Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 23.06.2022, Az.: 10 W 8/21

Beschwerde gegen die Festsetzung eines Geschäftswerts in einer Landwirtschaftssache; Ersuchen an das Grundbuchamt um Löschung eines Hofvermerks; Einfacher Einheitswert

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
23.06.2022
Aktenzeichen
10 W 8/21
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2022, 33105
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
AG Brake - 22.03.2021 - AZ: 4b Lw 5/21

Fundstellen

  • JurBüro 2022, 533-535
  • Rpfleger 2022, 716-717
  • ZEV 2022, 754-755

Amtlicher Leitsatz

Der Geschäftswert für das Verfahren vor dem Landwirtschaftsgericht betreffend das Ersuchen an das Grundbuchamt um Löschung eines Hofvermerks (§ 3 Abs. 1 HöfeVfO) ist in der Regel nach § 36 Abs. 1 GNotKG mit dem einfachen Einheitswert zu bemessen.

Tenor:

Die Beschwerde der Bezirksrevisorin bei dem Landgericht Oldenburg gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Landwirtschaftsgericht - Brake vom 22.03.2021, mit dem der Geschäftswert auf 25.002,00 € festgesetzt worden ist, wird zurückgewiesen.

Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

I.

Der Antragsteller hat bei dem Amtsgericht - Landwirtschaftsgericht - Brake beantragt, den für sein Grundstück in dem Grundbuch von (...) Blatt (...) eingetragenen Hofvermerk zu löschen. Nachdem das Amtsgericht - Landwirtschaftsgericht - die Löschung veranlasst hatte, hat es den Gegenstandswert für das Verfahren mit Beschluss vom 22.03.2021 auf 25.002,00 € festgesetzt. Dieser Betrag entspricht dem Einheitswert für die betreffende landwirtschaftliche Besitzung, den das Finanzamt Nordenham zuvor auf Anfrage des Amtsgerichts - Landwirtschaftsgericht - mitgeteilt hatte.

Gegen die Festsetzung des Geschäftswerts auf 25.002,00 € hat die Bezirksrevisorin bei dem Landgericht Oldenburg Beschwerde eingelegt. Sie vertritt - anknüpfend an frühere Entscheidungen des hiesigen Senats (unter anderem Beschluss vom 26.01.2016, Az.: 10 W 22/15, veröffentlicht bei juris) - die Auffassung, der Gegenstandswert für das Verfahren vor dem Landwirtschaftsgericht über das Ersuchen an das Grundbuchamt um Löschung des Hofvermerks sei nicht anhand des Einheitswertes, sondern anhand des Verkehrswertes der jeweiligen landwirtschaftlichen Besitzung zu bemessen. Die Vorschrift des § 48 GNotKG, wonach in bestimmten Konstellationen der Einheitswert maßgebend sei, lasse sich, so die Bezirksrevisorin, angesichts ihres Zwecks, leistungsfähige landwirtschaftliche Betriebe in Familienbesitz zu erhalten, auf die vorliegende Gestaltung weder unmittelbar noch analog anwenden. Einschlägig sei vielmehr die allgemeine Regelung des § 36 Abs. 1 GNotKG. Danach komme es auf den Verkehrswert des betroffenen Grundbesitzes an. Zu berücksichtigen sei allerdings, dass es bei Verfahren der in Rede stehenden Art nicht um den Hof als solchen gehe, sondern nur um dessen Eigenschaft als Hof. Aus diesem Grund sei der Geschäftswert mit einem Bruchteil des Verkehrswertes zu veranschlagen, wobei sich in der Regel 20 % als angemessen darstellten. Die Höhe des hier zugrunde zu legenden Verkehrswertes sei noch zu ermitteln.

Das Amtsgericht - Landwirtschaftsgericht - hat der Beschwerde der Bezirksrevisorin nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Für das Beschwerdeverfahren ist der Senat für Landwirtschaftssachen in der Besetzung mit drei Berufsrichtern - ohne die Mitwirkung ehrenamtlicher Richter - zuständig (§§ 2 Abs. 2 LwVG, 83 Abs. 1 Satz 5, 81 Abs. 6 Satz 3 GNotKG). Die angefochtene Entscheidung ist von dem Vorsitzenden des Landwirtschaftsgerichts nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 LwVG ohne Hinzuziehung ehrenamtlicher Richter getroffen worden. Die Festsetzung des Geschäftswerts außerhalb einer Hauptsacheentscheidung stellt eine Angelegenheit von geringer Bedeutung im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 7 LwVG dar, bei der der allein entscheidende Berufsrichter des erstinstanzlichen Landwirtschaftsgerichts nicht als Einzelrichter, sondern in seiner Funktion als Vorsitzender entscheidet, weswegen das Beschwerdegericht ebenfalls nicht durch den Einzelrichter entscheiden kann (vgl. Huth, in v. Selle/Huth, LwVG, § 20, Rn. 49; OLG Schleswig, Beschluss vom 31.05.2016, Az.: 60L WLw 22/15, Rn. 9, juris).

III.

Die nach §§ 1 Abs. 1 HöfeVfO, 9 LwVG und 83 Abs. 1 GNotKG statthafte Beschwerde ist zulässig; sie ist insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden. In der Sache musste ihr jedoch der Erfolg versagt bleiben.

1. Durch das Kostenrechtsänderungsgesetz 2021 (KostRÄG 2021) vom 21.12.2020 (BGBl. I S. 3229) ist mit Wirkung vom 01.01.2021 in Absatz 1 der Nr. 15112 KV GNotKG ein spezieller Gebührentatbestand für das Verfahren vor dem Landwirtschaftsgericht über Ersuchen an das Grundbuchamt um Eintragung oder - wie hier - Löschung des Hofvermerks eingeführt worden. Der Gesetzgeber hat damit auf die von mehreren Oberlandesgerichten vertretene - seiner Ansicht nach unzutreffende- Auffassung reagiert, wonach die aufgrund von Hoferklärungen vorzunehmenden Tätigkeiten der Landwirtschaftsgerichte (Prüfung der Erklärung und der Rechtsfolgen, Ersuchen an das Grundbuchamt) nicht unter den Auffanggebührentatbestand für "Verfahren im Übrigen" in Nummer 15112 KV GNotKG fielen und damit gerichtsgebührenfrei waren (so etwa Schleswig-Holsteinisches OLG, Beschluss vom 31.05.2016, Az.: 60L WLw 22/15, Rn. 12 ff.; OLG Celle, Beschluss vom 17.10.2016, Az.: 7 W 35/16 (L), Rn. 8; OLG Hamm, Beschluss vom 03.11.2016, Az.: 10 W 150/15, Rn. 12 ff.; OLG Köln, Beschluss vom 29.03.2017, Az.: 23 WLw 2/17, Rn. 1 ff., jeweils juris; Senat, Beschluss vom 27.03.2017, Az.: 10 W 35/16 (Lw), n. v.). Nunmehr ist ausdrücklich eine 0,5 Gebühr nach § 34 GNotKG, Tabelle A vorgesehen. Um die Höhe der Gebühr zu berechnen, ist somit die Festsetzung eines Gegenstandswertes erforderlich.

2. Auf welche Weise der Gegenstandswert für das Verfahren vor dem Landwirtschaftsgericht über das Ersuchen an das Grundbuchamt um Löschung des Hofvermerks zu bemessen ist, ist nach wie vor nicht besonders geregelt. Maßgebend ist deshalb die Vorschrift des § 36 Abs. 1 GNotKG, der zufolge das Gericht den Geschäftswert nach billigem Ermessen zu bestimmen hat (vgl. Volperts/Giers, in: Schneider/Volpert/Fölsch, Gesamtes Kostenrecht, 3. Aufl., § 76 GNotKG, Rn. 38 m. w. N.; Waldner, in: Rohs/Wedewer, GNotKG, Stand: November 2021, Anl. 1 zu § 3 Abs. 2 - KV/Teil 1, Vorbem. 1.5.1.1-15112, Rn. 15). Die dabei heranzuziehenden Kriterien sind umstritten:

a) Ein Teil der Rechtsprechung und Literatur stellt auf den Verkehrswert ab mit der Einschränkung, dass wegen des geringen Aufwands, der mit dem Verfahren über das Ersuchen um Löschung des Hofvermerks verbunden sei, in der Regel lediglich ein Anteil von 20 % zugrunde gelegt werden könne (in diesem Sinne OLG Hamm, Beschluss vom 11.08.2016, Az.: 10 W 23/16, Rn. 7, juris; Bormann, in: Korintenberg, GNotKG, 22. Aufl., § 36, Rn. 62; Diehn, in: Bormann/Diehn/Sommerfeldt, GNotKG, 4. Aufl., § 36, Rn. 34).

b) Nach anderer Auffassung ist der Geschäftswert für das Verfahren vor dem Landwirtschaftsgericht im Falle einer negativen Hoferklärung nach dem Einheitswert zu bemessen, wobei grundsätzlich der einfache Einheitswert genügen soll (in diesem Sinne OLG Celle, Beschluss vom 28.01.2015, Az.: 7 W 1/15 (L), Rn. 16; OLG Köln, Beschluss vom 02.11.2015, Az.: 23 WLw 5/15, Rn. 2, jeweils juris; Seutemann, Landwirtschaftssachen, S. 48 f.; Volpert/Giers, in: Schneider/Volpert/Fölsch, Gesamtes Kostenrecht, 3. Aufl., § 76 GNotKG, Rn. 38; Waldner, in: Rohs/Wedewer, GNotKG, Stand: November 2021, Anl. 1 zu § 3 Abs. 2 - KV/Teil 1, Vorbem. 1.5.1.1-15112, Rn. 15).

c) Der Senat hat in der Vergangenheit den Standpunkt eingenommen, der Geschäftswert für das gerichtliche Verfahren betreffend den Antrag auf Löschung eines Hofvermerks sei gemäß §§ 36 Abs. 1, 46 GNotKG mit einem Bruchteil des Verkehrswertes zu veranschlagen; im Regelfall stellten sich 20 % als angemessen dar (vgl. Beschluss vom 26.01.2016, Az.: 10 W 22/15, Rn. 6 ff., juris; ferner Beschluss vom 25.03.2015, Az.: 10 W 4/15, n. v.). An dieser Auffassung hält der Senat nicht länger fest. Vielmehr erscheint ihm inzwischen derjenige Ansatz vorzugswürdig, wonach in Konstellationen der vorliegenden Art prinzipiell der einfache Einheitswert angemessen ist. Dem liegen folgende Erwägungen zugrunde:

aa) Gemäß § 36 Abs. 1 GNotKG ist das Ermessen nach Billigkeitserwägungen auszuüben. Abzustellen ist dabei unter anderem auf das Ausmaß, in welchem das betroffene Wirtschaftsgut berührt wird, aber auch auf den Umfang der Angelegenheit sowie das Interesse der Beteiligten an der Angelegenheit und die Bedeutung, welche diese für sie hat (vgl. Bormann, in: Korintenberg, GNotKG, 22. Aufl., § 36, Rn. 12, 14).

bb) Der Senat verkennt nicht, dass die genannten Kriterien bei der Anwendung des § 36 Abs. 1 GNotKG im Allgemeinen in der Weise Berücksichtigung finden, dass von einem Bezugswert prozentuale Ab- oder Zuschläge vorgenommen werden und dass der Bezugswert im Regelfall der Verkehrswert ist (vgl. Bormann, a. a. O.). In den hier interessierenden Verfahren nach § 3 Abs. 1 HöfeVfO liegen dem Gericht jedoch vielfach kaum mehr Informationen über die konkreten Gegebenheiten vor als bestimmte Grundbuchangaben zu der betroffenen Besitzung und die negative Hoferklärung des Eigentümers. In einer solchen Situation lassen sich weder die wertbildenden Faktoren der landwirtschaftlichen Besitzung tragfähig einschätzen noch die individuellen Beweggründe des Eigentümers und die daraus resultierende wirtschaftliche Bedeutung seiner negativen Hoferklärung fundiert beurteilen. Selbst wenn der Eigentümer - wie hier - einen Verkehrswert mitgeteilt hat, lässt sich seine Angabe ohne weitere Anknüpfungstatsachen nicht zuverlässig überprüfen.

Eine weitere Sachaufklärung zu diesen Punkten - womöglich mit sachverständiger Hilfe (§ 46 Abs. 4 GNotKG gilt nicht für die gerichtliche Geschäftswertfestsetzung nach § 79 Abs. 1 GNotKG; vgl. Diehn, in: Bormann/Diehn/Sommerfeldt, GNotKG, 4. Aufl., § 46, Rn. 36) - stünde zu dem regelmäßig mit wenig Bearbeitungsaufwand verbundenen Hauptsacheverfahren nach § 3 HöfeVfO außer Verhältnis (vgl. Seutemann, Landwirtschaftssachen, S. 49).

Um einen unangemessenen Aufwand bei der Ermittlung eines Grundstücksverkehrswertes im Sinne eines Marktwertes zu vermeiden, räumt auch § 46 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GNotKG die Möglichkeit ein, bei der Bestimmung des Verkehrswertes ergänzend auf Steuerwerte - wie etwa Einheitswerte - zurückzugreifen (vgl. die Begründung des Regierungsentwurfs des 2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes vom 14.11.2012, BT-Drucks. 17/11471, S. 167 f.). Vor diesem Hintergrund ist nicht ersichtlich, weshalb es nicht möglich sein sollte, den Einheitswert auch jenseits der Fälle des § 48 GNotKG bei der Bestimmung des Geschäftswertes im Rahmen der Billigkeitserwägungen nach § 36 Abs. 1 GNotKG heranzuziehen.

cc) Eine analoge Anwendung des § 48 GNotKG hält der Senat in Gestaltungen der vorliegenden Art nach wie vor nicht für zulässig, auch wenn die Begründung des Regierungsentwurfs zu dem Entwurf des KostRÄG 2021 eine (entsprechende) Anwendbarkeit des § 48 GNotKG zumindest in Betracht zu ziehen scheint (BT-Drucks. 19/23484, S. 60). Aus Sicht des Senats scheidet eine solche Analogie bereits deshalb aus, weil eine Erklärung, die - wie hier - auf den Wegfall der Hofeigenschaft gerichtet ist, dem Zweck des § 48 GNotKG zuwiderläuft, die im öffentlichen Interesse stehende Erhaltung und Fortführung leistungsfähiger landwirtschaftlicher Betriebe in Familienbesitz zu privilegieren (vgl. Diehn, in: Bormann/Diehn/Sommerfeldt, GNotKG, 4. Aufl., § 48, Rn. 1). Es fehlt damit an der für eine Analogie erforderlichen vergleichbaren Interessenlage.

dd) Freilich schließt dies nach dem oben Gesagten nicht aus, im Rahmen der Billigkeitserwägungen nach § 36 Abs. 1 GNotKG auf den Einheitswert zurückzugreifen. Ein solches Vorgehen erscheint nicht nur praktikabler, sondern auch aus folgenden Gründen sachgerecht:

Einmal trägt der (einfache) Einheitswert, der in aller Regel niedriger ist als 20 % des - im Sinne eines Marktwertes verstandenen - Verkehrswertes, dem Umstand Rechnung, dass Verfahren vor dem Landwirtschaftsgericht über das Ersuchen um Löschung des Hofvermerks (§ 3 Abs. 1 HöfeVfO) ganz überwiegend mit einem verhältnismäßig geringen Bearbeitungsaufwand verbunden sind (ebenso OLG Köln, Beschluss vom 02.11.2015, Az.: 23 WLw 5/15, Rn. 2, juris; Seutemann, Landwirtschaftssachen, S. 49). Immerhin stellt der einschlägige Gebührentatbestand unter Nr. 15112 Abs. 1 KV GNotKG auf die Tabelle A des § 34 Abs. 2 GNotKG ab und nicht etwa auf die Tabelle B, welche deutlich geringere Gebühren vorsieht. Innerhalb dieses Rahmens erscheint der Bezug auf den Einheitswert besser geeignet, die Relation zwischen Bearbeitungsaufwand und Gebühr zu wahren (in diesem Sinne auch Waldner, in: Rohs/Wedewer, GNotKG, Stand: November 2021, Anl. 1 zu § 3 Abs. 2 - KV/Teil 1, Vorbem. 1.5.1.1-15112, Rn. 15).

Überdies steht mit dem Einheitswert eine in einem standardisierten Verfahren ermittelte Bezugsgröße zur Verfügung, die unter den speziellen Bedingungen des hier beleuchteten gerichtlichen Tätigwerdens nach § 3 Abs. 1 HöfeVfO eher die Gewähr für eine Gleichbehandlung bei der Bemessung des Geschäftswertes bietet als die Schätzung des Marktwertes der betreffenden landwirtschaftlichen Besitzung oder der konkreten wirtschaftlichen Bedeutung, welche die Löschung des Hofvermerks für den Eigentümer hat. Eine dem Einzelfall gerecht werdende Beurteilung der zuletzt genannten Punkte ist zumeist ohne eine - unverhältnismäßig aufwändige - ergänzende Sachaufklärung kaum möglich (siehe oben). Dagegen ist der nach § 19 BewG festgestellte Einheitswert in aller Regel ohne größere Schwierigkeiten in Erfahrung zu bringen.

IV.

1. Der Kostenausspruch des vorliegenden Beschlusses hat seine Grundlage in § 83 Abs. 3 GNotKG.

2. Ein Rechtsmittel gegen diese Entscheidung ist nicht gegeben. Die Möglichkeit, eine Rechtsbeschwerde gegen diese Entscheidung zuzulassen, besteht nicht (§§ 83 Abs. 1 Satz 5, 81 Abs. 3 Satz 3 GNotKG).