Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 02.05.2023, Az.: 7 W 14/23 (L)
Geschäftswert im Verfahren auf Löschung des Hofvermerks
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 02.05.2023
- Aktenzeichen
- 7 W 14/23 (L)
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2023, 30172
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2023:0502.7W14.23L.00
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Lüneburg - 06.07.2022 - AZ: 48 Lw 1/22
Rechtsgrundlagen
- GNotKG § 36 Abs. 1
- GNotKG § 46 Abs. 3 S. 1 Nr. 3
- GNotKG § 48
Amtlicher Leitsatz
Der Geschäftswert in Verfahren auf Löschung des Hofvermerks ist in der Regel mit dem (einfachen) Einheitswert zu bestimmen.
In der Landwirtschaftssache
1. Bezirksrevisor bei dem Landgericht Lüneburg, Am Markt 7, 21335 Lüneburg,
Geschäftszeichen: ....
Beschwerdeführer,
2. H.B.,
Antragsteller,
Verfahrensbevollmächtigte zu 2:
pp.
hat der 7. Zivilsenat - Senat für Landwirtschaftssachen - des Oberlandesgerichts Celle durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht ..., die Richterin am Oberlandesgericht ... und den Richter am Oberlandesgericht ... am 2. Mai 2023 beschlossen:
Tenor:
Die Beschwerde des Bezirksrevisors bei dem Landgericht Lüneburg vom 5. Dezember 2022 gegen die Festsetzung des Geschäftswerts mit Beschluss des Amtsgerichts - Landwirtschaftsgericht - Lüneburg vom 6. Juli 2022 wird zurückgewiesen.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I.
Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Landwirtschaftsgericht den Geschäftswert für den Antrag auf Löschung des Hofvermerks unter Berufung auf den Beschluss des Senats vom 28. Januar 2015 in der Sache 7 W 1/15 auf den einfachen Einheitswert festgesetzt. Nach Ansicht des Bezirksrevisors ist der Geschäftswert hingegen auf 20% des Verkehrswerts festzusetzen.
II.
Der Senat entscheidet in der Besetzung gemäß § 2 Abs. 2 LwVG und nicht gemäß § 81 Abs. 6 Satz 1 GNotKG durch Einzelrichter, weil der angefochtene Beschluss nicht von einem Einzelrichter, sondern dem Vorsitzenden des Landwirtschaftsgerichts erlassen wurde (allg. Meinung; vgl. OLG Oldenburg, Beschluss vom 23. Juni 2022 - 10 W 8/21, juris Rn. 4; OLG Hamm, Beschluss vom 9. Februar 2023 - 10 W 65/22, juris Rn. 13). Die Entscheidung ergeht gemäß § 81 Abs. 6 Satz 3, § 83 Abs. 1 Satz 5 GNotKG ohne Hinzuziehung ehrenamtlicher Richter.
III.
Die nach § 83 Abs. 1 Satz 1 GNotKG statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde ist unbegründet.
1. In Verfahren betreffend die Löschung eines Hofvermerks ergibt sich der Geschäftswert nicht aus § 48 Abs. 3 Nr. 1 GNotKG, sondern ist gemäß § 36 Abs. 1 GNotKG nach billigem Ermessen zu bestimmen (vgl. Senat, Beschluss vom 7. Oktober 2021 - 7 W 45/21, n. v.; OLG Oldenburg, Beschluss vom 23. Juni 2022 - 10 W 8/21, juris Rn. 7; OLG Hamm, Beschluss vom 9. Februar 2023 - 10 W 65/22, juris Rn. 17 ff.). Für die Ermessensausübung sind unter anderem das Ausmaß, in welchem das betroffene Wirtschaftsgut berührt wird, aber auch der Umfang der Angelegenheit sowie das Interesse der Beteiligten an der Angelegenheit und die Bedeutung, welche diese für sie hat, zu berücksichtigen. Im Allgemeinen kann der Geschäftswert durch einen prozentualen Abschlag auf den Verkehrswert bestimmt werden (vgl. OLG Oldenburg, Beschluss vom 23. Juni 2022 - 10 W 8/21, juris Rn. 11 f.; OLG Hamm, Beschluss vom 9. Februar 2023 - 10 W 65/22, juris Rn. 25 f.).
2. Der Geschäftswert in Verfahren auf Löschung des Hofvermerks ist in der Regel mit dem (einfachen) Einheitswert zu bestimmen. Das ist allerdings nicht unumstritten.
a) Nach einer Ansicht ist der Geschäftswert im Regelfall auf 10% des Verkehrswerts festzusetzen, der gemäß § 46 Abs. 1 GNotKG den Ausgangspunkt für den Kostenansatz bilde (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 9. Februar 2023 - 10 W 65/22, juris; auch Diehn in Bormann/Diehn/Sommerfeldt, 4. Aufl., § 36 GNotKG Rn. 34; Korintenberg/Bormann, 22. Aufl., § 36 GNotKG Rn. 62). Auch nach § 46 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GNotKG dürften für Zwecke der Steuererhebung festgesetzte Werte nur zu der Bestimmung des Verkehrswerts herangezogen werden; der Einheitswert bilde also nur ein Hilfskriterium für die Ermittlung des Verkehrswerts (vgl. OLG Hamm, aaO juris Rn. 27). Zwar sei mit der Löschung des Hofvermerks nur ein verhältnismäßig geringer gerichtlicher Bearbeitungsaufwand verbunden und es liege mit dem Einheitswert eine in einem standardisierten Verfahren ermittelte Bezugsgröße vor, die sich regelmäßig einfacher und transparenter feststellen lasse als der jeweilige Verkehrswert (vgl. OLG Hamm, aaO Rn. 30). Ein Rückgriff auf den Einheitswert sei jedoch mit der gesetzgeberischen Intention des Kosten- und des materiellen Rechts nicht vereinbar. Der kostenrechtlichen Privilegierung des § 48 GNotKG liege das Ziel der Erhaltung lebens- und leistungsfähiger bäuerlicher Familienbetriebe zugrunde, was auch die Ausübung des eingeräumten Ermessens begrenze (vgl. OLG Hamm, aaO Rn. 31).
b) Nach der Gegenansicht ist der Geschäftswert im Regelfall mit dem einfachen Einheitswert zu bemessen (vgl. OLG Oldenburg, Beschluss vom 23. Juni 2022 - 10 W 8/21, juris Rn. 10; NK-GK/Volpert/Giers, 3. Aufl., § 76 GNotKG Rn. 38). Zwar sei der Geschäftswert im Allgemeinen durch einen prozentualen Abschlag auf den Verkehrswert zu bestimmen. In den hier interessierenden Verfahren lägen dem Gericht jedoch häufig lediglich Grundbuchangaben zu der betroffenen Besitzung und die negative Hoferklärung des Eigentümers vor, so dass sich weder die wertbildenden Faktoren der landwirtschaftlichen Besitzung tragfähig einschätzen noch die individuellen Beweggründe des Eigentümers und die daraus resultierende wirtschaftliche Bedeutung seiner negativen Hoferklärung fundiert beurteilen ließen. Selbst wenn der Eigentümer einen Verkehrswert mitgeteilt habe, ließe sich seine Angabe ohne weitere Anknüpfungstatsachen nicht zuverlässig überprüfen (vgl. OLG Oldenburg, Beschluss vom 23. Juni 2022 - 10 W 8/21, juris Rn. 12). Zur Vermeidung eines unangemessenen Ermittlungsaufwands erlaube § 46 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GNotKG den Rückgriff auf Steuerwerte, wie etwa den Einheitswert (vgl. OLG Oldenburg, aaO Rn. 14). Der Rückgriff auf den Einheitswert sei zudem besser geeignet, die Relation zwischen Bearbeitungsaufwand und Gebühr zu wahren (vgl. OLG Oldenburg, aaO Rn. 17), biete eine größere Gewähr der Gleichbehandlung der Antragsteller als eine mit Unsicherheiten beladene Schätzung des Verkehrswerts und lasse sich ohne größere Schwierigkeiten ermitteln (vgl. OLG Oldenburg, aaO Rn. 18).
c) Der Senat teilt die zuletzt genannte Ansicht. Sie entspricht seiner bereits früher vertretenen Auffassung (vgl. Senat, Beschluss vom 28. Januar 2015 - 7 W 1/15 (L), juris Rn. 16). Soweit dem Beschluss des Senats vom 7. Oktober 2021 (7 W 45/21) anderes zu entnehmen ist, hält der Senat daran nicht fest.
aa) Im Grundsatz besteht Einigkeit darüber, dass Ausgangspunkt der Wertfestsetzung die Bestimmung des § 46 GNotKG ist, nach der grundsätzlich der Verkehrswert der landwirtschaftlichen Grundstücke den maßgeblichen Bezugspunkt bildet und sich angesichts des geringfügigen gerichtlichen Aufwands eine aufwändige Wertermittlung verbietet. Diesem Ziel dient die Vorschrift des § 46 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 GNotKG, mit der der Gesetzgeber einen verstärkten Rückgriff auf Steuerwerte - wie der nach §§ 19, 33 ff. BewG festgestellte Einheitswert- ermöglichen wollte, um einen unverhältnismäßigen Ermittlungsaufwand zu vermeiden (vgl. BT-Drucks. 17/11471 S. 168; auch OLG Oldenburg, Beschluss vom 23. Juni 2022 - 10 W 8/21, juris Rn. 14). Dass sich der Einheitswert regelmäßig einfacher feststellen lässt als der jeweilige Verkehrswert, steht nicht in Frage (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 9. Februar 2023 - 10 W 65/22, juris Rn. 30).
bb) Die gegen die Heranziehung des Einheitswertes geäußerten Bedenken teilt der Senat nicht; insbesondere steht der Gesetzeszweck des § 48 GNotKG dem Rückgriff auf den Einheitswert nicht entgegen. Zweck des § 48 GNotKG ist die kostenmäßige Begünstigung der Beteiligten; ohne diese Vorschrift wäre in den dort genannten Angelegenheiten - zu denen die Löschung eines Hofvermerks nach einhelliger Auffassung nicht gehört (vgl. Senat, Beschluss vom 7. Oktober 2021 - 7 W 45/21, n. v.; OLG Oldenburg, Beschluss vom 23. Juni 2022 - 10 W 8/21, juris Rn. 7; OLG Hamm, Beschluss vom 9. Februar 2023 - 10 W 65/22, juris Rn. 17 ff.; Diehn in Bormann/Diehn/Sommerfeldt, 4. Aufl., § 36 GNotKG Rn. 34, § 48 GNotKG Rn. 8; Korintenberg/Tiedtke, 22. Aufl., § 48 GNotKG Rn. 58) - nach der Regel des § 46 GNotKG häufig der volle Verkehrswert anzusetzen. Darum geht es hier jedoch nicht. Die Heranziehung des Einheitswertes in den Verfahren auf Löschung des Hofvermerks ist nicht Ausdruck einer Privilegierung des Verfahrensgegenstands, sondern trägt dem geringfügigen gerichtlichen Aufwand bei der Durchführung des Geschäfts Rechnung (vgl. OLG Oldenburg, Beschluss vom 23. Juni 2022 - 10 W 8/21, juris Rn. 17). Dieser wird mit dem Einheitswert zutreffend erfasst, weshalb es eines quotalen Abschlags auf den aufwändig zu ermittelnden Verkehrswert nicht bedarf.
cc) Zudem trägt die Heranziehung des Einheitswertes dem Bestreben der kostenrechtlichen Gleichbehandlung der Rechtssuchenden Rechnung. Zwar werden die Antragsteller, rein formal betrachtet, kostenrechtlich auch dann gleichbehandelt, wenn einheitlich ein bestimmter Bruchteil des Verkehrswerts in Ansatz gebracht wird. In den Verfahren nach § 3 Abs. 1 HöfeVfO liegen dem Gericht vielfach - wie hier - aber kaum mehr Informationen über die konkreten Gegebenheiten vor als bestimmte Grundbuchangaben zu der betroffenen Besitzung und die negative Hoferklärung des Eigentümers. Auch soweit die Antragsteller einen Verkehrswert (nachträglich) angeben, was nach § 46 Abs. 2 Nr. 2 GNotKG auch einen Anhaltspunkt für die Bestimmung des Verkehrswerts darstellen kann, lässt sich ohne nähere Kenntnis der wertbildenden Faktoren der landwirtschaftlichen Besitzung die wirtschaftliche Bedeutung der negativen Hoferklärung nicht zuverlässig beurteilen (vgl. OLG Oldenburg, Beschluss vom 23. Juni 2022 - 10 W 8/21, juris Rn. 12). Das führt zwangsläufig dazu, dass die lediglich geschätzten Werte hinsichtlich ihrer Übereinstimmung mit dem tatsächlichen Verkehrswert im Sinne von § 46 Abs. 1 GNotKG einer großen Schwankungsbreite unterliegen. Zwar wird bei Schätzungen im Grundsatz in Kauf genommen, dass das Ergebnis unter Umständen mit der Wirklichkeit nicht übereinstimmt. Mit der Heranziehung des Einheitswertes wird diese Ergebnisdiskrepanz jedoch weitgehend vermieden, weil der Einheitswert in einem standardisierten Verfahren ermittelt wird.
IV.
Gemäß § 83 Abs. 3 GNotKG ist das Verfahren gebührenfrei; eine Kostenerstattung findet nicht statt.