Sozialgericht Osnabrück
Urt. v. 15.04.2019, Az.: S 46 KR 455/18

Cannabisversorgung in Form von getrockneten Blüten der Sorte Bedrocan

Bibliographie

Gericht
SG Osnabrück
Datum
15.04.2019
Aktenzeichen
S 46 KR 455/18
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2019, 17383
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über eine Cannabisversorgung in Form von getrockneten Blüten der Sorte Bedrocan. Der am 00.00.1978 geborene Kläger leidet seit 2006 an chronischer Multiple Sklerose mit schubförmigem Verlauf. Dr. D. verordnete am 13.11.2017 eine Versorgung mit Cannabis. Der Antrag auf Versorgung mit Cannabisblüten der Sorte Bedrocan ging am 28.11.2017 bei der Beklagten ein. Die Beklagte informierte den Kläger mit Schreiben vom 29.11.2017 darüber, dass eine gutachterliche Stellungnahme eingeholt werden müsse. Mit Bescheid vom 28.12.2017 lehnte die Beklagte unter Bezugnahme auf die Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Niedersachsen (MDK) vom 11.12.2017 die Versorgung mit Bedrocan ab, da eine Versorgung mit dem Arzneimittel Sativex möglich sei. Der Kläger widersprach mit Schreiben vom 12.01.2018, Cannabisblüten hätten eine bessere Wirksamkeit zur Behandlung der Multiplen Sklerose als das Arzneimittel Sativex. Dr. D. nahm zum Widerspruch mit Schreiben vom 05.02.2018 Stellung. Der MDK kam in dem sozialmedizinischen Gutachten vom 26.02.2018 zu dem Ergebnis, dass die Arzneimittel Avonex und Tecfidera eingesetzt und aufgrund von Nebenwirkungen wieder abgesetzt worden seien. Seit November 2016 sei Sativex eingesetzt und aufgrund des Wirkverlustes wieder abgesetzt worden. Die Schwere der Erkrankung sei nicht dokumentiert, es gebe keine Befunde bezüglich der Spastiken. Zudem sei nicht nachvollziehbar, dass eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Therapiealternative nicht zur Verfügung stehe oder nicht zur Anwendung kommen könne. Auf eine weitere Stellungnahme von Dr. D. vom 15.03.2018 und ein weiteres Gutachten vom MDK vom 04.04.2018 wird Bezug genommen. Die Beklagten wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 14.05.2018 zurück. Der Kläger hat am 29.05.2018 Klage erhoben. Er ist der Ansicht, einen Anspruch auf die begehrte Versorgung aus § 31 Abs. 6 SGB V zu haben und nimmt Bezug auf die Ausführungen von Dr. D. Eine Therapie mit Dimethylfumarat sei aufgrund der Nebenwirkungen nicht möglich. Er habe sich in der Vergangenheit mit medizinischem Cannabis versorgt und deshalb einen Entzug im Februar 2013 gemacht. Zudem habe er einen Anspruch aus § 13 Abs. 3a SGB V. Aus dem vom Gericht eingeholten Gutachten von Dr. C. vom 13.12.2018 ergebe sich, dass die gewünschte Versorgung medizinisch sinnvoll sei.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 28.12.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.05.2018 zu verpflichten, die Genehmigung für eine Versorgung mit Cannabis zu erteilten und den Kläger mit Cannabis in Form von getrockneten Blüten der Sorte Bedrocan zu versorgen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte nimmt Bezug auf die Ausführungen des MDK und das Gutachten von Dr. C. vom 13.12.2018. Eine Therapie mit Dimenthylfumarat oder ähnlichen Medikamenten sei möglich. Die Beklagten weist zudem auf den Cannabis Konsum und den Entzug des Klägers in der Vergangenheit hin. Die Kammer hat Beweis erhoben durch Einholung von Befundberichten von Dr. D. vom 10.07.2018 von Herrn E. vom 27.08.2018 sowie durch Einholung eines Sachverständigengutachtens von Dr. C. vom 13.12.2018 auf das Bezug genommen wird Bezüglich weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichts- sowie die beigezogene Verwaltungsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage zulässige Klage ist unbegründet. Der Bescheid vom 28.12.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.05.2018 ist rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Genehmigung für eine Versorgung mit Cannabis gegen die Beklagte und keinen Anspruch auf eine Versorgung mit Cannabis in Form von getrockneten Blüten der Sorte Bedrocan. Nach § 31 Abs. 6 Satz 1 SGB V haben Versicherte mit einer schwerwiegenden Erkrankung Anspruch auf Versorgung mit Cannabis in Form von getrockneten Blüten oder Extrakten in standardisierter Qualität und auf Versorgung mit Arzneimitteln mit den Wirkstoffen Dronabinol oder Nabilon, wenn

1. eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung

a) nicht zur Verfügung steht oder

b) im Einzelfall nach der begründeten Einschätzung der behandelnden Vertragsärztin oder des behandelnden Vertragsarztes unter Abwägung der zu erwartenden Nebenwirkungen und unter Berücksichtigung des Krankheitszustandes der oder des Versicherten nicht zur Anwendung kommen kann und

2. eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf oder auf schwerwiegende Symptome besteht.

Die Leistung bedarf nach § 31 Abs. 6 Satz 2 SGB V bei der ersten Verordnung für eine Versicherte oder einen Versicherten der nur in begründeten Ausnahmefällen abzulehnenden Genehmigung der Krankenkasse, die vor Beginn der Leistung zu erteilen ist. Im vorliegenden Fall liegt bei dem Kläger zwar eine schwerwiegende Erkrankung vor, jedoch steht eine Alternativtherapie zur Verfügung und kann auch bei ihm zur Anwendung kommen. Das ergibt sich aus dem überzeugenden und nachvollziehbar begründeten Gutachten von Dr. C. vom 13.12.2018. Danach liegen bei dem Kläger im Wesentlichen zwei Krankheitsbilder vor. Zum einen die Multiple Sklerose und zum anderen eine Neigung zum Suchtverhalten. Bezüglich der Multiple Sklerose ist eine Prophylaxe-Therapie möglich. Der Kläger hat zwei ausprobiert und möchte keine weiteren beginnen. Cannabis kann zudem generell nicht zur MS-Prophylaxe verwendet werden. Es bewirkt jedoch anamnetisch beim Kläger Linderung seiner schmerzhaften Beschwerden und einen besseren Schlaf. Die Symptome der MS Erkrankung können mit den Arzneimitteln Gabapentin oder Pregabalin sowie mit schmerzmodulierenden Antidepressiva als neuropathische Schmerzbehandlung therapiert werden. Der Kläger hat diese Therapieansätze in der Anamnese nicht geschildert und nicht nachgewiesen. Eine Behandlung für die beim Kläger vorliegende Fatiquesymptomatik (Minderbelastbarkeit für Konzentration, Aufmerksamkeit und Antrieb) gibt es bislang nicht. Diesbezüglich ist eine Behandlung mit Cannabis jedoch nicht angezeigt. Bezüglich der Spastikbehandlung gibt es das zugelassene Präparat Sativex, das vom Kläger zweimal probiert worden sei und nicht ausreichend gewirkt habe. Allerdings lässt sich eine Spastik nicht nachweisen, so dass auch diesbezüglich keine Indikation für eine Versorgung mit Cannabis besteht. Der Antrag des Klägers gilt auch nicht nach § 13 Abs. 3a Satz 1 SGB V als genehmigt, da die fünfwöchige Frist nicht abgelaufen ist. Diese fünfwöchige Frist gilt, da die Beklagte den Kläger nach § 13 Abs. 3a Satz 2 SGB V mit Schreiben vom 29.11.2017 darüber informiert hat, dass eine gutachterliche Stellungnahme eingeholt werden müsse. Der Antrag des Klägers ist am 28.11.2017 bei der Beklagten eingegangen, sie hat mit Bescheid vom 28.12.2017 darüber entschieden. Die Kostenentscheidung ergeht aus § 193 SGG.