Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 14.07.2000, Az.: 13 K 427/98 Ki

Kindergeldanspruch eines behinderten Kindes; Unfähigkeit eines behinderten Kindes, sich selbst zu unterhalten

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
14.07.2000
Aktenzeichen
13 K 427/98 Ki
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2000, 14408
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:2000:0714.13K427.98KI.0A

Tatbestand

1

Umstritten ist zwischen den Beteiligten, ob dem Kläger für seinen Sohn R vom ... zu Recht Kindergeld gezahlt worden ist oder ob er das erhaltene Kindergeld zurückzahlen muss.

2

Der im März 1969 geborene Sohn R des Klägers ist seit seiner Geburt querschnittsgelähmt beidseitige Beinlähmung und auf den Rollstuhl angewiesen. R hat Zeit seines Lebens bei seinen Eltern gewohnt und ist auf die Betreuung durch seine Eltern angewiesen.

3

Der Grad seiner Behinderung ist mit 100 v.H. anerkannt.

4

R absolvierte die Hauptschule.

5

Vom August 1987 bis zum Juni 1990 wurde R in einem behindertengerechten Berufsbildungswerk als Bürokraft ausgebildet.

6

Anschließend war R arbeitslos und bezog Arbeitslosengeld.

7

Vom Juli 1991 bis Ende Juni 1992 wurde R im Rahmen einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme beschäftigt.

8

Danach bezog R wieder Arbeitslosengeld und wurde durch die Rehabilitationsabteilung der Bundesanstalt für Arbeit weiterhin betreut.

9

Vom Juni 1995 bis Dezember 1995 war R bei einer vom Arbeitsamt finanzierten Eingliederungsmaßnahme tätig.

10

Danach war R wieder ohne Beschäftigung bis er ab Oktober 1998 eine Tätigkeit als Bürokraft ausüben konnte.

11

Durch den angegriffenen Bescheid hob der Beklagte die Kindergeldfestsetzung für R ... auf und forderte die Erstattung des gezahlten Kindergeldes.

12

Dagegen wendet sich der Kläger nach erfolglosem Vorverfahren.

13

Der Beklagte ist der Auffassung, R habe der Arbeitsvermittlung zur Verfügung gestanden. R habe eine Erwerbstätigkeit ausüben können, die ihm die Deckung seines Lebensunterhaltes ermögliche.

Gründe

14

Die Klage ist begründet.

15

Kindergeld wird für ein Kind gewährt, wenn es wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten, § 32 Abs. 4 Nr. 3 Einkommensteuergesetz.

16

R war wegen körperlicher Behinderung außerstande, sich selbst zu unterhalten.

17

Die Feststellung eines sehr hohen Grades der Behinderung allein rechtfertigt die Annahme der Ursächlichkeit der Behinderung für die Bedürftigkeit nicht.

18

R war jedoch seit seiner Kindheit an den Rollstuhl gefesselt und ist bis heute auf die Betreuung durch seine Eltern angewiesen, bei denen er auch wohnt.

19

Seine Ausbildung zur Bürokraft und seine Beschäftigungsverhältnisse fanden nicht zu den normalen Bedingungen des Arbeitsmarktes statt.

20

R wurde in einem behindertengerechten Berufsbildungswerk ausgebildet. Sein erstes Beschäftigungsverhältnis fand er über eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme.

21

Bei der Beschäftigung vom Juni 1995 bis Dezember 1995 handelte es sich um eine vom Arbeitsamt finanzierte Eingliederungsmaßnahme.

22

Im Übrigen war R bis zum Oktober 1998 arbeitslos, auf die Betreuung durch seine Eltern angewiesen und außerstande, sich selbst zu unterhalten.

23

Eine Beschäftigung als Bürokraft zu den normalen Bedingungen des Arbeitsmarktes hat R nicht gefunden.

24

Er stand zwar rein formal der Arbeitsvermittlung zur Verfügung hat jedoch Arbeit nur im Rahmen von Fürsorgemaßnahmen gefunden.

25

Rs schwere Behinderung ist kausale Bedingung für seine Unfähigkeit, sich selbst zu unterhalten, nicht die Arbeitslosigkeit als solche (siehe auch Urteil des Finanzgerichtes des Landes Sachsen-Anhalt vom 14. Januar 1999 II 370/98, EFG 1999, S. 476, 477).