Amtsgericht Göttingen
Beschl. v. 27.07.2006, Az.: 74 IK 108/05
10%; 20%; 30%; anteilige Berücksichtigung; anteilige Wohnkosten; Arbeitsstelle; Aufschlag; Berufsausübung; Besserstellungszuschlag; Ehegattenunterhaltsanspruch; eigene Einkünfte ; eigenes Arbeitseinkommen; Einzelfallentscheidung; Fahrtkosten; Nichtberücksichtigung; pfändbarer Betrag; Prozentsatz; Restschuldbefreiungsverfahren; Schuldnerehegatte; Sozialgeld; Sozialhilfegrundbetrag; Sozialhilfesatz; unangemessen große Wohnung; unangemessene Größe; unangemessene Wohnungsgröße; Unpfändbarkeitsgrenze; Unterhaltsbedarfsdeckung; Unterhaltsgläubiger; Verbraucherinsolvenzverfahren
Bibliographie
- Gericht
- AG Göttingen
- Datum
- 27.07.2006
- Aktenzeichen
- 74 IK 108/05
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2006, 53388
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 36 Abs 1 S 2 InsO
- § 292 Abs 1 S 3 InsO
- § 850c Abs 4 ZPO
- § 20 SGB 2
- § 28 SGB 2
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
1. Der Unterhaltsbedarf des Ehegatten gem. § 36 Abs. 1 InsO, § 850c Abs. 4 ZPO bestimmt sich nach dem Sozialhilfesatz und einem einzelfallbezogenen Zuschlag.
2. Ein Zuschlag von 30% ist angemessen für Fahrtkosten und Wohnkosten.
3. Eine unangemessen große Wohnung wird nur anteilig berücksichtigt.
Tenor:
In dem Restschuldbefreiungsverfahren des … wird auf Antrag des Treuhänders gem. § 850 c Abs. 4 ZPO i.V.m. § 292 Abs. 1 S. 3 und § 36 Abs. 1 S. 2 InsO angeordnet, dass die Ehefrau des Schuldners bei der Berechnung der pfändbaren Beträge nicht berücksichtigt wird, da sie über eigene Einkünfte verfügt
Gründe
Der Schuldner hat mit Antrag vom 09.03.2005 die Eröffnung des Verbraucher-insolvenzverfahrens beantragt. Gleichzeitig stellte er die Anträge auf Stundung und auf Restschuldbefreiung. Insoweit hat er die pfändbaren Anteile seines Einkommens für die Zeit von 6 Jahren seit der Anordnung des Verfahrens an den Treuhänder abgetreten. Das Insolvenzverfahren wurde am 24.03.2005 eröffnet und dem Schuldner Stundung bewilligt wurde.
Am 24.11.2005 wurde dem Schuldner die Restschuldbefreiung angekündigt, wenn er während der Laufzeit der Abtretungserklärung die ihm nach § 295 InsO obliegenden Verpflichtungen erfüllt und Versagungsgründe nach § 297 InsO oder § 298 InsO nicht vorliegen. Die Laufzeit der Abtretungserklärung wurde auf 6 Jahre ab der Eröffnung des Verfahrens festgesetzt. Am 06.01.2006 wurde das Verfahren aufgehoben.
Mit Schreiben vom 23.06.2006 beantragte der Treuhänder eine Anordnung, dass die Ehefrau des Schuldners bei der Berechnung des pfändbaren Betrages unberücksichtigt bleiben soll, da sie über ein eigenes Einkommen von monatlich durchschnittlich 530 EUR verfügt.
Bei einem Nettoeinkommen von 1.593,17 EUR würde sich nach der Tabelle des § 850c ZPO bei dem Schuldner mit nur dem Sohn als einzige zu berücksichtigende unterhaltsberechtigte Person ein pfändbarer Betrag von 117,05 EUR ergeben. Wird die Ehefrau als weitere unterhaltsberechtigte Person angesehen, so ergibt sich lediglich ein pfändbarer Betrag in Höhe von 11,01 EUR.
Der Antrag ist zulässig und begründet.
Das Insolvenzgericht ist gem. § 292 Abs. 1 S. 3 und 36 Abs. 4 i.V.m. Abs.1 InsO für die Entscheidungen gem. §§ 850 ff. ZPO im Rahmen eines Insolvenz- bzw. Restschuldbefreiungsverfahrens zuständig .
Der Schuldner und seine Ehefrau wurden zum Antrag gehört.
Der Schuldner beantragt daraufhin mit Schreiben vom 13.07.2006 den Antrag des Treuhänders zurückzuweisen. Er begründet seinen Antrag damit, dass ausgehend von einer dem Einzelfall entsprechenden Entscheidung des Gerichts durch billiges Ermessen der Sozialhilfegrundbetrag zur Existenzsicherung in Höhe von 345,00 EUR durch einen Zuschlag von regelmäßig 30% bis 50% zu erhöhen ist. Bei der Höhe des Zuschlags sei der Unterkunftsmehrbedarf durch 30% gedeckt. Daneben seien die täglich entstehenden Fahrtkosten zu berücksichtigen, die eine weitergehende Erhöhung des Grundbetrages herbeiführen müssten. Letztlich sei die Ehefrau weiterhin als unterhaltsberechtigte Person bei der Ermittlung des pfändbaren Einkommens des Schuldners zu berücksichtigen.
Ob ein Unterhaltberechtigter mit eigenem Einkommen ganz oder nur teilweise zu berücksichtigen ist, wird nach billigem Ermessen bestimmt, so dass nur eine einzelfallbezogene Regelung möglich ist. Insbesondere ist auf den tatsächlichen und angemessenen Lebensbedarf des Unterhaltsberechtigten abzustellen.
Der Unterhaltsbedarf der Ehefrau beträgt 460,20 EUR. Dieser Betrag setzt sich zusammen aus dem aktuellen Sozialhilfesatz von 354,00 EUR gemäß §§ 20, 28 SGB II zuzüglich einem Aufschlag i.H.v. insgesamt 30 %. Dies beinhaltet einen Zuschlag von 20% um den Lebensumständen der Ehefrau besser zu entsprechen und sie somit von einem Sozialhilfeempfänger abzugrenzen (Besserstellungszuschlag). Daneben ist ein weiterer 10%iger Aufschlag zuzubilligen, der ihre notwendigen Ausgaben im Rahmen ihrer Berufsausübung und anteilige Wohnkosten abdecken soll.
Eine weitergehende Erhöhung kann das Gericht im vorliegenden Fall nicht zubilligen. Das Gericht geht zum einen zwar von einer Beteiligung an den Wohnkosten aus, allerdings scheint die Wohnungsgröße von 105 m² den finanziellen Möglichkeiten der Familie des Schuldners nicht angemessen und ist demnach nicht in Gänze zu berücksichtigen.
Zum anderen können in der Entscheidung auch die geltend gemachten Fahrtkosten der Ehefrau zum Arbeitsplatz nicht in voller Höhe angerechnet werden. Die Fahrtkosten können von der Ehefrau des Schuldners bei dem Antrag auf Steuererstattung beim Finanzamt als Werbungskosten geltend machen. Das Gericht verzichtet an dieser Stelle darauf, mögliche Steuererstattungsansprüche der Ehefrau bei einer steuerlichen Veranlagung gemeinsam mit dem Schuldner in seine Überlegungen mit einzubeziehen.
Von einer exakten Darstellung und Berechnung hinsichtlich der Beteiligung an den Wohnkosten und den Fahrtkosten, die nicht als Werbungskosten bei der Steuererstattung bedacht werden, hat das Gericht abgesehen und durch die Erhöhung von insgesamt 30% die Ansprüche als ausreichend berücksichtigt erachtet.
Insbesondere muss auch eine Abwägung der Interessenslage des Schuldners und der am Verfahren beteiligten Gläubiger erfolgen. Insoweit wird es für zumutbar gehalten, dass auch ein unterhaltsberechtigter Angehöriger gewisse Abstriche in seiner Lebensführung hinnehmen muss, wenn mittels eines Insolvenzverfahrens Schulden zu tilgen sind, was letztlich zur Restschuldbefreiung führen kann.
Das durchschnittliche monatliche Einkommen der Ehefrau des Schuldners i.H.v. 530,00 EUR deckt somit ihren eigenen Unterhaltsbedarfs ab, so dass sie bei der Berechnung des pfändbaren Betrages des Schuldners unberücksichtigt bleiben muss.