Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 03.06.2004, Az.: 11 LA 67/04

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
03.06.2004
Aktenzeichen
11 LA 67/04
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2004, 44263
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2004:0603.11LA67.04.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Göttingen - AZ: 2 A 297/03

Fundstellen

  • InfAuslR 2004, 441-443 (Volltext mit amtl. LS)
  • NVwZ-RR 2005, 286-287 (Volltext mit amtl. LS)

Tenor:

  1. Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Göttingen - 2. Kammer - vom 15. Januar 2004 wird abgelehnt.

    Der Kläger trägt die Kosten des Berufungszulassungsverfahrens.

    Der Streitwert wird für das Berufungszulassungsverfahren auf 4.000,-- EURO festgesetzt.

Gründe

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Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das angefochtene Urteil bleibt ohne Erfolg. Die Rechtssache weist weder eine grundsätzliche Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) noch besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) auf.

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Der Kläger, der israelischer Staatsangehöriger ist, lebt in Weißrussland. Er ist Angestellter einer in Minsk ansässigen Firma, für die er im Zeitraum von September 2002 bis März 2003 ca. 259 gebrauchte Pkw in Deutschland ankaufte und diese komplett oder in Einzelteile zerlegt nach Weißrussland ausführte. Hierzu reiste er mehrfach für unter drei Monate liegende Aufenthalte nach Deutschland ein. Er wohnte in C. und hatte bei der dortigen Sparkasse ein Girokonto. Auf dieses Konto überwies sein Arbeitgeber in unregelmäßigen Abständen Geldbeträge - meist 10.000,-- EURO -, mit denen der Kläger die von ihm erworbenen Pkw bezahlte. Mit Verfügung vom 24. März 2003 wies der Beklagte den Kläger unter Anordnung des Sofortvollzuges aus und forderte ihn unter Abschiebungsandrohung nach Israel zur Ausreise auf. Der Kläger verließ am 31. März 2003 das Bundesgebiet. Den gegen die Ausweisungsverfügung eingelegten Widerspruchsbescheid wies die Bezirksregierung D. mit Bescheid vom 18. Juli 2003 zurück. Die daraufhin erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht E. mit Urteil vom 15. Januar 2004 ab. Dagegen richtet sich der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung.

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Der Kläger hält die Frage für grundsätzlich bedeutsam im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO,

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"inwieweit ein in der vergleichbaren Situation des Klägers stehender Ausländer, der für seinen Arbeitgeber im Ausland Tätigkeit im Bereich der Bundesrepublik Deutschland ausführt, arbeitsrechtlichen, sozialrechtlichen, steuerrechtlichen oder ausländerrechtlichen Pflichten zu genügen hat."

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Zur Klärung dieser - allerdings nur im Hinblick auf das Ausländerrecht entscheidungserheblichen - Frage bedarf es jedoch nicht der Durchführung eines Berufungsverfahrens, weil sie durch Auslegung der einschlägigen Vorschriften hinreichend beantwortet werden kann.

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Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 AuslG bedürfen Ausländer für die Einreise und den Aufenthalt im Bundesgebiet einer Aufenthaltsgenehmigung in der Form eines Sichtvermerks (Visum), wobei gemäß § 3 Abs. 1 Satz 2 AuslG das Bundesministerium des Innern zur Erleichterung des Aufenthalts von Ausländern durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates Befreiungen vom Erfordernis der Aufenthaltsgenehmigung vorsieht. Dies ist durch die Verordnung zur Durchführung des Ausländergesetzes (DVAuslG) geschehen. Die praktisch wichtigste Art der Befreiung knüpft an die Dauer und den Zweck des Aufenthalts und an die Nationalität an. Wer einem der in der Anlage I zur DVAuslG aufgeführten Staaten angehört (Positivstaater), bedarf für Aufenthalte für bis zu drei Monaten keiner Aufenthaltsgenehmigung, wenn er keine Erwerbstätigkeit aufnimmt (§ 1 Abs. 1 Satz 1 DVAuslG). Das trifft für den Kläger als israelischen Staatsangehörigen zu. Ihm sind deshalb ohne Genehmigung erlaubt Touristenreisen, Verwandtenbesuche und andere Aufenthalte von bis zu drei Monaten, die nicht mit einer Erwerbstätigkeit einhergehen.

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Der ausländerrechtliche Begriff der Erwerbstätigkeit wird näher definiert in § 12 Abs. 1 DVAuslG. Danach ist Erwerbstätigkeit jede selbständige und unselbständige Tätigkeit, die auf die Erzielung von Gewinn gerichtet oder für die ein Entgelt vereinbart oder üblich ist oder für die eine Genehmigung für die Beschäftigung als Arbeitnehmer oder eine Berufsausübungserlaubnis erforderlich ist. In § 12 Abs. 2 bis 5 DVAuslG sind zur Erleichterung des grenzüberschreitenden Personen- und Güterverkehrs Ausnahmetatbestände enthalten, die bestimmte Tätigkeiten von der Definition der Erwerbstätigkeit mit der Folge ausschließen, dass Ausländer unter den dort aufgeführten Voraussetzungen vom Erfordernis der Aufenthaltsgenehmigung befreit sind. Wesentliches und häufiges Merkmal für eine Erwerbstätigkeit ist die Erzielung von Gewinn für sich selbst (bei selbständiger Tätigkeit) oder für andere (bei unselbständiger Tätigkeit); dabei genügt die Gewinnerzielungsabsicht (vgl. Funke-Kaiser, in: GK-AuslR, § 3 AuslG, Rdnr. 120; Renner, Ausländerrecht in Deutschland, 1998, § 27 Rdnr. 282). Erwerbstätigkeit liegt aber nur vor, wenn es sich um eine auf gewisse Dauer und Intensität angelegte Beschäftigung handelt. Wirtschaftlich bedeutungslose, einzelne Betätigungen, wie etwa der Erwerb von Waren zur Deckung des eigenen privaten Gebrauchs oder Verbrauchs durch einen Ausländer im Inland oder ähnliche, dem Einkauf von Touristen vergleichbare Tätigkeiten, scheiden danach aus (vgl. Westphal/Stoppa, Straftaten bei unerlaubter Einreise und unerlaubtem Aufenthalt von Ausländern, NJW 1999, 2173, 2142). Dagegen ist der zu geschäftlichen Zwecken erfolgende, in Gewinnerzielungsabsicht vorgenommene Ankauf von Kraftfahrzeugen, sofern er nicht auf einen gelegentlichen Einzelfall beschränkt bleibt, in aller Regel als Erwerbstätigkeit anzusehen. Werden deshalb z.B. Waren in Deutschland zum Zweck der Veräußerung im Ausland angekauft, so liegt Erwerbstätigkeit vor. Diese Auffassung wird - soweit ersichtlich - einheitlich in Rechtsprechung (vgl.Bay.OLG, Urt. v. 30.10.2001, NJW 2002, 1282 = InfAuslR 2002, 197 [BayObLG 30.10.2001 - 4 St RR 105/01]) und Schrifttum (vgl. Kloesel/ Christ/Häußer, Kommentar zum Ausländerrecht, 4. Aufl., Juli 2003, § 12 DVAuslG Rdnr. 3; Westphal/Stoppa, a.a.O.) vertreten. Handelt es sich - wie im vorliegenden Fall - um eine unselbständige Tätigkeit, ist es unschädlich, dass der Arbeitgeber seinen Wohnsitz nicht in Deutschland hat (vgl. Hailbronner, AuslR, Komm., § 10 AuslG Rdnr. 10). Denn es kommt entscheidend darauf an, dass in Gewinnerzielungsabsicht gehandelt wird und der betreffende Arbeitnehmer für die Tätigkeit eine Vergütung erhält (vgl. dazu auch Bay.OLG, Beschl.v. 20.6.2002, AuAS 2002, 222). Dabei kann es keinen Unterschied machen, ob das Entgelt für die geleistete Arbeit in Deutschland oder im Ausland gezahlt wird.

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Soweit demgegenüber das Bundesministerium des Innern in einem Rundschreiben vom 7. Mai 1999 - BGS II 2-645347/1 - die Meinung vertritt, der Ankauf von Kraftfahrzeugen im Bundesgebiet zwecks Veräußerung im Ausland stelle keine Erwerbstätigkeit dar, vermag der beschließende Senat dem - wie schon das Bay.OLG im Urteil vom 30. Oktober 2001 (a.a.O.) - nicht zu folgen. Denn es handelt sich um eine Interpretation des aufenthaltrechtlichen Begriffs der Erwerbs- tätigkeit, die nicht der Zielsetzung des § 3 AuslG entspricht. Diese Vorschrift macht die Einreise und den Aufenthalt im Bundesgebiet grundsätzlich von einer Genehmigung abhängig und sieht im Übrigen Befreiungen und Erleichterungen bei der Einholung der Aufenthaltsgenehmigung nur für den kurzfristigen Aufenthalt von Reisenden, Geschäftsleuten, Besuchern und Touristen sowie den grenzüberschreitenden Verkehr vor. Es besteht ein erhebliches öffentliches Interesse an der Einhaltung der ausländerrechtlichen Einreisebestimmungen. Über den Aufenthalt soll prinzipiell entschieden werden, bevor der Ausländer ins Bundesgebiet einreist. Die Befreiung vom Erfordernis der Aufenthaltsgenehmigung für Kurzaufenthalte setzt gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 DVAuslG gerade voraus, dass keine Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet ausgeübt wird. Denn die Einreise aus Nicht-EU-Staaten zu Erwerbszwecken soll grundsätzlich verhindert werden (vgl. Renner, AuslR, Komm., 7. Aufl., § 3 Rdnr. 2). Vor diesem Hintergrund kann die Auffassung des Bundesministeriums des Innern im genannten Rundschreiben, dass der Ankauf von Kraftfahrzeugen im Bundesgebiet zwecks Veräußerung im Ausland keine Erwerbstätigkeit darstelle, nicht überzeugen. Die Begründung, ein etwaiger Gewinn solle in einem solchen Fall erst im Ausland erzielt werden, ist nicht plausibel. Denn die Erwerbstätigkeit wird sowohl im Bundesgebiet als auch im Ausland ausgeübt, weil ohne den Ankauf der Fahrzeuge im Bundesgebiet der spätere Verkauf im Ausland nicht stattfinden könnte und deshalb beide Vorgänge gleichermaßen für die Gewinnerzielung von Bedeutung sind (so zu Recht Bay.OLG, Urt. v. 30.10.2001, a.a.O.). Dem kann der Kläger nicht mit Erfolg entgegen halten, dass hier die Auslegung durch die Exekutive maßgeblich sei. Richtlinien und sonstige normkonkretisierende oder ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften müssen sich im Rahmen des Gesetzes halten (vgl. etwa Kopp/Ramsauer, VwVfG, 8. Aufl., § 40 Rdnr. 26). Sie binden die Gerichte grundsätzlich nicht unmittelbar, sondern nur mittelbar über die Verpflichtung zur Beachtung von Art. 3 GG (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 13. Aufl., § 114 Rdnr. 42). Hat die entsprechende Verwaltungsvorschrift - wie hier - lediglich verwaltungsinterne Wirkung, kommt es für die Beurteilung der hier streitigen Frage allein auf das Gesetz an (vgl. BVerwG, Beschl. v. 5.7.2000, NVwZ-RR 2000, 799).

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Aus den vorstehenden Ausführungen folgt zugleich, dass die Rechts-

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sache entgegen der Auffassung des Klägers auch keine besonderen rechtlichen oder tatsächlichen Schwierigkeiten im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO aufweist. An besonderen rechtlichen Schwierigkeiten fehlt es, wenn eine auftretende Frage bereits ohne Weiteres aus dem Gesetz zu beantworten oder jedenfalls durch die Rechtsprechung - dazu gehört auch die einschlägige strafgerichtliche Rechtsprechung, hier das genannte Urteil des Bay. OLG vom 30. Oktober 2001 zur Strafbarkeit nach § 92 Abs. 1 Nr. 1 AuslG - geklärt worden ist (vgl. Kopp/Schenke, a.a.O., § 124 Rdnr. 9; Happ, in: Eyermann, VwGO, 11. Aufl., § 124 Rdnr. 68 u. 72). Das Verwaltungsgericht hat unter Berücksichtigung des zitierten Urteils des Bayerischen Oberlandesgerichts die von dem Kläger ausgeübte Tätigkeit rechtsfehlerfrei als Erwerbstätigkeit im Sinne des § 3 AuslG i.V.m. § 12 Abs. 1 DVAuslG angesehen, so dass er einer Aufenthaltserlaubnis bedurft hätte. Seine Tätigkeit fällt von Art und Umfang her auch nicht unter die in § 12 Abs. 2 - 5 DVAuslG normierten Ausnahmetatbestände. Mit der illegalen Einreise verwirklichte er die Ausweisungstatbestände der §§ 45 Abs. 1, 46 Nr. 2 AuslG. Es lässt sich auch nicht feststellen, dass die angefochtene Ausweisungsverfügung unter

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Ermessensfehlern leidet. Ebenso wenig kann davon die Rede sein, dass es sich um einen besonders unübersichtlichen und/oder schwierig zu ermittelnden Sachverhalt handelt.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf §§ 14 Abs. 1, 13 Abs. 1 Satz 2 GKG.

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Dieser Beschluss ist unanfechtbar.