Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 11.07.2000, Az.: 7 K 374/99

Voraussetzungen eines Erwerbsvorgangs; Wirtschaftliche Betrachtungsweise eines Erwerbsvorgangs; Änderung des Gesellschafterbestandes einer Personengesellschaft innerhalb von fünf Jahren

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
11.07.2000
Aktenzeichen
7 K 374/99
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2000, 21888
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:2000:0711.7K374.99.0A

Verfahrensgang

nachfolgend
BFH - 30.04.2003 - AZ: II R 79/00

Fundstellen

  • DStRE 2001, 263-265 (Volltext mit amtl. LS)
  • UVR 2001, 82

Tatbestand

1

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Übertragung von Geschäftsanteilen einer GmbH, die an einer GbR beteiligt ist, bei dieser eine wesentliche Änderung im Gesellschafterbestand bewirkt und damit grunderwerbsteuerlich die Steuerbarkeit nach § 2 a GrEStG auslöst.

2

Die GbR B (B GbR) hatte im Gesamthandsvermögen ein mit Wohngebäuden bebautes Grundstück (eingetragen in dem Grundbuch von S. Bl. 166642-16789, 16365-16444, 16460-165479).

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Die Gesellschaftsanteile der B GbR hielt iHv. 3 v.H. Herr D und die A Immobilien GmbH (A GmbH) i.H.v. 97 v.H.. Der Kläger L erwarb mit Vertrag vom 15.01.1999 von Herrn D dessen Beteiligung und von der A GmbH weitere 91 v.H. der Gesellschaftsanteile, insgesamt also 94 v.H..

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Alleiniger Gesellschafter der A GmbH war ursprünglich Herr D. Dieser übereignete in 1998 seine sämtlichen Anteile an der A GmbH an seine Ehefrau.

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Mit Bescheid vom 12.02.1999 setzte der Beklagte Grunderwerbsteuer iHv. DM 369.121 fest. Zur Begründung führte er den Anteilsübertragungsvorgang vom 15. Januar 1999 an.

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Mit ihrer hiergegen nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage begehren die Kläger die Aufhebung des Grunderwerbsteuerbescheids. Sie sind der Ansicht, dass eine Anteilsvereinigung durch die Anteilsübertragung nicht eingetreten sei.

7

Die Kläger beantragen sinngemäß,

den Grunderwerbsteuerbescheid vom 12. Februar 1999 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 10.08.1999 aufzuheben.

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Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

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Nach Ansicht des Beklagten liege mit der Anteilübertragung vom 15. Januar 1999 der Erwerbstatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG vor. Zwar erfülle dieser für sich gesehen nicht die Voraussetzungen dieser Norm, wohl aber im Hinblick auf die vorangegangene Übertragung der gesamten Anteile der A GmbH durch Herrn D an dessen Ehefrau. Hierdurch werde die 95 v.H. -Grenze erfüllt. Zur weiteren Begründung verweist er auf die Ländererlasse vom 24. Juni 1998 (BStBl. 1998 I S. 925).

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Wegen des weiteren Vorbringen der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze, sowie auf die GrESt-Akte (St.-Nr. ...), die beim Beklagten geführt wird, Bezug genommen.

Gründe

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Die Klage ist begründet.

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Der Grunderwerbsteuerbescheid vom 12. Februar 1999 und der Einspruchsbescheid vom 10. August 1999 sind gemäß § 100 Abs. 1 S. 1 FGO aufzuheben. Die Grunderwerbsteuer ist zu Unrecht durch den Beklagten festgesetzt worden. Ein abgeleiteter Erwerb eines Grundstücks nach § 1 Abs. 2a GrEStG , also ein Übergang durch vollständigen oder wesentlichen Wechsel des Gesellschafterbestands im Wege der Übereignung von Gesellschaftsanteilen ist durch den Anteilskauf vom 15. Januar 1999 nicht erfolgt.

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I.

Nach § 1 GrEStG unterliegen nur Erwerbsvorgänge über inländische Grundstücke der Grunderwerbsteuer. Als Erwerbsvorgang gilt nach § 1 Abs. 2a S. 1 GrEStG, 1997 (Fassung bis zum 31. Dezember 1999) auch, wenn bei einer Personengesellschaft sich innerhalb von 5 Jahren der Gesellschafterbestand vollständig oder wesentlich ändert. Letzteres ist nach Satz 2 regelmäßig dann gegeben, wenn bei wirtschaftlicher Betrachtung eine Übertragung des Grundstücks auf eine neue Personengesellschaft vorliegt. Das ist stets der Fall, wenn 95 v.H. der Anteile am Gesellschaftsvermögen auf neue Gesellschafterübergehen (§ 1 Abs. 2a S. 3 GrEStG).

14

1.

Bei der Anteilsübereignung vom 15.01.1999 wurden lediglich 94 v.H. der Anteile der B GbR übertragen, so dass eine wesentlicheÄnderung nach § 1 Abs. 2a S. 3 GrEStG hierdurch nicht eingetreten ist. Eine wesentliche Änderung des Gesellschafterbestandes, die bei wirtschaftlicher Betrachtung eine Grundstücksübertragung auf eine neue Gesellschaft darstellen würde, ist auch nicht wegen der vorangegangenen vollständigen Anteilsübertragung der Anteile an der A GmbH gegeben. Zwar liegt dieser Vorgang noch in dem gesetzlich benannten Zeitraum von fünf Jahren. Er hatte aber keine Auswirkung auf den Gesellschafterbestand der B GbR. Denn der Gesellschafterwechsel vollzog sich nicht in ihr, sondern in der A GmbH. Diese war und blieb Gesellschafterin der B GbR. Als juristische Person besitzt die GmbH eine eigene Rechtspersönlichkeit. Die GmbH ist eine andere Person als ihre Anteilseigner und daher - im Gegensatz zu einer Personengesellschaft und deren Gesellschaftern - nicht mit ihren Anteilseignern identisch (BFH-Urteil vom 19. Januar 1977, BFHE 121, 214, 218). Als juristische Person kann die GmbH gemäß § 13 GmbHG Eigentum und andere dingliche Rechte an Grundstücken als eigenes Vermögen erwerben. Die Gesellschafter der GmbH haben allein Eigentum am Grund- oder Stammkapital der Gesellschaft, einen dinglichen Anspruch auf Eigentum der GmbH besitzen sie nicht. Deshalb bleibt die (eigentums-) rechtliche Zuordnung eines Grundstücks der GmbH von den Veränderungen im Personenbestand der Anteilseigner unberührt.

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Da der Gesellschafter aber bereits keinen rechtlichen (dinglichen) Anspruch auf das Grundstück der GmbH besitzt, kann ihm dieser auch nicht im Wege einer wirtschaftlichen Betrachtung zugeordnet werden, wenn die GmbH ein Grundstück erwirbt. Mangels rechtlicher Zuordnung des Grundstücks zu dem Gesellschafter ist daher ein Durchgriff auf den wechselnden Gesellschafterbestand der beteiligten GmbH für den Erwerbstatbestand nach § 1 Abs. 2a GrEStG ist nicht zulässig.

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2.

Ein Erwerbsvorgang, der bei wirtschaftlicher Betrachtung eine Übertragung des Grundstücks auf eine neue Gesellschaft darstellte, wenn weniger als 95 v.H. der Gesellschaftsanteile übertragen werden, liegt ebenfalls nicht vor ( § 1 Abs. 2a S. 2 GrEStG).

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Diese Vorschrift ist in der Literatur nicht unumstritten. Zum Teil wird sie für verfassungsrechtlich bedenklich oder sogar für verfassungswidrig gehalten, da der Erwerbstatbestand nach dieser Vorschrift zu unbestimmt sei (vgl. Pahlke /Franz, Kommentar zum GrEStG, 2. Aufl. 1999,§ 1 Rn. 302; Fischer, Wirtschaftliche Betrachtungsweise als gesetzliches Tatbestandsmerkmal der Grunderwerbsteuer, DStR 1997, S. 1744). Ob der Gesetzgeber diesen Bedenken durch die Streichung dieser Norm durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 vom 24.03.1999 (BGBl. I, 402) Rechnung getragen hat (so wohl Weilbach, UVR 2000, S. 256), kann dahin stehen. Die Problematik ist für den Streitfall nicht entscheidend, da die Tatbestandsvoraussetzungen des § 1 Abs. 2a S. 2 GrEStG nicht als gegeben ansieht.

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Eine Übertragung nach Satz 2 könnte dann vorliegen, wenn der Übergang der Gesellschaftsanteile an der Personengesellschaft unmittelbar weniger als 95 v.H. ausmacht, in der wirtschaftlichen Gesamtbetrachtung aber doch einer neuen Personengesellschaft das Grundstück übertragen wird. Von einer derartigen neuen Personengesellschaft wäre dann auszugehen, wenn gleichgerichtet die Anteile an der alten Personengesellschaft auf denselben Erwerber übergingen, der auch die Geschäftsanteile an der beteiligten GmbH bereits hält oder sie erwirbt; In ihrer Addition müßten dabei sämtliche Anteilserwerbe die wirtschaftliche Verfügungsmacht an insgesamt wenigstens 95 v.H. der Gesellschaftsanteile der Personengesellschaft ausmachen. Dann würde deutlich, dass der Erwerber der Anteile seinem Plan nach zumindest mittelbar das Grundstück erwerben will. Dieses rechtfertigt die Annahme einer Übertragung des Grundstücks auf eine andere, neue Personengesellschaft aus wirtschaftlicher Betrachtung . Die gegenteilige nicht begründete Rechtsauffassung der Verwaltung (Textziffer 4.2.4 des Erlasses vom 24. Juni 1998, BStBl 1998 I S. 925 ) berücksichtigt gerade nicht, dass die blosse Veränderung der Beteiligungsverhältnisse an einer GmbH keinen Einfluss auf die Personengesellschaft hat und deshalb wirtschaftlich keine neue Personengesellschaft herbeiführen kann.

19

Da im Streitfall aber die Gesellschaftsanteile der GbR iHv. 94 v.H. an den Kläger L übertragen wurden und sämtlichen Anteile der A GmbH an die Ehefrau des urspünglichen GbR-Gesellschafters D, erfolgten diese Übertragungen an zwei verschiedene (natürliche) Personen, bei denen eine gleichgerichtete Interessenlage nicht erkennbar ist. Die für einen Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 2a S. 2 GrEStG erforderliche Zielgerichtetheit der mehrstufigenÜbertragungsvorgänge liegt deshalb nicht vor.

20

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 151 Abs. 1 und 3 FGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

21

III.

Die Revision war gem. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen, weil bisher die Frage um die Grunderwerbsteuerpflicht wegen des Durchgriffs auf den Gesellschafterbestand einer an einer Personengesellschaft beteiligten GmbH im Rahmen des§ 1 Abs. 2a s. 2 GrEStG höchstrichterlich noch nicht entschieden worden ist.