Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 23.05.2023, Az.: 16 U 604/22

Ansprüche des Käufers eines angeblich vom sog. Diesel-Abgasskandal betroffenen Pkw mit dem Motortyp EA288; Anforderungen an die Darlegung einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung durch den Hersteller

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
23.05.2023
Aktenzeichen
16 U 604/22
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2023, 33068
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
LG Stade - 22.12.2022 - AZ: 6 O 218/22

Redaktioneller Leitsatz

Die Implementierung eines sog. Thermofensters in der Steuerungssoftware eines Dieselmotors vermag für sich genommen den Vorwurf einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung durch den Hersteller eines Motors nicht zu begründen. Vielmehr muss hinzutreten, dass die Software bewusst so programmiert wurde, dass sie das Fahrzeug nur auf dem Prüfstand in einen Modus schaltet, der die Einhaltung der Schadstoffgrenzwerte gewährleistet (hier: verneint für einen Motor der Volkswagen AG vom Typ EA 288).

Tenor:

  1. 1.

    Der Senat beabsichtigt, den Streitwert für die Berufungsinstanz auf bis 19.000,00 EUR festzusetzen.

  2. 2.

    Es wird erwogen, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Einzelrichters der 6. Zivilkammer des Landgerichts Stade vom 22. Dezember 2022 durch Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

  3. 3.

    Dem Kläger wird Gelegenheit zur Stellungnahme - und zur evtl. Rücknahme der Berufung aus Kostengründen - bis zum 9. Juli 2023 gegeben.

Gründe

Der Senat beabsichtigt nach vorläufiger Beratung, die Berufung des Klägers gemäß § 522 Abs. 2 ZPO als unbegründet zurückzuweisen. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern nicht eine Entscheidung des Berufungsgerichts. Eine mündliche Verhandlung ist nicht geboten. Zudem hat die Berufung nach vorläufiger Beurteilung aus folgenden Gründen offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg.

Gemäß § 513 Abs. 1 ZPO kann die Berufung nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung, die angegriffen wird, auf einer Rechtsverletzung gemäß § 546 ZPO beruht oder nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen. Zur Überzeugung des Senats liegen solche Berufungsgründe nicht vor. Das Landgericht hat die Klage vielmehr zu Recht und im Einklang mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung abgewiesen. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen. Die hiergegen von dem Kläger erhobenen Einwände greifen nicht durch.

Im Einzelnen:

I. Kein Anspruch auf Schadensersatz gem. §§ 826, 31 BGB

1. Es kommt zwar, wenn unter Täuschung im EG-Typengenehmigungsverfahren bewusst eine unzulässige Motorsteuerungssoftware verbaut wird, eine deliktische Haftung des Herstellers nach §§ 826, 31 BGB grundsätzlich in Betracht (vgl. BGH, Urteile vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19, juris; vom 30. Juli 2020 - VI ZR 354/19, VI ZR 367/19, VI ZR 397/19 sowie VI ZR 5/20 und vom 19. Januar 2021 - VI ZR 8/20; jew. juris; vgl. auch OLG Celle, Urteile vom 20. November 2019 - 7 U 244/18, juris Rn. 26 ff. und vom 22. Januar 2020 - 7 U 445/18, juris).

Voraussetzung hierfür ist jedoch eine sittenwidrige Schädigung. Sittenwidrig ist ein Verhalten, das nach seinem Gesamtcharakter, der durch umfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Dafür genügt es im Allgemeinen nicht, dass der Handelnde eine Pflicht verletzt und einen Vermögensschaden hervorruft. Vielmehr muss eine besondere Verwerflichkeit seines Verhaltens hinzutreten, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zutage getretenen Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben kann (st. Rspr., vgl. nur BGH, Urteile vom 13. Juli 2021 - VI ZR 128/20, WM 2021, 1609 Rn. 11; vom 30. Juli 2020 - VI ZR 5/20, ZIP 2020, 1715 Rn. 29; vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316 Rn. 15; vom 12. März 2020 - VII ZR 236/19, VersR 2020, 1120 Rn. 24; jeweils m.w.N.). Schon zur Feststellung der objektiven Sittenwidrigkeit kann es daher auf Kenntnisse, Absichten und Beweggründe des Handelnden ankommen, die die Bewertung seines Verhaltens als verwerflich rechtfertigen. Die Verwerflichkeit kann sich auch aus einer bewussten Täuschung ergeben (BGH, Urteile vom 13. Juli 2021 - VI ZR 128/20, WM 2021, 1609 Rn. 11; vom 30. Juli 2020 - VI ZR 5/20, ZIP 2020, 1715 Rn.29; vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316 Rn. 15). Insbesondere bei mittelbaren Schädigungen kommt es ferner darauf an, dass den Schädiger das Unwerturteil, sittenwidrig gehandelt zu haben, gerade auch in Bezug auf die Schäden desjenigen trifft, der Ansprüche aus § 826 BGB geltend macht (BGH, Beschlüsse vom 9. März 2021 - VI ZR 889/20, VersR 2021, 661 Rn. 12 und vom 19.Januar 2021 - VI ZR 433/19, ZIP 2021, 297 Rn. 14; Urteile vom 30. Juli 2020 - VI ZR 5/20, ZIP 2020,1715 Rn. 29 und vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316 Rn. 15).

Ein Automobilhersteller handelt gegenüber dem Fahrzeugkäufer sittenwidrig, wenn er entsprechend seiner grundlegenden strategischen Entscheidung im eigenen Kosten- und Gewinninteresse unter bewusster Ausnutzung der Arglosigkeit der Erwerber, die die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben und die ordnungsgemäße Durchführung des Typgenehmigungsverfahrens als selbstverständlich voraussetzen, Fahrzeuge mit einer Motorsteuerung in Verkehr bringt, deren Software bewusst und gewollt so programmiert ist, dass die gesetzlichen Abgasgrenzwerte nur auf dem Prüfstand beachtet, im normalen Fahrbetrieb hingegen überschritten werden, und damit unmittelbar auf die arglistige Täuschung der Typgenehmigungsbehörde abzielt. Ein solches Verhalten steht einer unmittelbaren arglistigen Täuschung der Fahrzeugerwerber in der Bewertung gleich (vgl. BGH, Urteile vom 25. November 2021 - VI ZR 257/20, juris Rn. 20; vom 16. September 2021 - VII ZR 192/20, juris Rn. 21; vom 8. März 2021 - VI ZR 505/19, juris Rn. 19 und vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19, juris Rn. 16 ff.).

Bereits die objektive Sittenwidrigkeit des Herstellens und des Inverkehrbringens von Kraftfahrzeugen mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Verhältnis zum Fahrzeugerwerber setzt deshalb voraus, dass dies in Kenntnis der Abschalteinrichtung und im Bewusstsein ihrer - billigend in Kauf genommenen - Unrechtmäßigkeit geschieht (vgl. BGH, Urteile vom 25. November 2021 - VII ZR 257/20, juris Rn. 21 und vom 16. September 2021 - VII ZR 192/20, juris Rn. 22; Beschlüsse vom 9. März 2021 - VI ZR 889/20, juris Rn. 28 und vom 19. Januar 2021 - VI ZR 433/19, juris Rn. 19).

Bei einer Abschalteinrichtung, die im Grundsatz auf dem Prüfstand in gleicher Weise arbeitet wie im realen Fahrbetrieb und bei der die Frage der Zulässigkeit nicht eindeutig und unzweifelhaft beantwortet werden kann, kann bei Fehlen sonstiger Anhaltspunkte nicht ohne Weiteres unterstellt werden, dass die für den Motorhersteller handelnden Personen in dem Bewusstsein handelten, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden, und den darin liegenden Gesetzesverstoß billigend in Kauf nahmen, so dass es bereits an der objektiven Sittenwidrigkeit fehlt (vgl. BGH, Beschluss vom 9. März 2021 - VI ZR 889/20, juris Rn. 28; Urteil vom 16. September 2021 - VII ZR 190/20, juris Rn. 16).

2. Diesen Maßstab zugrunde gelegt lassen sich dem Vorbringen des Klägers die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Schadensersatz gem. § 826 BGB gegen die Beklagte nicht schlüssig entnehmen. Dabei kann die Unzulässigkeit der von ihm behaupteten Abschalteinrichtungen (Fahrkurvenerkennung; Thermofenster) zu seinen Gunsten unterstellt werden. Eine sittenwidrige Schadenszufügung durch die Beklagte von dem Kläger durch das Inverkehrbringen bzw. den Verkauf des streitgegenständlichen Fahrzeugs ist jedoch weder dargetan noch ersichtlich.

a) Ein Sachvortrag ist zur Begründung eines Anspruchs dann schlüssig und erheblich, wenn die Partei Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet und erforderlich sind, das geltend gemachte Recht als in der Person der Partei entstanden erscheinen zu lassen, wobei unerheblich ist, wie wahrscheinlich diese Darstellung ist. Die Angabe näherer Einzelheiten, die den Zeitpunkt und den Vorgang bestimmter Ereignisse betreffen, ist nur dann erforderlich, wenn die Einzelheiten für die Rechtsfolgen von Bedeutung sind (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 23. Januar 2015 - V ZR 107/13, juris Rn. 18; Urteil vom 13. Juli 2021 - VI ZR 128/20, juris Rn. 20; jew. mwN).

Diese Grundsätze gelten insbesondere dann, wenn die Partei keine unmittelbare Kenntnis von den ihrer Behauptung zugrunde liegenden Vorgängen hat. Eine Partei darf auch von ihr nur vermutete Tatsachen als Behauptung in einen Rechtsstreit einführen, wenn sie mangels entsprechender Erkenntnisquellen oder Sachkunde keine sichere Kenntnis von Einzeltatsachen hat. Gemäß § 403 ZPO hat die Partei, die die Einholung eines Sachverständigengutachtens beantragen will, die zu begutachtenden Punkte zu bezeichnen. Dagegen verlangt das Gesetz nicht, dass der Beweisführer sich auch darüber äußert, welche Anhaltspunkte er für die Richtigkeit der in die Sachkenntnis des Sachverständigen gestellten Behauptung habe (vgl. BGH, Urteil vom 13. Juli 2021 - VI ZR 128/20, juris Rn. 21 mwN).

b) Gemessen an diesen Voraussetzungen ist eine ausreichende Darlegung von Anhaltspunkten durch den Kläger, dass das Herstellen und Inverkehrbringen des Fahrzeuges mit unzulässigen Abschalteinrichtungen in Kenntnis der Abschalteinrichtung und im Bewusstsein ihrer - billigend in Kauf genommenen - Unrechtmäßigkeit geschehen, und damit objektiv sittenwidrig, zu verneinen.

aa) Der Kläger hat zwar das Vorhandensein verschiedener Abschalteinrichtungen, namentlich eine Fahrkurvenerkennung sowie ein sog. Thermofenster behauptet.

(1) Im Hinblick auf die Fahrkurvenerkennung unterliegt er allerdings bereits einer Fehlvorstellung über deren Funktionsweise, wie sich den vorgelegten Unterlagen entnehmen lässt. Bei dem Motortyp EA 189 war in der Motorsteuerungssoftware eine Umschaltlogik verbaut, die so programmiert war, dass die gesetzlichen Abgasgrenzwerte nur auf dem Prüfstand eingehalten, im normalen Fahrbetrieb aber überschritten wurden. Die Funktion unterschied zwei Strategien für die Abgasrückführung. Befand sich das Fahrzeug in dem Strecken-Zeit-Korridor des NEFZ wurde ab Motorstart die ʺStrategie 1ʺ genutzt mit einer hohen AGR-Rate. Außerhalb des Strecken-Zeit-Korridors wurde die Strategie 2 mit einer geringeren AGR-Rate genutzt. Der Motortyp EA 288 enthält zwar auch eine Umschaltstrategie, die aber - wie dem Senat aus zahlreichen Parallelverfahren bekannt ist und sich aus den vorgelegten Unterlagen ergibt - zwei NSK-Regenerationsstrategien unterscheidet. Bei der ab Motorstart im Strecken-Zeit-Korridor aktiven ʺStrategie 1ʺ erfolgt die Regeneration streckengesteuert. Außerhalb des Strecken-Zeit-Korridors erfolgt die Regeneration bei der ʺStrategie 2ʺ nach einem Beladungsalgorithmus. Während jedoch die Umschaltstrategie beim EA 189 zu unterschiedlichen Emissionen führte, ist das bei den NSK-Regenerationsstrategien des EA 288 - wie das Kraftfahrt-Bundesamt durch eine Vielzahl von Überprüfungen festgestellt hat (s. dazu im Folgenden) - nicht der Fall.

(2) Selbst wenn man aber davon ausgeht, dass eine Abschalteinrichtung nach Maßgabe des Art. 5 Abs. 2 VO (EG) 715/2007 unabhängig davon unzulässig ist, ob ihre Verwendung Auswirkungen auf die Einhaltung der Schadstoffgrenzwerte im NEFZ hat, so fehlt der Verwendung einer solchen Steuerung das für den Vorwurf des objektiv sittenwidrigen Verhaltens wesentliche Element, dass anhand der Abschalteinrichtung der Typengenehmigungsbehörde die Genehmigungsfähigkeit des streitgegenständlichen Fahrzeuges im Wege der Täuschung vorgespiegelt wird. Diesen Aspekt, dass der Hersteller die Typengenehmigungsbehörde darüber täuscht, dass der eingesetzte Motor mit Blick auf dessen Sickoxidemissionen genehmigungsfähig ist, hat auch der Bundesgerichtshof als wesentliches Element der Bewertung des Verhaltens des Herstellers als sittenwidrig herangezogen. Denn der Vorwurf in dessen Grundsatzentscheidung vom 25. Mai 2020 stützte sich auf die Feststellung, dass anhand der dortigen Abschalteinrichtung, die in der Motorsteuerung des Vorgängermodells, der Baureihe EA 189, verbaut war, das KBA gezielt darüber getäuscht worden ist, dass das Fahrzeug die Abgasgrenzwerte auf dem Prüfstand einhält (vgl. BGH, Urteil vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19, juris Rn. 16). Als schadensstiftend wurde zudem der Umstand angesehen, dass die Herstellerin des dort in Rede stehenden Motors sehenden Auges erhebliche rechtliche Risiken für die Fahrzeugeigentümer in Kauf genommen hat, denen bei Aufdeckung des täuschenden Vorgehens des Herstellers gegenüber der Typengenehmigungsbehörde Betriebsbeschränkungen oder -untersagungen durch die Zulassungsbehörden drohten (vgl. BGH, Urteil vom 25. Mai 2020 aaO Rn. 21). Schließlich begründete der Umstand, dass das Vertrauen der Verbraucher in den Bestand der Typengenehmigung und die Erfüllung der gesetzlichen Abgasgrenzwerte ausgenutzt worden war, die Wertung, dass die Täuschung gegenüber der Typengenehmigungsbehörde wertungsmäßig einer Täuschung des geschädigten Verbrauchers gleichstehe (vgl. BGH, Urteil vom 25. Mai 2020 aaO Rn. 23).

Alle diese Wertungsgesichtspunkte fehlen aber dann, wenn eine verbaute Fahrkurvenerkennung zwar Einfluss auf die Abgasreinigung in Abhängigkeit zum Prüfstandsbetrieb nehmen mag, ohne dadurch aber die Einhaltung der Grenzwerte und damit die Genehmigungsfähigkeit vorzuspiegeln. Entsprechend sieht sich die Typengenehmigungsbehörde vorliegend auch nicht getäuscht und sieht ersichtlich, wie durch die diversen Auskünfte des KBA belegt ist, auch keinen Anlass, Maßnahmen zu ergreifen, die auf eine etwaige Herstellung der Genehmigungsfähigkeit gerichtet wären und für den Fahrzeugerwerber die Gefahr von Nutzungsuntersagungen mit sich brächten. Vor diesem Hintergrund ist für den Vorwurf des sittenwidrigen Verhaltens kein Raum.

bb) Das Kraftfahrt-Bundesamt (im Folgenden: KBA) hat den hier betroffenen Motortyp EA 288 mit NOx-Speicherkatalysator (NSK) bereits (nachträglich) überprüft und keine Beanstandungen gehabt.

(1) Dies ergibt sich zunächst aus dem von der Beklagten mit der Klageerwiderung vom 26. Oktober 2022 vorgelegten Bericht der Untersuchungskommission ʺXA" (Anlage B3 = Anlagenband Beklagte). Die Beklagte hat hierzu vorgetragen, dass der streitgegenständliche Motortyp EA 288 Euro 6 mit NSK-Katalysator durch das KBA auf die Ausstattung mit unzulässigen Abschalteinrichtungen hin untersucht wurde, solche aber nicht festgestellt werden konnten.

(2) Es ist auch nichts dafür ersichtlich, dass die Feststellungen des KBA aus dem Jahr 2016 in Bezug auf den streitgegenständlichen Motortyp überholt wären. Vielmehr bestätigen die von der Beklagten vorgelegten amtlichen Auskünfte (Anlagen B1, B2, B4-B9, B13, B14, B19, B25, B30 = Anlagenband Beklagte), dass das KBA auch weiterhin an seiner Beurteilung festhält, bei Fahrzeugen mit dem Motortyp EA 288 seien keine unzulässigen Abschalteinrichtungen festgestellt worden.

(3) Dies deckt sich schließlich auch mit den Erkenntnissen des Senats in entsprechenden Parallelverfahren, in denen amtliche Auskünfte des KBA in Bezug auf den Dieselmotor EA 288 eingeholt worden sind; auch darin hält das KBA weiterhin an seiner Beurteilung fest, bei Fahrzeugen mit dem Motortyp EA 288 seien keine unzulässigen Abschalteinrichtungen festgestellt worden. So heißt es beispielsweise in einer Auskunft des KBA, die dem Senat im Verfahren 7 U 1705/19 (juris Rn. 18 ff.) am 7. Mai 2021 zu einem Audi A3 mit einem - wie auch hier - Motor des Typs EA 288 Euro 6 mit NSK-Speicherkatalysator erteilt worden ist:

"Das KBA führte insgesamt sehr umfassende Untersuchungen an Fahrzeugen mit Motoren der Reihe des Entwicklungsauftrags (EA) 288 durch.

Es wurde bei keinem Fahrzeug, welches ein Aggregat des EA 288 aufweist, eine unzulässige Abschalteinrichtung festgestellt. ...Somit wurden weder Nebenbestimmungen zu diesem Fahrzeug angeordnet, noch besteht ein behördlich angeordneter Rückruf aufgrund als unzulässig eingestufter Abschalteinrichtungen.

Die Fahrkurvenerkennung in der Motorsteuerung der Aggregate des Entwicklungsauftrags (EA) 288 wird nach den Untersuchungen des KBA nicht als unzulässige Abschalteinrichtung beurteilt. Der bloße Verbau einer Fahrkurvenerkennung ist nicht unzulässig, solange die Funktion nicht als Abschalteinrichtung gemäß Art. 3 Abs. 10 der Verordnung (EG) 715/2007 genutzt wird. Prüfungen des KBA zeigen, dass auch bei Deaktivierung der Funktion die Grenzwerte in den Prüfverfahren zur Untersuchung der Auspuffemissionen nicht überschritten werden, sodass es sich nicht um eine unzulässige Abschalteinrichtung handelt.

Jedes Fahrzeug mit Dieselmotor und AGR verfügt über eine temperaturbedingte AGR-Regelung (sog. "Thermofenster"). Diese führt in der Regel zu einer Reduktion der AGR-Raten bei niedrigen Umgebungs-, Ansaugluft-, oder Ladelufttemperaturen. Für das betroffene Fahrzeug wurde mit Bezug auf die temperaturbezogene AGR-Regelung keine unzulässige Abschalteinrichtung festgestellt....

Nach den zum Zeitpunkt der hier gegenständlichen Typengenehmigung geltenden Genehmigungsvorschriften waren keine Angaben des Herstellers zu den Emissionsstrategien des Fahrzeuges im sogenannten Beschreibungsbogen gefordert. Die genaue Beschreibung der Emissionsstrategie wurde erst ab 16.05.2016 mit der Verordnung (EU) 2016/646 eingeführt, also nach der Erteilung der Typengenehmigung für das in Rede stehende Fahrzeug."

(Hervorhebungen durch den Senat)

(4) Danach bewertet das KBA die Fahrkurvenerkennung sowie ein Thermofenster nicht als unzulässige Abschalteinrichtungen und hat auch keine sonstigen unzulässigen Abschalteinrichtungen festgestellt. Der Senat verkennt in diesem Zusammenhang nicht, dass die Ausführungen des KBA nicht die rechtliche Beurteilung, ob eine Abschalteinrichtung nach dem Maßstab des Art. 5 Abs. 2 Satz 2 Buchst. a VO 715/2007/EG zulässig ist, einer eigenständigen zivilgerichtlichen Prüfung zu entziehen vermögen (BGH, Urteil vom 8. Dezember 2021 - VIII ZR 190/19, juris Rn. 80; Beschluss vom 14. Dezember 2021 - VIII ZR 386/20, juris Rn. 34). Die Gefahr einer Betriebsuntersagung durch die für die Zulassung zum Straßenverkehr zuständige Behörde ist an der objektiven Rechtslage zu messen. Sie hängt nicht davon ab, ob die im jeweiligen Einzelfall zuständige Zulassungsbehörde eine entsprechende Betriebsuntersagung nach § 5 Abs. 1 FZV ausgesprochen hat oder eine solche (zunächst) unterblieben ist (vgl. BGH, Urteil vom 8. Dezember 2021 aaO Rn. 82).

Es kann jedoch an dieser Stelle dahinstehen, ob im konkreten Fall ein Grundmangel vorliegt und das Fahrzeug deshalb wegen einer gegen Art. 5 Abs. 2 VO 715/2007/EG verstoßenden Abschalteinrichtung nicht dem genehmigten Typ entspricht (§ 3 Abs. 1 Satz 2 FZV; vgl. BGH, Urteil vom 21. Juli 2021 - VIII ZR 357/20, juris Rn. 30 für das Kaufrecht; Urteil vom 27. Juli 2021 - VI ZR 151/20, juris Rn. 13 mwN für das Deliktsrecht). Denn unabhängig davon fehlt es jedenfalls an dem erforderlichen Vorstellungsbild der Beklagten, das streitgegenständliche Fahrzeug in Kenntnis der Abschalteinrichtung und im Bewusstsein ihrer Unrechtmäßigkeit hergestellt und in den Verkehr gebracht zu haben. In diesem Zusammenhang stellt die Rechtsauffassung des KBA wiederum ein gewichtiges Indiz dar.

(5) Das KBA mag zwar im Rahmen des Typengenehmigungsverfahrens möglicherweise zunächst ʺarglosʺ gewesen sein, weil vor Bekanntwerden des ʺDieselabgasskandalsʺ das erforderliche Bewusstsein für die Problematik ʺunzulässiger Abschalteinrichtungenʺ noch nicht in so ausgeprägter Form wie nunmehr vorhanden war. Das KBA ist allerdings nach Bekanntwerden des Dieselabgasskandals und im Rahmen einer komplexen tatsächlichen wie rechtlichen anlassbezogenen Überprüfung - wie z.B. im Rahmen des Berichts der Untersuchungskommission ʺXA" und erneut im Zusammenhang mit den zahlreichen, gegenüber verschiedenen mit Schadensersatzansprüchen von vermeintlich geschädigten Fahrzeugerwerbern befassten Gerichten abgegebenen amtlichen Auskünften - zu der Überzeugung gelangt, dass keine unzulässigen Abschalteinrichtungen im streitgegenständlichen Fahrzeugtyp zum Einsatz kämen. Somit ist das mittlerweile durch den Abgasskandal vollumfänglich ʺsensibilisierteʺ KBA auch nach erfolgter Prüfung und umfänglicher Kenntnis der Einzelheiten der im streitgegenständlichen Fahrzeug verbauten Motorsteuerungssoftware bei seiner Beurteilung geblieben, unzulässige Abschalteinrichtungen seien nicht vorhanden.

Das ist - unabhängig vom Vorliegen einer (unzulässigen) Abschalteinrichtung - nach den vorangehenden Ausführungen jedenfalls ein gewichtiges Indiz gegen das erforderliche Vorstellungsbild der Beklagten, das streitgegenständliche Fahrzeug in Kenntnis der Abschalteinrichtung und im Bewusstsein ihrer Unrechtmäßigkeit hergestellt und in den Verkehr gebracht zu haben.

cc) Der Bewertung des KBA könnte allerdings dann kein maßgebliches Gewicht beigemessen werden, wenn der Kläger substantiiert darlegte, dass die Überprüfung des KBA auf einer falschen Grundlage erfolgt oder dem KBA nicht bekannte (unzulässige) Abschalteinrichtungen implementiert wären und die Beklagte diese in dem Typgenehmigungsverfahren bewusst verschwiegen oder - etwa durch eine Prüfstandserkennung - verschleiert hätte. Dafür hat der Kläger jedoch keine Anhaltspunkte vorgetragen.

(1) (a) Belastbare Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte das KBA bis heute über die genaue Funktionsweise der von ihr verwendeten Abschaltstrategien im Unklaren gelassen hätte, hat der Kläger nicht aufgezeigt. Wie aus der bereits vorangehend auszugsweise wiedergegebenen Auskunft des KBA gegenüber dem Oberlandesgericht Celle zum Aktenzeichen 7 U 1705/19 vom 7. Mai 2021 folgt, hat sich das KBA nicht auf Angaben der Beklagten verlassen, sondern eigene Untersuchungen vorgenommen, bei denen die Fahrkurvenerkennung deaktiviert war, ohne dass die zulässigen Grenzwerte überschritten worden wären. In der oben wiedergegebenen Auskunft heißt es: ʺDie Fahrkurvenerkennung in der Motorsteuerung der Aggregate des Entwicklungsauftrags (EA) 288 wird nach den Untersuchungen des KBA nicht als unzulässige Abschalteinrichtung beurteiltʺ.

Die Art der Prüfungen - namentlich das Durchführen von Real-Driving-Tests (RDE) mit und ohne Aktivierung der Fahrkurve - wird zudem in der Auskunft vom 3. März 2022 in dem Verfahren 7 U 665/20 näher dargestellt:

olg_celle_20230523_16u60422_beschluss_as1

Ein Einfluss der Fahrkurve auf das Emissionsverhalten des Fahrzeugs war dabei gerade nicht feststellbar. Danach hat sich das KBA nicht auf Angaben der Beklagten verlassen, sondern eigene Untersuchungen vorgenommen, bei denen die Fahrkurvenerkennung deaktiviert war. Der Behauptung des Klägers, dass die Hersteller die Fahrzeuge selbst testen würden und das KBA keine (weitere) Prüfung vornehme, ist damit die Grundlage entzogen. Die Relevanz der Ausführungen zu der Herstellerin ... ist im Streitfall ohnehin nicht nachvollziehbar.

(b) Detaillierte Angaben zu den Emissionsstrategien im Typgenehmigungsverfahren wurden zudem erst Mitte des Jahres 2016 mit der Verordnung (EU) 2016/646 und damit nach Erteilung der Typgenehmigung für das streitgegenständliche Fahrzeug eingeführt. Schon aus diesem Grund war zu dem hier maßgeblichen Zeitpunkt (Erstzulassung im April 2016, LGU S. 2) - eine von dem Kläger geforderte Offenlegung der genauen Wirkungsweise der Abgasrückführung durch die Beklagte gegenüber dem KBA nicht geschuldet.

(c) Selbst wenn die Beklagte aber - nach den einschlägigen Vorschriften auch erforderliche - Angaben zu den Einzelheiten der Abgasnachbehandlung unterlassen haben sollte, wäre die Typgenehmigungsbehörde nach dem Amtsermittlungsgrundsatz gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 und 2 VwVfG gehalten gewesen, diese zu erfragen, um sich in die Lage zu versetzen, die Zulässigkeit der Abschalteinrichtung im streitgegenständlichen Fahrzeug zu prüfen (vgl. BGH, Urteil vom 16. September 2021 - VII ZR 322/20, juris Rn. 26 und Beschluss vom 29. September 2021 - VII ZR 126/21, n.v., Rn. 20; OLG München, Beschluss vom 1. März 2021 - 8 U 4122/20, juris Rn. 63; OLG Nürnberg, Beschluss vom 27. Juli 2020 - 5 U 4765/19, BeckRS 2020, 17693 Rn. 17).

(d) Auch bei Unterstellung einer unzulässigen Abschalteinrichtung hilft dies dem Kläger nicht weiter. Die Applikationsanweisungen der XA AG, und damit die Fahrkurvenerkennung waren dem KBA - nach den vorliegenden Unterlagen und den Erkenntnissen des Senats aus Parallelverfahren - noch im Jahr 2015 bekannt. War die Funktion der Behörde aber - wie hier - mitgeteilt worden, ohne dass es diese seitdem beanstandet hat, bezieht sich deren Einverständnis hierauf ohne Weiteres. War die Fahrkurvenerkennung der Behörde - wie hier - vor dem Erwerb des Fahrzeugs mitgeteilt worden, fehlt es in diesem Fall selbst dann an einer (fortwirkenden) Täuschung des KBA im Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrages, der erst im Februar 2018 (Anlage K1, Anlagenband Kläger) erfolgte, wenn die Beklagte ursprünglich mit der Fahrkurve eine Prüfstandserkennung implementiert haben sollte.

(2) Für eine unzulässige Abschalteinrichtung in Form einer Prüfstandserkennung und deren Verschweigen im EG-Typgenehmigungsverfahren hat der Kläger keine greifbaren Anhaltspunkte vorgetragen.

(a) Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang auf die "Entscheidungsvorlage: Applikationsrichtlinie & Freigabevorgaben EA 288" Bezug nimmt, kann er hieraus nichts zu seinen Gunsten herleiten.

Durch die darin enthaltene Anordnung wurde lediglich festgelegt - wie dem Senat mittlerweile aus anderen, gleichgelagerten Verfahren bekannt ist -, dass die an sich zulässige und dem KBA unstreitig bekannt gemachte Fahrkurvenerkennung nach dem Modellwechsel in der 22. Kalenderwoche 2016 nicht mehr zur Anwendung gelangen sollte. Da dem KBA dieser Umstand bekannt war, ist auch nichts dafür ersichtlich, dass auf diese Weise eine zuvor installierte unzulässige Abschalteinrichtung ʺheimlichʺ beseitigt werden sollte. Bezüglich des Vorhandenseins einer manipulativen Abschalteinrichtung in der Motorsteuerungssoftware hat die genannte Richtlinie keine Aussagekraft.

(b) Auch soweit es dort heißen soll:

ʺNSK: Bedatung, Aktivierung und Nutzung der Fahrkurven zur Erkennung des Precon und des NEFZ, um die Abgasnachbehandlungsevents (DeNOX-/DeSOX-Events) nur streckengesteuert zu platzieren. Im normalen Fahrbetrieb strecken- und beladungsgesteuerte Platzierung der Events; Beladungssteuerung als führende Größe.ʺ

hilft dies dem Kläger nicht. Dass auch Fahrzeuge mit einem Motor der Baureihe EA 288 mit einer Manipulationssoftware ausgerüstet seien, durch die sich auf dem Prüfstand andere Abgaswerte ergäben als im realen Betrieb auf der Straße, folgt daraus nicht. Die zitierte Passage enthält lediglich Anweisungen bezüglich der Durchführung der Fahrzyklen Precon und NEFZ. Bezüglich des Vorhandenseins einer manipulativen Abschalteinrichtung in der Motorsteuerungssoftware hat die zitierte Passage keine Aussagekraft.

(c) Selbst wenn dies anders zu sehen sein sollte, genügen die von dem Kläger vorgetragenen Anhaltspunkte nicht, um einen Schluss auf die von ihm behauptete ʺManipulationʺ des Abgasreinigungssystems zu tragen. In der vorstehend auszugsweise wiedergegebenen amtlichen Auskunft des KBA heißt es, dass die Grenzwerte nach den Untersuchungen des KBA auch bei Deaktivierung der Fahrkurvenerkennungsfunktion nicht überschritten werden. Da nicht einmal aus der Überschreitung der Grenzwerte im Realbetrieb auf eine Prüfstandserkennung geschlossen werden kann, weil der Hinweis auf Diskrepanzen zwischen Stickoxidemissionen unter Prüfstandbedingungen und unter normalen Betriebsbedingungen auf der Straße keinen greifbaren Anhaltspunkt für die Verwendung einer solchen Steuerungsstrategie darstellt (vgl. BGH, Urteil vom 13. Juli 2021 - VI ZR 128/20, juris Rn. 23), gilt dies erst recht, wenn im Straßenbetrieb die Emissionen zwar höher als auf dem Prüfstand sind, die Grenzwerte aber sogar eingehalten werden.

(d) Der Kläger hat auch keine Anhaltspunkte dafür vorgetragen, dass eine (oder mehrere) im EG-Typgenehmigungsverfahren verschwiegene und auch bei der nachträglichen Prüfung unentdeckt gebliebene Abschalteinrichtung vorhanden ist, auf die sich die Beurteilung des KBA folgerichtig nicht beziehen könnte.

(aa) Die behauptete Abweichung der Messwerte im Realbetrieb von den Messwerten nach NEFZ ist als Indiz für eine Abschalteinrichtung, und noch dazu für eine Manipulationssoftware, die die Voraussetzungen des § 826 BGB erfüllen könnte, angesichts der unstreitigen gravierenden Unterschiede der Bedingungen, unter denen die Messung erfolgt, ungeeignet (vgl. BGH, Urteil vom 13. Juli 2021 - VI ZR 128/20, juris Rn. 23; Beschluss vom 15. September 2021 - VII ZR 2/21, juris Rn. 30; s. auch OLG Celle, Urteil vom 13. November 2019 - 7 U 367/18, juris Rn. 42). Denn die für die Einhaltung der Euro-5- bzw. Euro-6-Norm relevanten, im NEFZ Verfahren gemessenen Werte entsprechen grundsätzlich auch ohne unzulässige Beeinflussung des Messverfahrens nicht den im Rahmen des tatsächlichen Gebrauchs des Fahrzeugs anfallenden Emissionswerten (so auch OLG München, Urteil vom 5. September 2019 - 14 U 416/19, BeckRS 2019, 26072 Rn. 168). Daher ist der Straßenbetrieb mit der Prüfstandssituation nicht vergleichbar. Dies gilt sowohl hinsichtlich des angegebenen Kraftstoffverbrauchs als auch der Grenzwerte für Emissionen. Auf dem Prüfstand wird eine bestimmte "ideale", nicht der Praxis entsprechende Situation vorgegeben, etwa hinsichtlich der Umgebungstemperatur, der Kraftentfaltung (Beschleunigung und Geschwindigkeit), Abschaltung der Klimaanlage usw., so dass der erzielte Wert zwar zu einer relativen Vergleichbarkeit unter den verschiedenen Fahrzeugfabrikaten und -modellen führen mag, absolut genommen aber jeweils nicht mit dem Straßenbetrieb übereinstimmt. Soweit ein Fahrzeug also höhere Emissionswerte im Straßenbetrieb aufweist als unter Prüfstandsbedingungen, kann dies auch auf andere Umstände als den Einbau einer unzulässigen Abschalteinrichtung zurückzuführen sein, weshalb nicht notwendigerweise beim Vorliegen höherer Emissionswerte im Realbetrieb von dem Vorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgegangen werden muss.

(bb) Erst Recht hilft dem Kläger der Umstand nicht weiter, dass für eine geringe Anzahl von Fahrzeugen der Beklagten mit einem Motor des Typs EA 288 - nämlich beispielsweise einen VW T6 EA 288 Euro 6 - ein verpflichtender Rückruf durch das KBA angeordnet wurde. Denn dieser Rückruf erfolgte, wie dem Senat aus anderen Verfahren bekannt ist, nicht wegen unzulässiger Abschalteinrichtungen, sondern wegen technischer Konformitätsabweichungen während der Regeneration des Diesel-Partikelfilters und zur Sicherstellung eines für die Ki-Familie des streitgegenständlichen Fahrzeugs repräsentativen Ki-Werts (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 23. April 2021 - 7 U 851/20, n.v.).

Entsprechendes gilt für ʺfreiwillige Servicemaßnahmenʺ. Derartige Maßnahmen sind mit einem Rückruf nicht vergleichbar. Dem Senat ist vielmehr aus diversen Parallelverfahren bekannt, dass sich eine Gleichsetzung insoweit verbietet. Vielmehr betont das KBA in Auskünften regelmäßig, dass derartige Maßnahmen nur getroffen werden, wenn gerade keine unzulässige Abschalteinrichtung festgestellt wurde und dass diese der Verbesserung der Luftqualität dienen. Die gegenteiligen Ausführungen des Klägers überzeugen nicht.

(3) Es lässt sich darüber hinaus auch im Zusammenhang mit der temperaturgesteuerten Abgasrückführung und der Implementierung des Thermofensters keine arglistige Täuschung des KBA durch die Beklagte feststellen.

(a) Selbst wenn eine temperaturbeeinflusste Steuerung der Abgasrückführung in Form eines Thermofensters als unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 zu qualifizieren wäre, genügte der darin liegende Gesetzesverstoß des Fahrzeug- und Motorherstellers jedenfalls nicht, dessen Gesamtverhalten als sittenwidrig zu qualifizieren (vgl. BGH, Beschluss vom 9. März 2021 - VI ZR 889/20, juris Rn. 26). Der Aspekt der Gesetzkonformität ist nämlich von der Frage eines sittenwidrigen Handelns strikt zu trennen. Dies gilt dabei sogar dann, wenn dieser Verstoß seitens des Herstellers aufgrund einer grundlegenden unternehmerischen Entscheidung getroffen und mit der Entwicklung und dem Einsatz der temperaturabhängigen Steuerung des Emissionskontrollsystems (Thermofenster) eine Kostensenkung und die Erzielung von Gewinn erstrebt worden sein sollte (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Januar 2021 - VI ZR 433/19, juris Rn. 13). Denn die Applikation einer temperaturabhängigen Steuerung des Emissionskontrollsystems ist nicht mit der Verwendung einer Prüfstandserkennungssoftware zu vergleichen, da letztere unmittelbar auf eine Täuschung der Typengenehmigungsbehörde abzielt und einer unmittelbaren arglistigen Täuschung des Fahrzeugerwerbers in der Bewertung gleichsteht, während der Einsatz einer temperaturabhängigen Steuerung des Emissionskontrollsystems nicht von Vornherein durch Arglist geprägt ist (BGH, Beschluss vom 9. März 2021 aaO Rn. 27).

Aus diesem Grund setzte eine deliktische Haftung der Beklagten als Fahrzeug- und Motorherstellerin gem. §§ 826, 31 BGB voraus, dass diese die Motorsteuerung des streitgegenständlichen Fahrzeugtyps vorsätzlich mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehen und die Genehmigungsbehörde, d.h. das KBA hierüber arglistig getäuscht hätte (vgl. BGH, Urteile vom 25. Mai 2020 aaO und Urteile jeweils vom 30. Juli 2020 - VI ZR 354/19, VI ZR 367/19 und VI ZR 397/19; jew. juris).

Folglich wäre der Vorwurf sittenwidrigen Verhaltens nur dann gerechtfertigt, wenn zu einem Verstoß gegen die Verordnung 715/2007/EG weitere Umstände hinzuträten, die das Verhalten der für die Beklagte handelnden Personen als besonders verwerflich erscheinen ließen. Dafür müssten sich die betreffenden Personen bei der Entwicklung bzw. Installation des Thermofensters darüber bewusst gewesen sein, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden, und den darin liegenden Gesetzesverstoß billigend in Kauf genommen haben (vgl. BGH, Beschluss vom 9. März 2021 aaO Rn. 28).

(b) Greifbare Anhaltspunkte, die auf ein solches Vorstellungsbild hindeuten könnten - beispielsweise, dass die Beklagte im Typgenehmigungsverfahren erforderliche Angaben verschwiegen, insbesondere verschleiert hätte, dass die Abgasrückführungsrate in dem streitgegenständlichen Fahrzeugtyp durch die Außentemperatur mitbestimmt wird - hat der Kläger jedoch weder erstinstanzlich, noch im Rahmen seiner Berufungsbegründung vorgetragen. Ihn trifft aber die Darlegungs- und Beweislast für solche Umstände, aus denen sich die Verwerflichkeit des Handelns der Mitarbeiter der Beklagten begründen soll (BGH, Beschluss vom 19. Januar 2021 aaO Rn. 19). Vor diesem Hintergrund reicht es nicht aus, lediglich zu bestreiten, dass die Beklagte im Typengenehmigungsverfahren die erforderlichen Angaben gemacht habe. Die Beklagte muss sich auch nicht im Rahmen einer sekundären Darlegungslast dazu entlasten, keine unzureichenden oder fehlerhaften Informationen gegenüber Genehmigungsbehörde bezüglich der Eigenschaften und Funktionsweise der von ihr verwendeten Motorsteuerungssoftware abgegeben zu haben. Sich zu den Einzelheiten der von ihr erfolgten Angaben im Typengenehmigungsverfahren zu erklären, obläge der Beklagten erst dann, wenn der Kläger seinerseits hinreichende Anhaltspunkte für unzureichende oder unrichtige Angaben vorgetragen hätte. Eben hieran fehlt es vorliegend jedoch. Insoweit kann zur Vermeidung von Wiederholungen auf die vorangehenden Ausführungen Bezug genommen werden.

dd) Auch die Gesamtschau aller von dem Kläger vorgetragenen Umstände reicht nicht aus, um auf das Bewusstsein der Rechtswidrigkeit der für die Beklagten verantwortlichen Personen schließen zu können oder auch nur eine sekundäre Darlegungslast der Beklagten zu ihren internen Entscheidungsvorgängen auszulösen. Zwar bietet die Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen sowie die Abweichung der Abgaswerte zwischen Prüfstand und Realbetrieb einen gewissen Anhalt; für die Vermutung, eine Prüfstandserkennung könne Verwendung finden, genügt dies aber nicht. Ausschlaggebende Bedeutung kommt daher der Bewertung durch das KBA zu, nach dessen Vorgaben sich die Beklagte richten durfte.

ee) Mangels Täuschung des KBA bzw. Erschleichung der Typengenehmigung fehlt es an einer Täuschung aller potentiellen Erwerber und damit an einer deliktischen Handlung der Beklagten, die als vorsätzliche sittenwidrige Schädigung anzusehen wäre.

II. Kein Anspruch auf Schadensersatz gem. § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. europarechtlichen Schutznormen

Auch eine Haftung der Beklagten aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV bzw. Art. 18 Abs. 1, Art. 26 Abs. 1 und Art. 46 der Richtlinie 2007/46 i.V.m. Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 715/2007 kommt nicht in Betracht. Der hier geltend gemachte Anspruch auf den sog. großen Schadensersatz (Kaufpreis abzüglich Nutzungsentschädigung und Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeuges) durch Abschluss eines ungewollten Vertrages und damit die Verletzung des wirtschaftlichen Selbstbestimmungsrechts wird jedenfalls im Hinblick auf die hier maßgebliche Schutzgesetzverletzung nicht vom Schutzbereich des § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV bzw. Art. 18 Abs. 1, Art. 26 Abs. 1 und Art. 46 der Richtlinie 2007/46 i.V.m. Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 715/2007 umfasst.

Das entspricht der höchstrichterlichen und obergerichtlichen Rechtsprechung (vgl. BGH, Urteile vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316 Rn. 76 und vom 30. Juli 2020 - VI ZR 5/20, NJW 2020, 2798; OLG Nürnberg, Beschlüsse vom 25. April 2023 - 17 U 1673/22, BeckRS 2023, 8575; vom 30. März 2023 - 17 U 1529/22, BeckRS 2023, 7190; vom 28. März 2023 - 17 U 774/22, BeckRS 2023, 5896 und 17 U 4032/21, BeckRS 2023, 5897; OLG Dresden, Beschlüsse vom 18. April 2023 - 5a U 2511/22, BeckRS 2023, 8579 und vom 6. April 2023 - 10a U 468/21, BeckRS 2023, 7818; OLG Schleswig, Beschluss vom 17. April 2023 - 12 U 42/22, BeckRS 2023, 7815; OLG Brandenburg, Beschluss vom 8. April 2023 - 11 U 37/23, BeckRS 2023, 7826; OLG München, Beschluss vom 31. März 2023 - 27 U 6731/22, BeckRS 2023, 6956; OLG Koblenz, Beschluss vom 31. März 2023 - 1 U 2011/22, BeckRS 2023, 7844 und OLG Hamm, Beschluss vom 23. März 2023 - 7 U 113/22, BeckRS 2023, 4904).

1. Der BGH (vgl. Urteile vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19, juris R. 76 und vom 30. Juli 2020 - VI ZR 5/20, NJW 2020, 2798 [BGH 30.07.2020 - VI ZR 5/20] Rn. 11) hat insoweit ausgeführt, dass es dahinstehen könnte, welche Rechtsbedeutung die Übereinstimmungserklärung hat, wenn der Käufer eines Fahrzeuges nicht etwa Erstattung von Schäden, die ihm durch eine verzögerte Erstzulassung oder auch durch das aufgrund der Nebenbestimmungen zu der Typgenehmigung erforderlich gewordene Software-Update entstanden sind, geltend macht, sondern wenn der Inhalt seines Vorwurfs ist, dass er von der Beklagten zu der Übernahme einer ungewollten Verbindlichkeit veranlasst worden ist. Das Interesse, nicht zur Eingehung einer ungewollten Verbindlichkeit veranlasst zu werden, liegt nicht im Aufgabenbereich der § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV in Verbindung mit Art. 18 der Richtlinie 2007/46/EG. Der Gesetz- und Verordnungsgeber hat mit den genannten Vorschriften keinen Schutz der allgemeinen Handlungsfreiheit und speziell des wirtschaftlichen Selbstbestimmungsrechts der einzelnen Käufer bezweckt und an die (auch fahrlässige) Erteilung einer inhaltlich unrichtigen Übereinstimmungsbescheinigung einen gegen den Hersteller gerichteten Anspruch auf (Rück-)Abwicklung eines mit einem Dritten geschlossenen Kaufvertrags geknüpft.

2. Der EuGH hat zwar nunmehr entschieden, dass Art. 18 Abs. 1, Art. 26 Abs. 1 und Art. 46 der Rahmenrichtlinie in Verbindung mit Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 715/2007 dahin auszulegen sind, dass sie neben allgemeinen Rechtsgütern die Einzelinteressen des individuellen Käufers eines Kraftfahrzeugs gegenüber dessen Hersteller schützen, wenn dieses Fahrzeug mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 2 dieser Verordnung ausgestattet ist (Urteil vom 21. März 2023 - C-100/21, juris Rn. 85).

a) Allerdings hat der EuGH nicht entschieden, dass das Vorhandensein einer unzulässigen Abschalteinrichtung unmittelbar und zwingend zu einem Schaden des Käufers eines hiervon betroffenen Fahrzeuges führt. Es ist allein eine Frage der nationalen (deutschen) Rechtsvorschriften, ob und wann im Anwendungsbereich des hier maßgeblichen § 823 Abs. 2 BGB von einem Schaden auszugehen ist.

Der EuGH hat in diesem Zusammenhang ausgeführt, dass sich zwar aus Art. 18 Abs. 1, Art. 26 Abs. 1 und Art. 46 der Rahmenrichtlinie in Verbindung mit Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 715/2007 ergibt, dass die Mitgliedstaaten vorsehen müssen, dass der Käufer eines mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 2 dieser Verordnung ausgestatteten Fahrzeugs einen Anspruch auf Schadensersatz durch den Hersteller dieses Fahrzeugs hat, wenn dem Käufer durch diese Abschalteinrichtung ein Schaden entstanden ist (aaO Rn. 91). In Ermangelung unionsrechtlicher Vorschriften über die Modalitäten für die Erlangung eines solchen Ersatzes durch die betreffenden Käufer wegen des Erwerbs eines solchen Fahrzeugs ist es allerdings Sache jedes einzelnen Mitgliedstaats, diese Modalitäten festzulegen (aaO Rn. 92). Die nationalen Rechtsvorschriften dürfen es dem Käufer eines Kraftfahrzeugs wegen des Grundsatzes der Effektivität nur nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren, einen angemessenen Ersatz des Schadens zu erhalten, der ihm durch den Verstoß des Herstellers dieses Fahrzeugs gegen das in Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 715/2007 enthaltene Verbot entstanden ist (aaO Rn. 93).

Dies wird gestützt durch die Begründung des EuGH, dass die Unzulässigkeit einer Abschalteinrichtung ʺu. a. eine Unsicherheit hinsichtlich der Möglichkeit hervorrufen [kann], das Fahrzeug anzumelden, zu verkaufen oder in Betrieb zu nehmen, und letztlich beim Käufer eines mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgerüsteten Fahrzeugs zu einem Schaden führenʺ (aaO Rn. 84). Daraus folgt, dass sich nicht zwingend aus dem Vorhandensein einer unzulässigen Abschalteinrichtung ein Schaden ergibt, sondern dass die nähere Ausgestaltung eines entsprechenden Schadensersatzanspruchs den nationalen Rechtsvorschriften vorbehalten bleibt.

b) Steht es den Mitgliedsstaaten frei, die Modalitäten des Schadensersatzes zu regeln, ermöglicht das in der Folge auch, einen Anspruch auf Rückabwicklung des Kaufvertrages wegen einer Verletzung des wirtschaftlichen Selbstbestimmungsrechts zu verneinen, wenn dem Käufer im nationalen Rechtsschutzsystem ein grundsätzlich wirksamer und effektiver Rechtsschutz bei Verletzungen des Herstellers gegen die Vorschriften des Art. 5 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 zukommt (vgl. auch OLG Brandenburg, Beschluss vom 8. April 2023 aaO Rn. 13). Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH und der Oberlandesgerichte ist das Interesse, nicht zur Eingehung einer ungewollten Verbindlichkeit veranlasst zu werden und damit der Schutz des wirtschaftlichen Selbstbestimmungsrechts gerade nicht vom Schutzbereich der § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV bzw. Art. 18 Abs. 1, Art. 26 Abs. 1 und Art. 46 der Richtlinie 2007/46 i.V.m. Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 715/2007 umfasst (vgl. BGH, Urteil vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316 Rn. 76; BGH, Beschluss vom 10. Februar 2022 - III ZR 87/21, MDR 2022, 700 und BGH, Urteil vom 30. Juli 2020 - VI ZR 5/20, NJW 2020, 2798; OLG Hamm aaO Rn. 20 ff; OLG München aaO Rn. 23 ff.; OLG Nürnberg, Beschluss vom 25. April 2023 aaO Rn. 22).

c) Aus den Ausführungen des EuGH ergibt sich auch gerade nicht, dass die Schutzgesetze (Art. 18 Abs. 1, Art. 26 Abs. 1 und Art. 46 der Rahmenrichtlinie in Verbindung mit Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 715/2007) in sachlicher Hinsicht das hier geltend gemachte Interesse, nicht zur Eingehung einer ungewollten Verbindlichkeit veranlasst zu werden, umfassen. Der EuGH hat gerade nicht festgestellt, dass die Schutzgesetze dem Schutz des wirtschaftlichen Selbstbestimmungsrechts des einzelnen Fahrzeugerwerbers dienen (ebenso: OLG Hamm, Beschluss vom 23. März 2023 - 7 U 113/22, BeckRS 2023, 4904 Rn. 20 ff.).

Dafür spricht, dass der EuGH die Vorlagefrage gerade nicht im Sinne des Generalanwalts beantwortet hat (ebenso: OLG München, Beschluss vom 31. März 2023 aaO Rn. 25; OLG Hamm, Beschluss vom 23. März 2023 aaO Rn. 25). Der Generalanwalt R. hatte in seinen Schlussanträgen vorgeschlagen, ʺauf die erste und die zweite Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 18 Abs. 1, Art. 26 Abs. 1 und Art. 46 der Richtlinie 2007/46 dahin auszulegen sind, dass sie die Interessen eines individuellen Erwerbers eines Kraftfahrzeugs schützen, insbesondere das Interesse, kein Fahrzeug zu erwerben, das mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung gemäß Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 715/2007 ausgestattet istʺ (juris Rn. 50). Demgegenüber hat der EuGH die entsprechenden Vorlagefragen dahingehend beantwortet, ʺdass Art. 18 Abs. 1, Art. 26 Abs. 1 und Art. 46 der Rahmenrichtlinie in Verbindung mit Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 715/2007 dahin auszulegen sind, dass sie neben allgemeinen Rechtsgütern die Einzelinteressen des individuellen Käufers eines Kraftfahrzeugs gegenüber dessen Hersteller schützen, wenn dieses Fahrzeug mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 2 dieser Verordnung ausgestattet istʺ (juris Rn. 85).

d) Folglich ist es auch unter Berücksichtigung der Entscheidung des EuGH nicht erkennbar dass im Sinne der Differenzhypothese oder im Wege der normativen Kontrolle der Differenzhypothese im vorliegend betroffenen Schutzbereich des § 823 Abs. 2 BGB die Gewährung großen Schadensersatzes geboten wäre (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 23. März 2023 - 7 U 113/22, BeckRS 2023, 4904 Rn. 26).

e) Eine Verletzung seines Interesses im vorgenannten Sinne macht der Kläger jedoch gerade nicht geltend. Vielmehr beruft sich der Kläger als verletztes Schutzgut auf sein wirtschaftliches Selbstbestimmungsrecht und erhebt den Vorwurf, von der Beklagten zu der Übernahme einer ungewollten Verbindlichkeit veranlasst worden zu sein. Dementsprechend verlangt der Kläger von der Beklagten die (Rück-)Abwicklung eines mit einem Dritten geschlossenen Kaufvertrages durch Erstattung des von ihr an den Verkäufer entrichteten Kaufpreises (unter Anrechnung des erlangten Nutzungsvorteils) Zug-um-Zug gegen Übergabe und Übereignung des streitgegenständlichen Fahrzeugs. Mit einer Haftung der Beklagten in Form der (Rück-)Abwicklung eines ungewollt abgeschlossenen Kaufvertrages würde die Klagepartei ihr wirtschaftliches Selbstbestimmungsrecht durchsetzen, das durch die in Rede stehenden europarechtlichen Vorschriften unverändert nicht geschützt ist. Es ist daher auch im Lichte der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs nicht erkennbar, dass im Sinne der Differenzhypothese oder im Wege der normativen Kontrolle der Differenzhypothese im vorliegend betroffenen Schutzbereich des § 823 Abs. 2 BGB die Gewährung großen Schadensersatzes geboten wäre.

3. Aus diesem Grund kann die - wohl im Ergebnis zu verneinende - Frage, ob die Beklagte überhaupt schuldhaft, d.h. fahrlässig gehandelt hat, offenbleiben.

III. Keine sonstigen Ansprüche auf Schadensersatz Schadensersatzsprüche im Zusammenhang mit dem streitgegenständlichen Fahrzeugerwerb auf anderer Grundlage kommen für den Kläger nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung des BGH schon von Vorherein nicht in Betracht.

1. Insbesondere haftet die Beklagte wegen der fehlenden Stoffgleichheit zwischen einer etwaigen Vermögenseinbuße des Klägers und den denkbaren Vermögensvorteilen der Beklagten nicht nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB (BGH, Urteil vom 30. Juli 2020 - VI ZR 5/20, juris Rn. 24).

2. Schließlich steht dem Kläger gegen die Beklagte auch kein Anspruch gemäß § 280, § 241 Abs. 2, § 311 Abs. 3 BGB wegen Inanspruchnahme besonderen Vertrauens oder Zusicherung einer Beschaffenheit im Zusammenhang mit der Übereinstimmungsbescheinigung zu. Dass der Hersteller des Fahrzeuges über die gesetzliche Pflichterfüllung nach §§ 6, 27 Abs. 1, 37 Abs. 1 EG-FGV und Art. 18 der Richtlinie 2007/46 hinaus in besonderem Maße Vertrauen in Anspruch nimmt oder eine Zusicherung abgeben will, erschließt sich weder nach dem Text der Bescheinigung noch nach deren Zweck. Eine irgendwie geartete Garantiezusage ist damit nicht verbunden. Insofern ist die Entscheidung des VIII. Zivilsenats des BGH (Urteil vom 15. Juni 2016 - VIII ZR 134/15, juris), in der es um eine Herstellergarantie ging, schon nicht einschlägig. Aus demselben Grund kann der Kläger den geltend gemachten Schadensersatzanspruch auch nicht auf einen selbständigen Garantievertrag gemäß § 443 BGB stützen.

IV.

Mangels Anspruchsgrundlage steht dem Kläger somit weder der von ihr geltend gemachte Zahlungsanspruch zu, noch kann infolgedessen der - ohnehin nicht bestehende - Annahmeverzug der Beklagten festgestellt oder die Beklagte zur Freistellung von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten verurteilt werden.

Der Feststellungsantrag Ziff. 3. der Berufungsbegründung ist mangels dargelegten Feststellungsinteresses darüber hinaus unzulässig.

V.

Nach alledem hat die Berufung des Klägers keine Aussicht auf Erfolg, weshalb er erwägen sollte, diese zurückzunehmen.