Sozialgericht Osnabrück
v. 08.01.2019, Az.: S 5 SO 88/18

Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes eines Betreuten i.R.e. Antrags auf Vornahme eines Verwaltungsaktes

Bibliographie

Gericht
SG Osnabrück
Datum
08.01.2019
Aktenzeichen
S 5 SO 88/18
Entscheidungsform
Gerichtsbescheid
Referenz
WKRS 2019, 55163
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

Der Kläger begehrt im Wege einer Untätigkeitsklage eine Entscheidung der Beklagten über einen Antrag vom 27. November 2015.

Der 1981 geborene Kläger ist litauischer Staatsangehöriger. Für ihn wurde eine Betreuung eingerichtet. Zunächst war Frau B. als Betreuerin eingesetzt. Diese wurde mit Beschluss des Amtsgerichts (AG) - Betreuungsgericht - A-Stadt vom 27. Januar 2016 als Betreuerin des Klägers entlassen und Herr C ... zum neuen Betreuer bestellt. Der Aufgabenkreis umfasst die Sorge für die Gesundheit, die Aufenthaltsbestimmung, die Vermögenssorge sowie Rechts-, Antrags- und Behördenangelegenheiten.

Die damalige Betreuerin beantragte mit dem bei der Beklagten am 27. November 2015 eingegangen Antrag Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Dritten Kapitel des SGB XII. In diesem Zusammenhang legte sie ein für das AG - Betreuungsgericht - A-Stadt erstattetes psychiatrisches Gutachten der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. D. vom 1. Oktober 2015 vor.

Nach einem Telefongespräch mit der damaligen Betreuerin des Klägers, sandte die Beklagte die Unterlagen mit Schreiben vom 1. Dezember 2015 an diese zurück.

Nachdem sich für den Kläger ein Rechtsanwalt gemeldet und die Beklagte mit anwaltlichem Schriftsatz vom 8. Dezember 2016 um Entscheidung über den Antrag gebeten hatte, wies die Beklagte mit Schreiben vom 16. Dezember 2016 darauf hin, dass dem Schreiben nicht eindeutig zu entnehmen sei, inwiefern ein Antrag auf Arbeitslosengeld II nach dem SGB II oder ein Antrag auf Sozialhilfe nach dem SGB XII gestellt werden solle. Angesichts der zurzeit überwiegenden herrschende Meinung in der Rechtsprechung (insbesondere in Niedersachsen) dass EU-Bürger grundsätzlich keine Ansprüche nach dem SGB XII hätten, sei davon auszugehen, dass ein Antrag auf Arbeitslosengeld II gemeint sei. Die Beklagte bat daher um Mitteilung, ob eine Weiterleitung des Antrags an das Jobcenter A-Stadt erfolgen solle.

Der Bevollmächtigte des Klägers teilte daraufhin mit, dass eine Entscheidung hinsichtlich des bei der Beklagten am 27. Dezember 2015 eingegangen Antrags begehrt werde.

Die Beklagte erläuterte mit Schreiben vom 26. Januar 2017, dass die seinerzeitige Betreuerin des Klägers einen Antrag auf Leistungen nach dem SGB XII gestellt habe. Die Betreuerin sei darüber informiert worden, dass der Kläger aufgrund seiner Erwerbsfähigkeit dem Rechtskreis des SGB II zuzuordnen sei und ein Anspruch auf Arbeitslosengeld II bestehen könnte. Die damalige Betreuerin habe daraufhin den Antrag zurückgezogen und um Rücksendung der Unterlagen gebeten. Für Leistungen nach dem SGB II sei auch weiterhin das Jobcenter A-Stadt zuständig. Einem Schreiben des Jobcenters A-Stadt vom 11. Januar 2017 sei zu entnehmen, dass für die Jahre 2015 bis 2017 bisher kein Antrag auf Leistungen nach dem SGB II vorliege. Es sei daher weiterhin nicht zu erkennen, welche Leistungen beantragt werden sollen. Das Verwaltungsverfahren hinsichtlich des Antrags vom 27. November 2015 sei bereits abgeschlossen.

Bezugnehmend auf dieses Schreiben teilte der Bevollmächtigte des Klägers sodann am 8. Februar 2017 mit, dass ein Antrag auf Leistungen nach dem SGB II gestellt werden solle. Daraufhin wurde der Kläger vom Jobcenter A-Stadt mit Schreiben vom 14. Februar 2017 gebeten, unverzüglich vorzusprechen.

Der neue Betreuer erhob am 27. November 2017 Klage vor dem Verwaltungsgericht (VG) A-Stadt und begehrte die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB XII, eventuell nach dem AsylbLG. Das VG A-Stadt erklärte sich für sachlich unzuständig und verwies das Verfahren an das Sozialgericht (SG) Osnabrück. Auf das letztlich unter dem Az. S 5 SO 25/18 ER geführte Verfahren wird verwiesen.

Am 24. Juli 2018 ging sodann ein Schreiben des Betreuers des Klägers vom 22. Juni 2018 bei der Beklagten ein, mit dem erneut eine Entscheidung über den Antrag aus November 2015 begehrt wurde.

Nach einem weiteren Schriftwechsel zwischen den Beteiligten hat der Betreuer des Klägers am 15. August 2018 Untätigkeitsklage vor dem SG Osnabrück erhoben.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

die Beklagte zu verurteilen, über seinen Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Dritten Kapitel des SGB XII vom 27. November 2015 zu entscheiden.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Untätigkeitsklage richte sich gegen ein Antragsverfahren, dass beim Jobcenter A-Stadt anhängig sei. Der Antrag aus November 2015 sei von der damaligen Betreuerin telefonisch zurückgezogen worden.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Das Gericht konnte gemäß § 105 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, weil die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist, der Sachverhalt geklärt ist und die Beteiligten vor Erlass ordnungsgemäß angehört wurden. Da der Erlass eines Gerichtsbescheides lediglich die Anhörung der Beteiligten, nicht jedoch deren Einverständnis voraussetzt, ist es unerheblich, dass der Betreuer des Klägers dem Erlass eines Gerichtsbescheides widersprochen hat.

Die Klage ist unzulässig. Es fehlt bereits an einem Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsaktes. Gemäß § 88 Abs. 1 SGG ist die Klage nicht vor Ablauf von sechs Monaten seit dem Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts zulässig, wenn ein Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht beschieden worden. Liegt ein zureichender Grund dafür vor, dass der beantragte Verwaltungsakt noch nicht erlassen ist, so setzt das Gericht das Verfahren bis zum Ablauf einer von ihm bestimmten Frist aus, die verlängert werden kann. Wird innerhalb dieser Frist dem Antrag stattgegeben, so ist die Hauptsache für erledigt zu erklären.

Der Kläger begehrt eine Entscheidung über einem am 27. November 2015 gestellten Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Dritten Kapitel des SGB XII. Es liegt jedoch kein Antrag vom 27. November 2015 (mehr) vor, über den die Beklagte noch entscheiden könnte. Unter Berücksichtigung des Inhalts der Verwaltungsakte hat das Gericht keinen Zweifel, dass die damalige Betreuerin des Klägers den Antrag in einem Telefongespräch mit dem Mitarbeiter der Beklagten Herrn E. zurückgenommen hat. Zwar befindet sich keine schriftliche Rücknahmeerklärung in der Verwaltungsakte der Beklagten, jedoch hat der Mitarbeiter der Beklagten dies mehrfach schriftlich bestätigt. Auf die Schreiben vom 26. Januar 2017, 26. Juli 2018 und 6. August 2018 wird verwiesen. Die Rücknahme eines bereits gestellten Sozialleistungsantrages ist zudem begrifflich vom Verzicht gemäß § 46 SGB I zu unterscheiden und unterliegt prinzipiell nicht den dortigen Einschränkungen (vgl. Groth in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB I, 3. Aufl. 2018, § 46 SGB I, Rn. 50). Die Schriftform für die Rücknahme des Leistungsantrags war daher nicht zwingend.

Es bestehen zudem keine Anhaltspunkte dafür, dass die Angaben des Mitarbeiters der Beklagten fehlerhaft sein sollten, zumal der Kläger eine gegenteilige Erklärung seiner damaligen Betreuerin nicht vorgelegt hat. Darüber hinaus ist in der Verwaltungsakte der Beklagten dokumentiert, dass die Antragsunterlagen an die damalige Betreuerin zurückgesandt wurden. Dies macht lediglich bei einer vorherigen Rücknahme des Antrags Sinn. Hätte die damalige Betreuerin seinerzeit den Antrag nicht zurücknehmen wollen, hätte sie sich mit Sicherheit umgehend an die Beklagte gewandt und um eine Entscheidung über den Antrag auf Bewilligung existenzsichernder Leistungen gebeten. Dies ist nicht geschehen. Inwiefern mit den zurückgesandten Originalantragsunterlagen ein Antrag beim Jobcenter A-Stadt auf Leistungen nach dem SGB II gestellt wurde, ist nicht bekannt. Der der neue Betreuer des Klägers wandte sich nach Übernahme der Betreuung bereits im Januar 2016 ebenfalls nicht umgehend an die Beklagte. Erst mit anwaltlichem Schriftsatz vom 8. Dezember 2016 wurde um eine Entscheidung nachgesucht. Im weiteren Verlauf teilte der seinerzeit bevollmächtigte Rechtsanwalt jedoch mit, dass Leistungen nach dem SGB II beantragt werden sollten.

Nach alledem ist nicht ersichtlich, dass hier noch ein nicht beschiedener Antrag auf Leistungen nach dem SGB XII vom 27. November 2015 vorliegt. Anträge bezüglich Leistungen nach dem SGB II bzw. der zunächst beim VG A-Stadt gestellte Antrag auf Bewilligung von Sozialhilfe vom 27. November 2017 sind nicht Gegenstand dieses Verfahrens.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG und entspricht dem Ausgang des Verfahrens.