Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 10.05.2023, Az.: 16 U 420/22

Schadensersatz im Zusammenhang mit dem sog. ʺDiesel-Abgasskandalʺ; Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
10.05.2023
Aktenzeichen
16 U 420/22
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2023, 33067
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
LG Hannover - 20.07.2022 - AZ: 11 O 78/22

In dem Rechtsstreit
... pp. ...
hat der 16. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche Verhandlung vom 18. April 2023 durch den Richter am Oberlandesgericht ... als Einzelrichter für Recht erkannt:

Tenor:

  1. I.

    Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der Einzelrichterin der 11. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 20. Juli 2022 wird zurückgewiesen.

  2. II.

    Der Kläger hat die Kosten der Berufung zu tragen.

  3. III.

    Das Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

  4. IV.

    Die Revision wird nicht zugelassen.

  5. V.

    Der Wert des Streitgegenstandes für die Berufungsinstanz wird auf bis 6.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Der Kläger begehrt von der Beklagten Schadensersatz im Zusammenhang mit dem sog. ʺDiesel-Abgasskandalʺ.

Für das streitgegenständliche Fahrzeug, einen Audi A8 3.0l TDI liegt ein verbindlicher Rückruf des Kraftfahrt-Bundesamtes (im Folgenden: KBA) wegen der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung vor. Das KBA hat hierzu - in einer Auskunft gegenüber dem Senat vom 28. Dezember 2022 (Bl. 309 f. Bd. I d.A.) - ausgeführt:

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Der Rückrufcode hierzu lautet ʺ23X6ʺ. Die Beklagte entwickelte in Abstimmung mit dem KBA ein Software-Update, das vom KBA mit Bestätigung vom 26. November 2018 freigegeben wurde und wonach keine unzulässigen Abschalteinrichtungen (mehr) vorliegen sollen. Die Fahrzeughalter wurden von der Beklagten mit Schreiben vom März 2019 über das Erfordernis eines Software-Updates informiert. Außerdem traten die Beklagte und das KBA mit Pressemitteilungen an die Öffentlichkeit (Anlagen B3 und B4) und es gab öffentliche Presseberichterstattung (Anlagen B5-B10). Die Beklagte richtete eine Webseite zur Ermittlung der individuellen Betroffenheit ein (Anlage B11). Das Software-Update wurde schließlich am 23. Oktober 2020 auf das streitgegenständliche Fahrzeug aufgespielt.

Der Kläger erwarb das Fahrzeug am 7. April 2021 mit einer Laufleistung von 153.000 km von einer dritten Privatperson zu einem Kaufpreis von 22.000,00 EUR (Anlage K1). Das Fahrzeug ist mit einem von der Beklagten entwickelten und hergestellten Dieselmotor vom Typ V6 3.0l TDI mit der Schadstoffnorm Euro 6 ausgestattet (Kläger: EA897).

In der Folgezeit war das Fahrzeug in einen unverschuldeten Verkehrsunfall verwickelt (vgl. Anlagen H1 und H2 = Bl. 276 ff. Bd. II d.A.).

Der Kläger hat geltend gemacht, dass in dem Fahrzeug verschiedene Strategien Anwendung finden würden, bei denen es sich um unzulässige Abschalteinrichtungen handele (Strategien A bis E). Durch das Software-Update würden Mangel bzw. Gesetzeswidrigkeit nicht beseitigt. Auch eine temperaturbedingte Abschalteinrichtung sei unzulässig. Demzufolge würde ein Schadensersatzanspruch gem. § 826 BGB bestehen.

Die Beklagte hat vorgetragen, dass nach dem Hinaustreten an die Öffentlichkeit und dem Aufspielen des Software-Updates weder ein sittenwidriges Verhalten noch eine Täuschung vorliegen würden, weil der Kläger das Fahrzeug erworben habe, das er von Anfang an habe erwerben wollen. Weitere, über die festgestellte unzulässige Abschalteinrichtung hinausgehende, manipulierte Funktionen würden nicht vorliegen. Auch bestehe kein Minderwert des streitgegenständlichen Fahrzeugs. Dementsprechend bestünden weder Ansprüche nach § 826 BGB oder aus § 823 Abs. 2 BGB iVm §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV.

Das Landgericht hat die auf kleinen Schadensersatz gerichtete Klage durch Urteil vom 20. Juli 2022 (Bl. 108 ff. Bd. I d.A.), auf das wegen der näheren Einzelheiten des Sachverhalts, der tatsächlichen Feststellungen und der Entscheidungsgründe verwiesen wird (§ 540 ZPO), abgewiesen. Ein Anspruch gem. § 826 BGB sei nicht gegeben, weil der Kläger ein sittenwidriges Verhalten der Beklagten nicht dargelegt habe. Er habe weder zum konkreten Motortyp noch dazu vorgetragen, inwieweit nach Freigabe des Software-Updates noch darüber hinausgehende unzulässige Abschalteinrichtungen vorliegen würden. Ein sittenwidriges Verhalten komme auch deshalb nicht in Betracht, weil die Beklagte an die Öffentlichkeit getreten sei und den die Täuschung begründenden Sachverhalt offengelegt habe, so dass der Arglosigkeit der Kunden entgegengetreten worden sei. Mangels Schutzgesetzcharakters komme auch ein Anspruch nach § 823 Abs. 2 BGB iVm europarechtlichen Schutznormen oder §§ 4, 6, 35, 36 EG-FGV nicht in Betracht.

Hiergegen richtet sich die form- und fristgerechte Berufung des Klägers, mit der er sein erstinstanzliches Begehren auf (kleinen) Schadensersatz weiterverfolgt. Das Fahrzeug sei unstreitig von einem Rückruf durch das KBA betroffen. Ferner seien mindestens zwei von fünf näher beschriebenen Abschalteinrichtungen in dem Motor des Fahrzeuges verbaut. Es handele sich um eine Aufheizstrategie (Strategie A), ein Alternatives Aufheizen (Strategie B), ein Re-Entry Aufheizen (Strategie C) sowie zwei Strategien in Bezug auf den SCR-Katalysator (Strategie D und E). Außerdem sei eine temperaturbedingte Abschalteinrichtung vorhanden, deren konkrete Funktionsweise bereits in der Klageschrift vorgetragen sei und bei der die Abgasrückführung unterhalb von 20°C und oberhalb von 30°C reduziert werde. Das Software-Update sei nicht geeignet die Sittenwidrigkeit bzw. die Gesetzeswidrigkeit entfallen zu lassen. Damit sei nur die vom KBA beanstandete Strategie beseitigt worden, nicht aber die weiteren Abschalteinrichtungen.

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

das Urteil des Landgerichts Hannover vom 20. Juli 2022 wie folgt abzuändern:

  1. 1.

    die Beklagte zu verurteilen, an die Klagepartei einen in das Ermessen des Gerichts zu stellenden, angemessenen Schadensersatz in Höhe von mindestens 25% des Kaufpreises (22.000,00 EUR) nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

  2. 2.

    die Beklagte zu verurteilen, an die Klagepartei die Kosten des außergerichtlichen Vorgehens in Höhe von 1.295,43 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das ihr günstige Urteil erster Instanz als richtig. Die Berufung sei unzulässig und unbegründet. Es bestehe kein Schadensersatzanspruch gem. § 826 BGB, weil nach dem Aufspielen des Software-Updates kein sittenwidriges Verhalten der Beklagten mehr vorliege. Zudem habe sie Maßnahmen ergriffen, die eine Arglosigkeit der Kunden aufgehoben hätten (Aufforderung zur Aufklärung an Vertragshändler; Schreiben an Halter; Pressemitteilungen der Beklagten und des KBA; Presseberichterstattung; Webseite zur Ermittlung der individuellen Betroffenheit). Der Vorwurf der Sittenwidrigkeit sei damit relativiert worden und habe im Zeitpunkt des Erwerbs nicht mehr bestanden. Soweit es das Thermofenster betreffe, rechtfertige dieses nicht den Vorwurf der Sittenwidrigkeit. Auch seien die Kausalität zwischen einem sittenwidrigen Verhalten der Beklagten und der Erwerbsentscheidung sowie die subjektiven Voraussetzungen nicht dargelegt. Schließlich weise das Fahrzeug auch keinen merkantilen Minderwert auf.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung einer amtlichen Auskunft des KBA, die mit Schreiben vom 28. Dezember 2022 (Bl. 309 f. Bd. II d.A.) erteilt wurde und zu der die Parteien Gelegenheit zur Stellungnahme hatten. Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt ihrer in beiden Instanzen eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerechte Berufung des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg. Er hat gegenüber der Beklagten keinen Anspruch auf den sog. kleinen Schadensersatz.

1.§§ 826, 31 BGB

Der Kläger hat gegenüber der Beklagten keinen Anspruch auf Schadensersatz gem. § 826, § 31 BGB.

a) Eine deliktische Haftung nach §§ 826, 31 BGB kommt grundsätzlich in Betracht, wenn unter Täuschung im EG-Typengenehmigungsverfahren bewusst eine unzulässige Motorsteuerungssoftware verbaut wird (vgl. BGH, Urteile vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19, juris; vom 30. Juli 2020 - VI ZR 354/19, VI ZR 367/19, VI ZR 397/19 sowie VI ZR 5/20 und vom 19. Januar 2021 - VI ZR 8/20; jew. juris; vgl. auch OLG Celle, Urteile vom 20. November 2019 - 7 U 244/18, juris Rn. 26 ff. und vom 22. Januar 2020 - 7 U 445/18, juris). Die Beklagte ist daher grundsätzlich gegenüber Käufern von Fahrzeugen, deren von ihr hergestellter Motor mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestattet ist, im Falle des Vorliegens der weiteren Anspruchsvoraussetzungen grundsätzlich wegen vorsätzlicher sittenwidrigen Schädigung nach §§ 826, 31 iVm § 249 BGB verpflichtet, gegen Übereignung des betreffenden Fahrzeugs den um eine Nutzungsvergütung geminderten Kaufpreis zu erstatten.

b) Der Kläger hat bereits keine greifbaren Anhaltspunkte für die Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung dargelegt.

aa) Nach Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 ist die Verwendung von Abschalteinrichtungen, die die Wirkung von Emissionskontrollsystemen verringern, unzulässig. Allerdings gibt es von diesem Verbot drei Ausnahmen gem. Art. 5 Abs. 2 Satz 2 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007. ʺAbschalteinrichtungʺ wiederum ist ein Konstruktionsteil, das die Temperatur, die Fahrzeuggeschwindigkeit, die Motordrehzahl (UpM), den eingelegten Getriebegang, den Unterdruck im Einlasskrümmer oder sonstige Parameter ermittelt, um die Funktion eines beliebigen Teils des Emissionskontrollsystems zu aktivieren, zu verändern, zu verzögern oder zu deaktivieren, wodurch die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems unter Bedingungen, die bei normalem Fahrzeugbetrieb vernünftigerweise zu erwarten sind, verringert wird (Art. 3 Nr. 10 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007).

Maßgeblich für die Frage, ob es sich bei der in Rede stehenden Software um eine Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 3 Nr. 10 der Verordnung Nr. 715/2007 handelt, ist danach insbesondere, ob diese Software die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems ʺunter Bedingungen, die bei normalem Fahrzeugbetrieb vernünftigerweise zu erwarten sind,ʺ verringert. Der Begriff "normaler Fahrzeugbetrieb" bezieht sich dabei auf die Nutzung des Fahrzeugs unter normalen Fahrbedingungen (vgl. EUGH, Urteile vom 14. Juli 2022 - C-128/20, juris Rn. 37 ff. und vom 21. März 2023 - C-100/21, juris Rn. 56 f.). Dieser Begriff verweist somit auf die Verwendung dieses Fahrzeugs unter tatsächlichen Fahrbedingungen, wie sie im Unionsgebiet üblich sind (vgl. EuGH, Urteil vom 14. Juli 2022 aaO Rn. 40, 43) bzw. auf die im Unionsgebiet herrschenden tatsächlichen Fahrbedingungen (vgl. EuGH, Urteil vom 21. März 2023 aaO Rn. 66).

In Bezug auf ein sog. Thermofenster hat der Gerichtshof entschieden, dass Art. 3 Nr. 10 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 i.V.m. deren Art. 5 Abs. 1 dahin auszulegen ist, dass eine Einrichtung, die die Einhaltung der in dieser Verordnung vorgesehenen Emissionsgrenzwerte nur gewährleistet, wenn die Außentemperatur zwischen 15 °C und 33 °C liegt und der Fahrbetrieb unterhalb von 1000 Höhenmetern erfolgt, eine ʺAbschalteinrichtungʺ im Sinne dieses Art. 3 Nr. 10 darstellt, weil Umgebungstemperaturen von weniger als 15 Grad Celsius sowie das Fahren auf Straßen über 1000 Höhenmetern im Unionsgebiet üblich sind (vgl. EUGH, Urteile vom 14. Juli 2022 - C-128/20, juris Rn. 44, 47 und vom 21. März 2023 - C-100/21, juris Rn. 58). Entscheidend ist folglich, ob die Einrichtung kausal für Einhaltung der vorgesehenen Emissionsgrenzwerte ist.

bb) Der Kläger hat zwar das Vorhandensein verschiedener Abschalteinrichtungen, namentlich eine Aufheizstrategie (ʺStrategie Aʺ), ein alternatives Aufheizen (ʺStrategie Bʺ), ein Re-Entry Aufheizen (ʺStrategie Cʺ) und zwei weitere Strategien im Zusammenhang mit dem SCR-Katalysator (ʺStrategie D und Eʺ) behauptet. Allerdings war die Aufheizstrategie im Zeitpunkt des Fahrzeugerwerbs bereits durch ein Software-Update entfernt worden. Für weitere Abschalteinrichtungen hat der Kläger Anhaltspunkte nicht schlüssig dargelegt. Insbesondere hat das KBA bei (nachträglichen) Überprüfungen keine weiteren Abschalteinrichtungen festgestellt und deshalb keine Beanstandungen bezüglich einer Abschalteinrichtung bzw. einer Prüfstandserkennung gehabt.

(1) Ein Sachvortrag zur Begründung eines Anspruchs ist bereits dann schlüssig und erheblich, wenn die Partei Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet und erforderlich sind, das geltend gemachte Recht als in der Person der Partei entstanden erscheinen zu lassen. Die Angabe näherer Einzelheiten ist nicht erforderlich, soweit diese für die Rechtsfolgen nicht von Bedeutung sind. Das Gericht muss nur in die Lage versetzt werden, aufgrund des tatsächlichen Vorbringens der Partei zu entscheiden, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für das Bestehen des geltend gemachten Rechts vorliegen. Sind diese Anforderungen erfüllt, ist es Sache des Tatrichters, in die Beweisaufnahme einzutreten und dabei gegebenenfalls die benannten Zeugen oder die zu vernehmende Partei nach weiteren Einzelheiten zu befragen oder einem Sachverständigen die beweiserheblichen Streitfragen zu unterbreiten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 24. Januar 2012 - 1 BvR 1819/10, juris Rn. 16; BGH, Urteile vom 13. Juli 2021 - VI ZR 128/20, juris Rn. 20 und vom 18. Mai 2021 - VI ZR 401/19, juris Rn. 19; Beschlüsse vom 28. Januar 2020 - VIII ZR 57/19, juris Rn. 7 und vom 26. März 2019 - VI ZR 163/17, juris Rn. 11; jew. mwN).

Diese Grundsätze gelten insbesondere dann, wenn die Partei keine unmittelbare Kenntnis von den ihrer Behauptung zugrunde liegenden Vorgängen hat. Eine Partei darf auch von ihr nur vermutete Tatsachen als Behauptung in einen Rechtsstreit einführen, wenn sie mangels entsprechender Erkenntnisquellen oder Sachkunde keine sichere Kenntnis von Einzeltatsachen hat. Unbeachtlich ist der auf Vermutungen gestützte Sachvortrag einer Partei erst dann, wenn die Partei ohne greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen eines bestimmten Sachverhalts willkürlich Behauptungen "aufs Geratewohl" oder "ins Blaue hinein" aufstellt. Bei der Annahme von Willkür in diesem Sinne ist allerdings Zurückhaltung geboten. In der Regel wird sie nur bei Fehlen jeglicher tatsächlicher Anhaltspunkte vorliegen (BGH, Urteil vom 13. Juli 2021 - VI ZR 128/20, juris Rn. 21 f. mwN).

(2)Aufheizstrategie (ʺStrategie Aʺ)

Ansprüche des Klägers gegen die Beklagte im Zusammenhang mit der behaupteten Aufheizstrategie (ʺStrategie Aʺ) in der ursprünglichen Motorsteuerungssoftware scheiden vorliegend bereits deswegen aus, weil er das streitgegenständliche Fahrzeug bereits mit aufgespieltem Software-Update erworben hat, so dass ein Mangel nicht ersichtlich ist (vgl. ebenso OLG Koblenz, Urteil vom 4. Juli 2019 - 1 U 240/19, BeckRS 2019, 21289; OLG München, Urteil vom 7. September 2020 - 21 U 6317/19, juris Rn. 29 ff.; OLG Hamm, Urteil vom 21. Januar 2020 - 13 U 476/18, juris Rn. 12). Er hat das Fahrzeug nach der Aktualisierung der Motorsteuerungssoftware - infolge eines (unstreitigen) Rückrufs KBA - und zwar am 7. April 2021 erworben. Das Software-Update war bereits am 23. Oktober 2020 auf das Fahrzeug aufgespielt worden.

In diesem Zusammenhang kann zudem unterstellt werden, dass es sich bei der ursprünglich verwendeten Software um eine unzulässige Abschalteinrichtung handelte, die zu einem Mangel des Fahrzeugs geführt hat. Ein solcher Mangel hätte dann nicht allein auf der technischen Ebene vorgelegen, vielmehr hätten dem Käufer eines solchen Fahrzeugs behördliche Anordnungen zur Beseitigung der unzulässigen Abschalteinrichtung bis hin zur Stilllegung des Wagens gedroht. Mit der Durchführung des vom KBA freigegebenem Software-Updates ist jedoch die vormalige unzulässige Abschalteinrichtung beseitigt und es droht deswegen auch keine behördliche Maßnahme mehr. Damit ist ein Mangel jedoch nicht (mehr) ersichtlich.

Das KBA hat mit der Freigabebestätigung bestätigt, dass nach dem Software-Update keine unzulässigen Abschalteinrichtungen mehr vorliegen (vgl. Bl. 49 Bd. I d.A.). Aus dem klägerischen Vorbringen ergibt sich auch kein konkreter Anhalt dafür, dass es beim streitgegenständlichen Fahrzeug zu irgendwie gearteten Störungen oder Unregelmäßigkeiten bei der Nutzung gekommen ist, die man als Abweichen von der üblichen, zu erwartenden Beschaffenheit vergleichbarer Fahrzeuge qualifizieren könnte. Soweit der Kläger allgemein vorträgt, das Update habe negative Auswirkungen auf die Fahrzeuge, greift dies nicht durch. Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 19. Mai 2022 (Bl. 49 Bd. I d.A.) dargetan, dass das KBA mit der Freigabe ausdrücklich bestätigt habe, dass nach Durchführung der angeordneten Maßnahme alle geltenden Grenzwerte bzgl. der Schadstoffemissionen sowie die sonstigen Anforderungen eingehalten werden. Dem ist der Kläger nicht weiter mit schlüssigem Vorbringen entgegengetreten.

(3)ʺStrategien B bis Eʺ

Der Einwand des Klägers, dass der geltend gemachte Schadensersatzanspruch aufgrund des Einsatzes von Strategien begründet sei, die nicht durch das Software-Update entfernt worden seien, verhilft der Berufung nicht zum Erfolg. Denn eine entsprechende (unzulässige) Abschalteinrichtung, insbesondere in Gestalt einer Prüfstandserkennung ist in dem streitgegenständlichen Fahrzeug nicht vorhanden. Der Kläger hat hierfür keine konkreten schlüssigen Anhaltspunkte vorgetragen.

(a) Aus dem verpflichtenden Rückruf des KBA ergibt sich im Streitfall kein gewichtiges Indiz dafür, dass in dem streitgegenständlichen Fahrzeug unzulässige Abschalteinrichtungen in Gestalt eines alternativen Aufheizens, eines Re-Entry Aufheizens oder im Zusammenhang mit dem SCR-Katalysator (zB Restreichweitenregelung) verbaut sind. Denn der Rückruf bezog sich unstreitig lediglich auf die sog. Aufheizstrategie (ʺStrategie Aʺ) und hatte nicht sonstige Strategien zum Gegenstand. Zudem wurde die mit dem Rückruf beanstandete Abschalteinrichtung durch das - hier vor dem Erwerb aufgespielte - Software-Update beseitigt. Folglich unterlag das streitgegenständliche Fahrzeug im Erwerbszeitpunkt keinem Rückruf mehr, der damit im Erwerbszeitpunkt auch kein Anhaltspunkt für das Vorhandensein einer unzulässigen Abschalteinrichtung sein kann.

(b) Ferner folgt dies aus der im vorliegenden Fall eingeholten amtlichen Auskunft des KBA vom 28. Dezember 2022 (Bl. 309 f. Bd. II d.A.). Diese kann der Senat nach § 273 Abs. 2 Nr. 2, § 358a Satz 2 Nr. 2 ZPO grundsätzlich als Beweismittel verwerten (vgl. BGH, Urteil vom 21. April 2016 - I ZR 198/13, BGHZ 210, 77 Rn. 97).

Der Senat hat das KBA mit Schreiben vom 21. Dezember 2022 (Bl. 303 f. Bd. II d.A.) um eine amtliche Auskunft unter anderem zu den nachfolgenden Fragen ersucht:

a) Es ist zwischen den Parteien unstreitig, dass das streitgegenständliche Fahrzeug einem verbindlichen Rückruf des Kraftfahrt-Bundesamtes unterliegt. Auch ist unstreitig, dass die Beklagte (Audi AG) ein Software-Update entwickelt hat, dass vom Kraftfahrt-Bundesamt freigegeben wurde.

Der Kläger in dem hiesigen Rechtsstreit hat das streitbefangene Fahrzeug Audi A8 mit der FIN: XXX jedoch nach dem Aufspielen des Software-Update erworben.

Daraus ergeben sich die folgenden Nachfragen:

b) Welche (unzulässige/n) Abschalteinrichtung/en war/en Grundlage für den Rückruf des Kraftfahrt-Bundesamtes im Hinblick auf das streitgegenständliche Fahrzeug?

Welche Strategie(n) war/en waren Gegenstand des Rückrufs:

aa) Warmlaufstrategie bzw. Aufheizstrategie (Strategie A);

bb) Strategie "Alternatives Aufheizen" (Strategie B);

cc) Strategie "Re-Entry-Aufheizen" (Strategie C);

dd) Strategie, mit der die Eindüsung von AdBlue in Abhängigkeit von der Fahrgeschwindigkeit geregelt wird (Strategie D);

ee) Strategie zur Reduktion der Dosiermenge des AdBlue bei einer Restreichweite von 2.400 km (Strategie E).

Es wird darauf hingewiesen, dass es hier primär um das Vorhandensein dieser Abschalteinrichtungen geht und nicht so sehr um deren Unzulässigkeit. Die Unzulässigkeit unterliegt einer zivilgerichtlichen Kontrolle.

c) Für den Fall des Vorhandenseins von Abschalteinrichtungen:

Wie funktionieren diese Abschalteinrichtungen, insbesondere welches sind die maßgeblichen De-/Aktivierungsparameter?

- Was sind die maßgeblichen De-/Aktivierungsparameter für die

o Strategie A,

o Strategie B,

o Strategie D und

o Strategie E?

- Welche Angaben hat der Hersteller zur Rechtfertigung der Abschalteinrichtungen vorgebracht? Insbesondere: Welche Teile des Motors werden geschützt? Wurden die Angaben überprüft? Falls ja, auf welche Weise ist die Überprüfung erfolgt? Was waren die Ergebnisse? Inwieweit tragen die Ergebnisse die Behauptung des Herstellers, die Abschaltstrategie diene dem Motorschutz?

d) Waren die festgestellten Abschalteinrichtungen dem Kraftfahrt-Bundesamt bei Erteilung der das streitgegenständliche Fahrzeug betreffenden Typgenehmigung bekannt? Welche Informationen hatte das Kraftfahrt-Bundesamt (damals) zur Funktionsweise erhalten? Hatte der Hersteller ggfs. unabhängig von der Beantragung der Typgenehmigung nach der Zulässigkeit einer Abschalteinrichtung gefragt?ʺ

Diese Fragen hat das KBA mit Schreiben vom 28. Dezember 2022 (Bl. 309 f. Bd. II d.A.) wie folgt beantwortet:

Das streitgegenständliche Fahrzeug Audi A8 3.0l Diesel 190 kW Euro 6 mit der Fahrzeug-Identifizierungsnummer (FIN) XXX....... weist eine unzulässige Abschalteinrichtung hinsichtlich des Emissionsverhaltens auf. Es wurden daher mit Bescheid vom 19.01.2018 Nebenbestimmungen zu diesem Fahrzeug angeordnet und es besteht ein Rückruf.

Bei einer Nichtteilnahme an dem Rückruf droht eine Betriebsuntersagung.

Hintergrund des Rückrufs ist Folgender:

In dem betroffenen Fahrzeug wird eine Art Warmlaufstrategie mit vergleichsweise hohen Raten der Abgasrückführung (AGR) nahezu ausschließlich unter den Bedingungen der Prüfung Typ 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 genutzt und außerhalb der gesetzten Bedingungen abgeschaltet, ohne dass ein triftiger Ausnahmegrund vorliegt.

Bereits zum Starten der Strategie wird eine Vielzahl von Initialisierungsparametern verwendet, die über eine UND-Verknüpfung miteinander verbunden sind. D. h. alle Bedingungen müssen gleichzeitig vorliegen, dann wird die Strategie genutzt. Die zu den Parametern gehörenden Werte (Schaltbedingungen) sind so eng eingrenzend, dass die Strategie nahezu ausschließlich im Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) und den dort definierten Prüfbedingungen wirkt.

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Das KBA hat somit bestätigt, dass in dem streitgegenständlichen Fahrzeug nur eine unzulässige Abschalteinrichtung in Gestalt der Aufheizstrategie (ʺStrategie Aʺ) vorhanden ist (bzw. vor dem Erwerb war), nicht jedoch die von dem Kläger behaupteten weiteren Strategien.

(c) Mit der Freigabebestätigung hat das KBA darüber hinaus bestätigt, dass nach dem Software-Update keine unzulässigen Abschalteinrichtungen mehr vorliegen (vgl. Bl. 49 Bd. I d.A.). Es ist insoweit nichts dafür ersichtlich, dass die Feststellungen des KBA aus dem Jahr 2018 in Bezug auf den streitgegenständlichen Motortyp überholt wären, das also neben der ʺStrategie Aʺ weitere (unzulässige) Abschalteinrichtungen implementiert sind.

(d) Es wird in diesem Zusammenhang nicht verkannt, dass die Ausführungen des KBA nicht die rechtliche Beurteilung, ob eine Abschalteinrichtung nach dem Maßstab des Art. 5 Abs. 2 Satz 2 Buchst. a VO 715/2007/EG zulässig ist, einer eigenständigen zivilgerichtlichen Prüfung zu entziehen vermögen (BGH, Urteil vom 8. Dezember 2021 - VIII ZR 190/19, juris Rn. 80; Beschluss vom 14. Dezember 2021 - VIII ZR 386/20, juris Rn. 34). Die Gefahr einer Betriebsuntersagung durch die für die Zulassung zum Straßenverkehr zuständige Behörde ist an der objektiven Rechtslage zu messen. Sie hängt nicht davon ab, ob die im jeweiligen Einzelfall zuständige Zulassungsbehörde eine entsprechende Betriebsuntersagung nach § 5 Abs. 1 FZV ausgesprochen hat oder eine solche (zunächst) unterblieben ist (vgl. BGH, Urteil vom 8. Dezember 2021 - VIII ZR 190/19, aaO Rn. 82).

Darum geht es jedoch vorliegend nicht, sondern vielmehr um das bloße tatsächliche Vorhandensein einer Abschalteinrichtung in Gestalt der behaupteten ʺStrategien B bis Eʺ und nicht um die - in einem zweiten Schritt vorzunehmende - Bewertung von deren (Un-)Zulässigkeit.

Das KBA hat sowohl die ursprüngliche Motorsteuerungssoftware als auch das Software-Update umfassend geprüft. Dabei hat es jedoch im streitgegenständlichen Fahrzeugtyp lediglich eine Aufheiz- bzw. Warmlaufstrategie festgestellt, aber keine Strategien im Zusammenhang mit dem SCR-Katalysator (z.B. Restreichweitenregelung) oder ein alternatives Aufheizen bzw. Re-Entry-Aufheizen. Dies, obwohl - wie dem Senat aus zahlreichen Parallelverfahren bekannt ist - dem KBA das grundsätzliche Vorhandensein beispielweise der Restreichweitenregelung bekannt war. Insoweit gab es auch einen verbindlichen Rückruf des KBA im Hinblick auf die AdBlue-Einspritzung (vgl. dazu etwa OLG Koblenz, Beschluss vom 12. Oktober 2022 - 5 U 1188/22, juris; OLG München, Urteil vom 18. Oktober 2021 - 21 U 2504/21, juris). In der Entscheidung des OLG München wird aus dem Bescheid des KBA wie folgt zitiert:

ʺNach Auffassung des KBA ergibt sich aus der Vorschrift zwar nicht klar, ob das Reagens unter allen möglichen Umständen mindestens 2.400 km oder aber nur bei einem "mittleren" Betriebsprofil 2.400 km ausreichen muss. Jedoch verbietet die Verordnung (EG) Nr. 715/2007 explizit das Vorhandensein von Abschalteinrichtungen bzw. gestattet sie nur unter in Artikel 5 bestimmten Bedingungen, welche hier allesamt nicht zutreffen. Somit ist festzustellen, dass durch die gewählte Strategie die Wirksamkeit des Abgasnachbehandlungssystems unzulässig verringert wird.ʺ

Insoweit ist das KBA von der Unzulässigkeit der Restreichweitenregelung (Strategie E) ausgegangen. Im konkreten Fall hat das KBA die ʺStrategie Eʺ jedoch trotz Prüfung nicht festgestellt, sondern nur die ʺStrategie Aʺ.

So ist weiter auf das Berufungsurteil des 16. Zivilsenats vom 13. Oktober 2021 (16 U 367/21, n.v.) zu verweisen, mit dem der gegen die Audi AG gerichteten Klage stattgegeben worden ist. Ferner kann auf die Verfahren 7 U 791/21 und 7 U 701/20 Bezug genommen werden. In Letzterem ist bei gleichgelagertem Sachverhalt auszugsweise folgende KBA-Auskunft vom 09. Juli 2021 eingeholt worden:

ʺSeitens des KBA wurde ein VW Touareg 3.0 l 193 kW Euro 6 untersucht. Die Prüfberichte und Modaldaten sind auf der Internetseite des KBA zu finden: . . .

In dem betroffenen Fahrzeug wird eine Art Warmlaufstrategie mit vergleichsweise hohen Raten der Abgasrückführung (AGR) nahezu ausschließlich unter den Bedingungen der Prüfung Typ 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 genutzt und außerhalb der gesetzten Bedingungen abgeschaltet, ohne dass ein triftiger Ausnahmegrund vorliegt.

Bereits zum Starten der Strategie wird eine Vielzahl von Initialisierungsparametern verwendet, die über eine UND-Verknüpfung miteinander verbunden sind. D. h. alle Bedingungen müssen gleichzeitig vorliegen, dann wird die Strategie genutzt. Die zu den Parametern gehörenden Werte (Schaltbedingungen) sind so eng eingrenzend, dass die Strategie nahezu ausschließlich im Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) und den dort definierten Prüfbedingungen wirkt. Mit Nutzung der Strategie wird der Emissionsgrenzwert für Stickoxide eingehalten. Schon kleine Abweichungen in Fahrprofil und Umgebungsbedingungen führen zur Abschaltung der Strategie. Dadurch wird die Rate und damit die Wirkung der AGR verringert und die Stickoxidwerte erhöhen sich. Im Falle der betroffenen Fahrzeugkonzepte kann dieser Anstieg der Emissionen auch nicht über das NOx-Nachbehandlungssystem (SCR-Katalysator) kompensiert werden, d. h. ohne die Nutzung erhöhter AGR-Rate-Raten im NEFZ wird der Grenzwert für NOx-Emissionen überschritten.

Diese Strategie wurde durch das KBA als unzulässige Abschalteinrichtung bewertet, da das Fahrzeug unter Typprüfbedingungen effektivere Emissionskontrollstrategien einsetzt als in angrenzenden Bereichen, die ebenfalls zu den normalen Betriebsbedingungen zählen. Eine legitimierende Begründung dafür im Sinne der Ausnahmebestimmungen gemäß Art. 5 Abs. 2 Satz 2 VO 715/2007/EG konnte der Fahrzeughersteller nicht vorbringen.

Das betroffene Fahrzeug verfügt über eine weitere unzulässige Abschalteinrichtung. Die in Rede stehenden Fahrzeuge verwenden einen SCR-Katalysator, der systembedingt mit Reagenzmittel (Harnstoff) betrieben werden muss. Fahrzeuge, deren Abgasnachbehandlungssystems mit einem Reagenzmittel betrieben werden, müssen Anhang XVI der Verordnung (EU) Nr. 692/2008 zur Verordnung (EG) Nr. 715/2007 entsprechen. Danach muss sich ein Aufforderungssystem aktivieren, sobald noch eine Strecke von mindestens 2.400 km gefahren werden kann, bevor der Reagenzbehälter leer wird. Sobald das Aufforderungssystem sich voll aktiviert und das Fahrzeug stillgelegt hat, darf es sich nur dann deaktivieren, wenn die nachgefüllte Reagenzmenge einer mittleren Reichweite von 2.400 km entspricht. Nach der Aussage des Motorenherstellers wird bei oben genannten Fahrzeugen nach Aktivierung des Aufforderungssystems nicht über die gesamte Restreichweite des Fahrzeugs gleich viel Reagenz in den SCR-Katalysator eingedüst (bezogen auf vergleichbare Betriebsbedingungen). Dies soll der Sicherstellung der geforderten Restreichweite dienen. Dadurch, dass die Eindüsung von Reagenz gegenüber einem vergleichbaren Betrieb vor Aktivierung des Aufforderungssystems limitiert wird, liegt eine Verminderung der Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems vor.

Nach Auffassung des KBA ergibt sich aus der Vorschrift zwar nicht klar, ob das Reagenz unter allen möglichen Umständen mindestens 2.400 km oder aber nur bei einem "mittleren" Betriebsprofil 2.400 km ausreichen muss. Jedoch verbietet die Verordnung (EG) Nr. 715/2007 explizit das Vorhandensein von Abschalteinrichtungen bzw. gestattet sie nur unter in Art. 5 bestimmten Bedingungen, welche hier allesamt nicht zutreffen, sodass insgesamt festzustellen ist, dass durch die Strategie die Wirksamkeit des Abgasnachbehandlungssystems unzulässig verringert wird.

Zu den vom KBA festgestellten unzulässigen Abschalteinrichtungen waren im Rahmen der Typengenehmigung keine Angaben des Herstellers im sogenannten Beschreibungsbogen gefordert. Die genaue Beschreibung der Emissionsstrategien wurde erst ab 16.50.2016 mit der Verordnung (EU) 2016/646 eingeführt, nach der Erteilung der Typengenehmigung für das in Rede stehende Fahrzeug.ʺ

(Hervorhebung durch den Senat)

Daraus folgt, dass es für das KBA aufgrund der generellen Kenntnis um die Restreichweitenregelung (ʺStrategie Eʺ) ein Leichtes gewesen wäre, diese Strategie auch im streitgegenständlichen Fahrzeugtyp festzustellen und den Rückruf hierauf zu erstrecken. Das ist aber nicht geschehen, so dass zur Überzeugung des Senats davon auszugehen ist, dass die Restreichweitenregelung hier gerade nicht verbaut ist.

(e) Die vermeintlichen Überschreitungen der gesetzlichen Emissionsgrenzwerte im Straßenbetrieb stellen kein Anzeichen für das Vorhandensein unzulässiger Abschalteinrichtungen dar (vgl. BGH, Urteil vom 13. Juli 2021 - VI ZR 128/20, juris Rn. 23; s. auch OLG Celle, Urteil vom 13. November 2019 - 7 U 367/18, juris Rn. 42). Denn die für die Einhaltung der Euro-5- bzw. Euro-6-Norm relevanten, im NEFZ Verfahren gemessenen Werte entsprechen grundsätzlich auch ohne unzulässige Beeinflussung des Messverfahrens nicht den im Rahmen des tatsächlichen Gebrauchs des Fahrzeugs anfallenden Emissionswerten (so auch OLG München, Urteil vom 5. September 2019 - 14 U 416/19, BeckRS 2019, 26072 Rn. 168). Daher ist der Straßenbetrieb mit der Prüfstandssituation nicht vergleichbar. Dies gilt sowohl hinsichtlich des angegebenen Kraftstoffverbrauchs als auch der Grenzwerte für Emissionen. Auf dem Prüfstand wird eine bestimmte ʺidealeʺ, nicht der Praxis entsprechende Situation vorgegeben, etwa hinsichtlich der Umgebungstemperatur, der Kraftentfaltung (Beschleunigung und Geschwindigkeit), Abschaltung der Klimaanlage usw., so dass der erzielte Wert zwar zu einer relativen Vergleichbarkeit unter den verschiedenen Fahrzeugfabrikaten und -modellen führen mag, absolut genommen aber jeweils nicht mit dem Straßenbetrieb übereinstimmt. Soweit ein Fahrzeug also höhere Emissionswerte im Straßenbetrieb aufweist als unter Prüfstandsbedingungen, kann dies auch auf andere Umstände als den Einbau einer unzulässigen Abschalteinrichtung zurückzuführen sein, weshalb nicht notwendigerweise beim Vorliegen höherer Emissionswerte im Realbetrieb von dem Vorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgegangen werden muss.

(4)Thermofenster

Im Hinblick auf das behauptete Thermofenster kann dahinstehen, ob der Kläger eine unzulässige Abschalteinrichtung schlüssig dargelegt hat.

(a) Der EuGH hat in seiner Entscheidung vom 8. November 2022 (C-873/19, juris Rn. 85) unter Berufung auf zwei frühere Entscheidungen ausgeführt, dass Art. 3 Nr. 10 der Verordnung (EG) 715/2007 in Verbindung mit Art. 5 Abs. 1 dieser Verordnung dahin auszulegen ist, dass eine Einrichtung, die die Einhaltung der in dieser Verordnung vorgesehenen Emissionsgrenzwerte nur gewährleistet, wenn die Außentemperatur zwischen 15 und 33 Grad Celsius liegt und der Fahrbetrieb unterhalb von 1 000 Höhenmetern erfolgt, eine ʺAbschalteinrichtungʺ im Sinne dieses Art. 3 Nr. 10 darstellt.

Um festzustellen, ob es sich bei der in Rede stehenden Software um eine Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 3 Nr. 10 der Verordnung (EG) 715/2007 handelt, ist zu prüfen, ob diese Software die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems ʺunter Bedingungen, die bei normalem Fahrzeugbetrieb vernünftigerweise zu erwarten sind,ʺ verringert (vgl. EuGH, Urteil vom 14. Juli 2022 - C-128/20, juris Rn. 37). Der Begriff ʺnormaler Fahrzeugbetriebʺ bezieht sich dabei auf die Nutzung des Fahrzeugs unter normalen und tatsächlichen Fahrbedingungen, wie sie im Unionsgebiet üblich sind (vgl. EuGH, Urteil vom 14. Juli 2022 - C-128/20, aaO Rn. 40).

(b) Diesen Maßstab zugrunde gelegt, dürfte der Kläger das Vorhandensein einer (unzulässigen) Abschalteinrichtung in Gestalt einer temperaturgesteuerten Abgasrückführung (sog. Thermofenster) nicht schlüssig dargelegt haben und zwar auch nicht unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Grundsätze zu den Substantiierungsanforderungen hinsichtlich des Vorhandenseins unzulässiger Abschalteinrichtungen in einem Dieselmotor (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 28. Januar 2020 - VIII ZR 57/19, NJW 2020, 1740).

Dies hätte im Streitfall jedenfalls klägerischen Vortrag dazu vorausgesetzt, dass in dem Fahrzeug ein Thermofenster verbaut ist und in welchem Temperaturbereich dieses angeblich funktionieren soll. Das ist notwendig, weil nur eine Einrichtung, die die Einhaltung der Emissionsgrenzwerte in einem bestimmten (Außen-)Temperaturfenster gewährleistet, nach der Rechtsprechung des EuGH eine Abschalteinrichtung darstellt.

Erstinstanzlich hat der Kläger lediglich ausgeführt, dass hinsichtlich der temperaturbedingten Abschalteinrichtung in der Klageschrift ausführlich vorgetragen worden sei (Bl. 85 Bd. I d.A.). Das ist unzutreffend; ein Thermofenster war nicht Gegenstand der Klageschrift. Dort ging es (nur) um die ʺStrategien A bis Eʺ. Konkreter Vortrag zu dem Temperaturbereich, in dem das Thermofenster aktiv sein soll, lässt sich dem erstinstanzlichen klägerischen Vorbringen nicht entnehmen. Das ist aber wiederum unabdingbar zur Beurteilung der Frage, ob das Thermofenster die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems ʺunter Bedingungen, die bei normalem Fahrzeugbetrieb vernünftigerweise zu erwarten sind,ʺ verringert. Soweit von einer ʺReduktion bereits außerhalb von +7 °C bis +30 °Cʺ gesprochen wird (Bl. 86 Bd. I d.A.), ist kein Bezug zu dem streitgegenständlichen Fahrzeug zu erkennen.

Mit der Berufungsbegründung hat der Kläger ausgeführt, dass bereits in der Klageschrift ausreichend substantiiert zur konkreten Funktionsweise der temperaturbedingten Steuerung der Abgasreinigung vorgetragen worden sei (Bl. 157 Bd. I d.A.). Das ist unzutreffend, wie bereits dargelegt wurde. In der Folge träge der Kläger erstmals vor, dass die Abgasrückführung unterhalb von 20 °C und oberhalb von 30 °C reduziert werde (Bl. 158 Bd. I d.A.). Es handelt sich folglich um ein neues Angriffsmittel i.S.v. § 529, § 531 Abs. 2 ZPO, bei dem es sich nicht um ein lediglich in zweiter Instanz konkretisiertes Vorbringen handelt. Es ist neu, weil es einen sehr allgemein gehaltenen erstinstanzlichen Vortrag erstmals substantiiert und nicht bereits schlüssiges erstinstanzliches Vorbringen durch weiteren Tatsachenvortrag zusätzlich konkretisiert (vgl. Musielak/Voit/Ball, ZPO, 20. Aufl., § 531 Rn. 15).

Allerdings hat die Beklagte das tatsächliche klägerische Vorbringen zu dem Thermofenster und insbesondere dem Temperaturbereich (unterhalb von 20 °C und oberhalb von 30 °C) auch nicht bestritten, sondern nur ein sittenwidriges Verhalten in Abrede genommen (vgl. BE S. 35 ff. = Bl. 232 ff. Bd. II d.A.). Das Präklusionsrecht und damit auch der grundsätzliche Ausschluss neuer Angriffs- und Verteidigungsmittel im Berufungsrechtszug findet aber keine Anwendung auf unstreitige Tatsachen (vgl. BeckOK ZPO/Wulf, § 531 Rn. 8 [Stand: 1. März 2023]). Letztlich kann das dahinstehen, weil es im Hinblick auf das Thermofenster jedenfalls an einer arglistigen Täuschung des KBA durch die Beklagte fehlt.

c) Ferner ist eine sittenwidrige Schadenszufügung durch die Beklagte von dem Kläger durch das Inverkehrbringen bzw. den Verkauf des streitgegenständlichen Fahrzeugs weder dargetan noch ersichtlich.

aa) Voraussetzung für einen solchen Anspruch ist eine sittenwidrige Schädigung. Sittenwidrig ist ein Verhalten, das nach seinem Gesamtcharakter, der durch umfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Dafür genügt es im Allgemeinen nicht, dass der Handelnde eine Pflicht verletzt und einen Vermögensschaden hervorruft. Vielmehr muss eine besondere Verwerflichkeit seines Verhaltens hinzutreten, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zutage getretenen Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben kann (st. Rspr., vgl. nur BGH, Urteile vom 13. Juli 2021 - VI ZR 128/20, WM 2021, 1609 Rn. 11; vom 30. Juli 2020 - VI ZR 5/20, ZIP 2020, 1715 Rn. 29; vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316 Rn. 15; vom 12. März 2020 - VII ZR 236/19, VersR 2020, 1120 Rn. 24; jeweils m.w.N.). Schon zur Feststellung der objektiven Sittenwidrigkeit kann es daher auf Kenntnisse, Absichten und Beweggründe des Handelnden ankommen, die die Bewertung seines Verhaltens als verwerflich rechtfertigen. Die Verwerflichkeit kann sich auch aus einer bewussten Täuschung ergeben (BGH, Urteile vom 13. Juli 2021 - VI ZR 128/20, WM 2021, 1609 Rn. 11; vom 30. Juli 2020 - VI ZR 5/20, ZIP 2020, 1715 Rn. 29; vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316 Rn. 15). Insbesondere bei mittelbaren Schädigungen kommt es ferner darauf an, dass den Schädiger das Unwerturteil, sittenwidrig gehandelt zu haben, gerade auch in Bezug auf die Schäden desjenigen trifft, der Ansprüche aus § 826 BGB geltend macht (BGH, Beschlüsse vom 9. März 2021 - VI ZR 889/20, VersR 2021, 661 Rn. 12 und vom 19.Januar 2021- VI ZR 433/19, ZIP 2021, 297 Rn. 14; Urteile vom 30. Juli 2020 - VI ZR 5/20, ZIP 2020,1715 Rn. 29 und vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316 Rn. 15).

Ein Automobilhersteller handelt gegenüber dem Fahrzeugkäufer sittenwidrig, wenn er entsprechend seiner grundlegenden strategischen Entscheidung im eigenen Kosten- und Gewinninteresse unter bewusster Ausnutzung der Arglosigkeit der Erwerber, die die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben und die ordnungsgemäße Durchführung des Typgenehmigungsverfahrens als selbstverständlich voraussetzen, Fahrzeuge mit einer Motorsteuerung in Verkehr bringt, deren Software bewusst und gewollt so programmiert ist, dass die gesetzlichen Abgasgrenzwerte nur auf dem Prüfstand beachtet, im normalen Fahrbetrieb hingegen überschritten werden, und damit unmittelbar auf die arglistige Täuschung der Typgenehmigungsbehörde abzielt. Ein solches Verhalten steht einer unmittelbaren arglistigen Täuschung der Fahrzeugerwerber in der Bewertung gleich (vgl. BGH, Urteile vom 25. November 2021 - VI ZR 257/20, juris Rn. 20; vom 16. September 2021 - VII ZR 192/20, juris Rn. 21; vom 8. März 2021 - VI ZR 505/19, juris Rn. 19 und vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19, juris Rn. 16 ff.).

Bereits die objektive Sittenwidrigkeit des Herstellens und des Inverkehrbringens von Kraftfahrzeugen mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Verhältnis zum Fahrzeugerwerber setzt deshalb voraus, dass dies in Kenntnis der Abschalteinrichtung und im Bewusstsein ihrer - billigend in Kauf genommenen - Unrechtmäßigkeit geschieht (vgl. BGH, Urteile vom 25. November 2021 - VII ZR 257/20, juris Rn. 21 und vom 16. September 2021 - VII ZR 192/20, juris Rn. 22; Beschlüsse vom 9. März 2021 - VI ZR 889/20, juris Rn. 28 und vom 19. Januar 2021 - VI ZR 433/19, juris Rn. 19).

Insoweit entspricht es der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung, dass das Kriterium der ʺPrüfstandsbezogenheitʺ grundsätzlich geeignet ist, um zwischen nur unzulässigen Abschalteinrichtungen und solchen, deren Implementierung die Kriterien einer sittenwidrigen vorsätzlichen Schädigung erfüllen können, zu unterscheiden (vgl. BGH, Beschluss vom 16. September 2021 - VII ZR 126/21, juris Rn. 18; Urteil vom 16. September 2021 - VII ZR 190/20, juris Rn. 19; Beschluss vom 9. März 2021 - VI ZR 889/20, juris Rn. 27; Beschluss vom 19. Januar 2021 - VI ZR 433/19, juris Rn. 18). Die Tatsache, dass eine Manipulationssoftware ausschließlich im Prüfstand die Abgasreinigung verstärkt aktiviert, indiziert eine arglistige Täuschung der Genehmigungsbehörden (vgl. zuletzt BGH, Beschluss vom 21. September 2022 - VII ZR 767/21, juris Rn. 10 mwN). Bei einer Abschalteinrichtung, die im Grundsatz auf dem Prüfstand in gleicher Weise arbeitet wie im realen Fahrbetrieb und bei der die Frage der Zulässigkeit nicht eindeutig und unzweifelhaft beantwortet werden kann, kann bei Fehlen sonstiger Anhaltspunkte nicht ohne Weiteres unterstellt werden, dass die für den Motorhersteller handelnden Personen in dem Bewusstsein handelten, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden, und den darin liegenden Gesetzesverstoß billigend in Kauf nahmen, so dass es bereits an der objektiven Sittenwidrigkeit fehlt (vgl. BGH, Beschluss vom 9. März 2021 - VI ZR 889/20, juris Rn. 28; Urteil vom 16. September 2021 - VII ZR 190/20, juris Rn. 16).

bb) Diesen Maßstab zugrunde gelegt lassen sich dem Vorbringen des Klägers die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Schadensersatz gem. § 826 BGB gegen die Beklagte nicht schlüssig entnehmen. Gemessen an den bereits dargelegten Voraussetzungen ist eine ausreichende Darlegung von Anhaltspunkten durch den Kläger, dass das Herstellen und Inverkehrbringen des Fahrzeuges mit unzulässigen Abschalteinrichtungen in Kenntnis der Abschalteinrichtung und im Bewusstsein ihrer - billigend in Kauf genommenen - Unrechtmäßigkeit geschehen, und damit objektiv sittenwidrig, zu verneinen.

(1) Der Kläger hat zwar das Vorhandensein verschiedener Abschalteinrichtungen, namentlich eine Aufheizstrategie (ʺStrategie Aʺ), ein alternatives Aufheizen (ʺStrategie Bʺ), ein Re-Entry Aufheizen (ʺStrategie Cʺ) und zwei weitere Strategien im Zusammenhang mit dem SCR-Katalysator (ʺStrategie D und Eʺ) behauptet. Insoweit und hinsichtlich des Thermofensters kann jedoch zunächst auf die vorangehenden Ausführungen Bezug genommen werden. Darüber hinaus fehlt es an der schlüssigen Darlegung eines sittenwidrigen Verhaltens der Beklagten.

(2)Aufheizstrategie (ʺStrategie Aʺ)

Ansprüche des Klägers gegen die Beklagte im Zusammenhang mit der ursprünglichen Motorsteuerungssoftware (und der ʺStrategie Aʺ) kommen auch deshalb nicht in Betracht, weil er das streitgegenständliche Fahrzeug erst im April 2021 und damit nach Offenlegung der Betroffenheit dieses Fahrzeugtyps von einem Rückruf des KBA aufgrund verschiedener Pressemitteilungen der Beklagten und des KBA erworben hat.

(a) Für die Bewertung eines schädigenden Verhaltens als sittenwidrig ist in einer Gesamtschau dessen Gesamtcharakter zu ermitteln; es ist daher das gesamte Verhalten des Schädigers bis zum Eintritt des Schadens beim konkreten Geschädigten zugrunde zu legen (BGH, Urteil vom 30. Juli 2020 - VI ZR 5/20, juris Rn. 30). Dies wird insbesondere dann bedeutsam, wenn die erste potenziell schadensursächliche Handlung und der Eintritt des Schadens zeitlich auseinanderfallen und der Schädiger sein Verhalten zwischenzeitlich nach außen erkennbar geändert hat (BGH, Urteil vom 30. Juli 2020 - VI ZR 5/20, aaO Rn. 30). Deshalb kann im Rahmen des § 826 BGB ein Verhalten, das sich gegenüber zunächst betroffenen (anderen) Geschädigten als sittenwidrig darstellte, aufgrund einer Verhaltensänderung des Schädigers vor Eintritt des Schadens bei dem konkreten Geschädigten diesem gegenüber nicht mehr als sittenwidrig zu werten sein (BGH, Urteil vom 30. Juli 2020 - VI ZR 5/20, aaO Rn. 31; Beschluss vom 9. März 2021 - VI ZR 889/20, juris Rn. 13). Eine solche Verhaltensänderung kann somit bereits der Bewertung seines Gesamtverhaltens als sittenwidrig - gerade in Bezug auf den geltend gemachten, erst später eingetretenen Schaden und gerade im Verhältnis zu dem erst später Geschädigten - entgegenstehen und ist nicht erst im Rahmen der Kausalität abhängig von den Vorstellungen des jeweiligen Geschädigten zu berücksichtigen (BGH, Urteil vom 30. Juli 2020 - VI ZR 5/20, aaO Rn. 31).

Demgemäß endet - entsprechend der ständigen Rechtsprechung zum Motorentyp EA 189 - die Sittenwidrigkeit des Handelns des schädigenden Fahrzeugherstellers mit der Offenlegung des die Täuschung begründenden Sachverhalts (vgl. BGH, Urteil vom 30. Juli 2020 - VI ZR 5/20, aaO Rn. 34 ff.; OLG Celle, Urteil vom 29. Januar 2020 - 7 U 575/18, juris Rn. 35 ff.; OLG Koblenz, Urteil vom 30. März 2021 - 3 U 1438/20, juris Rn. 32 ff.).

Dies entspricht der aktuellen höchstrichterlichen Rechtsprechung, der sich der Senat angeschlossen hat und auf die wegen der Begründung im Einzelnen jeweils Bezug genommen wird (vgl. BGH, Urteile vom 30. Juli 2020 - VI ZR 5/20, aaO Rn. 34 ff.; vom 8. Dezember 2020 - VI ZR 244/20, ZIP 2021, 84 Rn. 11 ff.; vom 23. März 2021 - VI ZR 1180/20, WM 2021, 986 Rn. 9 ff.; vom 22. Februar 2022 - VI ZR 265/20, juris Rn. 10 und vom 21. Dezember 2021 - VI ZR 277/20, juris Rn. 8; OLG Celle, Beschlüsse vom 1. Juli 2019 - 7 U 33/19, juris Rn. 33 ff. und vom 27. Mai 2019 - 7 U 335/18, juris Rn. 32 ff.; Urteil vom 29. Januar 2020 - 7 U 575/18, juris).

Auf eine Kenntnis der betroffenen Käufer von den Maßnahmen der Beklagten und/oder deren Inhalt kommt es dagegen nicht an.

Entsprechendes hat der BGH mit Beschluss vom 12. Januar 2022 (VII ZR 391/21, juris) - in einem dem vorliegenden Streitfall vergleichbaren Verfahren - bestätigt. Danach hat er im Fall eines im April 2018 von einem Audi-Vertragshändler erworbenen, mit einem V6-3-Liter-Motor ausgestatteten Audi SQ5 ein sittenwidriges Handeln der Beklagten verneint, weil im Rahmen der gebotenen Gesamtbetrachtung ihr Verhalten bis zum Abschluss des dort streitgegenständlichen Kaufvertrags infolge der von ihr zwischenzeitlich ergriffenen Maßnahmen zur Vermeidung einer Täuschung potentieller Fahrzeugerwerber den Vorwurf der Sittenwidrigkeit nicht mehr habe rechtfertigen können (BGH, Beschluss vom 12. Januar 2022 - VII ZR 391/21, aaO Rn. 27 ff.). Der BGH ist von dem Folgenden durch das Berufungsgericht festgestellten Sachverhalt ausgegangen (Beschluss vom 12. Januar 2022 - VII ZR 391/21, aaO Rn. 1 f.):

ʺDer Kläger nimmt die Beklagte hinsichtlich eines von ihm am 6. April 2018 von einem AUDI-Vertragshändler als Gebrauchtwagen erworbenen und von der Beklagten hergestellten Fahrzeugs AUDI SQ5 in Anspruch. Das Fahrzeug ist mit einem Dieselmotor des Typs V6 3.0 TDI EU 6 ausgestattet und unterfiel wegen der sogenannten Aufheizstrategie einem verpflichtenden Rückruf seitens des Kraftfahrt-Bundesamtes (KBA), über den das KBA mit Pressemitteilung vom 23. Januar 2018 informiert hatte.

Die Beklagte hatte ihre Vertriebspartner zuvor über die für die Kommunikation mit diesen eingerichteten internetbasierten Plattform "AUDI Partner Portal" (APP) über den Rückruf informiert. Das APP enthält alle wesentlichen Informationen für die Tätigkeit des Händlers und wird von diesem mehrfach wöchentlich eingesehen. Die Beklagte teilte ihren Vertriebspartnern mit, dass die betroffenen Fahrzeuge, darunter das später vom Kläger erworbene, nur nach entsprechendem Hinweis an den Kaufinteressenten über die Beanstandung des KBA und das erforderliche Software-Update verkauft werden dürften. Zu diesem Zweck stellte die Beklagte den Vertragshändlern über das APP ein Musterschreiben zur Verfügung, welches fortan den Kaufinteressenten vor Abschluss des Kaufvertrages auszuhändigen sei (sogenannter Beipackzettel). In Zusammenarbeit mit dem KBA entwickelte die Beklagte ein Software-Update, mit dem das KBA den gesetzeswidrigen Zustand für beseitigt ansah. Der Kläger ließ das Software-Update aufspielen, um eine Stilllegung des Fahrzeugs zu vermeiden.ʺ

Dies zugrunde legend hat der BGH ausgeführt (Beschluss vom 12. Januar 2022 - VII ZR 391/21, aaO Rn. 28-30):

ʺ(1) Durch die vom Berufungsgericht festgestellten Maßnahmen der Beklagten sind wesentliche Umstände, die den Vorwurf der Sittenwidrigkeit im Hinblick auf die Entwicklung und Implementierung der - revisionsrechtlich zu unterstellenden - manipulativen und prüfstandsbezogenen Aufheizstrategie tragen, bis zum maßgeblichen Zeitpunkt des Fahrzeugerwerbs durch den Kläger entfallen (vgl. BGH, Urteil vom 30. Juli 2020 - VI ZR 5/20 Rn. 34, ZIP 2020, 1715). Bei der gebotenen Gesamtbetrachtung kann das Verhalten der Beklagten bis zum Abschluss des streitgegenständlichen Kaufvertrages im April 2018 mit einer Täuschung nicht mehr gleichgesetzt werden. Selbst wenn analog zu den Feststellungen zur Gesinnung und zum Verhalten der Volkswagen AG gegenüber Käufern, die vor dem 22. September 2015 ein Fahrzeug mit einem Motor des Typs EA 189 erwarben, dessen evident unzulässige "Umschaltlogik" in Millionen von Fällen den sogenannten Dieselskandal erst ausgelöst hat (vgl. BGH, Urteil vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19 Rn. 16 ff., BGHZ 225, 316), unterstellt wird, dass auch die Beklagte ursprünglich aufgrund einer für ihr Unternehmen getroffenen grundlegenden strategischen Entscheidung bei der Motorenentwicklung im eigenen Kosten- und Gewinninteresse durch bewusste und gewollte Täuschung des KBA systematisch, langjährig und in großem Umfang Fahrzeuge mit Motoren mit unzulässiger Abschalteinrichtung in den Verkehr gebracht habe, womit eine erhöhte Belastung der Umwelt sowie die Gefahr einhergegangen seien, dass bei einer Aufdeckung des Sachverhalts eine Betriebsbeschränkung oder -untersagung hinsichtlich der betroffenen Fahrzeuge erfolgen könnte, hat das Berufungsgericht zu Recht wegen der festgestellten Verhaltensänderung den Vorwurf der Sittenwidrigkeit im maßgeblichen Erwerbzeitpunkt des Klägers nicht mehr für gerechtfertigt gehalten.

(2) Wie das Berufungsgericht zutreffend ausführt, hat die Beklagte durch ihr Verhalten gezeigt, dass es ihr nicht mehr darauf ankam, die Fahrzeugkäufer im eigenen Kosten- und Gewinninteresse zu täuschen. Sie hat vielmehr nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts umfangreiche Veranlassungen getroffen, um eine solche - durch ihre Vertragshändler vermittelte - Täuschung der Käufer zu verhindern. Aufgrund der verpflichtenden internen Anweisung auf der für die Kommunikation mit ihren Vertragshändlern maßgeblichen Plattform durfte die Beklagte davon ausgehen, dass Fahrzeugkäufer von den Vertragshändlern der Beklagten grundsätzlich Kenntnis von der unzulässigen Abschalteinrichtung erhielten. In Zusammenarbeit mit dem KBA hat die Beklagte zudem ein Software-Update entwickelt, das den gesetzeswidrigen Zustand und die Stilllegungsgefahr nach Freigabe durch das KBA beseitigt hat.

(3) Entgegen der Auffassung der Revision gebietet die Tatsache, dass die Beklagte nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht analog zur Volkswagen AG und dem von dieser entwickelten Motortyp EA 189 eine Pressemitteilung über den Rückruf veröffentlicht und keine Suchmaschine freigeschaltet hat, mit der anhand der Fahrzeug-Identifizierungsnummer kontrolliert werden konnte, ob das eigene Fahrzeug betroffen war, keine andere Beurteilung. Denn dass die Beklagte eine bewusste Manipulation geleugnet hat und dass sie möglicherweise weitere Schritte zur umfassenden Aufklärung hätte unternehmen können, reicht für die Begründung des gravierenden Vorwurfs der sittenwidrigen Schädigung gegenüber späteren Käufern nicht aus. Insbesondere war ein aus moralischer Sicht tadelloses Verhalten der Beklagten oder eine Aufklärung, die tatsächlich jeden potenziellen Käufer erreicht und einen Fahrzeugerwerb in Unkenntnis der Abschalteinrichtung sicher verhindert, zum Ausschluss objektiver Sittenwidrigkeit nicht erforderlich (vgl. BGH, Urteil vom 8. Dezember 2020 - VI ZR 244/20 Rn. 16, WM 2021, 50; Urteil vom 30. Juli 2020 - VI ZR 5/20 Rn. 38, ZIP 2020, 1715). Es kommt daher auch nicht darauf an, dass nach den protokollierten Angaben des Klägers bei seiner Anhörung der Vertragshändler, von dem er das Fahrzeug erwarb, ihm nicht nur den "Beipackzettel" nicht aushändigte, sondern ihn sogar unzutreffend informierte, das Fahrzeug sei nicht von einem Rückruf betroffen.ʺ

(Hervorhebungen d.d. Senat)

(b) Gemessen an diesen Voraussetzungen ist auch im Streitfall in der Gesamtschau ein sittenwidriges Verhalten der Beklagten beim Fahrzeugerwerb durch den Kläger im April 2021 zu verneinen.

(aa) Jedenfalls ab Beginn des Jahres 2018 verfolgte die Beklagte die Strategie, an die Öffentlichkeit zu treten, Unregelmäßigkeiten einzuräumen und in Zusammenarbeit mit dem KBA Maßnahmen zur Beseitigung des gesetzwidrigen Zustandes zu erarbeiten, um die Gefahr einer Betriebsbeschränkung oder -untersagung zu bannen.

Bereits durch Pressemitteilung vom 21. Juli 2017 hatte die Beklagte die Öffentlichkeit von den Untersuchungen des KBA unterrichtet. Am 23. Januar 2018 veröffentlichte das KBA eine Pressemitteilung zu nachgewiesenen unzulässigen Abschalteinrichtungen unter anderem bei dem streitgegenständlichen Fahrzeug (Anlage B4). Darüber hinaus hatte die Beklagte - unstreitig - ihre Vertragshändler über die Beanstandungen des KBA informiert. Über das Audi Partner Portal (APP) wurde den Händlern mitgeteilt, dass die Fahrzeuge vor Aufspielen des vom KBA freigegebenen Software-Updates nur nach entsprechendem Hinweis der Kaufinteressenten verkauft werden dürfen. Zu diesem Zweck wurde ein Musterschreiben (sog. Beipackzettel) zur Verfügung gestellt, welches Kaufinteressenten auszuhändigen war. Durch den übergebenen Beipackzettel informierte die Beklagte Kaufinteressenten darüber, dass das KBA bereits involviert ist. Sie setzte potenzielle Käufer ferner davon in Kenntnis, dass die erforderlichen Software-Updates mit dem KBA abgestimmt werden. Ferner hat die Beklagte sämtliche ihr bekannte Fahrzeughalter individuell angeschrieben, um sie von dem Rückruf in Kenntnis zu setzen. Außerdem schaltete sie eine Webseite frei, auf der durch Eingabe der FIN die Betroffenheit von Fahrzeugen abgefragt werden konnte. Insoweit wird auf den unbestrittenen Vortrag der Beklagten verwiesen (Bl. 49R ff. Bd. I d.A.).

(bb) Dementsprechend hat die Beklagte durch ihr Verhalten gezeigt, dass es ihr nicht mehr darauf ankam, die Fahrzeugkäufer im eigenen Kosten- und Gewinninteresse zu täuschen. Sie hat vielmehr umfangreiche Veranlassungen getroffen, um eine solche - durch ihre Vertragshändler vermittelte - Täuschung der Käufer zu verhindern. Die Beklagte durfte davon ausgehen, dass Fahrzeugkäufer von den Vertragshändlern der Beklagten grundsätzlich Kenntnis von der unzulässigen Abschalteinrichtung erhielten. In Zusammenarbeit mit dem KBA hat die Beklagte zudem ein Software-Update entwickelt, das den gesetzeswidrigen Zustand und die Stilllegungsgefahr nach Freigabe durch das KBA beseitigt hat.

(cc) Jedenfalls in ihrer Zusammenschau führten die genannten Maßnahmen dazu, dass der Beklagten kein objektiv sittenwidriges Verhalten mehr angelastet werden kann. Dass diese mitunter etwas anders gelagert waren, als die Maßnahmen, welche die VW AG hinsichtlich des Motorentyps EA 189 ergriff, führt insoweit zu keinem anderen Ergebnis. Dass darüber hinaus weitere unzulässige Abschalteinrichtungen im Rahmen der Überprüfung durch das KBA unentdeckt geblieben wären, hat der Kläger nicht substantiiert dargetan. Auf eine subjektive Kenntnis der betroffenen Käufer von den genannten Maßnahmen kommt es dabei ohnehin nicht an. Käufer eines betroffenen PKW, die ihr Fahrzeug jedenfalls ab Februar 2018 erworben haben, können die Beklagte als Motorherstellerin daher nicht (mehr) aus Delikt in Anspruch nehmen.

(3)Thermofenster

Es lässt sich darüber hinaus auch im Zusammenhang mit der temperaturgesteuerten Abgasrückführung und der Implementierung des Thermofensters keine arglistige Täuschung des KBA durch die Beklagte feststellen.

(a) Selbst wenn eine temperaturbeeinflusste Steuerung der Abgasrückführung in Form eines Thermofensters als unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 zu qualifizieren wäre, genügte der darin liegende Gesetzesverstoß des Fahrzeug- und Motorherstellers jedenfalls nicht, dessen Gesamtverhalten als sittenwidrig zu qualifizieren (vgl. BGH, Beschluss vom 9. März 2021 - VI ZR 889/20, juris Rn. 26). Der Aspekt der Gesetzkonformität ist nämlich von der Frage eines sittenwidrigen Handelns strikt zu trennen. Dies gilt dabei sogar dann, wenn dieser Verstoß seitens des Herstellers aufgrund einer grundlegenden unternehmerischen Entscheidung getroffen und mit der Entwicklung und dem Einsatz der temperaturabhängigen Steuerung des Emissionskontrollsystems (Thermofenster) eine Kostensenkung und die Erzielung von Gewinn erstrebt worden sein sollte (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Januar 2021 - VI ZR 433/19, juris Rn. 13). Denn die Applikation einer temperaturabhängigen Steuerung des Emissionskontrollsystems ist nicht mit der Verwendung einer Prüfstandserkennungssoftware zu vergleichen, da letztere unmittelbar auf eine Täuschung der Typengenehmigungsbehörde abzielt und einer unmittelbaren arglistigen Täuschung des Fahrzeugerwerbers in der Bewertung gleichsteht, während der Einsatz einer temperaturabhängigen Steuerung des Emissionskontrollsystems nicht von Vornherein durch Arglist geprägt ist (BGH, Beschluss vom 9. März 2021 - VI ZR 889/20, aaO Rn. 27).

Aus diesem Grund setzte eine deliktische Haftung der Beklagten als Fahrzeug- und Motorherstellerin gem. §§ 826, 31 BGB voraus, dass diese die Motorsteuerung des streitgegenständlichen Fahrzeugtyps vorsätzlich mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehen und die Genehmigungsbehörde, d.h. das KBA hierüber arglistig getäuscht hätte (vgl. BGH, Urteile vom 25. Mai 2020 aaO und Urteile jeweils vom 30. Juli 2020 - VI ZR 354/19, VI ZR 367/19 und VI ZR 397/19; jew. juris).

Folglich wäre der Vorwurf sittenwidrigen Verhaltens nur dann gerechtfertigt, wenn zu einem Verstoß gegen die Verordnung 715/2007/EG weitere Umstände hinzuträten, die das Verhalten der für die Beklagte handelnden Personen als besonders verwerflich erscheinen ließen. Dafür müssten sich die betreffenden Personen bei der Entwicklung bzw. Installation des Thermofensters darüber bewusst gewesen sein, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden, und den darin liegenden Gesetzesverstoß billigend in Kauf genommen haben (vgl. BGH, Beschluss vom 9. März 2021 aaO Rn. 28).

(b) Greifbare Anhaltspunkte, die auf ein solches Vorstellungsbild hindeuten könnten - beispielsweise, dass die Beklagte im Typgenehmigungsverfahren erforderliche Angaben verschwiegen, insbesondere verschleiert hätte, dass die Abgasrückführungsrate in dem streitgegenständlichen Fahrzeugtyp durch die Außentemperatur mitbestimmt wird - hat der Kläger jedoch weder erstinstanzlich, noch im Rahmen seiner Berufungsbegründung vorgetragen. Ihn trifft aber die Darlegungs- und Beweislast für solche Umstände, aus denen sich die Verwerflichkeit des Handelns der Mitarbeiter der Beklagten begründen soll (BGH, Beschluss vom 19. Januar 2021 aaO Rn. 19). Vor diesem Hintergrund reicht es nicht aus, lediglich zu bestreiten, dass die Beklagte im Typengenehmigungsverfahren die erforderlichen Angaben gemacht habe. Die Beklagte muss sich auch nicht im Rahmen einer sekundären Darlegungslast dazu entlasten, keine unzureichenden oder fehlerhaften Informationen gegenüber Genehmigungsbehörde bezüglich der Eigenschaften und Funktionsweise der von ihr verwendeten Motorsteuerungssoftware abgegeben zu haben. Sich zu den Einzelheiten der von ihr erfolgten Angaben im Typengenehmigungsverfahren zu erklären, obläge der Beklagten erst dann, wenn der Kläger seinerseits hinreichende Anhaltspunkte für unzureichende oder unrichtige Angaben vorgetragen hätte. Eben hieran fehlt es vorliegend jedoch. Insoweit kann zur Vermeidung von Wiederholungen auf die vorangehenden Ausführungen Bezug genommen werden.

d) Schließlich hat der Kläger keinen Schaden (mehr). Insoweit wird zur Meidung von Wiederholungen auf die nachfolgenden Ausführungen unter Ziffer 2. Bezug genommen.

2.§ 823 Abs. 2 BGB iVm Richtlinie 2007/46

Darüber hinaus hat der Kläger gegenüber der Beklagten auch keinen Anspruch auf Schadensersatz gem. § 823 Abs. 2 BGB iVm Art. 18, 26, 46 der Richtlinie 2007/46/EG bzw. § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV.

a) Es kann dahinstehen, ob Art. 18 Abs. 1, Art. 26 Abs. 1 und Art. 46 der Rahmenrichtlinie in Verbindung mit Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 dahin auszulegen sind, dass sie neben allgemeinen Rechtsgütern die Einzelinteressen des individuellen Käufers eines Kraftfahrzeugs gegenüber dessen Hersteller schützen, wenn dieses Fahrzeug mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 2 dieser Verordnung ausgestattet ist (so EuGH, Urteil vom 21. März 2023 - C-100/21, juris Rn. 85)

b) Selbst wenn dies der Fall wäre, würde eine Haftung der Beklagten aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 6 Abs. 1, § 7 Abs. 1 EG-FGV bzw. Art. 18 Abs. 1, Art. 26 Abs. 1 und Art. 46 der Richtlinie 2007/46 scheitern, weil der Kläger keinen Schaden (mehr) hat.

aa) Gemäß § 249 Abs. 1 BGB hat, wer zum Schadensersatz verpflichtet ist, den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. Dabei kommt es darauf an, den Geschädigten wirtschaftlich möglichst so zu stellen, wie er ohne das schadenstiftende Ereignis stünde (BGH, Urteil vom 6. Juli 2021 - VI ZR 40/20, NJW 2021, 3041 Rn. 13). Nach diesen Grundsätzen kann ein Geschädigter, der durch ein deliktisches Handeln eines Dritten, das einer bewussten arglistigen Täuschung gleichsteht, zum Abschluss eines Kaufvertrags bestimmt worden ist, von diesem verlangen, so gestellt zu werden, als habe er den Kaufvertrag nicht abgeschlossen. Die deliktische Haftung erfasst dabei nicht das Erfüllungsinteresse oder positive Interesse, weil sie nicht an das Bestehen einer Verbindlichkeit und deren Nicht- oder Schlechterfüllung anknüpft. Sie beschränkt sich vielmehr auf das Erhaltungsinteresse und damit das negative Interesse. Der durch eine unerlaubte Handlung Geschädigte hat grundsätzlich keinen Anspruch darauf, besser zu stehen, als er stünde, wenn der Schädiger die unerlaubte Handlung nicht begangen hätte (BGH, Urteil vom 6. Juli 2021 - VI ZR 40/20, aaO, Rn. 14 f.).

Liegt die Schädigung in dem Abschluss eines Kaufvertrags über ein bemakeltes Kraftfahrzeug (BGH, Urteil vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316 Rn. 44 ff.), ist der Geschädigte nicht darauf beschränkt, gegen die Erstattung des Kaufpreises unter Anrechnung einer Nutzungsentschädigung und sonstiger Vorteile die Kaufsache herauszugeben. Er kann die Kaufsache behalten. Als Schaden kann er dann den Betrag ersetzt verlangen, um den er den Kaufgegenstand - gemessen an dem objektiven Wert von Leistung und Gegenleistung - zu teuer erworben hat. Der Geschädigte wird damit so behandelt, als wäre es ihm bei Kenntnis der wahren Sachlage gelungen, den Vertrag zu einem niedrigeren Preis abzuschließen. Da es sich hierbei nur um die Bemessung des verbliebenen Vertrauensschadens und nicht um die Frage einer Anpassung des Vertrags handelt, braucht der Geschädigte in diesem Fall entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts auch nicht nachzuweisen, dass sich der Vertragspartner auf einen Vertragsschluss zu einem niedrigeren Preis eingelassen hätte (BGH, Urteil vom 6. Juli 2021 - VI ZR 40/20, aaO Rn. 16 ff., 21).

Beim kleinen Schadensersatz wird der zu ersetzende Vertrauensschaden auf die berechtigten Erwartungen des Geschädigten reduziert, die durch den zustande gekommenen Vertrag nicht befriedigt werden (vgl. BGH, Urteil vom 19. Mai 2006 - V ZR 264/05, BGHZ 168, 35 Rn. 21 mwN). Bei einem Kaufvertrag geschieht dies durch die Herabsetzung der Leistung des Geschädigten auf das tatsächlich angemessene Maß. Der Geschädigte wird damit so behandelt, als wäre es ihm bei Kenntnis der wahren Sachlage gelungen, den Vertrag zu einem niedrigeren Preis abzuschließen. Sein Schaden ist danach der Betrag, um den er den Kaufgegenstand zu teuer erworben hat (vgl. BGH, Urteil vom 6. Juli 2021 - VI ZR 40/20, aaO Rn. 16). Maßgeblich für die Bemessung dieses "kleinen Schadensersatzes" ist grundsätzlich der Vergleich der Werte von Leistung und Gegenleistung im Zeitpunkt des Vertragsschlusses (BGH, Urteile vom 6. Februar 2018 - II ZR 17/17, NJW 2018, 1675 Rn. 20; vom 25. September 2018 - II ZR 27/17, juris Rn. 11).

Folglich kann der Geschädigte den Schaden ersetzt verlangen, der dadurch entstanden ist, dass er infolge des vorsätzlichen sittenwidrigen Verhaltens der Beklagten einen Kaufvertrag über das Fahrzeug geschlossen hat, bei dem der objektive Wert der Gegenleistung (des Fahrzeugs) den objektiven Wert ihrer Leistung (des Kaufpreises) nicht erreicht. Abweichend von der allgemeinen Regel, dass es für die Berechnung des konkreten Schadens - sofern der Schuldner nicht bereits vorher seine Ersatzpflicht erfüllt - grundsätzlich auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz ankommt, ist für die Bemessung des sogenannten kleinen Schadensersatzes dabei grundsätzlich zunächst der Vergleich der Werte von Leistung und Gegenleistung im Zeitpunkt des Vertragsschlusses maßgeblich. Dies schließt eine schadensmindernde Berücksichtigung später eintretender Umstände im Rahmen der Vorteilsausgleichung nicht aus (vgl. BGH, Urteil vom 6. Februar 2018 - II ZR 17/17, NJW 2018, 1675 Rn. 21).

Dabei können nach den im Bereich des Schadensersatzrechts entwickelten, auf dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) beruhenden Grundsätzen der Vorteilsausgleichung dem Geschädigten diejenigen Vorteile anzurechnen sein, die ihm in adäquatem Zusammenhang mit dem Schadensereignis zufließen. Dass der Geschädigte in diesem Fall, anders als im Falle der Geltendmachung des großen Schadensersatzes, nicht einen ungünstigen Vertrag rückabwickeln, sondern die Differenz zwischen dem Wert seiner Leistung und der Gegenleistung im Zeitpunkt des Vertragsschlusses liquidieren will, ändert an der Rechnungseinheit zwischen einerseits dem von ihm gezahlten Kaufpreis und andererseits dem Nutzungswert und tatsächlichen Restwert des Kraftfahrzeugs nichts. Denn bei der Bemessung des objektiven Werts des Fahrzeugs im Zeitpunkt des Vertragsschlusses ist insbesondere das Risiko der Betriebsuntersagung oder -beschränkung einzubeziehen. Hat sich dieses wertbestimmende Risiko bis zum Ende der Gesamtlaufzeit des Fahrzeugs nicht verwirklicht, muss dieser Umstand im Wege der Vorteilsausgleichung Berücksichtigung finden (vgl. BGH, Urteil vom 24. Januar 2022 - VIa ZR 100/21, juris 20).

Allerdings sind Nutzungsvorteile und der Restwert des Fahrzeugs auf den Anspruch auf kleinen Schadensersatz erst dann und nur insoweit schadensmindernd anzurechnen, als sie den tatsächlichen Wert des Fahrzeugs bei Abschluss des Kaufvertrags übersteigen (vgl. BGH, Urteil vom 24. Januar 2022 - VIa ZR 100/21, aaO Rn. 22).

bb) Diesen Maßstab zugrunde gelegt hat der Kläger keinen Schaden (mehr) bzw. einen solchen nicht schlüssig dargelegt.

(1) Ausgangspunkt der Berechnung ist nach der Rechtsprechung des BGH der tatsächliche Wert des Fahrzeugs bei Abschluss des Kaufvertrages. Im Streitfall hat der Kläger vorgetragen, dass (mindestens) von einem Wertverlust in Höhe von 25 % auszugehen sei (Bl. 77R Bd. I d.A.). Ausgehend davon errechnet sich ein tatsächlicher Wert des Fahrzeuges im Zeitpunkt des Erwerbs durch den Kläger in Höhe von 16.500,00EUR (75 % des Kaufpreises i.H.v. 22.000,00 EUR), der hier als wahr unterstellt werden kann.

Insoweit dürfte das klägerische Vorbringen bereits widersprüchlich sein, wenn einerseits ein angeblicher Wertverlust in Höhe von 25 % für das Fahrzeug im Zeitpunkt des Erwerbs behauptet wird und andererseits ein Haftpflichtgutachten vorgelegt wird, aus dem sich ein (derzeitiger) Wiederbeschaffungswert in Höhe von 32.000,00 EUR ergibt, der erheblich über dem damaligen Kaufpreis in Höhe von 22.000,00 EUR liegt. Letztlich kann das dahinstehen.

(2) Darüber hinaus muss sich der Kläger Vorteile anrechnen lassen, die in einem inneren Zusammenhang mit dem schädigenden Ereignis stehen.

(a) Das betrifft zunächst die Nutzungsvorteile aus der tatsächlichen Nutzung des streitgegenständlichen Fahrzeuges in Höhe von 1.624,86 EUR.

(aa) Bei der gemäß § 287 ZPO vorzunehmenden Bemessung der anzurechnenden Vorteile ist von folgender Berechnungsformel auszugehen:

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Diese Berechnungsmethode hat der BGH nicht beanstandet (vgl. BGH, Urteil vom 30. Juli 2020 - VI ZR 354/19, NJW 2020, 2796 [BGH 30.07.2020 - VI ZR 354/19] Rn. 12 f.). Die Gesamtlaufleistung des streitgegenständlichen Fahrzeugs schätzt der Senat auf 300.000 km. Insoweit macht der Senat von der Möglichkeit der Anspruchsschätzung nach § 287 ZPO Gebrauch. Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung des Senats bei 3.0l-Motoren.

Die für die Bemessung der Nutzungsentschädigung maßgebliche Gesamtlaufleistung ist nicht an der bei gesteigertem Erhaltungsaufwand technisch möglichen Leistungs(ober)grenze orientiert, sondern an der durchschnittlichen Gesamtlaufleistung, wie sie für ein hier vorliegendes Fahrzeug aus der Perspektive und dem mutmaßlichen Parteiwillen unter Berücksichtigung der gewöhnlichen Lebenserfahrung im Regelfall zu erwarten ist (vgl. Eggert, in: Reinking/Eggert, Der Autokauf, 14. Aufl., Rn. 3568). Vor diesem Hintergrund kommt es nicht darauf an, dass vergleichbare Fahrzeuge mitunter auch andere Laufleistungen erzielen, die die vom Senat mit 300.000 km bemessene zu erwartende Gesamtlaufleistung bereits überschritten haben. Denn umgekehrt müssen auch diejenigen Fahrzeuge in die Wertbestimmung mit einbezogen werden, die bereits deutlich vor Erreichen der 300.000-km-Grenze "auf der Strecke" geblieben sind, um eine realistische Betrachtung zu erreichen. Anhaltspunkte dafür, dass auch unter Berücksichtigung letzterer Fahrzeuge die durchschnittliche Lebenserwartung eines entsprechenden Wagens mit mehr als 300.000 km zu prognostizieren wäre, sind weder ersichtlich, noch von dem Kläger im Rahmen seiner Ausführungen dargetan.

Die Bemessung der Schadenshöhe und damit auch der der Berechnung der Nutzungsentschädigung zugrunde zu legenden zu erwartenden Gesamtlaufleistung unterliegt dem Schätzungsermessen des Senats iSd § 287 ZPO. Dieser ist daher an die Beweisanträge der Parteien, etwa auf Einholung eines entsprechenden Sachverständigengutachtens, nicht gebunden. Eine Schätzung ist nur unzulässig, wenn die festgestellten Umstände keine genügende Grundlage für eine Schätzung abgeben und diese daher mangels greifbarer Anhaltspunkte völlig in der Luft hängen würde (BGH, Urteil vom 22. Mai 2003 - IX ZR 159/01, NJW-RR 2003, 1569, 1571). Davon kann im Streitfall jedoch keine Rede sein. Denn angesichts der umfangreichen, die Bemessung der Restlaufleistung von Fahrzeugen behandelnden Judikatur (vgl. Eggert, in: Reinking/Eggert, aaO Rn. 3574) bestehen genügend Anknüpfungspunkte für eine typenspezifische Bestimmung der Gesamtlaufleistung.

(bb) Diesen Maßstab zugrunde gelegt ist vorliegend eine Nutzungsentschädigung in Höhe von 1.624,86 EUR zu berücksichtigen. Der Kläger hat das Fahrzeug mit einer Laufleistung von 153.000 km erworben und zuletzt eine Laufleistung von 163.857 km mitgeteilt:

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(b) Außerdem ist der Restwert des Fahrzeuges im Rahmen der Vorteilsausgleichung zu berücksichtigen. Dasselbe gilt für von der gegnerischen Haftpflichtversicherung geleisteten (fiktiv) erstattungsfähigen Reparaturkosten.

(aa) Für die Darlegungs- und Beweislast gilt zwar, dass grundsätzlich die Beklagte die Beweislast für die Voraussetzungen der Vorteilsausgleichung und damit auch für den Restwert des Fahrzeuges trägt. Ihre Darlegungs- und Beweislast wird jedoch durch eine sekundäre Darlegungslast des Klägers abgemildert (vgl. MüKoBGB/Oetker, 9. Aufl., § 249 Rn. 279; BeckOGK BGB/Brand, BGB, § 249 Rn. 293 [Stand: 1. März 2023]; jew. mwN). Erst wenn der Kläger dieser sekundären Darlegungslast nachkommt, greift wiederum die (primäre) Darlegungs- und Beweislast der Beklagten.

Vorliegend ist der Kläger seiner sekundären Darlegungslast im Hinblick auf den Restwert des Fahrzeuges nicht nachgekommen. Hierauf hat der Senat ausdrücklich hingewiesen (Bl. 260 ff. Bd. II d.A.), ohne dass jedoch der Kläger hierzu entsprechenden schlüssigen Vortrag gehalten hätte. Es wurde lediglich ein Haftpflichtgutachten nebst Schreiben einer Versicherung überreicht und pauschal vorgetragen. Ohne Erfolg wendet der Kläger - pauschal und ins Blaue hinein - ein, dass der Restwert durch den tatsächlichen Wert des Fahrzeuges bei Kaufvertragsschluss abzüglich der Nutzungsentschädigung bestimmt wird. Das ist bereits deshalb nicht nachvollziehbar, weil der Restwert und der tatsächliche Wert des Fahrzeuges bei Kaufvertragsschluss wegen der zeitlichen Wertentwicklung regelmäßig eben gerade nicht deckungsgleich sind. Ferner widerspricht dies dem eigenen Vortrag des Klägers, wonach das Fahrzeug einen Wiederbeschaffungswert in Höhe von 32.000,00 EUR (vgl. Anlage H1 = Bl. 276 ff. Bd. II d.A.) und zudem einen Unfallschaden hatte (Bl. 271 Bd. II d.A.). Dann aber kann der Restwert evident nicht (allein) durch den tatsächlichen Wert des Fahrzeuges bei Kaufvertragsschluss abzüglich der Nutzungsentschädigung bestimmt werden.

Soweit das Fahrzeug offenbar im Juli 2022 einen Unfallschaden erlitten hat - der dem Senat und der Beklagten erstmals mit Schriftsatz vom 16. Dezember 2022 mitgeteilt wurde -, fehlt nicht nur Vortrag des Klägers zu dem Umfang der unfallbedingten Schäden. Die pauschale Bezugnahme auf das Haftpflichtgutachten (Anlage H1 = Bl. 276 ff. Bd. II d.A.) vermag eine geordnete Darstellung von Tatsachen nicht zu ersetzen. Das Gericht ist nicht gehalten, sich den Tatsachenvortrag aus (umfangreichen) Anlagen selbst herauszusuchen (vgl. BGH, Urteil vom 2. Juli 2007 - II ZR 111/05, NJW 2008, 69 Rn. 25; OLG Zweibrücken, Urteil vom 20 Juni 2012 - 1 U 105/11, juris Rn. 24 f.; Musielak/Voit/Stadler, ZPO, 20. Aufl., § 130 Rn. 10; Zöller/Greger, ZPO, 34. Aufl., § 129 Rn. 6; jew. mwN). Es fehlt zudem Vortrag des Klägers zu dem aktuellen Zustand des Fahrzeugs und insbesondere dazu, ob und wenn ja, in welchem Umfang der Unfallschaden ggf. sach- und fachgemäß repariert wurde oder nicht. Dies wäre aber zwingend notwendig gewesen, weil sowohl der Umfang der unfallbedingten Schäden als auch eine etwaige (teilweise oder vollständige, sach- und fachgerechte) Reparatur unmittelbaren Einfluss auf den aktuellen Restwert des streitgegenständlichen Fahrzeugs haben. Die (primär) für den Restwert darlegungs- und beweisbelastete Beklagte steht insoweit außerhalb des von ihr darzulegenden Geschehensablaufes und besitzt keine nähere Kenntnis der maßgebenden Tatsachen, während der Kläger sie hat und ihm nähere Angaben zumutbar sind (vgl. Zöller/Greger aaO § 138 Rn. 8b mwN).

Soweit der Kläger folglich seiner sekundären Darlegungslast im Zusammenhang mit dem Restwert des Fahrzeuges nicht nachgekommen ist, können weder dieser Restwert noch - unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. BGH, Urteil vom 24. Januar 2022 - VIa ZR 100/21, juris Rn. 22) - ein etwaiger kleiner Schadensersatz ermittelt werden, weil dieser davon abhängig ist, in welchem Umfang die Nutzungsvorteile und der Restwert den tatsächlichen Wert des Fahrzeugs bei Abschluss des Kaufvertrags übersteigen und insoweit auf den Anspruch auf kleinen Schadensersatz schadensmindernd anzurechnen sind.

(bb) Ungeachtet dessen beträgt der Wiederbeschaffungswert ʺfür ein Ersatzfahrzeug gleicher Art und Güteʺ - ausweislich des von dem Kläger vorgelegten Haftpflichtgutachtens vom 16. Juli 2022 (Anlage H1 = Bl. 276 ff. Bd. II d.A.) 32.000,00 EUR. Dieser Wiederbeschaffungswert ʺberücksichtigt Erhaltungs- und Pflegezustand, Laufleistung, evtl. Alt- oder Vorschäden, Fälligkeit von Haupt- und Abgasuntersuchung, Ausstattung, Besitzverhältnisse und örtliche Lageʺ (S. 13 d. Haftpflichtgutachtens = Bl. 288 Bd. II d.A.). Der Wiederbeschaffungswert entspricht damit dem Restwert des streitgegenständlichen Fahrzeuges in unfallfreiem Zustand.

(cc) Ohne Erfolg beruft sich der Kläger auf die Entscheidung des BGH vom 14. Oktober 1971 (VII ZR 313/69, BGHZ 47, 137 ff.).

Der Vertragspartner, der wegen der Unmöglichkeit der Herausgabe (etwa des gekauften Autos) gem. § 818 Abs. 3 BGB von seiner Herausgabepflicht frei wird, büßt wegen der synallagmatischen Verknüpfung auch seinen Anspruch auf Herausgabe der Gegenleistung (des Kaufpreises) ein. Ob eine Bereicherung vorhanden ist, muss unter Berücksichtigung der Gegenleistung beurteilt werden. An einer Bereicherung kann es namentlich dann fehlen, wenn eine der Leistungen untergegangen ist oder an Wert verloren hat. Nach der Saldotheorie ist dann nicht nur der Empfänger der untergegangenen oder entwerteten Leistung in dem entsprechenden Umfang nicht mehr bereichert; er kann auch diesen Verlust nicht auf den anderen Teil überwälzen und von diesem die dort noch vorhandene Gegenleistung herausverlangen, obwohl er selbst nichts mehr zu bieten hat (vgl. BGH, Urteile vom 8. Januar 1970 - VII ZR 130/68, BGHZ 53, 144, 147 ff.; vom 14. Oktober 1971 - VII ZR 313/69, BGHZ 57, 137, 147 f. und vom 26. Oktober 1978 - VII ZR 202/76, BGHZ 72, 252, 256; s. dazu ausführlich Staudinger/Kaiser/Sittmann-Haury, Neubearb. 2022, Vorbem. zu §§ 346-354 Rn. 31).

Eine Ausnahme von diesem Grundsatz hat der BGH in Fällen anerkannt, in denen das Fahrzeug beim arglistig getäuschten Käufer vor der Anfechtung durch einen Unfall entwertet worden ist. Dabei hat er maßgeblich auf die Regelung der § 819 Abs. 1, § 818 Abs. 4 BGB abgestellt, wonach der Bereicherungsschuldner sich auf einen Wegfall der Bereicherung nach Kenntnis vom Fehlen des Rechtsgrunds oder nach Rechtshängigkeit nicht mehr berufen kann. Der arglistig täuschende Verkäufer hafte wegen §§ 142 Abs. 2, 819 Abs. 1, 818 Abs. 4 BGB verschärft. Da mit der verschärften Haftung das Privileg des § 818 Abs. 3 BGB wegfalle, entfalle auch die innere Rechtfertigung für die Saldotheorie. Trotz Untergangs der Kaufsache habe der Käufer nach der Zweikondiktionentheorie Anspruch auf den Kaufpreis in voller Höhe und müsse sich den Wert der beschädigten Kaufsache nicht abziehen lassen. Hat der Käufer den Untergang der Kaufsache verschuldet, ist sein Bereicherungsanspruch gem. § 242 BGB in Anlehnung an § 254 BGB entsprechend dem Verschuldensanteil des Käufers zu mindern (vgl. BGH, Urteile vom 8. Januar 1970 - VII ZR 130/68, BGHZ 53, 144 und vom 14. Oktober 1971 - VII ZR 313/69, BGHZ 47, 137 ff.).

Diese Ausnahme von der Saldotheorie ist im Streitfall jedoch nicht einschlägig. Der Kläger hat seine auf den Vertragsschluss gerichtete Willenserklärung nicht wegen arglistiger Täuschung angefochten. Zudem kommt auch keine Haftung der Beklagten wegen sittenwidriger Schädigung gem. §§ 826, 31 BGB in Betracht; zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die vorangehenden Ausführungen Bezug genommen. Folglich bleibt es bei dem Grundsatz, dass nach der Saldotheorie nicht nur der Kläger als Empfänger der beschädigten Leistung in dem entsprechenden Umfang nicht mehr bereichert ist, sondern dass er auch diesen Verlust nicht auf den anderen Teil überwälzen und von diesem die dort noch vorhandene Gegenleistung herausverlangen, obwohl er selbst nichts mehr zu bieten hat.

(dd) Der Kläger übersieht erkennbar, dass ihm nach den im Bereich des Schadensersatzrechts entwickelten, auf dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) beruhenden Grundsätzen der Vorteilsausgleichung diejenigen Vorteile anzurechnen sind, die ihm in adäquatem Zusammenhang mit dem Schadensereignis zufließen. Es soll ein gerechter Ausgleich zwischen den bei einem Schadensfall widerstreitenden Interessen herbeigeführt werden. Der Kläger darf im Hinblick auf das schadensersatzrechtliche Bereicherungsverbot nicht bessergestellt werden, als er ohne das schädigende Ereignis stünde. Allerdings sind nur diejenigen durch das Schadensereignis bedingten Vorteile auf den Schadensersatzanspruch anzurechnen, deren Anrechnung mit dem jeweiligen Zweck des Ersatzanspruchs übereinstimmt, d.h. bei denen dem Kläger die Anrechnung zumutbar ist und die den Schädiger nicht unangemessen entlastet. Vor- und Nachteile müssen bei wertender Betrachtung gleichsam zu einer Rechnungseinheit verbunden sein (st. Rspr., BGH, Urteil vom 28. Juni 2007 - VII ZR 81/06, BGHZ 173, 83 Rn. 18; vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316 Rn. 65; vom 16. September 2021 - VII ZR 192/20, WM 2021, 2056 Rn. 38, jeweils mwN).

Der Kläger hat beispielsweise die Möglichkeit erworben, das Fahrzeug ohne zeitliche Begrenzung über die gesamte Laufleistung zu nutzen. Kaufpreiszahlung und Gesamtnutzung stehen sich "kongruent" und daher anrechenbar gegenüber; sie sind bei wertender Betrachtung gleichsam zu einer Rechnungseinheit verbunden, wenn der Käufer den großen Schadensersatzanspruch geltend macht. Gleiches gilt für einen (Rest-)Wert des Fahrzeugs, der in einem inneren Zusammenhang mit dem Schaden steht (vgl. BGH, Urteil vom 24. Januar 2022 aaO Rn. 19). Nichts anderes gilt bei wertender Betrachtung für den kleinen Schadensersatzanspruch, weil dies an der Rechnungseinheit zwischen einerseits dem von ihm gezahlten Kaufpreis und andererseits dem Nutzungswert und tatsächlichen Restwert des Kraftfahrzeugs nichts ändert (vgl. BGH, Urteil vom 24. Januar 2022 aaO Rn. 20).

Dasselbe muss im konkreten Streitfall für den von der gegnerischen Haftpflichtversicherung geleisteten Betrag für erstattungsfähige Reparaturkosten in Höhe von 7.958,28 EUR gelten, der damit ebenfalls im Rahmen der Vorteilsausgleichung zu berücksichtigen ist. Denn wenn der Restwert des Fahrzeuges in einem inneren Zusammenhang mit dem Schaden steht, kann nichts anderes für solche Vorteile gelten, die in einem unmittelbaren Zusammenhang mit einem Ereignis stehen, das zwangsläufig Einfluss auf den Restwert hat. Denn die Reparaturkosten stehen im unmittelbaren Zusammenhang mit Art und Umfang der Beschädigung des Fahrzeuges (durch das Unfallgeschehen), die wiederum maßgebenden Einfluss auf den Restwert des Fahrzeuges haben. Der Kläger kann nicht einerseits einen wegen der Beschädigung und deren Folgen verringerten Restwert geltend machen und andererseits eine Anrechnung der Reparaturkosten ausschließen.

Es ist - das Vorbringen des Klägers als wahr unterstellt - durch den (unterstellten) Verstoß der Beklagten gegen die Schutzgesetze i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB nicht nur adäquat kausal zu dem Erwerb des streitgegenständlichen Fahrzeugs und dessen Beschädigung gekommen. Vielmehr hat der Kläger adäquat kausal auch die Ersatzansprüche gegen den Unfallbeteiligten und dessen Haftpflichtversicherung erlangt und insbesondere den im Rahmen der fiktiven Abrechnung von der Haftpflichtversicherung gezahlten Betrag (vgl. Anlage H2 = Bl. 296 Bd. II d.A.). Den insoweit gezahlten Betrag muss sich der Kläger ohnehin anrechnen lassen, weil ansonsten ein Verstoß gegen das schadensrechtliche Bereicherungsverbot vorliegen würde.

(ee) Den verbleibenden Restwert des Fahrzeuges schätzt der Senat (§ 287 Abs. 1 ZPO) auf einen Betrag von jedenfalls mindestens 13.000,00 EUR. Dabei wurden unter anderem der Wiederbeschaffungswert für ein Ersatzfahrzeug gleicher Art und Güte in Höhe von 32.000,00 EUR und die (fiktiven) Reparaturkosten gemäß dem von dem Kläger vorgelegten Haftpflichtgutachten sowie die Folgen der Unfallbeschädigung bei sachgemäßer Reparatur des Fahrzeuges berücksichtigt.

(4) Schließlich ist - schlüssiges Vorbringen zu dem Restwert des Fahrzeuges entgegen den vorangehenden Ausführungen unterstellt - nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung festzustellen, ob die Nutzungsvorteile und der Restwert des Fahrzeugs den tatsächlichen Wert des Fahrzeugs bei Abschluss des Kaufvertrags übersteigen. Denn nur insoweit erfolgt eine schadensmindernde Anrechnung auf den kleinen Schadensersatz.

Diese Voraussetzung ist hier erfüllt. Die Nutzungsvorteile in Höhe von 1.624,86 EUR, die erstatteten Reparaturkosten in Höhe von 7.958,28 EUR und der (unterstellte) Restwert des Fahrzeugs in Höhe von jedenfalls mindestens 13.000,00 EUR übersteigen den tatsächlichen Wert des Fahrzeugs bei Abschluss des Kaufvertrags in Höhe von 16.500,00 EUR um einen Betrag in Höhe von 6.083,14 EUR.

In Höhe dieses den tatsächlichen Wert des Fahrzeugs bei Abschluss des Kaufvertrags übersteigenden Betrages von 6.083,14 EUR erfolgt eine Anrechnung auf den geltend gemachten kleinen Schadensersatzanspruch in Höhe von 5.500,00 EUR, der dadurch vollständig aufgezehrt wird, so dass ein Schaden in Höhe von 0,00 EUR verbleibt.

cc) Diese Berechnung der Nutzungsvorteile für die tatsächliche Nutzung des streitgegenständlichen Fahrzeugs steht im Einklang mit der Entscheidung des EuGH vom 21. März 2023 in dem Verfahren C-100/21.

Der EuGH hat ausdrücklich ausgeführt (juris Rn. 90 ff.):

ʺDes Weiteren ist es, wie bereits im Wesentlichen in Rn. 80 des vorliegenden Urteils festgestellt worden ist, nach Art. 46 der Rahmenrichtlinie Sache der Mitgliedstaaten, die Sanktionen festzulegen, die im Fall der Nichtbeachtung der Richtlinienbestimmungen anwendbar sind. Diese Sanktionen müssen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein. Darüber hinaus legen die Mitgliedstaaten gemäß Art. 13 Abs. 1 der Verordnung Nr. 715/2007 für Verstöße gegen die Vorschriften dieser Verordnung Sanktionen fest. Diese Sanktionen müssen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein.

Unter diesen Umständen ist festzustellen, dass sich aus Art. 18 Abs. 1, Art. 26 Abs. 1 und Art. 46 der Rahmenrichtlinie in Verbindung mit Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 715/2007 ergibt, dass die Mitgliedstaaten vorsehen müssen, dass der Käufer eines mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 2 dieser Verordnung ausgestatteten Fahrzeugs einen Anspruch auf Schadensersatz durch den Hersteller dieses Fahrzeugs hat, wenn dem Käufer durch diese Abschalteinrichtung ein Schaden entstanden ist.

In Ermangelung unionsrechtlicher Vorschriften über die Modalitäten für die Erlangung eines solchen Ersatzes durch die betreffenden Käufer wegen des Erwerbs eines solchen Fahrzeugs ist es Sache jedes einzelnen Mitgliedstaats, diese Modalitäten festzulegen.

Allerdings stünden nationale Rechtsvorschriften, die es dem Käufer eines Kraftfahrzeugs praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren, einen angemessenen Ersatz des Schadens zu erhalten, der ihm durch den Verstoß des Herstellers dieses Fahrzeugs gegen das in Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 715/2007 enthaltene Verbot entstanden ist, nicht mit dem Grundsatz der Effektivität in Einklang.

Unter diesem Vorbehalt ist darauf hinzuweisen, dass die nationalen Gerichte befugt sind, dafür Sorge zu tragen, dass der Schutz der unionsrechtlich gewährleisteten Rechte nicht zu einer ungerechtfertigten Bereicherung der Anspruchsberechtigten führt (Urteil vom 25. März 2021, Balgarska Narodna Banka, C-501/18, EU:C:2021:249, Rn. 125).

Im vorliegenden Fall wird das vorlegende Gericht zu prüfen haben, ob die Anrechnung des Nutzungsvorteils für die tatsächliche Nutzung des in Rede stehenden Fahrzeugs dem betreffenden Käufer eine angemessene Entschädigung gewährleistet, soweit festgestellt wird, dass diesem im Zusammenhang mit dem Einbau einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 715/2007 in dieses Fahrzeug ein Schaden entstanden ist.ʺ

(Hervorhebungen d. d. Senat)

Der EuGH stellt insoweit ausdrücklich fest, dass es in Ermangelung einschlägiger unionsrechtlicher Vorschriften Sache des Rechts des betreffenden Mitgliedstaats ist, die Vorschriften über den Ersatz des Schadens festzulegen, der dem Käufer eines mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 715/2007 ausgestatteten Fahrzeugs tatsächlich entstanden ist, vorausgesetzt, dass dieser Ersatz in einem angemessenen Verhältnis zum entstandenen Schaden steht (aaO Rn. 96).

Diese Voraussetzungen werden durch die dargelegten Grundsätze des BGH zur Berechnung des sog. kleinen Schadensersatzes gewahrt. Es wird ein gerechter Ausgleich zwischen den bei einem Schadensfall widerstreitenden Interessen herbeigeführt. Der Geschädigte darf im Hinblick auf das schadensersatzrechtliche Bereicherungsverbot nicht bessergestellt werden, als er ohne das schädigende Ereignis stünde. Allerdings sind nur diejenigen durch das Schadensereignis bedingten Vorteile auf den Schadensersatzanspruch anzurechnen, deren Anrechnung mit dem jeweiligen Zweck des Ersatzanspruchs übereinstimmt, d.h. bei denen dem Geschädigten die Anrechnung zumutbar ist und die den Schädiger nicht unangemessen entlastet (st. Rspr., vgl. etwa BGH, Urteile vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19, juris Rn. 65; vom 6. August 2019 - X ZR 165/18, juris Rn. 9; vom 30. September 2014 - X ZR 126/13, NJW 2015, 553 Rn. 14 und vom 10. Dezember 1985 - VI ZR 31/85, NJW 1986, 983, juris Rn. 14; Beschluss vom 1. Juni 2010 - VI ZR 346/08, NJW-RR 2010, 1683 Rn. 17 mwN).

Die Berechnungsmethode macht einen angemessenen Ersatz des Schadens nicht praktisch unmöglich oder übermäßig schwer, sondern sie schafft einen gerechten Ausgleich zwischen den widerstreitenden Parteiinteressen. Es würde vielmehr zu einer ungerechtfertigten Bereicherung des Geschädigten führen, wenn dieser das Fahrzeug weiternutzt, sich aber die aus der Möglichkeit, dieses ohne zeitliche Begrenzung über die gesamte Laufleistung tatsächlich zu nutzen, gezogenen Vorteile nicht anrechnen lassen müsste. Gleiches gilt für einen (Rest-)Wert des Fahrzeugs (vgl. dazu allg. BGH, Urteil vom 24. Januar 2022 aaO Rn. 19) und ebenso für die auf fiktiver Basis abgerechneten Reparaturkosten. Dass diese Berechnungsmethode im konkreten Streitfall dazu führt, dass der Kläger keinen Anspruch auf Schadensersatz mehr hat, steht dem folglich nicht entgegen. Dieser wurde hier lediglich durch die weitergehende Nutzung des Fahrzeuges, den Restwert und die erlangten Reparaturkosten aufgezehrt. Das entspricht der Rechtsprechung des EuGH. Eine angemessene Entschädigung wird so dem Grunde nach gewährleistet.

3.§ 823 Abs. 2 BGB iVm § 263 StGB

Nach der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung haftet die Beklagte wegen der fehlenden Stoffgleichheit zwischen einer etwaigen Vermögenseinbuße des Klägers und den denkbaren Vermögensvorteilen der Beklagten auch nicht nach § 823 Abs. 2 BGB iVm § 263 StGB (BGH, Urteil vom 30. Juli 2020 - VI ZR 5/20, juris Rn. 24).

4.

Mangels Anspruchsgrundlage steht dem Kläger somit weder der von ihm geltend gemachte Zahlungsanspruch zu, noch kann infolgedessen die Beklagte zur Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten verurteilt werden. Letzterer würde auch unabhängig von den vorangehenden Ausführungen nicht bestehen.

a) Bei der Beurteilung der Frage, ob und in welchem Umfang der dem Geschädigten zustehende Schadensersatzanspruch auch die Erstattung von Rechtsanwaltskosten umfasst, ist zwischen dem Innenverhältnis des Geschädigten zu dem für ihn tätigen Rechtsanwalt und dem Außenverhältnis des Geschädigten zum Schädiger zu unterscheiden. Voraussetzung für einen Erstattungsanspruch ist grundsätzlich, dass der Geschädigte im Innenverhältnis zur Zahlung der in Rechnung gestellten Kosten verpflichtet ist und die konkrete anwaltliche Tätigkeit im Außenverhältnis aus der maßgeblichen Sicht des Geschädigten mit Rücksicht auf seine spezielle Situation zur Wahrnehmung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig war (st. Rspr., vgl. etwa BGH, Urteil vom 22. Januar 2019 - VI ZR 403/17, juris 11 mwN).

Ob eine vorprozessuale anwaltliche Zahlungsaufforderung eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG auslöst oder als der Vorbereitung der Klage dienende Tätigkeit nach § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 RVG zum Rechtszug gehört und daher mit der Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG abgegolten ist, ist eine Frage des Innenverhältnisses, nämlich der Art und des Umfangs des im Einzelfall erteilten Mandats. Erteilt der Mandant den unbedingten Auftrag, im gerichtlichen Verfahren tätig zu werden (vgl. Vorbemerkung 3 Abs. 1 Satz 1 VV RVG), lösen bereits Vorbereitungshandlungen die Gebühren für das gerichtliche Verfahren aus, und zwar auch dann, wenn der Anwalt zunächst nur außergerichtlich tätig wird. Für das Entstehen der Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG ist dann kein Raum mehr. Anders liegt es, wenn sich der Auftrag nur auf die außergerichtliche Tätigkeit des Anwalts beschränkt oder der Prozessauftrag jedenfalls unter der aufschiebenden Bedingung erteilt wird, dass zunächst vorzunehmende außergerichtliche Einigungsversuche erfolglos bleiben. Ein lediglich (aufschiebend) bedingt für den Fall des Scheiterns des vorgerichtlichen Mandats erteilter Prozessauftrag steht der Gebühr aus Nr. 2300 VV RVG nicht entgegen (vgl. BGH, Urteile vom 15. August 2019 - III ZR 205/17, NJW-RR 2019, 1332 Rn. 43; vom 19. Mai 2020 - KZR 70/17, NZKart 2020, 535 Rn. 44; jeweils mwN).

b) Im Streitfall hat der Kläger nicht schlüssig dargetan, seine Prozessbevollmächtigte zunächst lediglich mit seiner außergerichtlichen Vertretung beauftragt oder ihr einen nur bedingten Prozessauftrag erteilt zu haben. Dafür sind weder dem Parteivorbringen noch den vorliegenden Unterlagen, insbesondere dem außergerichtlichen Schreiben vom 17. März 2022 (Anlage K14 = Anlagenband Kläger) entsprechende Anhaltspunkte zu entnehmen. Der in dem außergerichtlichen Aufforderungsschreiben enthaltene Hinweis, ʺwir werden uns in diesem Fall mit unserer Mandantschaft erneut beraten und dieser einen direkten Klageweg nahelegenʺ, ist nicht eindeutig. Zwar kann aus der nach außen hin erkennbaren Tätigkeit eines Rechtsanwalts, auch wenn sie mit einer Klageandrohung verbunden ist, nicht ohne Weiteres darauf geschlossen werden, ob der Rechtsanwalt diese Tätigkeit im Rahmen eines ihm bereits erteilten - zumal unbedingten - Klageauftrags ausgeübt hat oder ob dem Anwalt im maßgeblichen Innenverhältnis bislang tatsächlich (lediglich) ein Vertretungsauftrag erteilt worden ist. Doch geht die verbleibende Unsicherheit zu Lasten des Klägers, der darzulegen und im Streitfall zu beweisen hat, dass er seinem Anwalt einen Auftrag zur vorgerichtlichen Vertretung erteilt hat (vgl. BGH, Urteil vom 22. Juni 2021 - VI ZR 353/20, aaO Rn. 8).

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils beruht auf § 708 Nr. 10 Satz 1 und 2, § 711, § 713, § 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.

Der Wert des Streitgegenstandes war gem. §§ 47, 43 GKG, §§ 3 ff. ZPO auf bis 6.000,00 EUR festzusetzen.