Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 30.06.2000, Az.: 8 K 475/98

Berücksichtigung von Berufausbildungskosten; Aufwendungen einer Krankenschwester zur Ausbildung als Heilpraktikerin

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
30.06.2000
Aktenzeichen
8 K 475/98
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2000, 14440
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:2000:0630.8K475.98.0A

Fundstelle

  • DStRE 2000, 1072-1073 (Volltext mit amtl. LS)

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten.

Tatbestand

1

Streitig ist, ob die Kosten für eine Heilpraktikerausbildung als vorweggenommene Betriebsausgaben abzugsfähig sind.

2

Die Klägerin ist ausgebildete Fachkrankenschwester in der Psychiatrie und arbeitet in einem Krankenhaus als leitende Stationsschwester. Aus dieser Tätigkeit erzielt sie Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Im September 1995 begann sie mit dem Lehrgang zur Vorbereitung auf den Heilpraktikerberuf und nahm 1998 und 1999 insgesamt dreimal ohne Erfolg an der Überprüfung zur Erteilung der Erlaubnis der Ausübung der Tätigkeit als Heilpraktikerin teil.

3

Im Streitjahr machte sie u.a. Aufwendungen zur Ausbildung als Heilpraktikerin in Höhe von 4.603,70 DM als vorweggenommenen Betriebsausgaben geltend. Das beklagte Finanzamt (FA) beurteilte die Aufwendungen als Ausbildungskosten in einem nicht ausgeübten Beruf und berücksichtigte diese bei den Sonderausgaben mit dem Höchstbetrag in Höhe von 1.800,00 DM. Der hiergegen eingelegte Einspruch blieb ohne Erfolg.

4

Mit der fristgerecht erhobenen Klage begehrt die Klägerin weiterhin die vollständige Berücksichtigung der Kosten als vorweggenommene Betriebsausgaben.

5

Zur Begründung trägt sie vor, sie habe mit der Ausbildung zur Fachkrankenschwester im Bereich der Psychiatrie umfangreiche medizinische Kenntnisse erworben, die im Rahmen der Heilpraktikerausbildung vertieft und noch einmal aus anderer Sichtweise vermittelt werden sollten. Hiermit strebe sie eine Höherqualifizierung des bisherigen Berufsbildes an. Mit der Befähigung als Heilpraktikerin wolle sie, wie bisher, im Rahmen eines eigenverantwortlichen Handelns die gesundheitlichen Gebrechen von Menschen lindern. Sie beabsichtige, nach der bestandenen Prüfung eine freiberufliche Tätigkeit bei einem Heilpraktiker zu beginnen. Deshalb seien die streitigen Kosten ihrer Ansicht nach keine Ausbildungskosten, sondern Fortbildungskosten und damit vorweggenommene Betriebsausgaben im Hinblick auf die spätere freiberufliche Tätigkeit.

6

Die Klägerin beantragt,

unter Änderung des Einkommensteuerbescheides 1996 die Kosten statt als Sonderausgaben in Höhe von 1.800,00 DM vollständig in Höhe von 4.603,70 als Betriebsausgaben zu berücksichtigen.

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Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen.

8

Das FA ist der Ansicht, die streitigen Aufwendungen seien Ausbildungskosten und keine Fortbildungskosten. Die Aufwendungen dienten der Klägerin nicht, um in ihrem Beruf als Krankenschwester auf dem Laufenden zu bleiben, sondern sie wolle hierdurch Kenntnisse erwerben, die ihr den Wechsel in einen anderen Beruf, nämlich den der Heilpraktikerin, ermöglichen sollten.

9

Die Beteiligten haben auf mündliche Verhandlung verzichtet und sich mit einer Entscheidung durch die Berichterstatterin gemäß § 79a Abs. 3,4 der Finanzgerichtsordnung (FGO) einverstanden erklärt.

10

Wegen des weiteren Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die Gerichtsakte und die Steuerakte verwiesen.

Gründe

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Die Klage ist unbegründet.

12

Das FA hat die streitigen Aufwendungen zu Recht als Ausbildungskosten beurteilt und ihre Anerkennung als vorab entstandene Betriebsausgaben versagt.

13

Nach ständiger Rechtsprechung sind Aufwendungen für die berufliche Fort- und Weiterbildung als durch den Betrieb veranlasst und gewinnmindernd gemäß § 4 Abs. 4 EStG zu berücksichtigen. Diese Aufwendungen betreffen Ausgaben, die ein Steuerpflichtiger tätigt, um in dem ausgeübten Beruf auf dem Laufenden zu bleiben und den jeweiligen Anforderungen gerecht zu werden, und so in dem ausgeübten Beruf besser vorwärts zu kommen (Schmidt/Drenseck EStG § 19 Rz. 60 "Ausbildungskosten"). Dabei ist es ohne Belang, ob diese im Rahmen von vorweggenommenen Betriebsausgaben oder Werbungskosten anfallen (vgl. BFH-Urteil vom18.04.1996 VI R 89/93 BStBl II 1996, 449).

14

Hiervon zu unterscheiden sind die Berufsausbildungskosten, die gemäß § 10 Abs.1 Nr.7 EStG lediglich als Sonderausgaben mit dem Höchstbetrag von 1.800,00 DM abziehbar sind. Kosten der Berufsausbildung liegen vor, wenn die Aufwendungen dem Ziel dienen, die Kenntnisse zu erwerben, die als Grundlage für einen künftigen Beruf notwendig sind (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 28.September 1984 VI R 44183, BStBl II 1985, 94). Hierzu zählen auch Aufwendungen zum Erwerb von Kenntnissen, die die Grundlage dafür bilden sollen, von einer Berufs- oder Erwerbsart zu einer anderen überzuwechseln (BFH-Urteil vom 26.April 1989 VI R 95/85, BStBl II 1989, 616). Ausbildung liegt immer dann vor, wenn eine staatliche Prüfung die gesetzlich vorgeschriebene Voraussetzung für die Erlangung der Erlaubnis zur Führung einer Berufsbezeichnung ist, da hiermit erstmals Qualifikationen erworben werden, die für die Ausübung dieses Berufes zwingend erforderlich sind. (Schmidt/Drenseck a.a.O., m.w.N.). Das gilt auch dann, wenn durch langjährigen Einsatz für diesen Beruf bereits praktische Fähigkeiten gewonnen worden waren. Für den Berufswechsel ist maßgebend, dass der angestrebte Beruf dem Steuerpflichtigen ein neues Berufsbild vermittelt; kein Berufswechsel liegt vor, wenn der Steuerpflichtige lediglich eine höhere Qualifikation in dem bereits ausgeübten Beruf anstrebt (Schmidt/Drenseck a.a.O.).

15

Bei Anwendung dieser Grundsätze sind die von der Klägerin besuchten Lehrgänge als Ausbildung zu beurteilen und die hierfür aufgewendeten Kosten nur gemäß § 10 Abs.1 Nr.7 EStG als Sonderausgaben mit dem Höchstbetrag von 1.800,00 DM abziehbar. Die Klägerin will nach eigenen Angaben nach dem Abschluss der Ausbildung zur Heilpraktikerin freiberuflich bei einem Heilpraktiker arbeiten. Damit will sie einer anderen, ihrer bisherigen Tätigkeit als Krankenschwester nicht vergleichbaren Tätigkeit nachgehen. Die Änderung der beruflichen Betätigung kommt einem Wechsel der Berufsart gleich. Dieses ergibt sich bereits aus dem Vergleich der beiden Berufsbilder. Aufgabe eines Heilpraktikers ist es, entsprechend der Tätigkeit eines Arztes die Ursachen von Erkrankungen zu entdecken und die Patienten passend zu der von ihm gestellten Diagnose unter Auswahl der geeigneten Heilmethode zu behandeln. Hiervon unterscheidet sich die Tätigkeit der Krankenschwester insbesondere dadurch, dass die Krankenschwester nicht selbst die Diagnose stellt und die Heilmethode auswählt, sondern eine Behandlung der Patienten unter der Aufsicht bzw. nach den Anweisungen eines Arztes oder Heilpraktikers ausgeführt. Im Gegensatz zum Heilpraktiker hat die Krankenschwester eben keine Entscheidungsbefugnis dahingehend, ob und welche diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen im jeweiligen Fall anzuwenden sind. Diese erhebliche Abweichung in Bezug auf die Eigenverantwortlichkeit der Tätigkeit zeigt sich auch in der Zuordnung der Tätigkeit der Krankenschwestern und Krankenpfleger zu den Heilhilfsberufen. Heilhilfsberufe sind Heilberufe, die kein ärztliches Fachwissen erfordern und sich auf Teilbereiche der Heilkunde erstrecken und bei denen die Ausübenden unter der Aufsicht eines Arztes, Heilpraktikers, etc., also als Helfer der verantwortlichen Entscheidungsträger tätig werden (vgl. BFH-Urteil vom 29.11.1998 V R 3/96 BStBl II 1998, 453 m.w.N.). Hierdurch wird in gleicher Weise deutlich, dass es sich bei den Berufen Krankenschwester und Heilpraktiker um zwei vollkommen unterschiedliche Berufsbilder handelt und die Ausbildung zur Heilpraktikerin nicht lediglich eine Höherqualifizierung im Beruf der Krankenschwester darstellt. Zwar ist nicht auszuschließen, dass die Klägerin mit dem Besuch der Lehrgänge inhaltlich an bereits vorhandenes Wissen und Fähigkeiten angeknüpft diese weiterentwickelt hat. Jedoch ist mit einem erfolgreichen Abschluss der Lehrgänge, wie ihn die Klägerin anstrebt, durch die veränderten Rahmenbedingungen bei der anschließenden Berufsausübung, insbesondere durch nunmehr originäre Entscheidungsbefugnis, auch in erheblichem Maße eine Neuorientierung und ein inhaltlicher Berufswechsel verbunden.

16

Für die Auffassung, dass der Klägerin mit der Ausbildung ein neues Berufsbild vermittelt wird, spricht auch, dass der Klägerin erst nach Bestehen einer staatlichen Prüfung der Wechsel in den Beruf der Heilpraktikerin erlaubt ist. Zwar ist die fachliche Ausbildung von Heilpraktikern nicht gesetzlich geregelt, jedoch bedarf nach § 1 Abs. 1 Heilpraktiker-Gesetz (HPG) jede Person der Erlaubnis, die als Heilpraktiker tätig sein will, ohne als Arzt bestallt zu sein. Diese Erlaubnis ist nach § 2 Abs. 1 der 1. Durchführungsverordnung (DVO) -HPG i.d.F. der 2. DVO-HPG von einerÜberprüfung der Kenntnisse durch das Gesundheitsamt abhängig. Im Ergebnis ist damit eine staatliche Prüfung die gesetzlich vorgeschriebene Voraussetzung für die Erlangung der Erlaubnis zur Ausübung des Berufes und damit auch zur Führung der Berufsbezeichnung. Die Ausbildung vermittelte somit nicht lediglich eine höhere Qualifikation in dem bereits ausgeübten Beruf als Krankenschwester, sondern sie ermöglichte gleichfalls maßgeblich den Erwerb von Qualifikationen, die für die Ausübung des Berufes als Heilpraktikerin zwingend erforderlich sind und deren Fehlen die Versagung der Erlaubnis zur Ausübung des Berufes hat. Daher hat das FA die Kosten zutreffend den Ausbildungskosten zugeordnet.