verfahren auch dahin gehe, trotz nur summarischer Prüfung seitens des Gerichts eine Vorabentscheidung für den weiteren Gang des Hauptsacheverfahrens zu erhalten (so FG Berlin Beschluss vom 10. Dezember 1998 2 B 2507/98; FG Düsseldorf, Beschluss vom 16. Mai 1995 11 V 1650/95 A (H), EFG 1995, 854), führt zu keinem anderen Ergebnis. Diese Überlegung mag vom Antragsteller oder seinem Berater im Einzelfall angestellt werden. Ein AdV-Antrag kann auch vielfältige andere Beweggründe haben. Kostenrechtliche Bedeutung kommt aber nur jenen Motiven zu, die sich mit der verfahrensrechtlichen Zielsetzung des AdV-Verfahrens decken. Das ist bei einer summarischen Vorabentscheidung nicht der Fall, weil der gesetzgeberische Zweck des AdV-Verfahrens nicht im Abfragen einer Tendenzentscheidung des Gerichts, sondern in der Wiederherstellung des durch §§ 361 Abs. 1 Satz 1 AO, 69 Abs. 1 Satz 1 FGO außer Kraft gesetzten Suspensiveffekts der Rechtsbehelfe zu sehen ist. Hiervon abgesehen erklärt auch das Anstreben einer summarischen Vorabentscheidung nicht, weshalb das Interesse des Antragstellers an der Aussetzungsentscheidung 10 v.H. des streitigen Steuerbetrages übersteigen soll.
Auch die Zinsnachteile, die dem Antragsteller konkret aus der Vollziehung des streitigen Steuerbetrages entstehen, können keine Auswirkungen auf die Streitwertfestsetzung haben. Bei Berücksichtigung dieses Gesichtspunktes müsste in jedem Einzelfall danach differenziert werden, ob der Antragsteller über den vollzogenen Steuerbetrag verfügt oder ihn selbst am Kapitalmarkt durch Kreditaufnahme hat beschaffen müssen. Darüber hinaus wäre die Streitwertfestsetzung von der Höhe der jeweiligen Zinsen am Kapitalmarkt abhängig. Außerdem berücksichtigt dieser Ansatz nicht, dass in vielen Fällen überhaupt kein Zinsinteresse des Antragstellers besteht, weil der im Streit befindliche Steuerbetrag von den Finanzbehörden nicht vollzogen ist. Eine derart individualisierte Streitwertfestsetzung würde in einer Vielzahl von Fällen zu einem die Bedeutung des AdV-Verfahrensübersteigenden Selbstzweck werden. Der BFH hat deshalb zu Recht im Interesse eines gleichmäßigen Ergebnisses auf einen von der Art der Finanzierung und den Schwankungen des Zinssatzes unabhängigen Durchschnittswert abgestellt.
Eine Änderung dieser gefestigten Rechtsprechung käme nur in Betracht, wenn sich die die Streitwertfestsetzung bestimmenden Verhältnisse seit den letzten Entscheidungen des BFH hierzu geändert hätten. Das aber ist nicht der Fall. Die Überlegungen, den Streitwert im AdV-Verfahren mit mehr als 10 v.H. des streitigen Steuerbetrages festzusetzen, sind bereits in früheren Entscheidungen angestellt worden (FG Münster, Beschluss vom 4. August 1966 V 274/66 A, EFG 1966, 515; FG Nürnberg, Beschluss vom 5. Mai 1966 IV 123/65, EFG 1966, 468; FG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 5. Dezember 1966 II 313 a/66, EFG 1967, 141), ohne dass diese vom BFH aufgegriffen worden wären.
Allein der für die Verwaltungsgerichtsbarkeit entwickelte Streitwertkatalog (in der Fassung von 1996: NVwZ 1996, 563) käme als potentieller, zu einer Änderung der Rechtsprechung zwingender Gesichtspunkt in Betracht. Im Ergebnis greift aber auch diese Überlegung nicht durch. Zum einen handelt es sich bei dem Streitwertkatalog um Empfehlungen bzw. Richtwerte für die Praxis, nicht aber um bindende normative Festsetzungen (BVerfG, Beschluss vom 24. August 1993, 2 BvR 1858/92, NVwZ-RR 1994, 105; VGH München, Beschluss vom 27. Juli 1995, 19 C 95.1760, NVwZ-RR 1996, 543). Zum anderen beinhaltet der Streitwertkatalog speziell für die Verwaltungsgerichtsbarkeit herausgearbeitete Empfehlungen, die nicht ohne weiteres auf das finanzgerichtliche AdV-Verfahren übertragen werden können.