Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 10.07.2018, Az.: 13 A 4020/16

Billigkeitsentscheidung; Dienstbezüge; Entreicherung; neuer Dienstherr; Rückforderung; Versetzung

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
10.07.2018
Aktenzeichen
13 A 4020/16
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2018, 73954
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig

Die Entscheidung ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Vollstreckungsgläubigerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen die Rückforderung von Dienstbezügen.

Der Kläger war Beamter der rechtlich selbstständigen Stadtentwässerung Hildesheim. Aufgrund einer Verwaltungsvereinbarung zwischen der Beklagten und dem Beigeladenen nahm die Bezügezahlungen an den Kläger der Beigeladene namens und im Auftrag der Beklagten vor.

Der Kläger wurde zum 01.11.2015 in den Dienst eines anderen Dienstherrn versetzt. Gleichwohl wies der Beigeladene noch für den Zahlmonat November 2015 die Dienstbezüge an den Kläger in Höhe von 3784,47 € netto an. Nach einem vom Kläger vorgelegten Kontoauszug seines Geldinstituts wurde ihm dieser Betrag am 30.10.2015 gutgeschrieben. Aus dem Kontoauszug ist als Zahlstelle die „niedersächsische Landeshauptkasse“ angegeben.

Der neue Dienstherr des Klägers überwies erstmals zum Zahlmonat Dezember 2015 Dienstbezüge an den Kläger und zahlte dabei auch den rückständigen Betrag für November 2015 nach.

Schon mit Schreiben vom 25.06.2015 hatte die Beklagte die Vereinbarung zwischen ihr und dem Beigeladenen bzw. dessen Rechtsvorgängerin, der OFD Niedersachsen, zum nächstmöglichen Termin gekündigt. Die OFD bestätigte die Kündigung zum 31.12.2015.

Die Beklagte bat zunächst den neuen Dienstherrn des Klägers mit Schreiben vom 12.01.2015 um Erstattung der für den November 2015 geleisteten Dienstbezüge in Höhe von 4490,79 € brutto. Eine Erstattung durch den neuen Dienstherrn erfolgt jedoch nach Aktenlage nicht.

Mit Bescheid des Beigeladenen vom 11.04.2016 forderte dieser vom Kläger die Überzahlung zurück und beschränkte die Rückforderung auf den Nettobetrag in Höhe von 3784,47 €. Der Beigeladene führte bereits im Betreff aus, dass die Rückforderung im Auftrage der Beklagten erfolge. Dieser Bescheid ersetzte einen früheren Rückforderungsbescheid, die aufgrund formeller Mängel unter gleichen Datum aufgehoben wurde.

Der Beigeladene wies - nachdem sich der Kläger nochmals mit Schreiben vom 09.05.2016 geäußert hatte – den gegen diesen Rückforderungsbescheid erhobenen Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 07.07.2016 zurück. Einen Hinweis darauf, dass der Widerspruchsbescheid namens und im Auftrag der Beklagten ergeht, enthält der Bescheid nicht. In der Rechtsmittelbelehrung ist angegeben, dass Klage gegen den Beigeladenen selbst zu erheben sei. Hinsichtlich der Billigkeitsgründe heißt es, dass der Kläger aufgefordert sei, zu Fragen der Billigkeitsentscheidung Stellung zu nehmen, eine Äußerung jedoch nicht erfolgt sei.

Bereits mit Schreiben der Beklagten selbst vom 10.05.2016 war der Kläger darüber informiert worden, dass die Beklagte beabsichtige, den Widerspruch zurückzuweisen. Der Kläger wurde in diesem Schreiben aufgefordert, spätestens bis 20.05.2016 der Frage der Billigkeitsentscheidung, insbesondere auch zur Art der Rückzahlung, sich zu äußern.

Der Kläger hat am 18.07.2016 Klage erhoben.

Er rügt verschiedene formelle Mängel des Widerspruchsbescheides. So sei nicht erkennbar, dass der Beigeladene nicht im eigenen Namen gehandelt habe. Die Rechtsmittelbelehrung sei falsch. Er, der Kläger, habe im November 2015 keine andere Zahlung als die jetzt zurück geforderte erhalten. Erst im Dezember 2015 habe der neue Dienstherr das Gehalt in doppelter Höhe überwiesen. Daher habe er im November 2015 den jetzt geforderten Betrag für seinen Lebensunterhalt verbraucht. Er mache Entreicherung gelten. Den Kontoauszug habe er erst am 12.11.2015 geholt (GA Bl. 55). Zu diesem Zeitpunkt sei der überwiegende Teil des Betrages schon verbraucht gewesen

In der Klageschrift trug er demgegenüber vor, bereits am 30.10.2015 den Zahlungseingang der Beklagten auf seinem Konto festgestellt zu haben (GA Bl. 4).

Im Übrigen hätten Beklagte und Beigeladener schon früher auf seine Versetzung reagieren können; er habe seine Versetzung schon im Mai 2015 beantragt.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 11.04.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides des Beigeladenen vom 10.07.2016 aufzuheben.

Die Beklagte stellt keinen ausdrücklichen Antrag, tritt aber der Klage entgegen.

Sie ist der Ansicht, dass der Beigeladene zulässigerweise noch in ihren Namen die Rückforderung aussprechen konnte, vorsorglich erteile sie aber die Genehmigung für das Handeln des Beigeladenen.

Der Beigeladene stellt ebenfalls keinen Antrag. Er führt aus, die Zahlung sei für November 2015 an den Kläger nicht mehr rechtzeitig zu stoppen gewesen. Er habe zu spät von der Versetzung des Klägers zu einem anderen Dienstherrn erfahren. Der Kläger habe eindeutig erkennen können, dass ihm die November-Bezüge 2015 vom bisherigen Dienstherrn nicht mehr zugestanden, weil er den Dienstherrn gewechselt habe. Deshalb könne auch aus Billigkeitsgründen nicht von einer Rückzahlung abgesehen werden.

Die Kammer hat die Sache mit Beschluss vom 10.07.2017 auf den Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.

Alle Beteiligten haben sich mit einem Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Entscheidung ergeht gemäß § 6 Abs. 1 VwGO durch den Einzelrichter.

Im Einverständnis der Beteiligten ergeht die Entscheidung weiterhin ohne mündliche Verhandlung, § 101 Abs. 2 VwGO.

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der angefochtene Rückforderungsbescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

Dem Beigeladenen sind zwar eine Reihe formaler Fehler unterlaufen, die indes nicht zur Rechtswidrigkeit oder gar Nichtigkeit des Rückforderungsbescheides oder zumindest des Widerspruchsbescheides führen. Zwar ist dem Kläger Recht zu geben, dass die Rechtsbehelfsbelehrung im Widerspruchsbescheid fehlerhaft ist. Dies hätte jedoch nur zur Jahresfrist des § 58 Abs. 2 VwGO geführt. Da die Klage jedoch bereits innerhalb der normalen Klagefrist von einem Monat erhoben wurde, spielt dieser Fehler letztendlich keine Rolle mehr.

Wörtlich ist dem Widerspruchsbescheid, worauf der Kläger ebenfalls zu Recht hinweist, auch nicht zu entnehmen, dass der Widerspruchsbescheid namens und im Auftrage der Beklagten erlassen wird. Dies ist indes aus dem Sachzusammenhang zu entnehmen. Den Ausführungen des Klägers in seiner Klageschrift vom 18.07.2016 (Seite 3 unten und Seite 4 oben) ist zu entnehmen, dass er dies auch so verstanden hat. Letztendlich hat damit dieser Fehler ebenfalls keine rechtlichen Auswirkungen.

Die Beklagte durfte die hier in Rede stehenden November-Bezüge auch zurückfordern, weil sie dem Kläger nicht mehr zustanden. Der Kläger war zum Ende Oktober 2015 aus dem Dienstverhältnis zur Beklagten ausgeschieden. Seit diesem Zeitpunkt bestand kein Anspruch mehr auf weitere Dienstbezüge gegenüber dem bisherigen Dienstherrn auf Zahlung von Bezügen.

Die Rückzahlung überzahlter Dienstbezüge richtete sich gemäß dem seinerzeit auch in Niedersachsen noch anwendbaren § 12 Bundesbesoldungsgesetz (BBesG) nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung. Nach § 819 Abs. 1 BGB kann sich dabei ein Schuldner nicht auf Entreicherung berufen, wenn er den Mangel des rechtlichen Grundes kennt. Gemäß § 12 Abs. 2 Satz 2 BBesG steht es dabei der Kenntnis des Mangels des rechtlichen Grundes der Zahlung gleich, wenn der Mangel so offensichtlich war, dass der Empfänger ihn hätte erkennen müssen.

Hier beruft sich der Kläger auf Entreicherung. Diese Einrede greift jedoch nicht durch. Dabei kann es offen bleiben, wie es zu bewerten ist, dass auch der neue Dienstherr des Klägers rückwirkend ab 01.11.2015 Gehalt gezahlt hat und der Kläger damit für November 2015 doppelte Dienstbezüge erhalten hat. Auf Entreicherung kann sich der Kläger schon deshalb nicht berufen, weil der Mangel des rechtlichen Grundes so offensichtlich war, dass der Kläger ihn hätte erkennen müssen.

Es liegt auf der Hand, dass, wenn ein Beamter aus den Dienst seines Dienstherrn ausscheidet, der Beamter für die Zeit nach dem Ausscheiden grundsätzlich keine weiteren Ansprüche auf Zahlung laufender Dienst- oder Amtsbezüge gegenüber seinem früheren Dienstherrn hat. Diese Kenntnis ist von jedem Beamtem zu erwarten. Anhand des Kontoauszuges konnte der Kläger auch feststellen, dass die Dienstbezüge für November 2015 noch vom früheren Dienstherrn überwiesen wurden. Die zahlende Stelle war eindeutig aus dem Auszug zu entnehmen. Dass der Kläger erst Mitte 2015 von dem Kontoauszug Kenntnis bekommen haben will, liegt in seiner Risikosphäre. Er hätte bereits zum 01.11.2015 sich einen Kontoauszug besorgen können. Der Umstand, dass er dies unterlassen hat, kann nicht zu Lasten der Beklagten gehen. Im Übrigen hat der Kläger noch in seiner Klageschrift vorgetragen, bereits am 30.10.2015 den Zahlungseingang festgestellt zu haben.

Eine ausdrückliche Billigkeitsentscheidung war entbehrlich. Allein der Umstand, dass der Kläger für den November 2015 letztendlich doppeltes Gehalt bekommen hat, spricht dagegen, auf einen Teil des überzahlten Betrages zu verzichten. Letztendlich bedurfte es aber schon deshalb keiner weiteren Billigkeitserwägungen, weil der Kläger, worauf die Beklagte im Widerspruchsbescheid bereits hingewiesen hat, trotz Aufforderung zu etwaigen Billigungsgründen keine Stellungnahme abgegeben hat. Das Schreiben seines jetzigen Prozessbevollmächtigten vom 09.05.2015 bestätigt die doppelte Gehaltszahlung, geht im Übrigen aber nicht auf etwaige Billigkeitsgründe weiter ein.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen waren nach § 162 Abs. 3 VwGO nicht für erstattungsfähig zu erklären, weil der Beigeladene keinen Antrag gestellt und sich damit nicht ebenfalls einem Kostenrisiko (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO) ausgesetzt hat.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 11 und § 711 Satz 1 und 2 ZPO.