Verwaltungsgericht Lüneburg
Urt. v. 01.06.2017, Az.: 2 A 10/15

zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis; Aserbaidschan; Medizinische Versorgung

Bibliographie

Gericht
VG Lüneburg
Datum
01.06.2017
Aktenzeichen
2 A 10/15
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2017, 53912
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tatbestand:

Die Kläger begehren (noch) die Feststellung von Abschiebungsverboten durch die Beklagte.

Sie sind Eheleute und aserbaidschanische Staatsangehörige, in Baku / Aserbaidschan geboren. Erstmals reisten sie im Jahr 2005 in die Bundesrepublik ein und stellten Asylanträge, die am 15. Oktober 2005 rechtskräftig abgelehnt worden sind. Die Kläger wurden daraufhin am 10. Oktober 2006 nach Aserbaidschan abgeschoben. Am 27. März 2012 reisten sie (nach einer Überstellung aus Österreich) erneut ein und stellten am 29. März 2012 Asylfolgeanträge.

Bei ihrer Anhörung am 18. April 2012 erklärte die Klägerin zu 2. sie fürchte im Falle einer Rückkehr in ihr Heimatland inhaftiert zu werden. Nach der Abschiebung nach Aserbaidschan habe sie gemeinsam mit ihrem Ehemann in Baku gelebt. Es sei dann aber so gekommen, dass ihr Ehemann Probleme bekommen habe und es zu einer Gerichtsverhandlung gekommen sei. Ihr Ehemann habe - wie bereits im Erstverfahren vorgetragen - einen aserbaidschanischen Polizisten niedergeschlagen. Das Gerichtsverfahren sei seinerzeit noch offen gewesen. Die Gerichtsverhandlung habe dann begonnen als sie wieder zurückgekehrt seien. Ihr Ehemann sei wegen Körperverletzung verurteilt worden. Man habe ihren Mann direkt nach seiner Abschiebung am Flughafen festgenommen und eine Woche festgehalten. Das Urteil gegen ihren Ehemann habe sie nicht mehr. Ihr Mann sei zu einer Gesamtfeiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt worden. Neben der Körperverletzung sei ihm Verrat wegen seiner Asylantragstellung in Deutschland vorgeworfen worden. Aufgrund der Erkrankung des Ehemannes sei mit ihrem damaligen Prozessbevollmächtigten gegenüber den Behörden vereinbart worden, dass ihm die Strafe erlassen würde, wenn er 50.000 Manate zahlen würde. Die Geldstrafe hätten sie nicht bezahlt. Sie seien dann, ca. im Jahr 2008, nach Russland geflohen. Von dort aus seien sie dann über Österreich nach Deutschland gelangt. Das Visum sei ihnen durch einen Bekannten bei der Botschaft in Baku erteilt worden. Sie selbst hätten sich nicht in Baku aufgehalten. Die Schleusung nach Deutschland habe 9.000 € gekostet. Diese sei von dem Verkauf ihres Hauses in Baku bezahlt worden. Gegen die Verurteilung des Klägers zu 1. hätten sie Berufung eingelegt, die ca. im März 2009 abgelehnt worden sei. Danach hätten sie Baku verlassen. Der Kläger zu 1. werde weiterhin von den Behörden gesucht. Auch ihr Sohn habe Probleme in Aserbaidschan gehabt. Er sei als Journalist tätig gewesen und habe für eine oppositionelle Zeitung gearbeitet. Ihr Sohn und auch die Tochter seien inhaftiert worden.

Bei seiner informatorischen Anhörung schildert der Kläger zu 1. im Wesentlichen das Vorbringen seiner Ehefrau zu der Gerichtsverhandlung und der Ausreise nach Russland. Er könne sich nicht richtig erinnern, wann dies gewesen sei, da er nicht ganz gesund sei. Er nehme an, dass es im Jahr 2008 gewesen sei. Zu dieser Zeit habe seine Frau mit ihm gemeinsam das Land verlassen. Er habe zunächst versucht das Geld für die Geldstrafe als Ersatz für die Haft zu bekommen. Nachdem er gemerkt habe, dass er das nicht schaffe, habe er sich an die Russische Föderation begeben. Er habe dann den Kontakt mit seinem Bruder aufgenommen, er ihm erzählt habe, dass er in Aserbaidschan gesucht werde und nicht mehr zurückkommen solle. Weitere Verwandtschaft in Aserbaidschan habe er nicht mehr. Dort lebe nur noch sein Bruder. Auch sein Sohn habe Probleme aufgrund seiner Tätigkeit als Journalist gehabt. Er und seine Tochter seien allerdings nicht festgenommen worden. Politisch betätigt habe er sich in Aserbaidschan nicht. Er habe Kopfschmerzen und sei an der Lunge erkrankt. Der Prozessbevollmächtigte der Kläger überreichte darauf dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ärztliche Atteste hinsichtlich des Krankenstandes des Klägers zu 1. vom 30. Juli 2012, vom 19. Juli 2012, vom 11. Juni 2012 sowie einen vorläufigen Entlassungsbericht des Diakonie Krankenhauses E. (F.) vom 24. Juli 2012. Mit Schreiben vom 2. September 2014 reichte der Prozessbevollmächtigte der Kläger eine übersetzte Kopie der Sterbeurkunde des Sohnes der Kläger ein.

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) lehnte mit Bescheid vom 14. Januar 2015 die Anträge auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, Asylanerkennung sowie auf subsidiären Schutz ab und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 S. 1 AufenthG nicht vorliegen, forderte die Kläger unter Androhung der Abschiebung nach Aserbaidschan zur Ausreise innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe des Bescheides bzw. nach dem unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens auf. Hinsichtlich der Begründung wird auf die Ausführungen im Bescheid verwiesen.

Hiergegen haben die Kläger am 22. Januar 2015 Klage erhoben. Der angegriffene Bescheid sei rechtswidrig und verletze sie in ihren Rechten. Besonderen Bedenken begegne die Entscheidung hinsichtlich eines Abschiebungshindernisses gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG in Bezug auf die geltend gemachte Erkrankung des Klägers zu 1. Diesbezüglich haben sie weitere Atteste des Diakoniekrankenhauses E. (F.) vom 14. Mai 2014; der Radiologie G. vom 10. Oktober 2014 sowie des Facharztes für Neurologie H. I. vom 28. April 2015 vorgelegt. Nachdem die Kläger zunächst schriftsätzlich beantragt haben, sie als Asylberechtigte anzuerkennen, ihnen die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen und hilfsweise subsidiären Schutz zu gewähren, haben sie in der mündlichen Verhandlung die Klage dahingehend zurückgenommen.

Die Kläger beantragen nunmehr,

festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG hinsichtlich Aserbaidschan vorliegen.

Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung bezieht sie sich auf die Ausführungen im streitgegenständlichen Bescheid.

Durch Beschluss vom 11. April 2017 hat die Kammer den Rechtsstreit der Be-richterstatterin als Einzelrichterin zur Entscheidung übertragen. Am 1. Juni 2017 hat eine mündliche Verhandlung stattgefunden. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe

Soweit die Kläger die Klage teilweise zurückgenommen haben, war das Verfahren einzustellen (§ 92 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -). Im Übrigen bleibt die zulässige Klage, über die trotz Ausbleibens der Beklagten verhandelt und entschieden werden konnte (§ 102 Abs. 2 VwGO), in der Sache ohne Erfolg. Die Klage ist unbegründet.

Der Bescheid der Beklagten vom 14. Januar 2015 ist  - soweit er noch Gegenstand des Verfahrens ist - rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten.

Die Kläger haben keinen Anspruch auf die Feststellung von Abschiebungshindernissen hinsichtlich Aserbaidschans. Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht hat in seinem Beschluss vom 19.8.2016 (8 ME 87/16 – www.rechtsprechung.niedersachsen.de) zu den Voraussetzungen der Feststellung eines Abschiebungshindernisses nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ausgeführt:

„Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Die Gefahr, dass sich eine Erkrankung und die mit einer Erkrankung verbundenen Gesundheitsbeeinträchtigungen als Folge fehlender Behandlungsmöglichkeiten im Abschiebezielstaat verschlimmern, ist in der Regel als am Maßstab von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG in direkter Anwendung zu prüfende individuelle Gefahr einzustufen (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.10.2006
- BVerwG 1 C 18.05 -, BVerwGE 127, 33, 36; Senatsbeschl. v. 22.10.2014
- 8 LA 129/14 -, juris Rn. 31). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Urt. v. 17.10.2006, a.a.O., S. 36 ff.; Beschl. v. 24.5.2006 - BVerwG 1 B 118.05 -, Buchholz 402.242 § 60 Abs. 2ff AufenthG Nr. 16 mit weiteren Nachweisen) und auch des Senats (vgl. Urt. v. 10.11.2011 - 8 LB 108/10 -, juris Rn. 27 mit weiteren Nachweisen) muss die Gesundheitsgefahr erheblich sein; die Verhältnisse im Abschiebezielstaat müssen also eine Gesundheitsbeeinträchtigung von besonderer Intensität, etwa eine wesentliche oder gar lebensbedrohliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes, erwarten lassen. Diese Rechtsprechung hat der Gesetzgeber nun in § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG in der durch Art. 2 Nr. 1 des Gesetzes zur Einführung beschleunigter Asylverfahren vom 11. März 2016 (BGBl. I S. 390) mit Wirkung vom 17. März 2016 geänderten Fassung nachgezeichnet. Nach dieser Bestimmung liegt eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden (vgl. zur Intention des Gesetzgebers: Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD, Entwurf eines Gesetzes zur Einführung beschleunigter Asylverfahren, BT-Drs. 18/7538, S. 18 f.). Eine Änderung der vom Bundesverwaltungsgericht und vom Senat bisher gestellten Anforderungen an das Vorliegen einer krankheitsbedingten erheblichen konkreten Gefahr ist mit dieser Neuregelung erkennbar nicht verbunden.

Erforderlich, aber auch ausreichend für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ist danach, dass sich die vorhandene Erkrankung des Ausländers aufgrund zielstaatsbezogener Umstände in einer Weise verschlimmert, die zu einer erheblichen und konkreten Gefahr für Leib oder Leben führt, das heißt dass eine wesentliche Verschlimmerung der Erkrankung alsbald nach der Rückkehr des Ausländers droht (vgl. BVerwG, Urt. 17.10.2006, a.a.O., S. 36 f. mit weiteren Nachweisen).

Dabei sind sämtliche zielstaatsbezogenen Umstände, die zu einer Verschlimmerung der Erkrankung führen können, in die Beurteilung der Gefahrenlage mit einzubeziehen. Solche Umstände können darin liegen, dass eine notwendige ärztliche Behandlung oder Medikation für die betreffende Krankheit in dem Zielstaat wegen des geringeren Versorgungsstandards generell nicht verfügbar ist. Nicht erforderlich ist nach § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG aber, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist (so auch schon vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Einführung beschleunigter Asylverfahren vom 11.3.2016: BVerwG, Beschl. v. 24.5.2006 - BVerwG 1 B 118.05 -, Buchholz 402.242 § 60 Abs. 2ff AufenthG Nr. 16; Senatsurt. v. 10.11.2011, a.a.O., Rn. 34). Ein zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis kann sich trotz grundsätzlich verfügbarer medikamentöser und ärztlicher Behandlung aber auch aus sonstigen Umständen im Zielstaat ergeben, die dazu führen, dass der betroffene Ausländer diese medizinische Versorgung tatsächlich nicht erlangen kann. Denn eine zielstaatsbezogene Gefahr für Leib und Leben besteht auch dann, wenn die notwendige Behandlung oder Medikation zwar allgemein zur Verfügung steht, dem betroffenen Ausländer individuell jedoch aus finanziellen oder sonstigen persönlichen Gründen nicht zugänglich ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 29.10.2002 - BVerwG 1 C 1.02 -, Buchholz 402.240 § 53 AuslG Nr. 66). Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel nach § 60 Abs. 7 Satz 4 AufenthG aber auch dann vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist.

Als Prognosemaßstab für den Eintritt der drohenden Gefahren gilt grundsätzlich der Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit (vgl. BVerwG, Urt. v. 7.9.2010 - BVerwG 10 C 11.09 -, juris Rn. 14 mit weiteren Nachweisen). Nur wenn eine allgemeine Gefahr von Verfassungs wegen ein Abschiebungsverbot begründen soll, ist bezüglich der Wahrscheinlichkeit des Eintritts der drohenden Gefahren von einem im Vergleich zum Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit erhöhten Maßstab auszugehen. Diese Gefahren müssen dem Ausländer mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen (vgl. BVerwG, Urt. v. 31.1.2013 - BVerwG 10 C 15.12 -, BVerwGE 146, 12, 28 f. mit weiteren Nachweisen).“

Um ein entsprechendes Abschiebungshindernis feststellen zu können, ist eine hinreichend konkrete Darlegung der gesundheitlichen Situation erforderlich. Der Ausländer muss eine Erkrankung, welche die Abschiebung beeinträchtigen kann, gemäß § 60a Abs. 2c AufenthG durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen, die insbesondere über die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation ergeben, berichtet (VG Gelsenkirchen, Urteil vom 6.3.2017 - 6a K 6963/16.A  -,juris).

Diesen Ausführungen schließt sich die erkennende Einzelrichterin an.

Hieran gemessen besteht in dem nach § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib und Leben der Kläger bei einer Rückkehr nach Aserbaidschan.

Auf der Grundlage der vorgelegten ärztlichen Atteste vom 14. Mai 2014, 10. Oktober 2014, 28. April 2015, 3. April 2017 und 8. April 2017 sowie der Ausführungen der Kläger in ihrer informatorischen Befragung vor dem Gericht,ist festzustellen, dass der Kläger zu 1. an einer Reihe von Gesundheitsbeeinträchtigungen, wie hydrocephalus internus malresorptivus nach Meningitis; Arterielle Hypertonie (Bluthochdruck), Diabetes mellitus Typ II und Schlafstörungen leidet, die erkennende Einzelrichterin hat jedoch nicht die Überzeugung gewonnen, dass beim Kläger zu 1. ein so schwerwiegendes Krankheitsbild vorliegt, dass bei seiner Rückführung nach Aserbaidschan eine wesentliche, lebensbedrohliche Verschlechterung seines Gesundheitszustandes zu erwarten ist.

Dies folgt zunächst daraus, dass allen Attesten gemein ist, dass der Schweregrad der Erkrankungen des Klägers zu 1., sowie die Folgen, die sich auf Grundlage der ärztlichen Beurteilung aus seiner krankheitsbedingten Situation ergeben, nicht zu entnehmen sind. Die Atteste erschöpfen sich hier zum Teil in der bloßen Nennung einer Diagnose, ohne aufzuzeigen, seit wann der Kläger zu 1. an der Erkrankung leidet, wie sich diese Erkrankung auf den Gesundheitszustand des Klägers zu 1. auswirkt und welche Beeinträchtigung gegenüber einem gesunden Menschen zu erwarten sind. Auch ist den Attesten nicht zu entnehmen, dass der gegenwärtige Gesundheitszustand so schwerwiegend ist, dass es beim Kläger zu 1. ohne medizinische Versorgung seiner Leiden - egal in welchem Land - zu einem gesundheitsgefährdenden - gar lebensbedrohlichen Zustand - kommen würde. Auch Angaben zur Tatsachenerhebung, etwa wie die genannte Diagnose einer „Depression“, wie die erstmalig in dem ärztlichen Attest vom 3. April 2017 genannt wird, zustande gekommen ist, unabhängig der Tatsache, dass diese Diagnose nicht von einem Facharzt für Psychiatrie, sondern von einer Allgemeinmedizinern gestellt wurde, lässt sich den Attesten nicht entnehmen, und ist auch nicht von den Klägern vorgetragen. Ebenso lassen sich hinreichende Erläuterungen zur Einschränkung zum Gesundheitszustand des Klägers zu 1. wegen seiner hydrocephalus internus malresorptivus nicht aus den Attesten entnehmen.

Soweit der Gesundheitszustand des Klägers zu 1. eine medizinische Versorgung mit bestimmten Medikamenten erfordert, ist weder den vorgelegten Attesten, noch den Ausführungen der Kläger in der informatorischen Befragung vor dem Gericht zu entnehmen, auf welche Medikamente der Kläger angewiesen ist, noch welche Auswirkungen deren Absätzen - wenn auch nur kurzweilig - auf den Gesundheitszustand des Klägers zu 1. hat. Soweit in dem Attest des Diakoniekrankenhauses E. (F.) vom 14. Mai 2014 genannt ist, dass der Kläger „Mitrazapin“ 30 mg 1x täglich und Ibuprofen 600 mg bei Bedarf einnehme, ist nicht aufzuklären, ob dieses Medikament auch heute noch von ihm eingenommen wird. Auch weitere Medikamente, die der Kläger wegen seiner weiteren Leiden einnehme, etwa wegen der erstmalig mit Attest vom 3. April 2017 genannten Diabetes mellitus Typ II, sind nicht ersichtlich und konnten vom Kläger auch nicht vorgetragen werden. Jedenfalls insulinbedürftig ist diese Erkrankung, nach den Angaben des Klägers zu 1., nicht.

Bereits vor diesem Hintergrund kann die Einzelrichterin nicht die Überzeugung gewinnen, dass der Kläger zu 1. einer lebensbedrohlichen Verschlechterung seines Gesundheitszustandes im Falle einer Abschiebung nach Aserbaidschan ausgesetzt sein wird. Auch geht das Gericht davon aus, dass die Erkrankungen des Klägers in seiner Heimat Aserbaidschan behandelbar sind. Hierfür sprechen die dem Gericht vorliegenden Erkenntnismittel. Allgemein gilt für die medizinische Versorgung in Aserbaidschan nach den dem Gericht vorliegenden Erkenntnismitteln und insbesondere den Darlegungen des Auswärtigen Amtes in seinen Lageberichten zur allgemeinen Behandelbarkeit und medizinischen Versorgung in Aserbaidschan, dass von einer Behandelbarkeit der Erkrankungen des Klägers in seiner Heimat Aserbaidschan auszugehen ist. In dem neusten Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 22. März 2017 ist beschrieben, dass die Regierung Aserbaidschans in den letzten Jahren erhebliche Investitionen im Gesundheitswesen vorgenommen hat. So betrug laut offiziellen Angaben die Zahl der neu errichteten und renovierten medizinischen Einrichtungen Ende 2016 etwa 500. Nach wie vor befinden sich die größten staatlichen Krankenhäuser (und Spezialkliniken wie Kinderkrankenhäuser, Herzkliniken und psychiatrische Einrichtungen) in Baku, der Heimat der Kläger. Auch wenn kein funktionierendes staatliches Krankenversicherungssystem besteht, ist eine kostenlose medizinische Versorgung theoretisch gewährleistet. Dringende medizinische Hilfe wird in Notfällen gewährt; mittellose Patienten werden minimal versorgt, dann aber nach einigen Tagen „auf eigenen Wunsch“ entlassen, wenn sie die Behandlungskosten nicht aufbringen können. In diesem Fall erfolgt dann die weitere Behandlung ambulant oder durch die Familie. Neben der staatlichen Gesundheitsversorgung bildet sich derzeit ein privater medizinischer Sektor heraus, der gegen Barzahlung medizinische Leistungen auf annähernd europäischen Standard bietet und mit privaten Krankenversicherungen kooperiert (Lagebericht AA, 2017, Bl. 12). Nach den bisherigen Anfragen zur medizinischen Versorgung lässt sich feststellen, dass die Behandlung von regelmäßigen Krankheitsbildern, - an denen auch der Kläger zu 1. leidet - wie z.B. Bluthochdruck, Diabetes, Depression etc. in Aserbaidschan ebenso möglich ist, wie die Beschaffung der meisten üblichen Medikamente (Lagebericht AA, 2017, Bl. 13; vgl. auch VG Ansbach, Urteil vom 23. Juli 2014 - AN 4 K 14.30202 -, juris zur Diabetes mwN; Botschaft Baku, Information zur medizinischen Versorgung in Aserbaidschan vom 18. 4.2013 zur Behandelbarkeit von Diabetes; Arterielle Hypertonie, posttraumatische Belastungsstörung; Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Baku, Medizinische Versorgung vom 4. März 2011, Behandelbarkeit von arterieller Hypertonie).

Soweit der Kläger nach Durchführung der mündlichen Verhandlung unter dem 8. Juni 2017 ein Attest des Arztes für Psychiatrie und Psychotherapie J. K. vom 31. Mai 2017 vorlegt, folgt hieraus keine andere Beurteilung. Das Gericht kann dahinstehen lassen, ob es dieses Attest schon aufgrund seiner verspäteten Vorlage nicht zu berücksichtigen hat oder weil sein „Erkenntnisgehalt“ aufgrund einer mangelnden Unterschrift des Arztes relativ gering ist. Denn auch inhaltlich vermag es nicht zu einer anderen Beurteilung zu führen. Denn jedenfalls erfüllt das Attest nicht die o.g. Anforderungen an die hinreichende Darlegung des Gesundheitszustandes.

Eine Gefahr im Sinne von § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG droht auch nicht etwa wegen der allgemeinen Versorgungslage in Aserbaidschan. Ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG vermag eine solche allgemeine Gefahr nur zu begründen, wenn dem Betroffenen mit Blick auf den verfassungsrechtlich unabdingbar gebotenen Schutz insbesondere des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit nicht zuzumuten ist, in sein Heimatland zurückzukehren, weil er dort einer extremen Gefahrenlage dergestalt ausgesetzt wäre, dass er im Falle seiner Abschiebung gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde. Die (allgemeine) Gefahr muss dabei nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sein, dass sich hieraus bei objektiver Betrachtung für den Ausländer die begründete Furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher Weise ein Opfer der extremen Gefahrenlage zu werden. Die Gefahr muss dem Betroffenen - über den oben genannten, etwa bei § 60 Abs. 1 AufenthG anwendbaren Maßstab hinausgehend - mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen und sich alsbald nach der Rückkehr realisieren. Nur unter den vorgenannten Voraussetzungen gebieten es die Grundrechte, dem Betroffenen trotz des Fehlens einer bei allgemeinen Gefahren grundsätzlich gebotenen politischen Leitentscheidung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG Abschiebungsschutz zu gewähren (vgl. zu alldem nur BVerwG, Urteile vom 29.6.2010 - 10 C 10.09 -, InfAuslR 2010, 458 ff., und vom 13.6.2013 - 10 C 13.12 -, BVerwGE 147, 8 ff., sowie OVG NRW, Urteil vom 29.10.2010 - 9 A 3642/06.A -, juris). Dass die Kläger im Falle ihrer Abschiebung nach Aserbaidschan einer extremen Gefahrenlage in dem dargelegten Sinne ausgeliefert wären, vermag das Gericht nicht zu erkennen.

Für ein Abschiebungshindernis nach § 60 Abs. 5 AufenthG ist nichts vorgetragen und auch nichts ersichtlich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 83 b AsylG. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO.