Sozialgericht Osnabrück
Urt. v. 28.05.2019, Az.: S 42 KR 489/17

Kostenübernahme zur operativen Entfernung der Xanthelasmen eines gesetzlich Krankenversicherten bei Vorliegen einer Krankheit und medizinischer Notwendigkeit

Bibliographie

Gericht
SG Osnabrück
Datum
28.05.2019
Aktenzeichen
S 42 KR 489/17
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2019, 42532
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist eine Xanthelasmenentfernung streitig.

Die 1960 geborene Klägerin ist bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Es bestehen an beiden Augenlidern seit ca. 3 Jahren sog. Xanthelasmen (d.h. gelbe Flecken oder Knötchen an den Augenlidern durch Einlagerung von Cholesterin). Die Klägerin befindet sich seit ca. 10 Jahren in psychiatrischer bzw. psychotherapeutischer Behandlung.

Mit Schreiben vom 27.02.2017 beantragte sie die Kostenübernahme zur Entfernung der Xanthelasmen und fügte ärztliche Berichte vom 02.03.2017, 21.09.2016 und 19.08.2014 bei, aus denen sich ergibt, dass sie wegen des aus ihrer Sicht auffälligen Aussehens mittlerweile eine soziale Phobie entwickle, die der kontinuierlichen psychiatrischen Behandlung bedürfe. Eine Beeinträchtigung des medianen (mittleren) Gesichtsfeldes sei nicht auszuschließen.

Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 08.03.2017 ab und führte zur dessen Begründung aus, es bestehe keine medizinische Notwendigkeit für die chirurgische Entfernung der Xanthelasmen.

Hiergegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 20.03.2017 Widerspruch ein. Die Beklagte forderte sodann Fotos von der Klägerin an und holte eine Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen (MDK) ein. Dieser führte in seinem Gutachten vom 08.05.2017 aus, es liege keine behandlungsbedürftige Erkrankung vor.

Denn dennoch aufrecht erhaltenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 02.11.2017 zurück und führte zu dessen Begründung ergänzend aus, die Klägerin sei durch die Xanthelasmen auch nicht entstellt.

Hiergegen hat die Klägerin am 20.11.2017 Klage erhoben. Sie wiederholt und vertieft ihr Vorbringen.

Sie beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 08.03.2017 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 02.11.2017 aufzuheben und die Beklagte zu der Kostenübernahme für die operative Entfernung der an beiden Augen vorhandenen Xanthelasmen zu verurteilen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie verweist zur Begründung auf die angefochtenen Bescheide und die vom MDK eingeholte Stellungnahme. Das Gericht hat Befundberichte der behandelnden Ärzte eingeholt, hinsichtlich deren Ergebnisses auf Blatt 20, 24, 29 und 32 der Gerichtsakte verwiesen wird. Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten sowie die von der Beklagten beigezogenen Verwaltungsakte verwiesen. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung, Beratung und Entscheidungsfindung.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Die Klägerin wird durch die angefochtenen Bescheide nicht im Sinne des § 54 Absatz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert, da diese nicht rechtswidrig sind. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die begehrte Xanthelasmenentfernung zu Lasten der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Die Beklagte hat die Leistung zu Recht abgelehnt. Die Leistungspflicht der GKV setzt nach § 27 Absatz 1 Satz 1 SGB V eine Krankheit voraus. Damit wird ein regelwidriger, vom Leitbild eines gesunden Menschen abweichender Körper- oder Geisteszustand umschrieben, welcher der ärztlichen Behandlung bedarf oder den Betroffenen arbeitsunfähig macht. Dabei kommt nicht jeder körperlichen Unregelmäßigkeit Krankheitswert im Rechtssinne vor; die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) hat diese Grundvoraussetzung für die krankenversicherungsrechtliche Leistungspflicht vielmehr dahingegen präzisiert, dass eine Krankheit nur vorliegt, wenn der Versicherte in seinen Körperfunktionen beeinträchtigt wird oder wenn die anatomische Abweichung entstellend wirkt (BSG, Urteil vom 19.10.2004, Aktenzeichen: B 1 KR 3/08 R; sowie Urteil vom 28.02.2008, Aktenzeichen: B 1 KR 19/07 R). Im Bereich der Augen mit den Xanthelasmen der Klägerin liegt ein regelwidriger Körperzustand im Sinne der vorbezeichneten Grundsätze nicht vor. Xanthelasmen sind gutartige Hautveränderungen/Fetteinlagerungen in der Haut der Ober- oder Unterlider, die einer medikamtentösen Behandlung nicht zugänglich sind (Pschyremebel, Klinisches Wörterbuch, 261. Auflage, S. 2085, zitiert nach SG Aachen, Urteil vom 29.11.2016, Az.: S 13 KR 209/16). Die von der Klägerin begehrte chirurgische Entfernung ist zwar möglich, stellt aber keine kausale Behandlung dar; die Rückfallwahrscheinlichkeit beträgt grds. 40 bis 60%. Die Xanthelasmen beeinträchtigen das körperliche Wohlbefinden der Klägerin nicht. Soweit die Klägerin im Rahmen des Termins zur mündlichen Verhandlung erstmals ein Jucken und Nässen der Xanthelasmen beklagt hat, erreicht dies zur Überzeugung der Kammer keinen -dauerhaften- behandlungsbedürftigen Krankheitswert. Die Klägerin trägt selbst hierzu befragt vor, dass sie sich nicht in hautärztlicher Behandlung befindet und auch vom Hausarzt keinerlei Cremes etc. verordnet bekommen hat. Soweit in der ärztlichen Bescheinigung vom 21.09.2016 ausgeführt wird, eine mediane Gesichtsfeldeinschränkung sei nicht auszuschließen, ist dadurch eine etwaige Beeinträchtigung des Sehens insbesondere in Form einer Visus- bzw. Gesichtsfeldeinschränkung nicht durch entsprechende augenärztliche Befunde objektiviert worden. Nicht zuletzt bewirken die Xanthelasmen auch keine äußere Entstellung, die den Bedarf für eine Entfernung begründen könnte. Um eine Entstellung annehmen zu können, genügt nicht jede körperliche Anomalität. Vielmehr muss es sich nach der Rechtsprechung objektiv um eine erhebliche Auffälligkeit handeln, die naheliegende Reaktionen der Mitmenschen wie Neugier und Betroffenheit hervorruft und damit zugleich erwarten lässt, dass die Betroffene ständig viele Blicke auf sich zieht, zum Objekt besonderer Betrachtung anderer wird und sich deshalb aus dem Leben der Gemeinschaft zurückzuziehen und zu vereinsamen droht, sodass die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft gefährdet ist (vgl. nur BSG , Urteil vom 28.02.2008, Az.: B 1 KR 19/07 R ). Um eine Auffälligkeit eines solchen Ausmaßes zu erreichen, muss eine beachtliche Erheblichkeitsschwelle überschritten sein, sodass sich diese schon bei flüchtiger Begegnung in alltäglichen Situationen quasi "im Vorbeigehen" bemerkbar macht und regelmäßig zur Fixierung des Interesses anderer auf den Betroffenen führt. Die Kammer konnte sich aufgrund der von vorlegten Fotodokumentation des Gesichts der Klägerin und insbesondere auch durch Inaugenscheinnahme der Klägerin im Termin zu mündlichen Verhandlung davon überzeugen, dass ihr Gesicht und insbesondere der Bereich der Augen/Augenlider keine Entstellung aufweist. Die Klägerin, die an keiner Sehminderung leidet, trägt eine Brille, um die aus ihrer Sicht störenden und belastenden Hautveränderungen im Bereich der Augen zu kaschieren. Auch bei Abnahme der Brille durch die Klägerin in der mündlichen Verhandlung war zur Überzeugung der erkennenden Kammer der optische Eindruck für die Kammer weit von dem entfernt, was nach den dargestellten Maßstäben des BSG als behandlungsbedürftige Entstellung anzusehen ist. Die Klägerin hat zwar nachvollziehbar geschildert, dass sie ihre Erscheinung als Entstellung ansieht und sich deswegen ungern in Gesellschaft zeigen mag, was Auswirkungen auf ihr Freizeit- und sonstiges soziales Verhalten hat. Für die Annahme einer Regelabweichung ist jedoch nicht die subjektive Betrachtungsweise des betroffenen Versicherten, sondern allein ein objektiver Maßstab entscheidend. Es kann dahingestellt bleiben, ob und in welcher Intensität sich aus der subjektiven Unzufriedenheit der Klägerin über die Xanthelasmen und ihrem damit verbundenen Erscheinungsbild eine psychische Störung bzw. ein psychisches Leiden mit Krankheitswert entwickelt hat. Vor dem Hintergrund der schon über eine Dekade währenden psychotherapeutischen bzw. psychiatrischen Behandlung und dem Auftreten der Xanthelasmen erst vor ca. 3 Jahren dürfte insoweit kein kausaler Zusammenhang bestehen. Selbst wenn dies so wäre, würde dies nicht zum Anspruch der Klägerin auf die begehrte Operation führen. Denn nach der bundessozialgerichtlichen Rechtsprechung besteht ein Leistungsanspruch auf eine Heilbehandlung in Form eines körperlichen Eingriffs nicht, wenn diese Maßnahme nicht durch eine Fehlfunktion oder durch eine Entstellung, also nicht durch einen regelwidrigen Körperzustand indiziert wird. Operationen, am krankenversicherungsrechtlich betrachtet, gesunden Körper, die psychische Leiden beeinflussen sollen, sind keine Behandlungen im Sinne von § 27 Absatz 1 SGB V und psychische Störungen sind in der Regel nur mit Mitteln der Psychiatrie und Psychotherapie zu behandeln, damit das psychische Grundproblem angegangen und unmittelbar behandelt werden kann (vgl. BSG, Urteil vom 19.02.2003, Aktenzeichen: B 1 KR 1/02). Die Kostenentscheidung beruht auf der Anwendung von § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Verfahrens.