Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 02.06.2004, Az.: 7 OB 97/04

Aussetzung; Aussetzung des Verfahrens; Genehmigungsverfahren; Immissionsschutzrecht; immissionsschutzrechtliches Genehmigungsverfahren; Untätigkeit; Untätigkeitsklage

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
02.06.2004
Aktenzeichen
7 OB 97/04
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2004, 50977
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 04.03.2004 - AZ: 4 A 6/04

Gründe

1

Die Beschwerde der Klägerin ist zulässig und begründet.

2

§ 75 VwGO wird durch § 10 Abs. 6a BImSchG modifiziert. Entscheidet die Behörde nicht innerhalb der gesetzlich vorgegebenen Frist und wird diese auch nicht von der Behörde verlängert, kann der Antragsteller nach Fristablauf Untätigkeitsklage erheben. Für eine Aussetzung des Verfahrens ist dann kein Raum mehr.

3

Das Verwaltungsgericht hätte das Verfahren nicht aussetzen dürfen. § 75 Satz 3 VwGO, auf den sich das Verwaltungsgericht gestützt hat, rechtfertigt die Aussetzung nicht. Zwar kommt nach dieser Vorschrift eine Aussetzung des Verfahrens in Betracht, wenn Klage nach § 75 Satz 1 VwGO erhoben worden ist, aber ein zureichender Grund dafür vorliegt, dass der beantragte Verwaltungsakt noch nicht erlassen ist. § 75 VwGO wird aber in immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren durch § 10 Abs. 6a BImSchG modifiziert. Danach ist über den Genehmigungsantrag nach Eingang des Antrags und der zur Prüfung erforderlichen Unterlagen innerhalb einer Frist von sieben Monaten, in vereinfachten Verfahren innerhalb einer Frist von drei Monaten zu entscheiden. Die zuständige Behörde kann die Frist um jeweils drei Monate verlängern, wenn dies wegen der Schwierigkeit der Prüfung oder aus Gründen, die dem Antragsteller zuzurechnen sind, erforderlich ist. Die Fristverlängerung soll gegenüber dem Antragsteller begründet werden (§ 10 Abs. 6a Satz 1 - 3 BImSchG). Entscheidet die Behörde nicht innerhalb der gesetzlichen Frist und verlängert sie diese auch nicht, so kann der Antragsteller nach Fristablauf Untätigkeitsklage erheben (vgl. Feldhaus/Czajka, Bundesimmissionsschutzrecht, § 10 BImSchG Rn. 83; Dietlein, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, § 10 BImSchG Rn. 244; Jarass, BImSchG, 5. Aufl., § 10 Rn. 118). Für eine Aussetzung des Verfahrens ist dann kein Raum mehr. So liegt es hier.

4

Nachdem der Antragsgegner für erforderlich gehaltene Unterlagen nachgefordert und die Antragstellerin diese eingereicht hatte, lagen die Antragsunterlagen jedenfalls im Mai 2003 vollständig vor, so dass damit die Entscheidungsfrist in Lauf gesetzt wurde. Eine Fristverlängerung durch den Antragsgegner ist nach Aktenlage nicht ersichtlich. Mithin war die am 16. Januar 2004 erhobene Untätigkeitsklage zulässig. Hält sich die zuständige Behörde aber nicht an die gesetzliche Entscheidungsfrist und macht sie auch nicht von der Möglichkeit der Fristverlängerung Gebrauch, beachtet sie also das gesetzlich vorgeschriebene, der Verfahrensbeschleunigung dienende Verfahren nicht, so kann sie sich nicht darauf berufen, dass ein zureichender Grund für ihre Nichtentscheidung vorliege. In dieser Lage scheidet nach dem Regelungszweck des § 10 Abs. 6a BImSchG auch eine Aussetzung des Verfahrens durch das Verwaltungsgericht mit einer Fristsetzung für die Entscheidung der Behörde oder bis zum Abschluss eines nachfolgenden Widerspruchsverfahrens aus. Davon bleibt unberührt, dass die Widerspruchsbehörde ungeachtet der ohne Durchführung eines Widerspruchsverfahrens zulässigen Klage über den eingelegten Widerspruch entscheiden kann.

5

Bei dieser Sachlage muss hier nicht erörtert werden, welche Bedeutung dem Umstand zukommt, dass das Verwaltungsgericht die Aussetzungsentscheidung zu einer Zeit getroffen und dem Beklagten eine Frist zur Entscheidung über den Genehmigungsantrag gesetzt hat, als die (ablehnende) Entscheidung bereits ergangen war.