Amtsgericht Göttingen
Beschl. v. 23.03.2006, Az.: 74 IN 29/05

Ablehnung eines Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens bei Vorliegen eines Eröffnungsgrundes jedoch nicht ausreichender Masse zur Deckung der Verfahrenskosten; Unterbleiben einer Antragsabweisung bei Stundung der Kosten des Insolvenzverfahrens; Auskunfts- und Mitwirkungspflichten des Schuldners im Eröffnungsverfahren

Bibliographie

Gericht
AG Göttingen
Datum
23.03.2006
Aktenzeichen
74 IN 29/05
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2006, 34256
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:AGGOETT:2006:0323.74IN29.05.0A

Fundstellen

  • ZVI 2006, 473-474 (Volltext mit amtl. LS)
  • ZVI 2006, 353-354 (Volltext mit amtl. LS)

Amtlicher Leitsatz

Erteilt der Schuldner dem Sachverständigen trotz mehrfacher Aufforderung keine Auskunft über seine Vermögensverhältnisse, sondern bedarf es dazu zweier gerichtlicher Anhörungstermine unter Androhung von Haft, kann der Stundungsantrag aufgrund er Rechtsprechung des BGH (ZInsO 2005, 207 = NZI 2005, 232 = EWiR 2005, 397) gem. § 4a i.V.m. § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO zurückgewiesen werden.

Tenor:

Die Anträge auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners werden mangels einer die Kosten des Verfahrens deckenden Masse abgewiesen.

Der Antrag des Schuldners auf Stundung der Kosten des Insolvenzverfahrens wird zurückgewiesen.

Die angeordneten Sicherungsmaßnahmen werden aufgehoben.

Die Kosten des Verfahrens einschließlich der vorläufigen Verwaltung trägt der Antragsgegner.

Der Gegenstandswert wird festgesetzt auf bis zu 300 EUR.

Gründe

1

I.

Am 25./26.05.2001 beantragte die Antragstellerin Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners wegen rückständiger Sozialversicherungsbeiträge für den Zeitraum Juli bis Dezember 2004. Im Verlaufe des Verfahrens stellten zwei weitere Sozialversicherungsträger und das Finanzamt ebenfalls Insolvenzanträge. Alle Antragsteller erklärten bereits im Antrag, dass sie nicht bereit sind, einen Kostenvorschuß zu leisten.

2

Der ursprünglich auf den 10.02.2005 angesetzte Anhörungstermin ist auf Bitten des Schuldners auf den 18.02.2005 verlegt worden. Zu diesem Termin ist der Schuldner erschienen, ihm ist das Merkblatt Regelinsolvenz und ein Antragsformular für einen Eigenantrag einschließlich Antrag auf Stundung und Restschuldbefreiung übergeben worden. Am 13.04.2005 hat der Schuldner sodann Eigenantrag gestellt (74 IN 141/05).

3

Mit Beschluss vom 18.02.2005 ist ein Sachverständiger eingesetzt worden. Mit Schreiben vom 11.04.2005 hat er mitgeteilt, dass ihm die fristgerechte Erstellung des Gutachtens nicht möglich ist. Der mit einem Berater zum Besprechungstermin beim Sachverständigen erschienene Schuldner hatte die Übersendung von Unterlagen insbesondere über den Verbleib der Betriebs- und Geschäftsausstattung und der nach seinen Angaben geleasten Fahrzeuge versprochen. Auf eine Aufforderung des Sachverständigen zur Vorlage der Unterlagen bis zum 25.04.2005 übermittelte der Schuldner lediglich mit Fax vom 21.04.2005 eine Aufstellung seiner Gläubiger und kündigte an, dass sich die weiteren Unterlagen auf dem Postweg befänden. Am 09.05.2005 beantragte der Sachverständige eine Anhörung des Schuldners. Im einzelnen wird ausgeführt, dass der Schuldner keine Nachweise über den Verbleib der geleasten Fahrzeuge nebst Leasingverträgen vorlegte, weiter nicht belegte, welche Zahlungen er im Rahmen der Geschäftseinstellung noch an seine Gläubiger leistete und in welchem Umfang bereits Pfändungen bzw. Kündigungen durch Kreditinstitute vorlagen.

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Im Anhörungstermin vom 19.05.2005 erschien der Schuldner in Begleitung seines Beraters. Der Schuldner erklärte sich bereit, die gesamten Geschäftsunterlagen bis Dienstag, den 24.05.2005, dem Sachverständigen vorzulegen mit Ausnahme etwaiger beim Steuerberater befindlichen Unterlagen, bei denen eine Verzögerung von ein bis zwei Tagen eintreten könne.

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Am 21.06.2005 beantragte der Sachverständige erneut eine Anhörung mit dem Schuldner. Dieser hatte zwar ca. 40 Leitzordner in ungeordnetem Zustand übergeben. Aufklärungs-

6

bedürftig blieb jedoch der Verbleib der laut Halterauskunft auf den Schuldner zugelassenen sechs Fahrzeuge. Hierzu hatte der Schuldner mehrfach mitgeteilt, dass sich die Fahrzeuge nicht mehr in seinem Besitz befänden bzw. die Leasingverträge auf Dritte übertragen wurden. Diese Angaben ließen sich jedoch anhand der übergebenen Unterlagen nicht nachvollziehen. In den Unterlagen befanden sich weder Leasingverträge noch Nachweise, aus denen hervorging, dass die Fahrzeuge/Leasingverträge auf Dritte übertragen oder an die Leasinggesellschaft zurückgegeben wurden. Zur Abklärung dieser und weiterer Fragen wurde der Schuldner am 30.06.2005 persönlich angehört sowie sein Berater als Zeuge vernommen. Der Schuldner erteilt Auskunft und versicherte die Richtigkeit und Vollständigkeit seiner Angaben an Eides statt. Wie im Anhörungstermin vereinbart, reichte er die fehlenden Beiträge an den Sachverständigen nach.

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Dieser kam in seinem Gutachten zum Ergebnis, dass eine die Kosten des Verfahrens deckende Masse nicht vorhanden sei. Im Hinblick auf ein in einem früheren Insolvenzverfahren (74 IN 441/04) erfolgte Erledigung des Antragsverfahrens ordnete das Insolvenzgericht Nachermittlungen an. Da der dort beteiligte Sozialversicherungsträger keine Auskünfte zur Überprüfung etwaiger Anfechtungsansprüche erteilte, bestellte das Insolvenzgericht am 23.01.2006 den Sachverständigen zum "starken" vorläufigen Insolvenzverwalter. Nachdem der Sozialversicherungsträger auch dem Auskunftsersuchen des "starken" vorläufigen Insolvenzverwalters nicht nachkam, beraumte das Insolvenzgericht einen Termin zur Vernehmung des Vorstandsvorsitzenden des beteiligten Sozialversicherungsträgers zur Vernehmung als Zeugen an. Statt seiner erschien der Geschäftsführer der hiesigen Geschäftsstelle und erteilte Auskunft.

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In seinem Abschlussgutachten vom 20.03.2006 kommt der Sachverständige zu dem Ergebnis, dass sich nach Verfahrenseröffnung Anfechtungsansprüche in Höhe von 2.500 EUR realisieren ließen. Nach Einschätzung des Sachverständigen sind die Kosten des Verfahrens damit voraussichtlich nicht gedeckt.

9

II.

Der Eröffnungsantrag ist gem. § 26 Abs. 1 InsO abzulehnen.

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1.)

Die durchgeführten Ermittlungen haben ergeben, dass ein Eröffnungsgrund vorliegt, aber voraussichtlich keine Masse vorhanden, die die Verfahrenskosten deckt. Die Antragsteller haben bereits in der Antragschrift abgelehnt, einen Massekostenvorschuss zu zahlen.

11

2.)

Es greift auch nicht die Vorschrift des § 26 Abs. 1 Satz 2 InsO ein, wonach eine Abweisung unterbleibt, wenn die Kosten nach § 4 a InsO gestundet sind. Der Schuldner hat zwar Antrag auf Stundung der Kosten des Insolvenzverfahrens gestellt. Dieser Antrag ist jedoch zurückzuweisen. Es liegen zwar keinerlei Versagungsgründe des § 290 Abs. 1 Nr. 1 bzw. Nr. 3 InsO vor, bei deren Vorliegen gem. § 4 a Abs. 1 Satz 4 eine Stundung ausgeschlossen ist.

12

Nach der Rechtsprechung des BGH (ZInsO 2005, 207, 208[BGH 16.12.2004 - IX ZB 72/03] = NZI 2005, 232 = EWiR 2005, 397) ist die Stundung auch bei Zweifelsfall im Vorliegen des Versagungsgrundes nach § 290 Abs. 1 Nr. 5 ausgeschlossen; die dort geregelten Auskunftspflichten gelten bereits im Eröffnungsverfahren.

13

Der Schuldner ist im Anhörungstermin vom 18.02.2005 über den Ablauf des Insolvenzverfahrens und über seine Pflichten belehrt worden. Er hat dem Sachverständigen im Rahmen eines Besprechungstermines die Vorlage der Unterlagen zugesagt. Eine Aufforderung zur Vorlage der Unterlagen bis zum 25.04.2005 ist er nur unvollständig nachgekommen. Im gerichtlichen Anhörungstermin vom 19.05.2005 hat er die Vorlage der gesamten Geschäftsunterlagen noch innerhalb des Monates Mai 2005 zugesagt. Auch diese Auflage erfüllte der Schuldner nicht. Erst aufgrund des Anhörungstermines vom 30.06.2005 und der danach übergebenen Unterlagen konnte sich der Sachverständige einen vollständigen Eindruck über die Vermögensverhältnisse des Schuldners, insbesondere sein Aktivvermögen, bilden.

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Damit hat der Schuldner gegen die auch während des Eröffnungsverfahrens bestehenden Auskunfts- und Mitwirkungspflichten verstoßen. Sein Verhalten muss als zumindestens grob fahrlässig gewertet werden. Er war eindeutig sowohl vom Sachverständigen als auch vom Insolvenzrichter auf seine Verpflichtung hingewiesen worden. Nach der Rechtsprechung des BGH (ZInsO 2005, 146 = NZI 2005, 233) kommt eine Versagung der Restschuldbefreiung zwar bei ganz unwesentlichen Verstößen nicht in Betracht. Davon kann im vorliegenden Fall jedoch nicht ausgegangen werden. Es ging u.a. um den Verbleib von sechs Leasingfahrzeugen, über die der Schuldner zunächst keine Auskunft erteilte. -

15

3.)

Die Kostenentscheidung folgt aus § 4 InsO, § 91 ZPO.

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Der Gegenstandswert wird festgesetzt auf bis zu 300 EUR.

17

In die Wertberechnung hat das Insolvenzgericht nicht die Anfechtungsansprüche in Höhe von 2.500 EUR eingezogen. Für die Bemessung der Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters dürfen diese Ansprüche nämlich nicht zugrunde gelegt werden, da sie sich erst nach Eröffnung des Verfahrens realisieren lassen (BGH ZInsO 2004, 672 = NZI 2004, 444 = ZIP 2004, 1653 mit abl. Anm. Keller). Diese Überlegung beansprucht auch Geltung bei der Festsetzung des Wertes für die Gerichtskosten.

Streitwertbeschluss:

Der Gegenstandswert wird festgesetzt auf bis zu 300 EUR.

Die Feststellung des Gegenstandswertes beruht auf § 4 InsO i.V.m. § 58 GKG.

Schmerbach, Richter am Amtsgericht