Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 19.07.2000, Az.: 12 K 153/96
Gesonderte und einheitliche Feststellung von Einkünften
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 19.07.2000
- Aktenzeichen
- 12 K 153/96
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2000, 21900
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2000:0719.12K153.96.0A
Fundstellen
- DB (Beilage) 2001, 4 (amtl. Leitsatz)
- DStRE 2000, 1290-1291 (Volltext mit amtl. LS)
- ErbBstg 2001, 63
- NWB DokSt 2001, 336
Tatbestand
Der Beigeladene ist Gesellschafter der Klägerin. Unter § 9 des Gesellschaftsvertrages heißt es:
Mit dem Tode eines Gesellschafters wird die Gesellschaft nicht aufgelöst, sondern mit dessen Erben fortgesetzt. Ist der verstorbene Gesellschafter von mehreren Personen beerbt worden, so kann der überlebende Gesellschafter verlangen, dass die Erben innerhalb eines Jahres nach dem Tode des verstorbenen Gesellschafters bestimmen, auf wen dann die Gesellschaftsrechte an der OHG und die Anteile an der GmbH sowie alle anderen unmittelbar oder mittelbar zur Firma gehörenden Rechte zu übertragen sind.
Kommen die Erben des verstorbenen Gesellschafters innerhalb der Frist der Aufforderung nicht nach, so kann der verbliebene bisherige Gesellschafter gegenüber den Erben die Gesellschaft kündigen zum Ablauf eines Geschäftsjahres.
Die Erklärungen des verbleibenden Gesellschafters sind gegenüber jedem einzelnen Gesellschafter durch eingeschriebenen Brief abzugeben.
Der Beigeladene und dessen Ehefrau errichteten ein gemeinschaftliches Testament. Der Beigeladene hielt es für geboten, seine Rechtsnachfolge so zu ordnen, dass an seine Stelle nur eine Person als Nachfolger in die Gesellschaft eintritt. Unter Bezugnahme auf § 9 des Gesellschaftsvertrages und die gesellschaftsvertraglichen Regelungen über das Ausseiden und die Auseinandersetzung bei einem Ausscheiden aus der Gesellschaft bestimmte er seine Ehefrau zur Vorerbin und die Kinder zu Nacherben. Im Wege der Teilungsanordnung sollte der Gesellschaftsanteil dem geeignetsten Abkömmling zufallen.
Im Rahmen einer bei der Klägerin durchgeführten Außenprüfung machte der Beigeladene die für die Errichtung des Testaments entstandenen Notarkosten von 7.883,00 DM als Sonderbetriebsausgaben geltend. Das beklagte Finanzamt lehnte den Abzug der Kosten ab, weil mit dem Erbfall verbundene Aufwendungen grundsätzlich nicht als Betriebsausgaben abziehbar seien, auch wenn der Nachlass überwiegend aus Betriebsvermögen bestehe (BFH-Urteil vom 31. Juli 1985 VIII R 345/82, BStBl II 1986,139).
Der Einspruch gegen den auf dieser Grundlage erteilten und am 12. Juli 1995 gemäß § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO geänderten Gewinnfeststellungsbescheid blieb ohne Erfolg.
Die Klägerin hält die rechtliche Beurteilung des Beklagten für unzutreffend. Im Streitfall handele es sich nicht um Aufwendungen im Zusammenhang mit einem Erbfall, sondern um Kosten für eine Nachfolgeregelung aufgrund der sogenannten einfachen Nachfolgeklausel nach § 9 des Gesellschaftsvertrages, die den Gesellschaftsanteil des verstorbenen Gesellschafters entgegen der gesetzlichen Regelung (§§ 727 Abs. 1 BGB, 131 Nr. 4 HGB) vererblich stelle. Ohne diese Klausel träte die Auflösung der Gesellschaft ein. Die Zahl der persönlich haftenden und geschäftsführenden Gesellschafter sollte bei einer Mehrzahl von Erben nicht zu groß werden. Da der überlebende Gesellschafter verlangen könne, dass die Erben innerhalb eines Jahres bestimmen, auf wen die Gesellschafterrechte übergehen, seien Erbstreitigkeiten vorprogrammiert. Um derartige betriebsstörenden und betriebsgefährdenden Auseinandersetzungen zu vermeiden, habe der Beigeladene testamentarisch bestimmt, dass nur eine Person als Nachfolger in die Gesellschaft eintrete. Auf diese Weise seien Gesellschaftsvertrag und letztwillige Verfügung aufeinander abgestimmt worden. Erbschaftliche Erwägungen träten somit gegenüber betrieblichen Erwägungen in den Hintergrund, zumal es das Ziel des Beigeladenen gewesen sei, die gesellschaftsvertragliche Nachfolgeregelung zu ergänzen und auszufüllen, um eine Schädigung des Betriebes durch Beteiligung zu vieler Gesellschafter, Zerschlagung usw. zu verhindern. Der Vorgang sei mit der Gründung eines Unternehmens und dabei anfallenden Gründungskosten vergleichbar.
Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs seien Erbfall und Erbauseinandersetzung getrennt zu beurteilen, wobei die Erbauseinandersetzung über Betriebsvermögen grundsätzlich betrieblich veranlasst sei (BFH-Urteil vom 5. Juli 1990 GrS 2/89, BStBl 1990,837). Konsequenterweise müssten Aufwendungen zur Vermeidung einer unternehmensgefährdenden Erbauseinandersetzung Betriebsausgaben sein. Das Unternehmertestament sichere den Unternehmenserhalt. Abwehrkosten, d. h. Aufwendungen, die bestimmt oder geeignet seien, betriebliche Schäden oder Beeinträchtigungen abzuwenden, seien Betriebsausgaben. Das Gewinnerzielungsunternehmen sollte gesichert werden.
Das Aufteilungsverbot des § 12 EStG komme nicht zur Anwendung. Der beurkundende Notar habe auf Anfrage mitgeteilt, dass die berechneten Gebühren nicht unmittelbar vom Wert des Vermögens abhängig seien, so dass sich eine Aufteilung im Verhältnis der Werte des Privatvermögens und des Betriebsvermögens verbiete.
Die Klägerin und der Beigeladene beantragen,
unter Abänderung des Gewinnfeststellungsbescheides für 1991 den Gewinn aus Gewerbebetrieb und den Gewinnanteil des Beigeladenen um 7.883,00 DM herabzusetzen,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Zur Begründung verweist er auf den Einspruchsbescheid vom 8. Februar 1996.
Gründe
Die Klage ist unbegründet. Die im Zusammenhang mit der Errichtung des gemeinschaftlichen Testaments entstandenen Notarkosten stellen keine Betriebsausgaben (§ 4 Abs. 4 EStG) dar; sie sind vielmehr dem Bereich der privaten Lebensführung zuzuordnen.
1.
Gemäß § 4 Abs. 4 EStG sind als Betriebsausgaben solche Aufwendungen abziehbar, die durch den Betrieb veranlasst sind. Eine betriebliche Veranlassung liegt vor, wenn die Aufwendungen objektiv mit dem Betrieb zusammenhängen und subjektiv dem Betrieb zu dienen bestimmt sind. Maßgebend dafür, ob ein für die Veranlassung durch eine Einkunftsart ausreichender wirtschaftlicher Zusammenhang besteht, ist zum einen die wertende Beurteilung des die betreffenden Aufwendungen auslösenden Moments und zum anderen die Zuweisung dieses maßgeblichen Bestimmungsgrundes zur einkommensteuerrechtlich relevanten Erwerbssphäre. Ergibt diese Prüfung, dass die Aufwendungen nicht oder in nur unbedeutendem Umfang auf privaten, der Lebensführung des Steuerpflichtigen zuzurechnenden Umständen beruhen, so sind sie als Betriebsausgaben oder Werbungskosten anzuerkennen und vorbehaltliche einer entgegenstehenden gesetzlichen Regelung als solche abziehbar (BFH-Urteil vom 17. Juni 1999 III R 37/98, BStBl 1999, 600 m.w.N.).
2.
Ein derartiger wirtschaftlicher Zusammenhang mit einer Einkunftsart besteht bei Verfügungen von Todes wegen im Sinne von §§ 2064 ff. BGB nicht. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ist der Erbfall stets dem privaten, d. h. dem außerbetrieblichen Bereich zuzuordnen (vgl. Urteile vom 29. Mai 1969 IV R 238/66, BStBl 1969,614; vom 14. April 1992 VIII R 6/87, BStBl. 1993, 275). Dies gilt nicht nur für den Erben, sondern gleichermaßen für den Erblasser, der durch testamentarische Anordnung seine Rechtsnachfolge regelt (Finanzgericht Stuttgart, Urteil vom 28. Juli 1964 I 51/64, EFG 1965, 8). Ist der Erbfall in einkommensteuerrechtlicher Sicht notwendig ein privater (außerbetrieblicher) Vorgang, so können die Kosten, die im Zusammenhang mit der Errichtung eines Testaments anfallen, grundsätzlich nicht dem betrieblichen Bereich des Steuerpflichtigen zugeordnet werden. Dabei kommt es nicht darauf an, ob das Vermögen des Erblassers Gegenstand der Einkunftserzielung ist, z. B. als Gewerbebetrieb, Gesellschaftsanteil oder Mietobjekt, oder ob es sich um ertragloses, einkommensteuerlich unbeachtliches Vermögen handelt. Der Erwerb kraft Erbrechts zählt zu den unentgeltlichen Erwerbsvorgängen, die der Gesetzgeber aus der Sphäre der einkommensteuerlich relevanten Betriebsvorgänge herausgenommen und der privaten Sphäre zugeordnet hat (BFH-Urteil, BStBl. II 1986, 139).
a)
Die Klägerin kann sich nicht auf den Beschluss des Großen Senats (BStBl II 1990, 837) berufen. Erbfall und Erbauseinandersetzung sind als einkommensteuerrechtlich selbständige Rechtsvorgänge und als solche völlig getrennt voneinander zu beurteilen. Der Erbfall selbst stellt auch weiterhin einen einkommensteuerrechtlich irrelevanten privaten Vorgang dar. In diesem Sinne hat der Bundesfinanzhof Aufwendungen für die Verfolgung eigener Rechte in einem Streit über das Erbrecht der Privatvermögenssphäre zugeordnet, und zwar auch dann, wenn zum Nachlass ein Gewerbebetrieb gehört (BFH-Urteil, BFH BStBl 1999, 600 m. w. N.). Aufwendungen, die der Erblasser auf sich nimmt, um künftigen Streit der Erben über das Erbrecht zu vermeiden, teilen diese rechtliche Zuordnung.
b)
Der betriebliche Zusammenhang kann auch nicht mit der Erwägung begründet werden, die testamentarische Anordnung vermeide unternehmensgefährdende Rechtsstreitigkeiten zwischen den Erben. Die Aufwendungen dienten der Abwehr betrieblicher Schäden und Beeinträchtigungen. Der Erhalt des Vermögens ist regelmäßig mitbestimmendes Motiv für die Erbfolgeregelung eines Erblassers. Dieses Motiv begründet keine betriebliche Veranlassung, unabhängig davon, ob der Nachlass aus gewerblichem Vermögen besteht oder nicht. Die aufgewendeten Kosten sind auch nicht unter dem Gesichtspunkt vorab entstandener Aufwendungen für eine Erbauseinandersetzung über betriebliches Vermögen der betrieblichen Sphäre zuzuordnen. Die betriebliche Veranlassung von Aufwendungen im Zusammenhang mit erbrechtlichen Rechtsstreitigkeiten setzt eine entgeltliche Erbauseinandersetzung im Sinne des Beschlusses in BFH BStBl II 1990, 837 voraus. Zudem fehlt der Veranlassungszusammenhang mit der Einkunftserzielung in der Regel dann, wenn die Zugehörigkeit von der Einkunftserzielung dienenden Wirtschaftsgütern zum Vermögen des Steuerpflichtigen bedroht ist und die streitigen Aufwendungen im Zusammenhang mit einem Prozess zur Abwehr von Gefahren für das der Einkunftserzielung dienende Vermögen entstanden sind. In einem solchen Fall steht nicht die Absicht der Einkunftserzielung, sondern die Beeinträchtigung der ertragsteuerrechtlich nicht relevanten privaten Vermögensspähre des Steuerpflichtigen im Vordergrund ( BFH BStBl 1999, 600; BFH-Urteil vom 10. Oktober 1995 BFH/NV 1996,304).
c)
Obgleich die im Gesellschaftsvertrag vereinbarte Nachfolgeregelung zur Vermeidung der Auflösung der Gesellschaft durch den Tod eines Gesellschafters (§ 131 Nr. 4 HGB) die Abfassung des Testaments erheblich beeinflusst hat, verbleibt es bei der vorstehenden Beurteilung. Das Testament regelt den unentgeltlichen Erwerb von Todes wegen. Diese private Zielrichtung ist die unmittelbare Ursache, das auslösende Moment für den Anfall der Notarkosten. Der Klägerin ist zuzugestehen, dass ihr und ihrem Betrieb eine geordnete Nachfolgeregelung zugute kommt. Dieser Zusammenhang ist aber allenfalls ein mittelbarer. Ein mittelbarer Zusammenhang genügt zur Anerkennung einer Betriebsausgabe aber dann nicht, wenn er durch außerbetriebliche Umstände überlagert ist (Schmidt-Heinicke, Einkommensteuergesetz, Kommentar, § 4 Anm. 29). Dies ist bei der Errichtung eines Testaments der Fall. Der Vorgang ist einkommensteuerrechtlich unbeachtlich. Die Kosten sind ausschließlich Aufwendungen für die Lebensführung des Beigeladenen. Sie können deshalb auch nicht abweichend vom sogenannten Aufteilungs- und Abzugsverbot des § 12 Abs. 1 Satz 2 EStG teilweise berücksichtigt werden.
d)
Im Übrigen erschöpft sich das gemeinschaftliche Testament des Beigeladenen und dessen Ehefrau nicht in letztwilligen Verfügungen über den Gesellschaftsanteil des Beigeladenen. Gegenstand des Testaments ist der gesamte Nachlass. Soweit die Kosten durch Verfügungen der Ehefrau des Beigeladenen veranlasst sind und soweit das Testament nicht den Gesellschaftsanteil betrifft, fehlt selbst ein mittelbarer betrieblicher Zusammenhang.
3.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 135 Abs. 1, Abs. 3, 139 Abs. 4 FGO. Dem Beigeladenen sind keine Kosten aufzuerlegen. Zwar hat sich der Beigeladene dem Antrag der Klägerin angeschlossen und ist damit nicht durchgedrungen. Da es sich aber um einen entbehrlichen Antrag handelt, der das Gericht nicht zu einer sonst nicht erforderlichen Entscheidung oder anderen gerichtlichen Maßnahme gezwungen hat, sind die Voraussetzungen des § 135 Abs. 3 FGO nicht erfüllt (BFH-Urteil vom 23. Januar 1985 II R 2/83, BStBl 1985, 368).
Der Beigeladene hat seine außergerichtlichen Kosten zu tragen, weil er mit seinem Antrag unterlegen ist.