Amtsgericht Göttingen
Beschl. v. 24.03.2006, Az.: 74 IK 31/05

Antrag auf Versagung einer Restschuldbefreiung im Hinblick auf eine objektive Falschbeantwortung der Fragen eines ausländischen Kreditgebers durch den Kreditnehmer bei schriftlichem Vertragsabschluss; Anforderungen an eine eindeutige Formulierung der Fragen eines Kreditgebers bei schriftlichem Vertragsabschluss; Irrtümliche Angabe der monatlichen Ratenverpflichtungen zur Tilgung eines Erstkredits anstatt des Gesamtbetrages durch einen Kreditnehmer als Vorsatz beziehungsweise grobe Fahrlässigkeit

Bibliographie

Gericht
AG Göttingen
Datum
24.03.2006
Aktenzeichen
74 IK 31/05
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2006, 34683
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:AGGOETT:2006:0324.74IK31.05.0A

Fundstellen

  • Rpfleger 2006, 432-433 (Volltext mit amtl. LS)
  • VuR 2006, 279 (Volltext mit amtl. LS)
  • ZBB 2006, 220 (red. Leitsatz)
  • ZVI 2006, 219-220 (Volltext mit amtl. LS)

Verfahrensgegenstand

Das Vermögen des ...

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Beim schriftlichen Abschluss eines Kreditvertrages hat der Kreditgeber seine Fragen eindeutig und unmissverständlich zu formulieren. Bei objektiver Falschbeantwortung kann es in diesem Fall an einem Vorsatz/grober Fahrlässigkeit des Schuldners im Sinne des § 290 Abs. 1 Nr. 2 InsO fehlen.

  2. 2.

    Gibt der Schuldner als Gesamtbetrag bestehender Schuldverpflichtungen irrtümlich lediglich die Höhe der monatlichen Ratenverpflichtung zur Tilgung eines Erstkredites an, können die subjektiven Voraussetzungen für eine Versagung gem. § 290 Abs. 1 Nr. 2 InsO fehlen.

Redaktioneller Leitsatz

Die objektiven Voraussetzungen des § 290 Abs. 1 Nr. 2 InsO sind erfüllt, wenn der Schuldner in den letzten drei Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vor Abschluss des Kreditvertrages bei der versagungsantragstellenden Gläubigerin in der Selbstauskunft nicht angegeben hat, dass er wenige Wochen vorher einen Erstkreditvertrag bei einer weiteren Gläubigerin abgeschlossen hat. Der Schuldner handelt hierbei aber nicht grob fahrlässig, wenn er in der Zeile "Gesamtbetrag in EUR:" den monatlichen Ratenbetrag des Erstkredites angibt. Es ist dann nur von einem Irrtum des Schuldners auszugehen.

Tenor:

Der Antrag auf Versagung der Restschuldbefreiung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Gläubiger.

Gründe

1

I.

Über das Vermögen des Schuldners ist aufgrund Eigenantrages am 02.03.2005 das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Mit Beschluss vom 20.12.2005 hat die Rechtspflegerin u.a. angeordnet, dass Einwendungen gegen den Antrag des Schuldners auf Ankündigung der Restschuldbefreiung bis zum 16.02.2006 erhoben werden können. Mit Anwaltschriftsatz vom 17.01.2006 hat die versagungsantragstellende Gläubigerin Versagung der Restschuldbefreiung gem. § 290 Abs. 1 Nr. 2 InsO beantragt. Sie beruft sich darauf, dass der Schuldner in einer Selbstauskunft vom 17.07.2003 erklärte, dass keine Lohnpfändung-/Abtretung bestünde und die bestehenden Schuldverpflichtungen sich auf einen Gesamtbetrag von 700 EUR beliefen. Aus einem am 03.06.2003 abgeschlossenen anderweitigen Kreditvertrag ergäben sich aber Verbindlichkeiten in Höhe von über 50.000 EUR, für deren Absicherung der Schuldner bereits eine Abtretung eingegangen sei.

2

Die versagungsantragstellende Gläubigerin beruft sich darauf, bei Kenntnis der Vorschulden wäre es nicht zum Abschluss des Kreditvertrages über eine Gesamtsumme von 3.500 EUR mit einem monatlichen Abtrag von 76,70 EUR bei einem Nettoeinkommen des Schuldners von 1.400 EUR und seiner Ehefrau von 900 EUR gekommen. Die Gläubigerin weist darauf hin, dass sie als ausländische Bank die Bonität der Schuldner lediglich anhand der Vorlage der aktuellen Lohnabrechnung und eines aktuellen Kontoauszuges überprüfen könne, eine weitere Prüfung z.B. bei der Schufa aber nicht erfolge.

3

Zu dem Versagungsantrag hat der Treuhänder, nicht aber der Schuldner Stellung genommen.

4

II.

Der Antrag ist unbegründet.

5

1.)

Die objektiven Voraussetzungen des § 290 Abs. 1 Nr. 2 InsO liegen allerdings vor. Der Schuldner hat in den letzten drei Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens unrichtige Angaben über seine wirtschaftlichen Verhältnisse gemacht. Er hat nicht angegeben, dass er wenige Wochen vor Abschluss des Kreditvertrages bei der versagungsantragstellenden Gläubigerin einen weiteren Kreditvertrag über eine Gesamtkreditsumme von über 50.000 EUR abgeschlossen hatte. Ob dieser Vertrag auch eine Abtretung enthält - der von der versagungsantragstellenden Gläubigerin vorgelegte Vertragstext weist dies nicht aus - kann letztlich dahinstehen.

6

2.)

Es lässt sich nämlich nicht feststellen, dass der Schuldner vorsätzlich oder grob fahrlässig unrichtige Angaben gemacht hat.

7

a)

Die versagungsantragstellende Gläubigerin beruft sich darauf, dass sie als ausländische Bank die Bonität des Schuldners nur eingeschränkt anhand der Vorlage der aktuellen Lohnabrechnung sowie eines aktuellen Kontoauszuges überprüft, weitere Bonitätsprüfungen z.B. bei der Schufa aber nicht erfolgen. Gerichtsbekanntermaßen schließt die versagungsantragstellende Gläubigerin die Kreditverträge zudem nur schriftlich auf dem Postwege ab. Bei dieser Sachlage ist es ihre Aufgabe, die Fragen im Kreditgesuch so klar und eindeutig zu formulieren, dass die Fragestellung für den schriftlich antwortenden Vertragspartner eindeutig gestaltet ist und Missverständnisse ausgeschlossen sind.

8

Gegen diese Verpflichtung hat die versagungsantragstellende Gläubigerin bei der Frage nach einer Lohnabtretung verstoßen. Die Frage lautet wie folgt: "Besteht Lohnpfändung/-Abtretung." Danach kann das Kästchenfeld ja oder nein angekreuzt werden. Lohnpfändung und Abtretung unterscheiden sich aber. Bei einer Lohnpfändung wird ein Teil des Lohnes einbehalten. Genauso kann, muss es sich aber nicht bei einer Abtretung verhalten. Ist die Abtretung nicht offen gelegt, erhält der Schuldner seinen vollen Lohn. Nur im Falle der Abtretung führt der Arbeitgeber einen Teil des Lohnes ab.

9

b)

Auch hinsichtlich der Angaben über bestehende Schuldverpflichtungen fällt dem Schuldner weder Vorsatz noch grobe Fahrlässigkeit zur Last. Im Rahmen des § 290 Abs. 1 Nr. 2 InsO ist Vorsatz zu bejahen, wenn der Schuldner wissentlich falsche Angaben macht, um einen Kredit zu erhalten. Grob fahrlässig handelt, wenn ihm ein besonders schwerer Verstoß gegen die objektiv erforderliche Sorgfalt zur Last fällt. Es muss dasjenige unterblieben sein, was im gegebenen Fall jedem einzuleuchten hat (FK-InsO/Ahrens § 290 Rz. 26). Der Schuldner hat im vorliegenden Fall nicht seine Gesamtkreditverpflichtungen in Höhe von ca. 50.000 EUR angegeben, sondern in der Zeile "Gesamtbetrag in EUR:" den Betrag 700 EUR eingesetzt. Wie sich aus den vorliegenden Unterlagen ergibt, handelt es sich dabei um die vom Schuldner für den Erstkredit zu leistende Ratenhöhe, die sich genau auf 696,07 EUR beläuft. Es ist von einem Irrtum des Schuldners auszugehen. Die monatliche Belastung des Erstkredites ist auch für die Kreditentscheidung eines nachfolgenden Kreditgebers von Bedeutung, da sich aus ihm die Möglichkeit der Kredittilgung ablesen lässt. Der Schuldner hat auch wahrheitsgemäß den Namen des Erstkreditgebers angegeben. Die versagungsantragstellende Gläubigerin macht es zur Bedingung der Kreditvergabe, dass die beiden letzten Lohnabrechnungen im Original vorgelegt werden. Es wäre ein leichtes, sich auch Kreditverträge in Ablichtung vorlegen zu lassen. Beide - Lohnabrechnungen und bestehende Kreditverträge - sind von entscheidender Bedeutung für die Vergabe eines Kredit. Gerade bei schriftlicher Selbstauskunft bietet sich dies an. Jedenfalls kann bei dieser Sachlage eine grobe Fahrlässigkeit des Schuldners nicht bejaht werden.

10

3.)

Die Kostenentscheidung folgt aus § 4 InsO i.V.m. § 91 ZPO.

11

Nach der Rechtskraft dieses Beschlusses wird die Restschuldbefreiung gem. § 291 InsO von dem zuständigen Rechtspfleger angekündigt werden.

Schmerbach, Richter am Amtsgericht