Verwaltungsgericht Lüneburg
Urt. v. 19.06.2017, Az.: 3 A 152/16

Familienangehörige; Nimroz; Polizist; Sicherheitskraft

Bibliographie

Gericht
VG Lüneburg
Datum
19.06.2017
Aktenzeichen
3 A 152/16
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2017, 53927
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Angehörigen eines hazarischen (ehemaligen) Polizeiangehörigen droht nicht allein wegen ihrer Verwandtschaft mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit ein ernsthafter Schaden für den Fall ihrer Rückkehr nach Afghanistan.

In Nimrus ist es derzeit nicht beachtlich wahrscheinlich, als Zivilperson verletzt oder getötet zu werden.

Tatbestand:

Der im B. in Afghanistan geborene Kläger ist afghanischer Staatsangehöriger, hazarischer Volkszugehörigkeit und schiitischer Religionszugehörigkeit. Im August 2016 verließ er Afghanistan und reiste im Oktober 2015 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Im August 2016 stellte er einen Asylantrag.

Bei seiner Anhörung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) am 30. August 2016 gab er an, dass er in der Islamischen Republik Afghanistan (im Folgenden: Afghanistan) zusammen mit seinen Eltern und Geschwistern in einem Mietshaus gewohnt habe. Sein Vater sei allerdings immer nur alle vier Monate für ein paar Tage bei ihnen gewesen. Er sei in Afghanistan Polizist gewesen. Welche Position sein Vater gehabt habe, wisse er nicht. Seine Eltern und Geschwister hätten Afghanistan ebenfalls verlassen und seien zum Teil auch bereits in Deutschland. Weitere Verwandte in Afghanistan habe er - der Kläger - nicht. Er sei nicht zur Schule gegangen, weil er den Haushalt und für seine Mutter die Einkäufe habe machen müssen. Sie habe nicht alleine auf die Straße können. Eines Tages, nachdem sein Vater wieder einmal nach Hause gekommen sei, sei vor ihrem Haus eine Bombe explodiert, die ein Auto getroffen habe. Es sei bekannt, dass die Taliban Anschläge auf Polizisten verüben. Deshalb seien sie auch bereits zuvor von C. nach D., wo es sicherer sei, gezogen.

Das Bundesamt lehnte mit Bescheid vom 2. September 2016, zugestellt am 10. September 2016, die Anträge auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Ziff. 1 des Bescheides), Asylanerkennung (Ziff. 2) sowie auf subsidiären Schutz (Ziff. 3) ab und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 S. 1 AufenthG nicht vorliegen (Ziff. 4), forderte den Kläger unter Androhung der Abschiebung nach Afghanistan zur Ausreise innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe des Bescheides bzw. nach dem unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens auf (Ziff. 5) und befristete das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gem. § 11 Abs. 1 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung (Ziff. 6).

Gegen diesen Bescheid hat der Kläger am 19. September 2016 Klage erhoben.

In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger insoweit seine Klage zurückgenommen, als er zunächst auch beantragt hatte, ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen.

Der Kläger beantragt noch,

die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger subsidiären Schutz zuzuerkennen,

hilfsweise, die Beklagte zu verpflichten festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG vorliegen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe

Das Gericht konnte gemäß § 102 Abs. 2 VwGO trotz Abwesenheit eines Vertreters der Beklagten in der mündlichen Verhandlung über die Klage entscheiden, weil die Beteiligten in der Ladung zum Termin auf diese Möglichkeit hingewiesen worden sind.

Soweit der Kläger seine Klage zurückgenommen hat, war das Verfahren gem. § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen. Im Übrigen ist die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Der angefochtene Bescheid des Bundesamtes ist - soweit er angegriffen wird - rechtmäßig und verletzt den Kläger daher nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO. Der Kläger hat nach der Sach- und Rechtslage im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 HS 1 AsylG) weder einen Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 60 Abs. 2 AufenthG i.V.m. § 4 Abs. 1 AsylG (dazu 1.), noch auf Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG (dazu 2.).

1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes gem. § 60 Abs. 2 AufenthG i.V.m.§ 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG, weil er keine stichhaltigen Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm im Herkunftsland ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 AsylG durch einen in § 4 Abs. 3 i.V.m. § 3 c AsylG genannten Akteur droht. Grundsätzlich ist dabei auf die Herkunftsregion als Anknüpfungspunkt für die Gefahrenprognose abzustellen; etwas anderes gilt allerdings jedenfalls dann, wenn sich der Ausländer schon vor der Ausreise und unabhängig von den fluchtauslösenden Umständen von dieser gelöst und in einem anderen Landesteil mit dem Ziel niedergelassen hatte, dort auf unabsehbare Zeit zu leben (BVerwG, Urt. v. 31.01.2013 - 10 C 15/12 -, juris Rn. 14). Prognosemaßstab für den Schaden ist die beachtliche Wahrscheinlichkeit (OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 26.08.2014 - 13 A 2998/11.A -, juris Rn. 34). Dabei spricht bei einem Schutzsuchenden, der bereits einen solchen ernsthaften Schaden erlitten hatte, eine widerlegbare tatsächliche Vermutung dafür, dass er erneut von einem solchen Schaden bedroht ist, ohne dass hierdurch jedoch der Wahrscheinlichkeitsmaßstab geändert würde (BVerwG, Urt. v. 07.09.2010 - 10 C 11/09 -, juris Rn. 14 f.; Urt. v. 17.04.2010 - 10 C 5/09 -, juris Rn. 19 f., 22 f.). Die Nachweiserleichterung, die einen inneren Zusammenhang zwischen erlittener Vorverfolgung und befürchteter erneuter Verfolgung voraussetzt, beruht zum einen auf der tatsächlichen Erfahrung, dass sich Verfolgung nicht selten und Pogrome sogar typischerweise in gleicher oder ähnlicher Form wiederholen, zum anderen widerspricht es dem humanitären Charakter des Asyls, demjenigen, der das Schicksal der Verfolgung bereits erlitten hat, wegen der meist schweren und bleibenden - auch seelischen - Folgen das Risiko einer Wiederholung aufzubürden (BVerwG, Urt. v. 17.04.2010 - 10 C 5/09 -, juris Rn. 21). Diese Vermutung kann widerlegt werden, indem stichhaltige Gründe die Wiederholungsträchtigkeit des Eintritts eines solchen Schadens entkräften (BVerwG, Urt. v. 17.04.2010 - 10 C 5/09 -, juris Rn. 23).

Das Gericht ist bereits nicht davon überzeugt, dass dem Kläger bei einer Rückkehr nach Afghanistan und nach D. aufgrund der früheren Tätigkeit seines Vaters als Polizist eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG erwartet (dazu a)). Auch droht dem Kläger bei einer Rückkehr nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine Verletzung seiner Unversehrtheit im Rahmen eines innerstaatlichen bewaffneten Konfliktes gem. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG (dazu b)).

a) aa) Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, dass die Bombe das Auto habe treffen sollen, mit dem er jeden Morgen seine Geschwister in die Schule bringe.

Das Gericht ist nicht davon überzeugt, dass die Bombe dem Kläger oder seiner Familie gegolten hat. Insoweit ist es in der mündlichen Verhandlung auch auf Nachfragen durch das Gericht bei der pauschalen Behauptung des Klägers geblieben. Er führte zwar aus, dass sein Vater direkt vor seiner Rückkehr nach Hause und der Bombenexplosion eine Auseinandersetzung mit den Taliban gehabt habe. Näher beschreiben und einen Zusammenhang mit der Bombenexplosion herstellen konnte der Kläger allerdings nicht. Dem Gericht würde sich auch nicht erschließen, weshalb die Taliban vor dem Haus des Klägers und seiner Familie ein anderes Auto in die Luft sprengen sollten und nicht gezielter gegen den Kläger und seine Familie vorgegangen wären, wenn ihnen schon deren Aufenthaltsort und Gepflogenheiten bekannt gewesen wären.

In dem in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Schriftsatz vom 23. Februar 2017 werden noch weitere Zusammentreffen des Vaters des Klägers mit den Taliban geschildert, einen konkreten Zusammenhang mit der Bombenexplosion geht aber auch hieraus nicht hervor. Soweit darin auch ausgeführt wird, dass die Bombe das Auto der Geschwister des Klägers treffen habe sollen, verbleit es bei einer bloßen Vermutung ohne konkrete Anhaltspunkte. Nach dem weiteren Vortrag in dem Schriftsatz soll die Polizei gesagt haben, dass der Anschlag der ganzen Familie des Klägers gegolten habe. Zum einen ist das Gericht bereits nicht davon überzeugt, dass dieser Vortrag zutreffend ist. Er erschöpft sich in einer bloßen Behauptung, ohne jegliche weitere Schilderung der Umstände eines Gespräches mit der Polizei. Zum anderen wäre das Gericht auch nicht davon überzeugt, dass diese angebliche Einschätzung der Polizei zutreffend wäre. Konkrete Umstände, aus denen die Polizei diese Folgerung hätte ziehen können, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, zumal der Ermittlungszeitraum sehr kurz gewesen wäre. Der Kläger hat insoweit in der mündlichen Verhandlung angegeben, dass die Familie direkt am nächsten Morgen das Land verlassen habe. Soweit in dem Schriftsatz auch behauptet wurde, dass den Eltern des Klägers subsidiärer Schutz zuerkannt worden sei, wurde dieser Vortrag in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich nicht mehr aufrechterhalten.

Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung das Protokoll der Anhörung seines Vaters durch das Bundesamt vorgelegt hat, ergibt sich daraus zwar eine - vom Vater des Klägers behauptete - Auseinandersetzung mit einem Paschtunen innerhalb der Polizei. Ein Zusammenhang mit der Bombenexplosion ergibt sich jedoch auch hieraus nicht. Vielmehr mutmaßt auch der Vater des Klägers lediglich, dass die Bombe das Auto habe treffen sollen, dass seine Kinder zur Schule habe fahren sollen. Zudem stehen die dortigen Angaben in Widerspruch zu den Angaben des Klägers. Dieser hatte in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, dass sein Vater direkt nach dem Vorfall, bei dem seine Hand verletzt worden sei, wegen des Vorfalls nach Hause gekommen sei, am nächsten Tag die Bombe explodiert und sie einen Tag darauf ausgereist seien. Nach den Angaben des Vaters des Klägers habe zwischen der Auseinandersetzung und der Bombe ein Zeitraum von mehr als einem Jahr gelegen. Auch sei er nach Hause gekommen, weil sein Widersacher, der zwischenzeitlich verurteilt worden war, wieder auf freien Fuß habe kommen sollen.

bb) Auch aus der weiteren pauschalen Behauptung des Klägers in der mündlichen Verhandlung, dass in Afghanistan jeder Familienangehörige eines Polizisten getötet werde, ergibt sich kein dem Kläger mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohender Schaden. Das Gericht ist bereits nicht davon überzeugt, dass dieser Vortrag zutreffend ist. Dagegen sprechen bereits die Angaben des Klägers selbst, nach denen sein Vater seit der Kindheit des Klägers Polizist gewesen, jedoch keinem Angehörigen seiner Familie etwas passiert sei. Konkrete Tatsachen, auf die der Kläger seine Behauptung stützt, konnte er auf Nachfrage in der mündlichen Verhandlung nicht angeben. Insoweit führte er lediglich aus, dass sie zudem auch noch Hazaras seien. Nach den dem Gericht vorliegenden Erkenntnismitteln werden zwar Angehörige der Polizei und Sicherheitskräfte immer wieder durch regierungsfeindliche Kräfte im (vgl. auch Auswärtiges Amt, Lagebericht v. 19.10.2016, S. 17) und auch außerhalb des Dienstes angegriffen und getötet (vgl. auch UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender v. 19.04.2016, S. 41 f.; VG Dresden, Urt. v. 10.05.2017 - 3 K 1710/16.A -, juris Rn. 23). Auch sind Fälle bekannt, in denen regierungsfeindliche Kräfte auch die Angehörigen, selbst die Kinder von Sicherheitskräften töten, vergewaltigen oder entführen, als Bestrafung der Familien bzw. als Vergeltungsakte (vgl. UNHCR, Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Flüchtlinge, v. 19.04.2016, S. 47, 80; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update Die aktuelle Sicherheitslage, S. 22). Aus den den Erkenntnismitteln zu entnehmenden Vorfällen folgt jedoch nicht, dass die Gefahr eines ernsthaften Schadens, insbesondere für Familienangehörige von Polizisten generell so hoch und konkret ist, dass jedes Familienmitglied eines (ehemaligen) Angehörigen der afghanischen Polizei ständig und aktuell einer entsprechenden Gefährdung ausgesetzt wäre (so auch VG Dresden, Urt. v. 09.12.2016 - 7 K 1396/16.A -, juris Rn. 46). Es kommt vielmehr auf die Umstände des Einzelfalls an (so auch UNHCR, Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Flüchtlinge, v. 19.04.2016, S. 47, 80; VG Dresden, Urt. v. 09.12.2016 - 7 K 1396/16.A -, juris Rn. 42; vgl. auch Bay. VGH, Beschl. v. 13.04.2015 - 13a ZB 14.30099 -, juris Rn. 5; VG Lüneburg - 3 A 134/16 -, juris; jeweils zu ehemaligen Armeeangehörigen). Und aus diesen folgt vorliegend - wie oben bereits ausgeführt - nicht ein mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit dem Kläger im Falle der Rückkehr nach Afghanistan drohender ernsthafter Schaden, zumal der Vater des Klägers auch nicht mehr als Angehöriger der Polizei tätig ist.

cc) Auch soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung die Auffassung vertrat, dass er zudem als Angehöriger der Volksgruppe der Hazara besonders gefährdet sei, folgt hieraus kein Anspruch auf die Zuerkennung subsidiären Schutzes. Einem Angehörigen der Hazara droht nicht allein aufgrund seiner Volkszugehörigkeit mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit ein ernsthafter Schaden (ausführlich VG Lüneburg, Urt. v. 15.05.2017 - 3 A 102/16 -, juris Rn. 30 ff.; vgl. auch Bay. VGH, Beschl. v. 20.01.2017 - 13a ZB 16.30996 -, juris Rn. 11 f.; Beschl. v. 04.01.2017 - 13a ZB 16.30600 -, juris Rn. 6; Beschl. v. 19.12.2016 - 13a ZB 16.30581 -, juris Rn. 4; VG Düsseldorf, Urt. v. 05.01.2017 - 18 K 2043/15.A -, juris Rn. 30 m.w.N.; VG Greifswald, Urt. v. 02.12.2016 - 3 A 1400/16 -, juris Rn. 26; VG Augsburg, Urt. v. 07.11.2016 - Au 5 K 16.31853 -, juris Rn. 33; VG Würzburg, Urt. v. 28.10.2016 - W 1 K 16.31834 -, juris Rn. 19). Dies gilt unter Berücksichtigung der bisherigen Ausführungen auch für die zusätzliche Eigenschaft des Klägers als Angehöriger eines (hazarischen) ehemaligen Polizisten. Aus den in den Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Flüchtlinge des UNHCR vom 19. April 2016 aufgeführten Fällen geht eine besonders häufige Betroffenheit hazarischer Polizeiangehöriger oder deren Verwandten bereits nicht hervor (S. 47). Auch wenn es auch zu gegen Hazara gerichteten Angriffen auf Polizeiangehörige kommt, wie etwa im Juli 2016, als die Taliban 22 Polizisten töteten, die Angehörige der Hazara waren (ACCORD, Anfragebeantwortung zu Afghanistan: Lage der Hazara, Zugang zu staatlichem Schutz und Hintergründe des Konflikts zwischen Kuchis und Hazara v. 02.09.2016, S. 15 f.), folgt hieraus nicht, dass allen Polizisten, die zu der Volksgruppe der Hazara gehören, mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit ein ernsthafter Schaden droht.

b) Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Anerkennung als subsidiär Schutzberechtigter infolge einer ernsthaften individuellen Bedrohung seines Lebens oder seiner Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts (§ 4 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 3 AsylG).

Vorliegend kann dahinstehen, ob in der Heimatprovinz des Klägers ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG herrscht, weil jedenfalls nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit sein Leben oder seine Unversehrtheit in der Provinz D. infolge willkürlicher Gewalt bedroht sind. In der Region von D. geht nicht für eine Vielzahl von Zivilpersonen eine allgemeine Gefahr aus, die sich in der Person des Klägers so verdichtet, dass sie für diesen eine erhebliche individuelle Gefahr (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.11.2011 - 10 C 13/10 -, juris Rn. 17) bzw. Bedrohung im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 3 AsylG darstellt.

Eine derartige Individualisierung kann sich bei einem hohen Niveau willkürlicher Gewalt für die Zivilbevölkerung aus gefahrerhöhenden Umständen in der Person des Betroffenen ergeben, wie etwa einer berufsbedingten Nähe zu einer Gefahrenquelle oder einer bestimmten religiösen Zugehörigkeit (BVerwG, Urt. v. 17.11.2011 - 10 C 13/10 -, juris Rn. 18; Nds. OVG, Urt. v. 19.09.2016 - 9 LB 100/15 -, juris). Wenn solche individuellen gefahrerhöhenden Umstände fehlen, kann eine entsprechende Individualisierung ausnahmsweise auch bei einer außergewöhnlichen Situation eintreten, die durch einen so hohen Gefahrengrad gekennzeichnet ist, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dem betroffenen Gebiet einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt wäre (BVerwG, Urt. v. 17.11.2011 - 10 C 13/10 -, juris Rn. 19 m.w.N.; OVG NRW, Beschl. v. 09.03.2017 - 13 A 2575/16.A -, juris Rn. 13; Nds. OVG Urt. v. 19.09.2016 - 9 LB 100/15 -, juris; Beschl. v. 26.08.2016 - 9 ME 146/16 -, n.v.; Beschl. v. 14.04.2016 - 9 LA 57/16 -, n.v.; Beschl. v. 28.09.2015 - 9 LA 247/14 -, n.v.). Dies setzt aber ein besonders hohes Niveau willkürlicher Gewalt voraus (BVerwG, Urt. v. 17.11.2011 - 10 C 13/10 -, juris Rn. 19; Nds. OVG, Urt. v. 19.09.2016 - 9 LB 100/15 -, juris; Beschl. v. 14.04.2016 - 9 LA 57/16 -, n.v.; Beschl. v. 28.09.2015 - 9 LA 247/14 -, n.v.). Permanente Gefährdungen der Bevölkerung und schwere Menschenrechtsverletzungen im Rahmen eines innerstaatlichen Konflikts reichen für sich allein nicht aus (BVerwG, Urt. v. 13.02.2014 - 10 C 6/13 -, juris Rn. 24; Nds. OVG, Urt. v. 19.09.2016 - 9 LB 100/15 -, juris; Beschl. v. 28.09.2015 - 9 LA 247/14 -, n.v.). Dies gilt auch bei heftigen Auseinandersetzungen zwischen der afghanischen Armee und aufständischen Gruppen, die auch die Zivilbevölkerung durch Massenentführungen, Vertreibungen, Kämpfe in bewohnten Gebieten oder Angriffe auf Dörfer im Mitleidenschaft ziehen (Nds. OVG, Beschl. v. 14.04.2016 - 9 LA 57/16 -, n.v.). Für die Bestimmung der Gefahrendichte hat eine quantitative Ermittlung der Verletzten und getöteten Zivilpersonen im Verhältnis zur Einwohnerzahl (Gewaltniveau) und daneben auch eine wertende Gesamtbetrachtung jedenfalls auch im Hinblick auf die medizinische Versorgungslage zu erfolgen (BVerwG, Urt. v. 17.11.2011 - 10 C 13/10 -, juris Rn. 23; Nds. OVG, Urt. v. 19.09.2016 - 9 LB 100/15 -, juris; Beschl. v. 26.08.2016 - 9 ME 146/16 -, n.v.; Nds. OVG, Beschl. v. 28.09.2015 - 9 LA 247/14 -, n.v.). Das Risiko einer Zivilperson von 1:800 (bezogen auf ein Jahr) verletzt oder getötet zu werden ist dabei weit von der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit eines ihr drohenden Schadens entfernt (BVerwG, Urt. v. 17.11.2011 - 10 C 13/10 -, juris Rn. 23; vgl. auch Nds. OVG, Urt. v. 19.09.2016 - 9 LB 100/15 -, juris; Beschl. v. 28.09.2015 - 9 LA 247/14 -, n.v.). In diesem Fall vermag sich auch eine wertende Gesamtbetrachtung regelmäßig im Ergebnis nicht auszuwirken (Bay. VGH, Beschl. v. 17.01.2017 - 13a ZB 16.30182 -, juris Rn. 7 m.w.N.).

Bei dem Kläger liegen keine solchen persönlichen gefahrerhöhenden Umstände vor, die zu einer erheblichen individuellen Gefährdung führen würden und in der Provinz D. ist auch nicht praktisch jede Zivilperson einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt. Die Wahrscheinlichkeit für Zivilperson dort verletzt oder getötet zu werden ist nicht so hoch, dass jeder Zivilperson aus D. subsidiärer Schutz zuzuerkennen wäre.

Nach dem Lagebericht des Auswärtigen Amtes mit Stand September 2016 (S. 4 unter Verweis auf den UNAMA-Bericht von Juli 2016 über den Schutz von Zivilisten im bewaffneten Konflikt) hat es in Afghanistan im ersten Halbjahr 2016 mit 1.601 getöteten und 3.565 verletzten Zivilisten einen Anstieg von 4 % gegenüber dem Vorjahreszeitraum gegeben, mit der Folge der höchsten Zahl seit Beginn der Erfassungen im Jahr 2009. Ende 2015 hatte die Anzahl der zivilen Opfer mit 11.002 einen neuen Höchststand erreicht (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update, Die aktuelle Sicherheitslage v. 30.9.2016, S.6). 70 % der Opfer werden den Taliban und anderen bewaffneten Gruppen zugerechnet, was insoweit einen Rückgang um 3 % gegenüber dem Vorjahreszeitraum bedeutet (Amnesty Report 2016 Afghanistan, S. 1, 2), auch wenn die Opferzahl insgesamt um 4 % gestiegen ist (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update, Die aktuelle Sicherheitslage v. 30.9.2016, S. 6). Im ersten Halbjahr 2016 hat die Verantwortlichkeit regierungsfeindlicher Gruppen für zivile Opfer 60 % (966 Tote und 2.116 Verletzte) betragen, was eine Zunahme um 11 % gegenüber dem Vorjahr bedeutet (Kurzinformation der Staatendokumentation Afghanistan, Aktualisierung der Sicherheitslage in Afghanistan - Q3.2016, Republik Österreich Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vom 19.09.2016). Im Zeitraum Mitte Mai bis Mitte August 2016 konzentrierten sich die Taliban darauf, die Regierungskontrolle in den Provinzen Baghlan, Kunduz, Takhar, Faryab, Jawzjan und Uruzgan zu bekämpfen (Kurzinformation der Staatendokumentation Afghanistan, Aktualisierung der Sicherheitslage in Afghanistan - Q3.2016, Republik Österreich Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, v 19.09.2016). 68,1 % der landesweiten Vorfälle konzentrierten sich auf die südlichen, südöstlichen und östlichen Regionen (Kurzinformation der Staatendokumentation Afghanistan, Aktualisierung der Sicherheitslage in Afghanistan - Q3.2016, Republik Österreich Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vom 19.09.2016), im vierten Quartal noch 66 %; die Anzahl der sicherheitsrelevanten Vorfälle erhöhte sich gegenüber dem Vergleichszeitraum im Vorjahr um 9 %, in den Monaten Januar bis Oktober um 22 % (Kurzinformation der Staatendokumentation Afghanistan, Aktualisierung der Sicherheitslage in Afghanistan - Q4.2016, Republik Österreich Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, v. 19.12.2016). Im Herbst 2016 übten die Taliban ohne anhaltenden Erfolg Druck auf die Provinzhauptstädte von Helmand, Uruzgan, Farah und Kunduz aus (Kurzinformation der Staatendokumentation Afghanistan, Aktualisierung der Sicherheitslage in Afghanistan - Q4.2016, Republik Österreich Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, v. 19.12.2016). Auch Anfang Januar 2017 griffen die Taliban erneut Helmand an (Neue Züricher Zeitung, Online-Ausgabe v. 02.01.2017). Am 5. Mai 2017 eroberten die Taliban in der Provinz Kunduz den Distrikt Kala-i-Sal (Handelsblatt, Taliban erobern Distrikt nahe Kundus, v. 06.05.2017). Am 6. Mai 2017 haben die Taliban den Distrikt Zibak in der Provinz Badakhshan eingenommen; in der Provinz Nuristan belagern die Taliban den Distrikt Want Waigal (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes v. 08.05.2017). Die Sicherheitskräfte gehen weiterhin gegen die Taliban und IS-Kämpfer vor (Kurzinformation der Staatendokumentation Afghanistan, Aktualisierung der Sicherheitslage in Afghanistan - Q3.2016, Republik Österreich Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, v. 19.09.2016). So konnten sie auch die Bezirkshauptstadt von Kala-i-Sal nach wenigen Tagen zurückerobern (www.handelsblatt.com, Regierung erobert Bezirkszentrum von Taliban, v. 16.05.2017) und auch den Distrikt Zibak (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes v. 22.05.2017). Die Bevölkerungszentren und Hauptverkehrsstraßen in Afghanistan werden von den afghanischen Sicherheitskräften (ANDSF), abgesehen von kurzzeitigen Störungen durch die regierungsfeindlichen Kräfte, kontrolliert, wenn die ANDSF auch Defizite unter anderem in der Führung, strategischer und taktischer Planungsfähigkeit, Aufklärung und technischer Ausstattung aufweisen (Lagebericht des Auswärtigen Amtes, Stand: September 2016, S. 6). So behält die afghanische Regierung die Kontrolle über Kabul, größere Transitrouten, die Provinzhauptstädte, fast alle Distriktszentren (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan, Republik Österreich Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vom 21.01.2016, aktualisiert am 29.07.2016, S. 38; vgl. für Kabul auch Nds. OVG, Beschl. v. 27.04.2016 - 9 LA 46/16 -, n.v.) und die größeren Provinzzentren (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update, Die aktuelle Sicherheitslage v. 30.9.2016, S. 3). Die Provinzhauptstädte konnten auch im vierten Quartal 2016 gesichert werden, wenn es auch zu intensiven bewaffneten Zusammenstößen gekommen ist (Kurzinformation der Staatendokumentation Afghanistan, Aktualisierung der Sicherheitslage in Afghanistan - Q4.2016, Republik Österreich Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vom 19.12.2016). Dort leben ca. zwei Drittel der afghanischen Bevölkerung (BT-Drs. 18/10336, 18. Wahlperiode 16.11.2016, Frage Nr. 14). Allerdings standen bis Mitte November 2016 lediglich 233 von 407 Distrikten unter Kontrolle oder Einfluss der Regierung, mithin 15 % weniger als im Jahr 2015; die Aufständischen üben Anfang des Jahres 2017 in 41 Distrikten in 15 Provinzen (insbesondere in Helmand, Uruzgan, Kandahar und Zabul) die Kontrolle oder ihren Einfluss aus, die übrigen sind umkämpft (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes, v. 06.02.2017). Von den ca. 32 Millionen Einwohnern Afghanistans leben ca. 20,4 Millionen in Gebieten unter Regierungskontrolle bzw. -einfluss und 2,5 Millionen in von Aufständischen beeinflussten Gebieten (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes, v. 06.02.2017). In den meisten der sieben Bezirke in der Provinz Kundus hält die Regierung lediglich mehr das Bezirkszentrum; die Eroberung von Kunduz ist ein Hauptziel der Taliban (www.handelsblatt.com, Regierung erobert Bezirkszentrum von Taliban, v. 16.05.2017). Die Taliban kontrollieren etwa auch den Kunduz-Khanabad Highway (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes v. 08.05.2017). Die afghanischen Sicherheitskräfte sind im Allgemeinen fähig, die größeren Bevölkerungszentren effektiv zu beschützen bzw. verwehren es den Taliban, für einen längeren Zeitraum Einfluss in einem Gebiet zu halten (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan, Republik Österreich Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vom 21.01.2016, aktualisiert am 29.07.2016, S. 38), bedürfen aber der Unterstützung durch internationale Sicherheitskräfte, die auch erfolgt (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update, Die aktuelle Sicherheitslage v. 30.9.2016, S. 4). Eine Koalition von 40 Staaten leistet weiterhin Ausbildung, Beratung und Unterstützung; auch die USA sind weiterhin mit einer Anti-Terror-Mission in Afghanistan präsent (Lagebericht des Auswärtigen Amtes, Stand: September 2016, S. 6; vgl. etwa n-tv.de, IS-Anführer stirbt bei US-Drohnenangriff v. 19.11.2016). Auch Deutschland hat den Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan verlängert (www.handelsblatt.com, Regierung verlängert Afghanistan Einsatz v. 15.12.2016). 941 Soldaten der Bundeswehr beraten im April 2017 die afghanischen Sicherheitskräfte, bilden sie aus, unterstützen die Führung und leisten logistische Hilfe (www.zeit.de, Was macht die Bundeswehr in Afghanistan?, v. 22.04.2017). 13.000 internationale Soldaten werden in Afghanistan stationiert bleiben (Schweizer Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update Die aktuelle Sicherheitslage vom 30.09.2016, S. 6; vgl. auch www.wallstreet-online.de, Nato-Chef Stoltenberg erwägt Truppen-Aufstockung in Afghanistan, v. 30.04.2017), allein 8.400 Soldaten der US-Streitkräfte (vgl. www.tt.com, US-Behörde: Afghanische Armee musste 2016 noch höhere Verluste hinnehmen, v. 01.02.2017). Die Truppenstärke der afghanischen Nationalarmee (ANA) betrug Mitte des Jahres 2015 etwa 157.000 (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan, Republik Österreich Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vom 21.01.2016, aktualisiert am 05.10.2016, S. 137), die der afghanischen Sicherheitskräfte Anfang des Jahres 2017 insgesamt 316.000 (www.tt.com, US-Behörde: Afghanische Armee musste 2016 noch höhere Verluste hinnehmen, v. 01.02.2017) bzw. 352.000 (www.handelsblatt.de, Mehr Spezialkräfte im Kampf gegen die Taliban, v. 03.04.2017). 7 % davon sind Eliteeinheiten, die rund 40 % aller Gefechte bestritten hätten; das afghanische Militär will die Zahl dieser Spezialkräfte bis 2020 verdoppeln (www.handelsblatt.de, Mehr Spezialkräfte im Kampf gegen die Taliban, v. 03.04.2017). Von Januar bis November 2016 wurden 6.785 Soldaten und Polizisten getötet sowie 11.777 verletzt, mithin 35 % mehr als im Vorjahr (www.tt.com, US-Behörde: Afghanische Armee musste 2016 noch höhere Verluste hinnehmen, v. 01.02.2017). Der US-Präsident hat mehr Unterstützung für die Sicherheit Afghanistans angekündigt (www.zeit.de, Trump will Afghanistan stärker unterstützen v. 03.12.2016). Anfang des Jahres 2017 entsandten die Vereinigten Staaten von Amerika rund 300 Marinesoldaten in die Provinz Helmand, um die einheimischen Sicherheitskräfte im Kampf gegen die Taliban auszubilden (www.faz.net, Amerika schickt Marinesoldaten nach Afghanistan, v. 07.01.2017; www.berlinjournal.biz, 300 US-Soldaten auf dem Weg nach Afghanistan, v. 20.04.2017). Nach einem Bericht des amerikanischen Pentagons haben die afghanischen Streitkräfte - wenn auch unbeständige - Fortschritte gemacht; sie konnten mehrere große Taliban-Angriffe abwehren und verlorenes Territorium rasch wieder zurückgewinnen (Kurzinformation der Staatendokumentation Afghanistan, Aktualisierung der Sicherheitslage in Afghanistan - Q4.2016, Republik Österreich Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, v. 19.12.2016). Alle acht Angriffe der Taliban auf Städte sind gescheitert (www.tt.com, US-Behörde: Afghanische Armee musste 2016 noch höhere Verluste hinnehmen, v. 01.02.2017). Die afghanischen Sicherheitskräfte führten zahlreiche Militäroperationen durch und konnten auch die Schlüsselbereiche des Distrikts Ghormach von den Taliban wieder zurück erobern; mit einer groß angelegten Militäroperation soll die Provinz Kunduz von Aufständischen befreit werden (Kurzinformation der Staatendokumentation Afghanistan, Aktualisierung der Sicherheitslage in Afghanistan - Q4.2016, Republik Österreich Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, v. 19.12.2016). In den Provinzen Nangarhar und Kunar wurden Operationen gegen den „Islamischen Staat in der Provinz Khorasan“ (ISIL-KP) durchgeführt (Kurzinformation der Staatendokumentation Afghanistan, Aktualisierung der Sicherheitslage in Afghanistan - Q4.2016, Republik Österreich Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vom 19.12.2016). In den Monaten November, Dezember 2016 und Januar 2017 gab es in Nangarhar 81 Militäroperationen, bei denen 251 Aufständische getötet und 184 gefangen genommen wurden (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes v. 23.01.2017). Zwischen Januar und Ende April 2017 flogen die US-Streitkräfte 898 Luftangriffe gegenüber weniger als 300 im Vergleichszeitraum 2016, verbunden mit einer Verfünffachung der zivilen Opfer (www.handelzeitung.ch, Dreimal so viele Luftangriffe in Afghanistan, v. 29.05.2017).

Anfang Januar 2017 wurde bei einem Sondereinsatz des afghanischen Geheimdienstes ein führender Al-Kaida Kommandeur getötet (orf.at, Führender Al-Kaida-Kommandeur in Afghanistan getötet, v. 19.02.2017). Mitte Januar 2017 zerstörten Sicherheitskräfte eine Bombenwerkstatt der Taliban in Balch (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes v. 23.01.2017). Ende Januar wurden in zahlreichen Provinzen Anti-Terror-Operationen gegen die Taliban und den IS durchgeführt (deutsch.rt.com, Top-Funktionär der Taliban in Afghanistan getötet, v. 28.01.2017; www.zeit.de, Afghanischer Polizist tötet acht Kollegen, v. 03.02.2017). Allerdings starben in den ersten acht Wochen des Jahres 2017 auch 807 Mitglieder der afghanischen Sicherheitskräfte (www.zeit.de, US-Bericht: Hohe Verluste unter afghanischen Sicherheitskräften in Wintermonaten, v. 01.05.2017). Ende Februar  wurden bei einem US-Luftangriff ein Taliban-Anführer und neun Kämpfer in der Provinz Kunduz getötet (www.spiegel.de,Taliban-Anführer durch US-Luftangriff getötet, v. 27.02.2017). In Laghman konnten Versuche der Taliban, zwei Distriktszentren zu erobern, abgewehrt werden (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes v. 06.03.2017). Ende März töteten US-Streitkräfte einen Anführer von Al-Kaida (www.zeit.de, Al-Kaida-Anführer in Afghanistan bei US-Angriff getötet, v. 26.03.2017). Auch am Kampf gegen den IS in Afghanistan beteiligen sich die US-Streitkräfte (vgl. www.zeit.de, US-Soldat bei Anti-IS-Einsatz in Afghanistan getötet, v. 09.04.2017). Durch eine im April von den US-Streitkräften in Nangarhar auf ein Tunnelsystem abgeworfene Bombe starben mindestens 94 IS Kämpfer (www.zeit.de, US-Bombe soll 94 IS-Kämpfer getötet haben, v. 15.04.2017). Die Zahl der IS Kämpfer in Afghanistan wird vom Pentagon auf 1000 geschätzt (www.merkur.de, Pentagon: IS-Anführer in Afghanistan vermutlich getötet, v. 28.04.2017). Bei einem Angriff afghanischer und US-Truppen in der Provinz Nangarhar wurden der Anführer des IS in Afghanistan, weitere hohe Vertreter und 35 Kämpfer getötet (www.spiegel.de, Armee meldet Tod von IS-Anführern“, v. 07.05.2017). Seit Anfang März 2017 wurden insgesamt 750 Kämpfer der Terrormiliz getötet und die vom IS kontrollierten Gebiete wurden um zwei Drittel reduziert (derstandard.de, US-Militär: 750 IS-Kämpfer seit März in Afghanistan getötet, v. 19.05.2017). Ende April wurden bei Anti-Terror-Operationen in Afghanistan mindestens 43 Extremisten getötet (deutsch.rt.com, Afghanistans Sicherheitskräfte töten mindestens 43 Terroristen, v. 30.04.2017). In Herat, Nangharhar, Logar, Ghazni, Takhar und Paktia wurden mehrere teils hohe Angehörige der Taliban getötet (www.tolonews.com, Taliban´s Shadow District Governor Killed in Herat, v. 29.05.2017).

Dennoch lassen sich selbst in Kabul Anschläge mit Toten und Verletzten nicht vermeiden, so gab es in der ersten Jahreshälfte 2016 elf Vorfälle mit 107 Toten (vgl. Schweizer Flüchtlingshilfe, Schnellrecherche der SFH-Länderanalyse vom 6. Juni 2016 zu Afghanistan: Sicherheitslage in der Stadt Kabul, S. 3, 4). Insgesamt sind nach einem Bericht der UN in Afghanistan im Jahr 2016 1.963 Menschen bei Selbstmordanschlägen verletzt oder getötet worden, mithin 7 % mehr als im Jahr 2015; in Kabul habe es einen Anstieg um 75 % gegeben, mit 1.514 verletzten oder getöteten Zivilpersonen bei 16 Anschlägen (www.handelsblatt.de, Mindestens 22 Tote bei Anschlag vor Gericht in Kabul, v. 07.02.2017). Insgesamt wurden im Jahr 2016 durch die UNAMA in Afghanistan 11.418 verletzte und getötete Zivilpersonen gezählt, mithin 384 mehr als im Jahr 2015 (Afghanistan Annual Report on Protection of Civilians in Armed Conflict: 2016, v. Februar 2017, S. 11). Die Zahl der von der UNAMA gezählten getöteten oder verletzten Kinder ist um 24 % auf 3.512 gestiegen (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes, v. 06.02.2017). Im ersten Quartal 2017 gab es nach einem Bericht der UNAMA insgesamt 2181 zivile Opfer, 715 Tote und 1466 Verletzte, davon 210 getötete - 17 Prozent mehr als im entsprechenden Vorjahreszeitraum - und 525 verletzte Kinder (www.zeit.de, UNO: Ein Drittel der zivilen Todesopfer in Afghanistan Kinder, v. 27.04.2017).

Am 1. April 2017 wurde ein Mitglied des Provinzrates von Kapisa bei einem Bombenanschlag getötet, in Parwan kamen mehrere Menschen bei Landstreitigkeiten ums Leben und einen Tag später starben in Khost drei afghanische Soldaten und sechs Schüler bei einem Autobombenanschlag (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes, v. 03.04.2017). Bei einem Angriff Aufständischer auf zwei Dörfer in Darzab in der Provinz Dschuzdschan sind 13 Anhänger des IS von Sicherheitskräften getötet worden (german.cri.cn, 13 IS-Milizen in Afghanistan getötet, v. 11.04.2017). In Kunar sollen innerhalb von 24 Stunden 70 Raketen aus Pakistan eingeschlagen sein (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes, v. 03.04.2017). Im Bezirk Schimtal in der Provinz Balch starben neun Polizisten durch eine Bombe (www.salzburg.com, Bombenanschlag im Norden Afghanistans: Neun Polizisten tot, v. 09.04.2017). Vier Kinder starben beim Spielen mit einem Mörsergeschoss in Kasaban, Bezirk Tschrdara, Provinz Kunduz (www.abendblatt.de, Vier Kinder beim Spielen mit Mörser in Afghanistan getötet, v. 11.04.2017). In Kabul zündete ein Selbstmordattentäter in der Nähe des Präsidentenpalastes seine Sprengstoffweste inmitten von Ministeriumsangestellten (www.trt.net, Fünf Tote bei Selbstmordanschlag in Afghanistan, v. 12.04.2017). Bei einem Anschlag in der Provinz Kunduz wurde ein Armeegeneral getötet und bei einem Angriff der Taliban in Sar-i Pul seien drei Frauen und ein Kind erschossen worden (www.berliner-zeitung.de, Fünf Tote bei Taliban-Angriffen in Afghanistan, v. 17.04.2017). In der Provinz Helmand wurden durch eine Bombe am Straßenrand elf Zivilisten getötet und in der Provinz Ghazni zwei Frauen und zwei Kinder durch eine Rakete (www.tt.com, Mehr als 100 Tote in Afghanistan über Ostern, v. 17.04.2017). Bei einem Angriff der Taliban auf einen Armee-Stützpunkt in der Provinz Balch wurden 140 Soldaten getötet und 160 verletzt (www.spiegel.de, Taliban töten 140 Soldaten, v. 22.04.2017). Anfang Mai starben bei einem Selbstmordanschlag auf einen Militärkonvoi in Kabul acht Zivilpersonen (www.spiegel.de, Acht Tote bei Bombenanschlag in Kabul, v. 03.05.2017). Bei Gefechten an der afghanisch-pakistanischen Grenze wurden mehrere Menschen getötet und mehr als 70 verletzt (derstandard.at, Drei Tote bei Gefechten an afghanische-pakistanischer Grenze, v. 05.05.2017). Am 7. Mai wurde der Medienberater des Gouverneurs von Kandahar erschossen; einen Tag später starb in Khost eine Zivilperson durch einen Bombenanschlag (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes v. 08.05.2017). In Kandahar wurden am 7. und 8. Mai neben dem Medienberater drei weitere Menschen gezielt getötet, zwei Polizisten und ein Soldat (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes v. 15.05.2017). Der Vorsitzende des Mullah-Rates der nordostafghanischen Provinz Parvan wurde durch eine Bombe während seines Religionsunterrichts getötet (www.tt.com, Hoher Religionsgelehrter in Afghanistan mit Matratzenbombe getötet, v. 09.05.2017). In Faryab starben bei Kämpfen zwischen den Taliban und dem IS 90 Kämpfer auf beiden Seiten, auch kam es zu Zusammenstößen in Nangarhar, bei denen auch Zivilpersonen getötet wurden (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes v. 08.05.2017); am 11. Mai 2015 wurde dort ein Mitarbeiter der Ölindustrie getötet (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes v. 15.05.2017). In Farah wurde ein Polizist erschossen, in Nangarhar wurden drei Zivilisten bei einer Bombenexplosion verletzt (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes v. 08.05.2017). In Helmand starb eine Zivilperson bei der Explosion einer Straßenmine (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes v. 08.05.2017). Am 14. Mai 2017 starben fünf Kinder bei einem Mörserangriff in Laghman (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes v. 15.05.2017). Bei einem Bombenanschlag auf eine Polizeistation in Kandahar am 16. Mai 2017 starb ein Zivilist; bei einem Angriff von IS-Kämpfern auf den staatlichen Fernsehsender in Nangarhar wurden diese getötet (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes v. 22.05.2017). Bei einem Angriff des IS auf einen Fernsehsender in Jalalabad starben vier Mitarbeiter und zwei Polizisten (www.vol.at, Zehn Tote bei IS-Angriff auf Staatssender in Afghanistan, v. 17.05.2017). Bei Angriffen auf Polizeistationen in der Provinz Zabul starben 20 Polizisten (www.focus.de, Mindestens 20 Polizisten bei Taliban-Angriff getötet, v. 21.05.2017). Ebenfalls in Nangarhar tötete ein Polizist fünf seiner Kameraden, im Distrikt Mohammad Agha wurden bei einem Anschlag elf Zivilpersonen getötet (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes v. 22.05.2017). Am 20. Mai 2017 griffen Taliban-Kämpfer eine Filiale der Kabul Bank in Gardes in der Provinz Paktia an und in Kabul wurden bei einem Überfall auf das Gästehaus der Hilfsorganisation Operation Mercy eine deutsche Entwicklungshelferin und ein afghanischer Wachmann erschossen; eine finnische Entwicklungshelferin wurde dabei entführt (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes v. 22.05.2017). Am 22. Mai 2017 wurde in Logar der Vorsitzende des Geistlichen Rates der Provinz erschossen und eine Mädchenschule in Ghazni wurde durch eine Bombe beschädigt (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes v. 29.05.2017). Bei einem Angriff auf eine Kaserne im Distrikt Schah Wali Kot in Kandahar starben zehn Soldaten (www.dtoday.de, Bewaffnete Angreifer töten mindestens zehn Soldaten in Afghanistan, v. 23.05.2017). Drei Zivilpersonen starben bei einem Bombenanschlag in Maiwand, Provinz Kandahar, in Ghazni wurde ein Mitarbeiter der Schulbehörde getötet (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes v. 29.05.2017). In Kunduz wurde bei einem Angriff auf US-Berater ein Kind getötet (www.deutsch.rt.com, Drei Talibanangriffe in Afghanistan - mindestens 18 Tote, v. 25.05.2017) sowie ein Lehrer getötet sowie neun Kinder verletzt als eine Granate eine Schule traf (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes v. 29.05.2017). Am 26. Mai 2017 starben in Herat durch eine Bombe am Straßenrand 10 Zivilpersonen (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes v. 29.05.2017). Durch einen Selbstmordattentäter starben bei einem Angriff auf die örtliche Miliz in der Stadt Khost 18 Menschen (www.zeit.de, Mindestens 28 Menschen sterben bei Anschlägen in Afghanistan, v. 27.05.2017). In Logar wurde der Chef des Distrikts Khoshi angegriffen und verletzt, in Zabul erschoss ein Polizist sechs seiner Kollegen (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes v. 29.05.2017). Bei einer Bombenexplosion im Botschaftsviertel in Kabul am 31. Mai 2017 starben 90 Menschen und mehrere hundert Menschen wurden verletzt (www.handelsblatt.de, 90 Tote und deutsche Botschaft in Trümmern, v. 31.05.2017). Wenige Tage später wird von über 150 Getöteten ausgegangen (www.zeit.de, Ghani: Opferzahl nach Anschlag im Diplomatenviertel in Kabul auf 150 gestiegen, v. 06.06.2017). Unter ihnen sind auch 31 Mitarbeiter des Telekommunikationsunternehmens Roshan bzw. ihrer Partnerunternehmen (www.zeit.de, Spannungen in Kabul, v. 05.06.2017). Die Taliban und das Hakkani-Netzwerk wiesen eine Beteiligung an der Tat zurück, weil ihr Kampf nicht gegen Zivilisten gerichtet sei(www.derstandard.at, Hakkani-Netzwerk-Chef weist Beteiligung an Anschlag in Kabul zurück, v. 12.06.2017). Anfang Juni kamen bei einem Bombenanschlag auf ein Begräbnis 20 Menschen ums Leben und über einhundert wurden verletzt (www.zeit.de, Mindestens 20 Tote nach Explosionen in Kabul, v. 03.06.2017). Bei einer Insider-Attacke der Taliban in der Provinz Nangarhar kamen drei US-Soldaten ums Leben (www.zeit.de, Taliban-Kämpfer infiltriert Armee und töte US-Soldaten, v. 11.06.2017). Am 12. Juni 2017 starben bei einem Angriff auf einen US-Konvoi drei Zivilpersonen (www.handelsblatt.com, US-Soldaten erschießen Zivilisten, v. 12.06.2017).

Anschlagsziele sind in erster Linie Regierungsinstitutionen und internationale Einrichtungen, dennoch kommt es (auch) zu Opfern unter der Zivilbevölkerung (vgl. Schweizer Flüchtlingshilfe, Schnellrecherche der SFH-Länderanalyse vom 6. Juni 2016 zu Afghanistan: Sicherheitslage in der Stadt Kabul, S. 4), wenn auch die Taliban in der Erklärung zur Frühlingsoffensive 2015 angegeben haben, solche reduzieren zu wollen (UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender v. 19.04.2016, S. 39 Fn. 209). Im Jahr 2015 wurden 1.335 Zivilpersonen durch gezielte Tötungen bzw. Tötungsversuche verletzt oder getötet (UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender v. 19.04.2016, S. 38). Zwischen Februar und Mai 2016 gingen die gezielten Tötungen um 37 % gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres zurück (ecoi.net-Themendossier: Allgemeine Sicherheitslage in Afghanistan & Chronologie für Kabul v. 30.09.2016). In der Erklärung der Taliban vom 12. April 2016 zum Ausruf der jährlichen Offensive sprachen sie anders als in vergangenen Jahren keine expliziten Drohungen mehr gegen zivile Regierungsbeamte aus (ecoi.net-Themendossier: Allgemeine Sicherheitslage in Afghanistan & Chronologie für Kabul v. 30.09.2016). Die Taliban reklamieren allerdings 16 Angriffe im Jahr 2016 auf Justizmitarbeiter, Anwälte und Gerichte (www.handelsblatt.com, Mindestens 22 Tote bei Anschlag vor Gericht in Kabul, v. 07.02.2017). Die Taliban haben ihre Taktik auf großangelegte Angriffe insbesondere in städtischen Gebieten umgestellt (UNHCR, Anmerkung zur Situation in Afghanistan auf Anfrage des Deutschen Bundesministeriums des Innern, v. Dez. 2016, S. 3). Seit April 2016 hat sich die Sicherheitslage aus Sicht des UNHCR weiter rapide verschlechtert (UNHCR, Anmerkung zur Situation in Afghanistan auf Anfrage des Deutschen Bundesministeriums des Innern, v. Dez. 2016, S.  3). Am 22. September 2016 vereinbarte die afghanische Regierung mit der Mujahedin-Rebellengruppe Hezb-e Islami ein Friedensabkommen (Kurzinformation der Staatendokumentation Afghanistan, Unterzeichnetes Friedensabkommen mit Gulbuddin Hekmatyar Anführer der großen Mujahedin-Rebellengruppe Hezb-e Islami, Republik Österreich Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vom 05.10.2016; vgl. auch www.taz.de, „Schlächter von Kabul“ findet Frieden, v. 05.02.2017). Hekmatjar hielt im April 2017 in der östlichen Provinz Laghman vor Anhängern erstmals seit 2001 eine Rede und rief vor allem die aufständischen Taliban auf, den Krieg gegen die Regierung zu beenden (www.focus.de, Afghanistan begrüßt Rückkehr des "Schlächters von Kabul", v. 29.04.2017). In der Mitteilung der Taliban zur Frühlingsoffensive 2017 kündigten sie an, ihre Angriffe auf afghanische und ausländische Truppen verstärken zu wollen (deutsch.rt.com, Taliban kündigen Frühlingsoffensive in Afghanistan an, v. 28.04.2017). In Einzelfällen kommt es auch zu Bedrohungen von Regierungs- und Behördenmitarbeiter, Menschenrechtsanwälten, Mitarbeitern ausländischer Organisationen und Journalisten (Lagebericht des Auswärtigen Amtes, Stand: September 2016, S. 5). Auch Würdenträger, Stammesälteste und Religionsgelehrte sind Ziel von Anschlägen der gewaltbereiten Opposition (Lagebericht des Auswärtigen Amtes, Stand: September 2016, S. 7). 13 % aller Anschläge gegen Zivilpersonen richten sich gegen Zivilisten, die für die afghanische Regierung oder internationale Organisation arbeiten (Lagebericht des Auswärtigen Amtes, Stand: September 2016, S. 20). Anfang März 2017 riefen die Taliban ihre Kämpfer allerdings dazu auf, Entwicklungshelfern die notwendige Sicherheit zu bieten, nachdem sie bereits auch schon im November 2016 Schutz für Entwicklungshilfeprogramme versprochen hatten (www.handelsblatt.de, Taliban bitten um Hilfe für Afghanen, v. 06.03.2017). In einer weiteren von den Taliban im Internet veröffentlichten Erklärung heißt es, dass die Sicherheit von Mitarbeitern internationaler Hilfsorganisationen garantiert werde (www.deutschlandfunk.de, Taliban rufen zu internationaler Hilfe auf, v. 05.04.2017). Die Zahl der Mordanschläge ist im Zeitraum Mitte Mai bis Mitte August 2016 um 6,2 % gegenüber dem Vorjahr zurück gegangen, wenngleich sich die sicherheitsrelevanten Vorfälle um 4,7 % erhöht haben (Kurzinformation der Staatendokumentation Afghanistan, Aktualisierung der Sicherheitslage in Afghanistan - Q3.2016, Republik Österreich Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vom 19.09.2016). Im vierten Quartal 2016 wurden 183 Mordanschläge registriert, was einen Rückgang von 32 % gegenüber dem Vergleichszeitraum 2015 zum Ausdruck bringt; auch die Zahl der Entführungen hat mit 99 gegenüber dem Vorjahr (109) abgenommen (Kurzinformation der Staatendokumentation Afghanistan, Aktualisierung der Sicherheitslage in Afghanistan - Q4.2016, Republik Österreich Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vom 19.12.2016). Ende Dezember 2016 wurden mehrere Entführer in Herat zum Tode verurteilt (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes v. 09.01.2017). Anfang Januar 2017 entführten Taliban in Kandahar 10 Arbeiter (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes v. 09.01.2017) und Mitte Januar wurden im Osten Afghanistans durch mutmaßliche Anhänger des Islamischen Staates 13 Lehrer einer Religionsschule entführt (www.salzburg.com, IS verschleppt 13 Lehrer im Osten Afghanistans, v. 15.01.2017; Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes v. 16.01.2017). Mitte Januar 2017 wurden in Kunduz ein Richter des Militärgerichts und in Parwan ein Mitarbeiter des Gesundheitsministeriums entführt (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes v. 23.01.2017). Ein entführter Straßenarbeiter wurde Anfang Februar 2017 in Nimrus getötet (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes, v. 06.02.2017). Zwei Ärzte wurden in Badghis entführt (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes, v. 06.02.2017). Mitte Februar entführten Taliban 52 Bauern, um Lösegeld zu erpressen (www.merkur.de, Afghanistan: Zehn Tote bei Gefechten mit Taliban, v. 15.02.2017). Ende Februar wurden in Logar fünf Mitarbeiter einer Straßenbaufirma entführt (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes v. 27.02.2017). Anfang März konnten 28 Zivilpersonen und vier Sicherheitskräfte in Helmand aus der Gefangenschaft der Taliban befreit werden (www.tagesspiegel.de, Schwere Explosion in Kabul, v. 13.03.2017). Am 28. April entführten Taliban sieben Reisende in Herat (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes v. 08.05.2017). Im Mai 2017 konnten in Helmand elf Menschen aus der Gefangenschaft der Taliban befreit werden (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes v. 29.05.2017). Auch kommt es immer wieder zu Exekutionen durch nicht-staatliche Akteure, vor allem auch durch Aufständische, die sich auf traditionelles Recht berufen und die Vollstreckung der Todesstrafe mit dem Islam legitimieren, für ein aus ihrer Sicht fehlerhaftes Verhalten (Lagebericht des Auswärtigen Amtes, Stand: September 2016, S. 20). So richteten Taliban am 19. Dezember 2016 eine Frau hin, weil sie nach dem Weggang ihres Mannes in den Iran einen anderen Mann geheiratet hatte und sich ihr früherer Ehemann an die Taliban gewandt hatte (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes v. 19.12.2016). Im ersten Halbjahr 2016 wurden durch die UNAMA 26 Fälle dokumentiert, vor allem in den Provinzen Farah und Badghis (Amnesty Report 2017 Afghanistan, S. 4), die Vereinten Nationen dokumentierten im Jahr 2016 41 Bestrafungsaktionen, bei denen 38 Menschen starben (www.spiegel.de, Taliban hacken vermeintlichem Dieb Hand und Fuß ab, v. 14.03.2017). Anfang des Jahres 2017 wurden sechs Männer in Ghazni durch die Taliban für Diebstahl bzw. Ehebruch mit Peitschenhieben bestraft (www.spiegel.de, 39 Peitschenhiebe - Taliban bestrafen mehrere Männer v. 03.01.2017; Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes v. 09.01.2017). Auch gibt es Berichte über Gefängnisse von Aufständischen in der Provinz Kunduz (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes v. 09.01.2017). Im Februar 2017 wurde im Osten Afghanistans ein junges Paar wegen einer außerehelichen Beziehung getötet (www.zeit.de, Wütende Menge tötet junges Paar in Afghanistan wegen außerehelicher Beziehung, v. 12.02.2017). Im März hackten die Taliban einem vermeintlichen Dieb eine Hand und einen Fuß ab (www.spiegel.de, Taliban hacken vermeintlichem Dieb Hand und Fuß ab, v. 14.03.2017).

In der südlichen Region Afghanistans, zu der neben der Provinz Helmand (Einwohnerzahl: ca. 940.000, jeweils nach dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan, Republik Österreich Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, v. 02.03.2017, aktualisiert am 11.05.2017) Nimrus (Einwohnerzahl: ca. 167.000), Kandahar (Einwohnerzahl: ca. 1.252.000), Zabul (Einwohnerzahl: ca. 309.000) und Uruzgan (Einwohnerzahl: ca. 356.000; vgl. zu Uruzgan auch Bay. VGH, Beschl. v. 06.03.2017 - 13a ZB 17.30081 -, juris Rn. 10) zählen (UNAMA, Afghanistan Annual Report on Protection of Civilians in Armed Conflict: 2016, v. Februar 2017, S.  2; UNHCR, Anfragebeantwortung v. 12.05.2016, S. 8) wurden im Jahr 2016 von der UNAMA 2.989 verletzte oder getötete Zivilpersonen gezählt (UNAMA, Afghanistan Annual Report on Protection of Civilians in Armed Conflict: 2016, v. Februar 2017, S. 21). Im Hinblick auf die Einwohnerzahl von ca. rund 3 Millionen ergibt sich daraus ein Verhältnis von 1:1004. Bei einer Verdreifachung der Anzahl der durch die UNAMA registrierten verletzten und getöteten Zivilpersonen aufgrund einer hohen Dunkelziffer (vgl. hierzu Nds. OVG, Urt. v. 07.09.2015 - 9 LB 98/13 -, juris Rn. 65) ergibt sich eine Wahrscheinlichkeit von 1:335, mithin 0,2985 %.

Aufgrund der vorliegenden Erkenntnismittel ist das Gericht jedoch nicht davon überzeugt, dass sich die Gefahr für Zivilpersonen auf die Provinzen der südlichen Region Afghanistans gleichmäßig verteilt.

In der Provinz Helmand wurden im Zeitraum vom 1. September 2015 bis 31. Mai 2016 1.828 (01.01. - 31.08.15: 715, vgl. jeweils Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan, Bundesrepublik Österreich Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vom 21.01.2016, aktualisiert am 19.12.2016) sicherheitsrelevante Vorfälle registriert, davon 166 im Distrikt Lashkar Gah (EASO, Country of Origin Information Report, Afghanistan, Security Situation v. November 2016, S. 78, 81), in Kandahar 1.880 (01.01. - 31.08.15: 961), in Nimrus 111 (01.01. - 31.08.15: 142), in Zabul 219 (01.01. - 31.08.15: 303) und in Uruzgan 412 (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan, Republik Österreich Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, v. 02.03.2017, aktualisiert am 11.05.2017) (01.01. - 31.08.15: 240). Von 4.450 sicherheitsrelevanten Vorfällen entfallen damit 83 % auf Helmand und Kandahar. Unter Berücksichtigung der Einwohnerzahlen entfällt ein sicherheitsrelevanter Vorfall auf die jeweiligen Einwohner: Helmand 514, Kandahar 665, Uruzgan 864, Zabul 1.019 und Nimrus 1.504. Diese Verhältnisse zugrunde gelegt, würden - hypothetisch - 2,49 % der verletzten und getöteten Zivilpersonen auf Nimrus entfallen, mithin rund 75. Dies entspricht einem Verhältnis von 1:2930, bei einer Verdreifachung der Opferzahlen von 1:976.

Diese gegenüber den weiteren Provinzen der südlichen Region bessere Sicherheitslage steht im Einklang mit den weiteren Erkenntnissen des Gerichts. Gefechte fanden in 2016 und 2017 vorwiegend in Helmand, Kandahar, Nangarhar, Kunar und Ghazni statt (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan, Republik Österreich Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, v. 02.03.2017, aktualisiert am 11.05.2017, S. 6). Die regierungsfeindlichen Kräfte haben den größten Einfluss bzw. Kontrolle im Nordosten in Helmand, im Nordwesten von Kandahar und in den Grenzregionen der beiden Provinzen (Kandahar und Helmand) sowie in Uruzgan und dem nordwestlichen Zabul (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan, Republik Österreich Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, v. 02.03.2017, aktualisiert am 11.05.2017, S. 20; vgl. auch Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes, v. 06.02.2017). Kandahar war in den ersten Monaten des Jahres 2017 relativ stabil, wenngleich regierungsfeindliche Aufständische versuchen, die Provinz zu destabilisieren (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan, Republik Österreich Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, v. 02.03.2017, aktualisiert am 11.05.2017, S.61). Im Mai 2017 erfolgten dort 26 Angriffe, zwölf in Helmand; keine Vorfälle wurden unter anderem aus Nimrus gemeldet (www.pajhwok.com, 3,000 people suffered casualties in May attacks, v. 05.06.2017). Auch im April wurden viele Angriffe aus Kandahar und Helmand gemeldet, aber auch aus Uruzgan (www.pajhwok.com, April saw Afghan conflict killing nearly 1,500, v. 06.05.2017). Helmand zählt zu den volatilen Provinzen in Südafghanistan, in welcher Talibanaufständische in verschiedenen Distrikten operieren und öfters Angriffe durchführen (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan, Republik Österreich Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, v. 02.03.2017, aktualisiert am 11.05.2017, 54). Die Provinz ist stark umkämpft und die Eroberung ein erklärtes Ziel der Taliban (vgl. VG Lüneburg, Urt. v. 06.02.2017 - 3 A 140/16 -, juris Rn. 50). Helmand liefert den Taliban den Großteil der finanziellen Unterstützung durch Opium (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan, Republik Österreich Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, v. 02.03.2017, aktualisiert am 11.05.2017, S. 21). Auch Uruzgan zählt zu den relativ volatilen Provinzen Afghanistans und ist stark umkämpft - für die Taliban ist sie von strategischer Wichtigkeit (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan, Republik Österreich Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, v. 02.03.2017, aktualisiert am 11.05.2017, S. 97; vgl. auch Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update; Die aktuelle Sicherheitslage, v. 30.09.2016). Zabul zählt ebenfalls zu den relativ volatilen Provinzen in Südafghanistan (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan, Republik Österreich Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, v. 02.03.2017, aktualisiert am 11.05.2017, S. 101). Im Januar 2017 zerstörten Regierungstruppen zwei Bombenfabriken der Taliban im Distrikt Khashrud (www.khamama.com, Taliban suffer heavy casualties as 2 major IED factories destroyed in Nimroz, v. 13.01.2017); dessen Einnahme durch Aufständische wurde zuletzt im September 2016 versucht (www.pajhwok, Nimroz’s Khashrod district on the verge of collapse, v. 07.09.2016). Im Februar 2017 wurde in Nimrus ein entführter Straßenbauarbeiter getötet (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes, v. 06.02.2017). In Nimrus interessieren sich etwa auch immer mehr Frauen dafür, Polizistin zu werden; 52 Polizistinnen sind bereits in der Provinz angestellt und 25 weitere haben um eine Anstellung angesucht (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan, Republik Österreich Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, v. 02.03.2017, aktualisiert am 11.05.2017, S. 79). Auch der Kläger selbst hat keine Umstände geschildert, aus der sich eine andere Beurteilung ergeben könnte. Vielmehr hat er gerade angegeben, dass seine Familie von Kandahar nach Nimrus gezogen sei, weil es dort sicherer sei.

Danach ist Nimrus die sicherste Provinz der südlichen Region und, obwohl es in der südlichen Region zu vielen toten und verletzten Zivilpersonen kommt, ist es in dieser Provinz nicht beachtlich wahrscheinlich, aufgrund eines sicherheitsrelevanten Vorfalls verletzt oder getötet zu werden.

3. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 AufenthG (dazu a)) oder § 60 Abs. 7 AufenthG (dazu b)).

a) § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK steht einer Abschiebung entgegen, wenn es ernsthafte und stichhaltige Gründe dafür gibt, dass der Betroffene dadurch tatsächlich Gefahr läuft, im Aufnahmeland einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung aus-gesetzt zu werden (vgl. Nds. OVG, Urt. v. 19.09.2016 - 9 LB 100/15 -, juris S. 12 m.w.N.). Insoweit sind die Verhältnisse im Abschiebungszielstaat landesweit in den Blick zu nehmen (Nds. OVG, Beschl. v. 27.04.2016 - 9 LA 46/16 -, n.v.). Ob eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne des § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK vorliegt, hängt nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) von den Gesamtumständen des jeweiligen Einzelfalls ab, wie etwa der Art und dem Kontext der Fehlbehandlung, der Dauer, den körperlichen und geistigen Auswirkungen, sowie - in einigen Fällen - vom Geschlecht, Alter und Gesundheitszustand des Opfers (Nds. OVG, Urt. v. 19.09.2016 - 9 LB 100/15 -, juris S. 13; Urt. v. 07.09.2015 - 9 LB 98/13 -, juris Rn. 25; jeweils m.w.N.). Art. 3 EMRK verpflichtet die Konventionsstaaten allerdings nicht, Unterschiede in der medizinischen Versorgung oder soziale und wirtschaftliche Unterschiede durch freie und unbegrenzte Versorgung von Ausländern ohne Bleiberecht zu beseitigen, da die Konventionsstaaten hierdurch übermäßig belastet würden (EGMR, Urt. v. 27.05.2008 - 26565/05 N./Vereinigtes Königreich -, NVwZ 2008, 1334 ff. [EGMR 27.05.2008 - EGMR (Große Kammer) Nr. 26565/05], Rn. 44). Prognosemaßstab ist die beachtliche Wahrscheinlichkeit (Nds. OVG, Urt. v. 07.09.2015 - 9 LB 98/13 -, juris Rn. 26).

Grundsätzlich schützt Art. 3 EMRK vor den dort genannten Behandlungsweisen durch vorsätzlich vorgenommene Maßnahmen der öffentlichen Gewalt des Empfangsstaates oder nichtstaatlicher Organisationen in diesem Staat, sofern die Behörden außerstande sind, dem Betroffenen einen angemessenen Schutz zu gewähren; wegen der grundlegenden Bedeutung des Art. 3 EMRK wendet der EGMR ihn wegen des absoluten Charakters des Schutzes aber auch dann an, wenn die Gefahr einer verbotenen Behandlung im Abschiebungszielstaat von Faktoren herrührt, die weder unmittelbar noch mittelbar die Verantwortung der staatlichen Behörden dieses Staates auslöst (EGMR (Große Kammer), Urt. v. 27.05.2008 - 26565/05 N./Vereinigtes Königreich -, NVwZ 2008, 1334 [1335] [EGMR 27.05.2008 - EGMR (Große Kammer) Nr. 26565/05]; EGMR, Urt. v. 02.05.1997 - 146/1996/767/964 -, NVwZ 1998, 161 [162]). In der Rechtsprechung des EGMR gilt die ohnehin für Art. 3 EMRK bestehende hohe Schwelle in diesem Fall (keine Verantwortung des Staates) insbesonders (vgl. EGMR, Urt. v. 13. 10. 2011 - 10611/09 (Husseini/Schweden) -, NJOZ, 2012, 952 [954]). Im Rahmen des durch das AsylG und das AufenthG vermittelten Abschiebungsschutzes wird der vom EGMR insoweit über die Anwendung des Art. 3 EMRK auch ohne Verantwortung des Staates bzw. ohne Handeln eines bestimmten Akteurs angenommene Schutz bereits - jedenfalls für Krankheiten - ausreichend durch § 60 Abs. 7 AufenthG vermittelt, zumal im Rahmen des § 60 Abs. 5 AufenthG die gleichen Anforderungen an die Substantiierungspflicht zu stellen sind. Dies gilt hingegen nicht bei den allgemeinen Lebensbedingungen, da dort - jedenfalls soweit diese als allgemeine Gefahr zu werten sind - wegen § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG bei Abs. 7 und Abs. 5 unterschiedliche (Prognose-)Maßstäbe gelten (vgl. dazu BVerwG, Urt. v. 31.01.2013 - 10 C 15/12 -, juris Rn. 38; BVerwG, Urt. v. 29.09.2011 - 10 C 24/10 -, juris Rn. 20). Nach beiden Absätzen ist ein Abschiebungsverbot im Hinblick auf die wirtschaftliche Situation allerdings nicht gegeben, wenn der Rückkehrer durch Gelegenheitsarbeiten ein kümmerliches Einkommen erzielen und sich damit ein Leben am Rande des Existenzminimums finanzieren kann (BVerwG, Urteil v. 31.01.2013 - 10 C 15/12 -, juris Rn. 39 (zu § 60 Abs. 7 AufenthG); BVerwG, Beschl. v. 25.10.2012 - 10 B 16.12 -, BeckRS 2012, 59390 Rn. 10 (zu Art. 3 EMRK)).

aa) Ein Abschiebungsverbot aufgrund einer mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohenden unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung (§ 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK) infolge der allgemeinen Situation der Gewalt im Herkunftsland kommt unter Berücksichtigung der Rechtsprechung zu Art. 3 EMRK nur in Fällen ganz extremer allgemeiner Gewalt in Betracht, wenn eine tatsächliche Gefahr einer Fehlbehandlung infolge des bloßen Umstands der Anwesenheit im Zielstaat besteht (vgl. Nds. OVG, Urt. v. 19.09.2016 - 9 LB 100/15 -, juris Rn 56 m.w.N.; Beschl. v. 26.08.2016 - 9 ME 146/16 -, n.v.). Nach der Rechtsprechung des EGMR ist die allgemeine Lage in Afghanistan nicht als so ernst anzusehen, dass eine Abschiebung dorthin ohne Weiteres eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellt (vgl. etwa EGMR, Urt. v. 12.01.2016 - 13442/08 (A.G.R./Niederlande), NVwZ 2017 293 [295]; vgl. auch Nds. OVG, Urt. v. 19.09.2016 - 9 LB 100/15 -, juris Rn 57 f. für Kabul folgend; Beschl. v. 26.08.2016 - 9 ME 146/16 -, n.v.; jeweils m.w.N.). Dem folgt das Gericht - insbesondere auch unter Bezugnahme auf die obigen Ausführungen zur aktuellen Sicherheitslage in Afghanistan -, auch für die Provinz Nimrus. Unter Berücksichtigung der vorliegenden Erkenntnismittel ergeben sich auch keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dass sich die Gefahrenlage im Jahr 2016 und bis zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung in einer für ein Abschiebungsverbot relevanten Weise verändert hätte (vgl. auch Bay. VGH, Beschl. v. 06.03.2017 - 13a ZB 17.30099 -, juris Rn. 11 f.; Beschl. v. 22.12.2016 - 13a ZB 16.30684 -, juris Rn. 7 f.).

bb) Auch die allgemeine humanitäre Lage in Afghanistan begründet kein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK.

Sozialwirtschaftliche und humanitäre Bedingungen im Abschiebezielstaat haben weder notwendig noch einen ausschlaggebenden Einfluss auf die Frage, ob eine Person Gefahr läuft, einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu werden, weil Art. 3 EMRK hauptsächlich dem Schutz bürgerlicher und politischer Rechte dient (Nds. OVG, Urt. v. 19.09.2016 - 9 LB 100/15 -, juris S. 16 m.w.N.). Eine erhebliche Beeinträchtigung der (humanitären) Lage des Betroffenen im Herkunftsland - einschließlich seiner Lebenserwartung - im Falle seiner Rückkehr ist für einen Verstoß gegen Art. 3 EMRK nicht ausreichend, sofern nicht in ganz außergewöhnlichen Fällen ausnahmsweise besondere humanitäre Gründe zwingend gegen eine Aufenthaltsbeendigung im Konventionsstaat sprechen (BVerwG, Urt. v. 31.01.2013 - 10 C 15/12 -, juris Rn. 23, 25 m.w.N.; Nds. OVG, Urt. v. 19.09.2016 - 9 LB 100/15 -, juris S. 16 m.w.N.; Beschl. v. 27.04.2016 - 9 LA 46/16 -, n.v. m.w.N.). Die Annahme einer unmenschlichen Behandlung allein durch die humanitäre Lage und die allgemeinen Lebensbedingungen setzt ein sehr hohes Gefährdungsniveau voraus (Bay. VGH, Beschl. vom 30. September 2015 - 13a ZB 15.30063 -, juris Rn. 5), das nur unter strengen Voraussetzungen erreicht wird (OVG NRW, Beschl. v. 13.05.2015 - 14 B 525/15.A -, juris Rn. 15, 13 (monatelange Obdachlosigkeit ohne Zugang zu jeder Versorgung). Ein anderer Maßstab kommt allerdings (und nur) dann in Betracht, wenn die im Zielstaat bestehenden schlechten humanitären Bedingungen nicht maßgebend auf fehlende staatliche Ressourcen für eine staatliche Fürsorge zurückzuführen sind, sondern auf direkte oder indirekte Handlungen oder Unterlassungen der dortigen Konfliktparteien (vgl. Nds. OVG, Urt. v. 19.09.2016 - 9 LB 100/15 -, juris S. 16 m.w.N.). Grundsätzlich ist bei der Prüfung des Abschiebungsverbotes auf den gesamten Abschiebungszielstaat abzustellen, ausgehend vom dem Ort, an dem die Abschiebung endet (BVerwG, Urt. v. 31.01.2013 - 10 C 15/12 -, juris Rn. 26 m.w.N.; für Afghanistan verneint EGMR, Urt. v. 13.10.2011 - 10611/09 (Husseini/Schweden) - NJOZ 2012, 952 [953] Rn. 84; Nds. OVG, Beschl. v. 27.04.2016 - 9 LA 46/16 -, n.v.).

Unter Zugrundelegung der vorgenannten strengen Maßstäbe sind unter Berücksichtigung der zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel keine ernsthaften und stichhaltigen Gründe dafür vorgetragen oder sonst ersichtlich, dass der Kläger bei seiner Abschiebung nach Afghanistan landesweit mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit (vgl. Nds. OVG, Urt. v. 19.09.2016 - 9 LB 100/15 -, juris) Gefahr liefe, aufgrund der dortigen allgemeinen Lebensbedingungen einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu werden und die einer Abschiebung nach Afghanistan ausnahmsweise entgegenstehen würden.

Afghanistan ist trotz internationaler Unterstützung und erheblicher Anstrengungen der afghanischen Regierung eines der ärmsten Länder der Welt (Lagebericht des Auswärtigen Amtes, Stand: September 2016, S. 21; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update, Die aktuelle Sicherheitslage v. 30.09.2016, S. 24) und das ärmste Land der Region (UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 19.04.2016, S. 31). Der Kreditversicherer Coface hat (wohl für den Zeitraum bis einschließlich das Jahr 2015) Afghanistan als das Land mit dem höchsten politischen Risiko weltweit eingestuft (www.finanznachrichten.de, Von Afghanistan bis Island / Kreditversicherer Coface betrachtet politische Risiken in 159 Ländern, v. 03.04.2017). Das rapide Bevölkerungswachstum stellt eine weitere Herausforderung für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung des Landes dar (Lagebericht des Auswärtigen Amtes, Stand: September 2016, S. 21). Rund 36 % der Bevölkerung leben unterhalb der Armutsgrenze, mit einem eklatanten Gefälle zwischen urbanen Zentren und ländlichen Gebieten Afghanistans: Außerhalb der Hauptstadt Kabul und der Provinzhauptstädte fehlt es vielerorts an grundlegender Infrastruktur für Energie, Trinkwasser und Transport (Lagebericht des Auswärtigen Amtes, Stand: September 2016, S. 21). 30 % der Bevölkerung sind auf humanitäre Hilfe angewiesen, 6,3 % sind von ernsthafter Lebensmittelunsicherheit betroffen und 9,1 % der Kinder sterben vor ihrem fünften Geburtstag (UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 19.04.2016, S. 31; vgl. auch Lagebericht des Auswärtigen Amtes, Stand: September 2016, S. 13), wobei in letzterem eine Verbesserung zu sehen ist (Lagebericht des Auswärtigen Amtes, Stand: September 2016, S. 23). Für das Jahr 2017 wird erwartet, dass 9,3 Millionen Afghanen von humanitärer Hilfe abhängig sein werden (Asylmagazin 3/2017, Überleben in Afghanistan?, S. 74). Die Arbeitslosenquote betrug im Oktober 2015 40 % (Lagebericht des Auswärtigen Amtes, Stand: September 2016, S. 22), teilweise wird sie auf bis zu 50 % geschätzt (Nds. OVG, Urt. v. 19.09.2016 - 9 LB 100/15 -, juris). Die Jugendarbeitslosigkeit beträgt 82 % (Asylmagazin 3/2017, Überleben in Afghanistan?, S. 74). Auch der Abzug der internationalen Streitkräfte hat sich negativ auf die Nachfrage und damit die Wirtschaft ausgewirkt (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update, Die aktuelle Sicherheitslage v. 30.9.2016, S. 24; Lagebericht des Auswärtigen Amtes, Stand: September 2016, S. 21). Eine staatliche finanzielle Unterstützung findet bei Arbeitslosigkeit nicht statt; freie Stellen können über das Internet recherchiert werden (International Organization for Migration (IOM), Länderinformationsblatt Afghanistan 2016, S. 2). Landwirtschaft ist mit 60 bis 70 %, je nach Region, der größte Beschäftigungsfaktor (International Organization for Migration (IOM), Länderinformationsblatt Afghanistan 2016, S. 2). Darüber hinaus findet eine Beschäftigung vor allem in Familien- und Kleinbetrieben (Einzelhandel) und im Bauwesen statt, gefolgt vom öffentlichen Sektor und dem industriellen (International Organization for Migration (IOM), Länderinformationsblatt Afghanistan 2016, S. 2). Die Quote der Analphabeten ist hoch und die Anzahl der Fachkräfte gering (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update, Die aktuelle Sicherheitslage v. 30.9.2016, S. 24). Die Alphabetisierungsrate bei den über 15-jährigen betrug im Jahr 2015 38 % (Asylmagazin 3/2017, Überleben in Afghanistan?, S. 79). Qualifiziertes, vor allem höherqualifiziertes, Personal wird gesucht (vgl. Dr. L, Gutachterliche Stellungnahme an das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz v. 08.06.2011, S. 6 f.). Das Wirtschaftswachstum betrug im Jahr 2015 0,8 %, in 2016 voraussichtlich 1,2 % und für 2017 werden im besten Fall 1,7 % erwartet (UNHCR, Anmerkung zur Situation in Afghanistan auf Anfrage des Deutschen Bundesministeriums des Innern, v. Dez. 2016, S.  5). Im Jahr 2012 hatte es noch 14,4 % betragen (Asylmagazin 3/2017, Überleben in Afghanistan?, S. 74). Grundsätzlich haben Menschen, die in Afghanistan gearbeitet haben, Zugang zu Rentenzahlungen (International Organization for Migration (IOM), Länderinformationsblatt Afghanistan 2016, S. 3). Rückkehrer sehen sich, wie auch viele andere Afghanen, mit unzureichenden wirtschaftlichen Perspektiven und geringen Arbeitsmarktchancen konfrontiert, insbesondere wenn sie außerhalb des Familienverbandes oder nach einer längeren Abwesenheit aus dem Ausland zurückkehren und ihnen ein soziales oder familiäres Netzwerk sowie aktuelle Kenntnisse der örtlichen Verhältnisse fehlen (Lagebericht des Auswärtigen Amtes, Stand: November 2015, S. 5). Viele von ihnen zieht es daher nach Kabul, wo die Einwohnerzahl zwischen den Jahren 2005 und 2015 um 10 % gestiegen ist (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update, Die aktuelle Sicherheitslage v. 30.9.2016, S. 27, 28; Asylmagazin 3/2017, Überleben in Afghanistan?, S. 75 f.: Anstieg von 500.000 im Jahr 2001 auf 5 bis 7 Millionen). Das durchschnittliche Monatseinkommen beträgt in Afghanistan 80 bis 120 USD (International Organization for Migration (IOM), Länderinformationsblatt Afghanistan 2016, S. 2). Naturkatastrophen und extreme Natureinflüsse im Norden tragen zur schlechten Versorgung der Bevölkerung bei (Lagebericht des Auswärtigen Amtes, Stand: September 2016, S. 23). Im Süden und Osten gelten nahezu ein Drittel aller Kinder als akut unterernährt (Lagebericht des Auswärtigen Amtes, Stand: November 2015, S. 24). Nach Berechnungen der Vereinten Nationen sind in Afghanistan insgesamt eine Millionen Kinder unterernährt (deutsch.rt.com, Vereinte Nationen: Afghanistan auf dem Weg in eine humanitäre Katastrophe, v. 24.01.2017). Im Winter 2016 / 2017 starben in einer Provinz im Norden Afghanistans 27 Kinder unter fünf Jahren aufgrund der Wetterbedingungen (www.zeit.de, 27 Kinder sterben wegen strengen Winterwetters in Afghanistan, v. 26.01.2017). Das Rote Kreuz hat im Februar 2017 seine Arbeit ausgesetzt, nachdem sechs Mitarbeiter erschossen wurden (www.tagesschau.de, Rotes Kreuz setzt Arbeit in Afghanistan aus, v. 09.02.2017). Zwar weist Afghanistan Bodenschätze auf, eine staatliche Förderung findet derzeit allerdings nur eingeschränkt statt; die größten Lithium-Vorkommen gibt es etwa in Ghazni, Herat und Nimroz (vgl. www.20min.ch, Afghanistan wirbt um Trumps Unterstützung, v. 10.04.2017). Die humanitäre Situation ist weiterhin als schwierig anzusehen, insbesondere stellt neben der Versorgung von hunderttausenden Rückkehrern und Binnenvertriebenen vor allem die chronische Unterversorgung in Konfliktgebieten das Land vor große Herausforderungen (Lagebericht des Auswärtigen Amtes, Stand: November 2015, S. 6). Die Anzahl der konflikt-induzierten Binnenflüchtlinge betrug im Jahr 2016 zwischen 1,1 und 1,2 Million (Lagebericht des Auswärtigen Amtes, Stand: September 2016, S. 21). Aufgrund der Kämpfe in der Region um die Provinz Kunduz im Mai 2017 fliehen viele Zivilpersonen nach Kunduz City (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes v. 08.05.2017). Die Zahl der Binnenflüchtlinge ging im Jahr 2017 gegenüber dem Vergleichszeitraum im Vorjahr um 36 % zurück (www.handelszeitung.ch, Dreimal so viele Luftangriffe in Afghanistan, v. 29.05.2017). Die pakistanische Regierung hat den in Pakistan aufhältigen afghanischen Flüchtlingen eine Frist zur Rückkehr bis März 2017 gesetzt; im Jahr 2016 sind mehr als 600.000 Personen zurückgekehrt, insbesondere in der zweiten Jahreshälfte und über Nangarhar (Kurzinformation der Staatendokumentation Pakistan / Afghanistan - Rückkehr afghanischer Flüchtlinge nach Afghanistan v. 07.12.2016, S. 1, 2). Dieser Termin wurde zwischenzeitlich vertagt (Asylmagazin 3/2017, Überleben in Afghanistan?, S. 75). Rund 2,4 Millionen afghanische Flüchtlinge leben in Pakistan (Kurzinformation der Staatendokumentation Pakistan / Afghanistan - Rückkehr afghanischer Flüchtlinge nach Afghanistan v. 07.12.2016, S. 2; Asylmagazin 3/2017, Überleben in Afghanistan?, S. 75: 1,6 Millionen) bzw. 2,6 Millionen Flüchtlinge im Ausland (Amnesty Report 2017 Afghanistan, S. 1, 3). Der UNHCR nahm am 1. April 2017 das Programm zur Rückkehrunterstützung von afghanischen Flüchtlingen aus Pakistan wieder auf, die finanzielle Unterstützung wurde von 400 auf 200 USD verringert (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes, v. 03.04.2017). Im Iran erließ das Geistliche Oberhaupt im Jahr 2015 ein Gesetz, welches allen afghanischen Kindern, mit und ohne offizielle Papiere, erlaubt, die Schule zu besuchen (deutsch.rt.com, UNO lobt iranische Flüchtlingspolitik: Millionen Menschen Zuflucht geboten, v. 20.03.2017). Im Jahr 2016 sind trotz der Schwierigkeiten für Afghanen im Iran nur 2.426 Menschen in ihre afghanische Heimat zurückgekehrt (deutsch.rt.com, UNO lobt iranische Flüchtlingspolitik: Millionen Menschen Zuflucht geboten, v. 20.03.2017). Aus der EU sind im Jahr 2016 7.000 Afghanen in ihr Heimatland zurückgekehrt, gegenüber 1.400 im Jahr 2015 (www.tt.com, Organisation für Migration und EU helfen Rückkehrern in Afghanistan, v. 14.03.2017). Aus Deutschland reisten im Jahr 2016 mit 3.200 Personen zehnmal mehr Menschen freiwillig nach Afghanistan zurück, als im Vorjahr (www.spiegel.de, Rund 55.000 Asylbewerber verlassen Deutschland freiwillig v. 28.12.2016), die Zahl der Familien stieg von 22 auf 356 (www.faz.net, IOM warnt vor Abschiebungen nach Afghanistan, v. 22.02.2017). Mit Stand September 2016 waren insgesamt 246.954 afghanische Staatsangehörige in Deutschland aufhältig, davon 12.539 ausreisepflichtig (BT-Drs. 18/10336, 18. Wahlperiode, v. 16.11.2016, Frage Nr. 40, Nr. 6). Für das Jahr 2017 erwartet die internationale humanitäre Gemeinschaft 450.000 neu in die Flucht getriebene Menschen im afghanischen Inland und die UNHCR 650.000 Rückkehrer aus den umliegenden Ländern (UNHCR, Anmerkung zur Situation in Afghanistan auf Anfrage des Deutschen Bundesministeriums des Innern, v. Dez. 2016, S.  4). Die Rückkehrer siedeln sich vor allem in den Provinzen Kabul, Nangarhar, Kunduz, Logar und Baghlan an (Lagebericht des Auswärtigen Amtes, Stand: September 2016, S. 24). Viele Binnenvertriebene haben familiäre Verbindungen nach Kabul (UNHCR, Anmerkung zur Situation in Afghanistan auf Anfrage des Deutschen Bundesministeriums des Innern, v. Dez. 2016, S. 7). Die Aufnahmekapazität Kabuls ist aufgrund begrenzter Möglichkeiten der Existenzsicherung, Marktliquidität, der fehlenden Verfügbarkeit angemessener Unterbringungsmöglichkeiten sowie des mangelnden Zugangs zu grundlegenden Versorgungsleistungen, insbesondere im Gesundheits- und Bildungswesen, sowie im Dienstleistungsbereich äußerst eingeschränkt (UNHCR, Anmerkung zur Situation in Afghanistan auf Anfrage des Deutschen Bundesministeriums des Innern, v. Dez. 2016, S. 7). Auch in Herat hält sich eine große Zahl von Binnenvertriebenen auf, die sich mit einer erheblichen politischen Opposition und allgemeinen Ressentiments konfrontiert sehen (UNHCR, Anmerkung zur Situation in Afghanistan auf Anfrage des Deutschen Bundesministeriums des Innern, v. Dez. 2016, S. 8). Nach dem IOM entscheide sich die größte Zahl der Rückkehrer für Herat, einige die vorher im Iran gelebt hätten wohl auch, um von dort aus wieder in den Iran zurückzukehren (www.faz.net, IOM warnt vor Abschiebungen nach Afghanistan, v. 22.02.2017). Die UN will weitere finanzielle Hilfe leisten (Kurzinformation der Staatendokumentation Pakistan / Afghanistan - Rückkehr afghanischer Flüchtlinge nach Afghanistan v. 07.12.2016, S. 3). Bereits in den Jahren 2013 und 2014 sollen 73,8 % der städtischen Bevölkerung in Slums gelebt haben (vgl. Asylmagazin 3/2017, Überleben in Afghanistan?, S. 76 f.).

Staatliche Maßnahmen zur Integration oder Neuansiedlung haben jedoch bereits positive Ergebnisse gezeigt, sind allerdings auch weiter erforderlich (UNHCR, Anmerkung zur Situation in Afghanistan auf Anfrage des Deutschen Bundesministeriums des Innern, v. Dez. 2016, S. 8). Die Regierung hat sich ehrgeizige Ziele gesteckt und plant unter anderem durch ein Stimulus-Paket Arbeitsplätze und Wachstum zu schaffen (Lagebericht des Auswärtigen Amtes, Stand: November 2015, S. 24; Lagebericht des Auswärtigen Amtes, Stand: September 2016, S. 22). Afghanistan befindet sich in einem langwierigen Wiederaufbauprozess (Lagebericht des Auswärtigen Amtes, Stand: September 2016, S. 4). Die internationale Gemeinschaft unterstützt die afghanische Regierung maßgeblich dabei, die Lebensbedingungen der Bevölkerung zu verbessern (Lagebericht des Auswärtigen Amtes, Stand: September 2016, S. 22). Mehr als 95 % des afghanischen Budgets stammten auch im Jahre 2016 von der internationalen Staatengemeinschaft (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update, Die aktuelle Sicherheitslage v. 30.9.2016, S. 2). Die internationale Gemeinschaft wird auch ihr ziviles Engagement fortsetzen und Deutschland wird den Wiederaufbau im Jahr 2017 mit 430 Millionen Euro unterstützen (www.bundesregierung.de, Deutsche Soldaten weiter in Afghanistan v. 16.11.2016). Auch wurde ein Beschäftigungsprogramm unter anderem für den Bau von Straßen und Schulen in ländlichen Regionen auf den Weg gebracht (www.stern.de, Deutschland will Afghanistan mit 240 Millionen Euro unterstützen, v. 10.03.2017). Für die Jahre 2017 bis 2021 versprachen mehr als 70 Länder insgesamt 13,6 Milliarden Euro finanzielle Unterstützung (Amnesty Report 2017 Afghanistan, S. 1). Zum Jahresende 2014 hat das Jahrzehnt der Transformation (2015‐2024) begonnen, in dem Afghanistan sich mit weiterhin umfangreicher internationaler Unterstützung zu einem voll funktionsfähigen und fiskalisch lebensfähigen Staat im Dienst seiner Bürgerinnen und Bürger entwickeln soll, wofür Afghanistan verstärkte eigene Anstrengungen zugesagt hat (Lagebericht des Auswärtigen Amtes, Stand: September 2016, S. 4). Im Mai 2016 startete das Projekt „Casa 1000“, mit dem eine Stromleitung von Tajikistan auch nach Afghanistan errichtet und ab 2019 dem Energiemangel begegnet werden soll (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update, Die aktuelle Sicherheitslage v. 30.9.2016, S. 25). Auch soll Afghanistan eine Flugfrachtverbindung nach Indien erhalten (www.aerotelegraph.com, Afghanistan bekommt Frachtverbindung nach Indien, v. 06.01.2017). Von Kabul aus soll in ganz Afghanistan ein 4G/LTE-Mobilfunknetz geschaffen werden, wozu die Afghan Wireless Communication Compay 400 Millionen US-Dollar investiert (www.finanzen.net, Afghan Wireless startet Afghanistans erstes 4G/LTE-Kommunikationsnetz, v. 05.05.2017). Das Verelendungsrisiko einzelner Bevölkerungsgruppen in Afghanistan weicht stark voneinander ab, für alleinstehende Personen bewegte es sich bis zum Jahr 2007 lediglich im Bereich zwischen 10 und 15 %; das Armutsrisiko stieg bei einer Haushaltsgröße von drei Personen (11 %) bis zu einer Haushaltsgröße von neun Personen (über 40 %) kontinuierlich und lag bei einer Haushaltsgröße von 15 Personen sogar bei über 45 % (OVG NRW, Urt. v. 27.01.2015 - 13 A 1201/12.A -, juris Rn. 48). In Dschalalabad wird eine Teppichknüpferinnenschule gebaut, die Witwen und alleinstehenden Frauen ab April 2017 die Möglichkeit geben soll, ihren Lebensunterhalt zu verdienen (www.badische-zeitung.de, Eine neue Chance für 120 Frauen, v. 31.03.2017). Nachdem im Jahr 2011 nur 7,5 % der Bevölkerung über eine adäquate Wasserversorgung verfügten, haben im Jahr 2016 46 % Zugang zu Trinkwasser (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update, Die aktuelle Sicherheitslage v. 30.9.2016, S. 25; vgl. auch UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 19.04.2016, S. 31). Die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) hat seit 2002 in Afghanistan über 700 Trinkwassersysteme gebaut (www.giz.de, Afghanistan: Unter einem Dach, v. 04.04.2017). Anfang Juni 2017 wurde die Mehrzahl der Mitarbeiter der GIZ aufgrund der  Sicherheitslage aus Afghanistan ausgeflogen (www.deutschlandfunk.de, Deutsche Entwicklungshelfer ausgeflogen, v. 03.06.2017). Im Bereich der Menschenrechte hat Afghanistan unter schwierigen Umständen bereits Fortschritte gemacht, die allerdings nach wie vor nicht alle Landesteile erreichen und außerhalb der Städte auch gegen willkürliche Entscheidungen von Amtsträgern und Richtern nur schwer durchzusetzen sind (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes, Stand: September 2016, S. 5). Die Situation der Kinder hat sich in den vergangenen Jahren verbessert, so werden mittlerweile rund zwei Drittel aller Kinder eingeschult; der Anteil der Mädchen beträgt mittlerweile 37,5 %, nachdem sie unter der Taliban-Herrschaft fast vollständig vom Bildungssystem ausgeschlossen waren (Lagebericht des Auswärtigen Amtes, Stand: September 2016, S. 12). Nach inoffiziellen Abmachungen zwischen dem afghanischen Staat und den Taliban, akzeptieren diese seit 2014 prinzipiell auch Mädchenschulen bis zur sechsten Klasse (www.taz.de, Kurioses aus Afghanistan: Die Taliban entdecken ihre grüne Ader, v. 26.02.2017). Die Organisation Kinderhilfe Afghanistan hat im Osten Afghanistans im Paschtunen Gebiet und Heimat der Taliban in Absprache und mit Einverständnis der jeweiligen Mullahs 30 Haupt-, Ober- und Berufsschulen für ca. 60.000 Schüler, die meisten von ihnen Mädchen, gebaut sowie 15 Computerschulen; im Jahr 2014 wurde dort die erste Universität der Organisation eingeweiht (SZ, „Wir zahlen nie Schmiergeld“, v.  07.04.2017). Das Bildungswesen ist kostenfrei (International Organization for Migration (IOM), Länderinformationsblatt Afghanistan 2016, S. 3). Allerdings werden die Bildungsmöglichkeiten im Jahr 2017 durch die anhaltenden Kämpfe und die Rückkehr vieler Flüchtlinge aus Pakistan eingeschränkt (www.deutschlandfunk.de, Mehr als 400.000 Kinder können nicht mehr zur Schule gehen, v. 24.03.2017). Aufgrund der Idee einer Gruppe von afghanischen Unternehmensgründerinnen, die die Mädchenbildung in Afghanistan fördern, wurde ein Computer-Trainingsprogramm ins Leben gerufen und dreizehn Computer- und Programmierzentren in Kabul und Herat gegründet, wodurch bislang 55.000 Studentinnen online gebracht werden konnten (www.dw.com/de, Afghanische Mädchen durchbrechen Cyber-Grenzen, v. 19.04.2017). Auch die medizinische Versorgung hat sich seit 2005 erheblich verbessert, was auch zu einem deutlichen Anstieg der Lebenserwartung geführt hat (Lagebericht des Auswärtigen Amtes, Stand: November 2015, S. 24, 25). Dennoch besteht landesweit eine unzureichende Verfügbarkeit von Medikamenten, Ausstattung und Fachpersonal, wobei die Situation in den Nord- und Zentralprovinzen um ein Vielfaches besser ist als in den Süd- und Ostprovinzen (Lagebericht des Auswärtigen Amtes, Stand: September 2016, S. 23). 36 % der Bevölkerung haben keinen Zugang zu einer medizinischen Grundversorgung (UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 19.04.2016, S. 31). Insbesondere in ländlichen und unsicheren Gebieten sowie unter Nomaden kommt es zu schlechten Gesundheitszuständen von Frauen und Kindern (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update, Die aktuelle Sicherheitslage v. 30.9.2016, S. 25). Aufgrund der Fortschritte in der medizinischen Versorgung hat sich allerdings etwa die Müttersterblichkeit von 1,6 % auf 0,324 % gesenkt (Lagebericht des Auswärtigen Amtes, Stand: September 2016, S. 23). An dieser Reduzierung kommen allerdings zwischenzeitlich Zweifel auf (www.tt.com, Müttersterblichkeit in Afghanistan laut Bericht deutlich höher als angegeben, v. 31.01.2017). Eine begrenzte Anzahl staatlicher Krankenhäuser bieten kostenfreie medizinische Versorgung (International Organization for Migration (IOM), Länderinformationsblatt Afghanistan 2016, S. 1). Private Krankhäuser gibt es in größeren Städten wie Kabul, Jalalabad, Masar-e Scharif, Herat und Kandahar (International Organization for Migration (IOM), Länderinformationsblatt Afghanistan 2016, S. 1). Chirurgische Eingriffe etwa oder spezielle Untersuchungen (wie etwa Computer Tomographie) werden nur an ausgewählten Orten geboten (International Organization for Migration (IOM), Länderinformationsblatt Afghanistan 2016, S. 18).  Eine gute medizinische Versorgung auch komplizierterer Krankheiten bieten das French Medical Institute und das Deutsche Diagnostische Zentrum (Lagebericht des Auswärtigen Amtes, Stand: September 2016, S. 23). Die Organisation Kinderhilfe Afghanistan hat im Osten Afghanistans Mutter-Kind-Kliniken sowie zwei Waisenhäuser gebaut (SZ, „Wir zahlen nie Schmiergeld“, v.  07.04.2017). Medikamente sind auf allen Märkten zu erwerben (International Organization for Migration (IOM), Länderinformationsblatt Afghanistan 2016, S. 1). Eine Behandlung psychischer Erkrankungen findet nur unzureichend statt; in Kabul, Jalalabad, Herat und Masar-e Scharif gibt es entsprechende Einrichtungen mit meist wenigen Betten (Lagebericht des Auswärtigen Amtes, Stand: September 2016, S. 23 f.). In Kabul gibt es etwa nur eine einzige staatliche psychiatrische Klinik mit 60 Betten (Asylmagazin 3/2017, Überleben in Afghanistan?, S. 77). Nach den Angaben des afghanischen Gesundheitsministers Anfang April 2017 habe sein Ministerium allerdings jüngst 700 psychologische Berater und 101 spezialisierte Ärzte ausgebildet (derstandard.de, Afghanistan: Psychische Verwüstung, v. 10.04.2017). Psychisch Erkrankte benötigen eine starke familiäre Unterstützung (International Organization for Migration (IOM), Länderinformationsblatt Afghanistan 2016, S. 1). In der nunmehr in Herat durch ein christliches Hilfswerk betriebenen Zahnklinik wurden im ersten Jahr mehr als 5.000 Erwachsene kostenlos behandelt, insbesondere auch Frauen und Kinder (www.presseportal.de, Neue Zahnklinik in Herat erreichte im ersten Jahr über 10.000 Menschen / Schulzahnarztprogramm ist das Herzstück - Kostenlose Behandlung für Arme, v. 11.05.2017).

Rückkehrer aus Deutschland, deren Flüge grundsätzlich von einem Arzt begleitet werden (www.sozialticker.com, 700 Euro pro Person für tolle Maßnahmen in Afghanistan, v. 05.05.2017) werden in Kabul vom afghanischen Flüchtlingsministerium, von Mitarbeitern der Internationalen Organisation für Migration, von der gemeinnützigen humanitären Organisation für psychosoziale Betreuung und der Bundespolizei vor Ort in Empfang genommen und versorgt (Schreiben des Bundesministeriums des Innern v. 09.01.2017 an die Innenminister und -senatoren der Länder, S. 4). Das Rückkehrförderprogramm REAG/GARP sieht neben der Übernahme der Rückreisekosten eine Reisebeihilfe von 200 Euro und zusätzlich Startgeld in Höhe von 500 Euro je Person über zwölf Jahren vor (BT-Drs. 18/10336, 18. Wahlperiode 16.11.2016, Frage Nr. 34). Das Rückkehr- und Integrationsprojekt ERIN sieht einen Service bei der Ankunft, Beratung und Begleitung zu behördlichen, medizinischen und caritativen Einrichtungen sowie berufliche Qualifizierungsmaßnahmen, Hilfe bei der Arbeitsplatzsuche sowie Unterstützung bei der Existenzgründung vor (BT-Drs. 18/10336, 18. Wahlperiode 16.11.2016, Frage Nr. 34). Die Europäische Union unterstützt das Programm mit 18 Millionen Euro (www.tt.com, Organisation für Migration und EU helfen Rückkehrern in Afghanistan, v. 14.03.2017). Im Falle der freiwilligen Rückkehr ist eine Integrationshilfe von bis zu 2.000 Euro vorgesehen, bei einer Rückführung bis zu 700 Euro (BT-Drs. 18/10336, 18. Wahlperiode 16.11.2016, Frage Nr. 34). Einige Rückkehrer nutzen die Hilfen allerdings für ein erneutes Verlassen des Landes (www.focus.de, Schicksal von Arasch und Badam, v. 17.03.2017). Weiter ist auch geplant, den Rückkehrern Anschlussflüge zum gewünschten Zielort innerhalb Afghanistans anzubieten und ein Informationsbüro als Beratungsstelle einzurichten (Schreiben des Bundesministeriums des Innern v. 09.01.2017 an die Innenminister und -senatoren der Länder, S. 4). Rückkehrer können bis zu zwei Wochen im IOM Empfangszentrum in Jangalak untergebracht werden (International Organization for Migration (IOM), Länderinformationsblatt Afghanistan 2016, S. 2). Auch Flüchtlingsorganisationen bieten Unterkunft für die ersten Tage bzw. Wochen nach einer Rückkehr (SZ, Zurück auf Null, v. 08.04.2017). Die IOM hilft in Gemeinden mit vielen Rückkehrern die Infrastruktur zu verbessern, Ideen zum Verdienen des Lebensunterhaltes zu entwickeln und Märkte zu organisieren, auf dem Land werden Felder hergerichtet und Wasserkanäle gesäubert (www.tt.com, Organisation für Migration und EU helfen Rückkehrern in Afghanistan, v. 14.03.2017). Die von der deutschen Regierung unterstützte Organisation IPSO bietet in Kabul psycho-soziale Hilfe an, nimmt die Rückkehrer am Flughafen in Empfang und geht auch in die Gästehäuser, in denen die Abgeschobenen erst einmal unterkommen; für schwere Fälle ist die Organisation allerdings nicht ausgerüstet (www.focus.de, Schicksal von Arasch und Badam, v. 17.03.2017). Nach der gutachterlichen Stellungnahme von Frau Dr. L. an das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz vom 8. Juni 2011 sei es eher unwahrscheinlich sei, dass ein afghanischer Migrant weder im Herkunftsland bzw. den Nachbarländern noch im Aufnahmeland keine familiären Bezugspersonen hat, zumal es ein übliches Verfahren sei, durch Beschluss des Familienclans das stärkste Mitglied ins Ausland zu senden, um die wirtschaftliche Situation der Familie zu unterstützen (S. 3). Rückkehrer würden auch in der Regel nicht verstoßen und selbst bei entfernten Verwandtschaftsverhältnissen zumindest zeitweise aufgenommen (Dr. L, Gutachterliche Stellungnahme an das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz v. 08.06.2011, S. 13). Auch würden diejenigen, denen es gelungen sei, bis nach Europa zu kommen, zum mobileren Teil der Bevölkerung gehören, die es erfahrungsgemäß bei einer Rückkehr schaffen würden, ihre Beziehungen so zu gestalten, dass sie ihr Leben sichern können würden (Dr. L, Gutachterliche Stellungnahme an das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz v. 08.06.2011, S. 12). Insoweit würden ohnehin soziale Kompetenzen, wie Durchsetzungs- und Kommunikationsfähigkeit mehr zählen als eine Ausbildung, so etwa für den Start eines Kleinhandels, den Rückkehrer auch eher eröffnen, als sich der Konkurrenz um Aushilfsjobs zu stellen (Dr. L, Gutachterliche Stellungnahme an das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz v. 08.06.2011, S. 12, 9). Für Aushilfsjobs bzw. Tagelöhnerjobs sei die körperliche Konstitution maßgeblich, bei handwerklichen Tätigkeiten das Vorhandensein von eigenem Werkzeug und bei längerfristigen Arbeitsverhältnissen eine Vermittlung über einen Stammes- oder Clanzugehörigen (Dr. L, Gutachterliche Stellungnahme an das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz v. 08.06.2011, S. 11; vgl. auch Asylmagazin 3/2017, Überleben in Afghanistan?, S. 76).

Unter Berücksichtigung der vorgenannten Erkenntnisse ist das Gericht nicht davon überzeugt, dass der Kläger als ein arbeitsfähiger junger Mann bei einer Rückkehr in sein Heimatland Afghanistan nicht in der Lage wäre, in Kabul sein Existenzminimum zu sichern (vgl. auch Bay. VGH, Beschl. v. 22.12.2016 - 13a ZB 16.30684 -, juris Rn. 8; Nds. OVG, Urt. v. 19.09.2016 - 9 LB 100/15 -, juris; OVG NRW, Beschl. v. 08.06.2016 - 13 A 1222/16.A -, juris Rn. 10; Bay. VGH, Beschl. v. 30.09.2015 - 13a ZB 15.30063 -, juris Rn. 6; Nds. OVG, Urt. v. 20.07.2015 - 9 LB 320/14 -, juris S. 8; OVG NRW, Urt. v. 26.08.2014 - 13 A 2998/11.A -, juris Rn. 197; a.A. VG Hamburg, Gerichtsbescheid v. 10.01.2017 - 10 A 6516/16 -, juris Rn. 38). Vor allem in größeren Städten Afghanistans, wie etwa auch Kabul, ist eine Aufnahme auch außerhalb des eigenen Familien- bzw. Stammesverbandes sowie die Chancen realistisch (vgl. Nds. OVG, Urt. v. 19.09.2016 - 9 LB 100/15 -, juris). Auch die UNHCR geht in ihren Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 19. April 2016 davon aus, dass alleinstehende leistungsfähige Männer und verheiratete Paare im berufsfähigen Alter auch ohne Unterstützung von Familie und Gemeinschaft unter bestimmten Umständen in urbanen und semi-urbanen Umgebungen, die die notwendige Infrastruktur sowie Erwerbsmöglichkeiten zur Sicherung der Grundversorgung bieten und die unter staatlicher Kontrolle stehen, leben können (S. 99). Aus dem Umstand seiner Volkszugehörigkeit der Hazara folgt insoweit nichts anderes (BayVGH, Beschl. v. 17.01.2017 - 13a ZB 16.30929 -, juris Rn. 2 sowie v. 04.01.2017 - 13a ZB 16.30600 -, juris), zumal es in Kabul mit Dasht-e Barchi einen Stadtteil gibt, wo vor allem Hazara leben (vgl. UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender v. 19.04.2016, S. 87 f. Fn. 492). Zwar hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung - wie auch bei der Anhörung durch das Bundesamt - angegeben, dass er keine Schule besucht habe. Dies steht jedoch zum einen - unter Berücksichtigung der bisherigen Ausführungen - einer Arbeitstätigkeit des Klägers, jedenfalls im Bereich der Gelegenheitsarbeiten, und der Möglichkeit, sein Existenzminimum zu sichern, nicht entgegen, zumal er auf eine finanzielle Starthilfe durch die Beklagte zurückgreifen können wird. Zum anderen ist das Gericht bereits nicht davon überzeugt, dass die Angaben des Klägers insoweit zutreffend sind. In der mündlichen Verhandlung konnte er nicht anschaulich und nachvollziehbar erklären, weshalb er nicht zur Schule habe gehen können. Er hat zwar ausgeführt, dass er die Hausarbeit machen und einkaufen gehen habe müssen, so dass ein Schulbesuch zeitlich nicht möglich gewesen wäre. Insoweit vermochte er zwar noch schlüssig zu begründen, weshalb er einkaufen habe gehen müssen - seine Mutter dürfe als Frau nicht alleine auf die Straße gehen. Damit würde sich aber nicht erklären, weshalb er nicht nach der Schule habe einkaufen gehen können. Weshalb er auch die Hausarbeit machen habe müssen, konnte er nicht erklären. Soweit er weiter ausgeführt hat, dass man in Afghanistan nicht so viel zur Schule gehen könne und es in Nimrus nicht so viele Möglichkeiten gebe, hält das Gericht dies für eine Schutzbehauptung, zumal ja auch seine Geschwister eine Schule besuchen. Ebenfalls nicht schlüssig darlegen konnte der Kläger, warum nicht einer seiner großen Brüder zuhause geblieben ist, als der Kläger im Schulalter war, wie es der Kläger jetzt für seine Geschwister macht. Dies gilt umso mehr, als die Familie des Klägers insgesamt aufgeschlossen gegenüber einer Schulbildung erscheint und selbst die Mutter des Klägers - nach ihren Angaben gegenüber dem Bundesamt - vier Jahre die Schule besucht hat. Dazu kommt, dass der Kläger bis ins Jahr 2006 in Kandahar gelebt hat und in dieser Zeit sein Vater nicht von der Familie getrennt war. Weshalb er zu dieser Zeit nicht hätte zur Schule gehen können, erschließt sich dem Gericht nicht. Der Kläger hat hierzu auch keine Ausführungen gemacht. Ebenfalls ist das Gericht nicht davon überzeugt, dass der Kläger in Afghanistan keine Verwandten mehr hat. Jedenfalls existiert in der Heimatregion des Klägers ein Freund seines Vaters, dem sein Vater so nahe steht, dass - nach seinen Angaben gegenüber dem Bundesamt - er - der Vater des Klägers - dem Freund das Geld aus dem Verkauf seines Hauses über mehr als zehn Jahre anvertraut haben will. Umstände, die darauf hindeuten würden, dass der Freund des Vaters des Klägers den Kläger bei einer Rückkehr nach Afghanistan nicht unterstützen würde, sind nicht ersichtlich.

b) Auch droht dem Kläger bei einer Rückkehr nach Afghanistan keine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit, die gem. § 60 Abs. 7 AufenthG, im Sinne einer einzelfallbezogenen, individuell bestimmten Gefährdungssituation (Nds. OVG, Urt. v. 19.09.2016 - 9 LB 100/15 -, juris Rn. 80), die ein Abschiebungsverbot begründen würde.

Dies gilt insbesondere auch unter Berücksichtigung der dortigen Lebensbedingungen. Gefahren, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Betroffene angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind nach § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG grundsätzlich nur bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen (Sperrwirkung) und damit auch die Beurteilung des demokratisch legitimierten Gesetzgebers zu beachten (vgl. BVerwG, Urt. v. 31.01.2013 - 10 C 15/12 -, juris Rn. 37, 40; Nds. OVG, Urt. v. 19.09.2016 - 9 LB 100/15 -, juris Rn. 82; OVG NRW, Urt. v. 27.01.2015 - 13 A 1201/12.A -, juris Rn. 27). Bei solchen allgemeinen Gefahren ist daher Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG in verfassungskonformer Auslegung erst dann zu gewähren, wenn der Betroffene mit der Abschiebung gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde, wobei sich die Gefahr bereits alsbald nach seiner Rückkehr realisieren müsste (BVerwG, Urt. v. 29.09.2011 - 10 C 24/10 -, juris Rn. 19, 20; OVG NRW, Urt. v. 27.01.2015 - 13 A 1201/12.A -, juris Rn. 28; Hess. VGH, Urt. v. 04.09.2014 - 8 A 2434/11.A -, juris Rn. 41; Nds. OVG, Beschl. v. 27.04.2016 - 9 LA 46/16 -, n.v.; Urt. v. 28.07.2014 - 9 LB 2/13 -, juris Rn. 45). Die im Abschiebezielstaat herrschenden wirtschaftlichen Existenzbedingungen und die damit zusammenhängende Versorgungslage können nur ausnahmsweise dann ein Abschiebungsverbot begründen, wenn der Betroffene bei einer Rückkehr aufgrund dieser Bedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre, wobei die drohenden Gefahren allerdings nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sein müssen, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für den Betroffenen die begründete Furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher Weise ein Opfer der extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden (BVerwG, Urt. v. 31.01.2013 - 10 C 15/12 -, juris Rn. 38; Urt. v. 29.09.2011 - 10 C 24/10 -, juris Rn. 20 „sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde“). Hierbei handelt es sich um einen gegenüber dem Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit erhöhten Maßstab (BVerwG, Urt. v. 31.01.2013 - 10 C 15/12 -, juris Rn. 38; Urt. v. 29.09.2011 - 10 C 24/10 -, juris Rn. 20). Eine Gefahr im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG muss - ausgehend vom Zielort der Abschiebung - landesweit bestehen (vgl. BVerwG, Urt. v. 31.01.2013 - 10 C 15/12 -, juris Rn. 38; Nds. OVG, Urt. v. 19.09.2016 - 9 LB 100/15 -, juris Rn. 83; Nds. OVG, Beschl. v. 04.02.2005 - 11 LA 17/05 -, juris Rn. 4). Dies ist derzeit bei jungen gesunden alleinstehenden und arbeitsfähigen männlichen afghanischen Staatsangehörigen jedenfalls bei einer Rückkehr nach Kabul in der Regel selbst dann nicht der Fall, wenn der Rückkehrer nicht besonders qualifiziert ist und weder über nennenswertes Vermögen noch über Rückhalt und Unterstützung durch Familie oder Bekannte, die in Kabul leben, verfügt (vgl. Bay. VGH, Beschl. v. 22.12.2016 - 13a ZB 16.30684 -, juris Rn. 6; Nds. OVG, Urt. v. 19.09.2016 - 9 LB 100/15 -, juris Rn. 84 m.w.N.; Beschl. v. 27.04.2016 - 9 LA 46/16 -, n.v., m.w.N.; zu Afghanistan vgl. Bay. VGH, Beschl. v. 30.07.2015 - 13a ZB 15.30031 -, juris Rn. 10; so im Ergebnis auch Bay. VGH, Beschl. v. 17.01.2017 - 13a ZB 16.30929 -, juris Rn. 2; Beschl. v. 04.01.2017 - 13a ZB 16.30600, juris Rn. 4; Beschl. v. 22.12.2016 - 13a ZB 16.30684 -, juris Rn. 6).

Das Gericht ist nicht davon überzeugt, dass für den Kläger in Afghanistan aufgrund der dortigen Lebensbedingungen eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib - im Sinne von schwersten Gesundheitsbeeinträchtigungen -, Leben oder Freiheit im Sinne des § 60 Abs. 7 AufenthG alsbald nach seiner Rückkehr besteht. Insoweit wird auf die Ausführungen zu § 60 Abs. 5 AufenthG Bezug genommen. Eine Rückkehr ist im Hinblick auf § 60 Abs. 7 AufenthG zumutbar, wenn der Betroffene bei allen - auch existenzbedrohenden - Schwierigkeiten nicht chancenlos ist, sondern die Möglichkeit hat, Einfluss auf sein Schicksal zu nehmen und er nicht ohne jeden Ausweg in eine Situation gebracht wird, in der er so gut wie keine Überlebensmöglichkeit hat (vgl. BVerwG, Urteil v. 31.01.2013 - 10 C 15/12 -, juris Rn. 40).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 83b AsylG. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.