Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 01.06.2004, Az.: 2 LA 153/03

Beurteilungsspielraum; Diplom; Diplomprüfung; Fachprüfung; Prüfung; Psychologie; Studiengang; Wiederholungsprüfung

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
01.06.2004
Aktenzeichen
2 LA 153/03
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2004, 51042
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 10.04.2003 - AZ: 5 A 1671/01

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Zur Frage, ob ein Student die Zulassung zu einer zweiten Wiederholung einer Fachprüfung im Rahmen der Diplomvorprüfung des Studiengangs Psychologie beanspruchen kann.

Gründe

1

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.

2

1. Die Voraussetzungen des geltend gemachten Zulassungsgrundes der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) sind nicht erfüllt.

3

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) sind erst dann zu bejahen, wenn bei der Überprüfung im Zulassungsverfahren, also auf Grund der Begründung des Zulassungsantrags und der angefochtenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts, gewichtige, gegen die Richtigkeit der Entscheidung sprechende Gründe zutage treten, aus denen sich ergibt, dass ein Erfolg der erstrebten Berufung mindestens ebenso wahrscheinlich ist wie ein Misserfolg. Das ist der Fall, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird (vgl. BVerfG, Beschl. v. 23.06.2000 - 1 BvR 830/00 -, NVwZ 2000, 1163; Nds. OVG, Beschl. v. 19.04.2004 - 2 LA 293/03 -). Es kommt nicht darauf an, ob einzelne Begründungselemente der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung unrichtig sind, sondern darauf, ob diese im Ergebnis unrichtig ist (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 19.04.2004, a.a.O.). Das ist hier nicht der Fall.

4

Das Verwaltungsgericht hat in dem angefochtenen Urteil dargelegt und begründet, warum es zu der Auffassung gelangt ist, dass dem Kläger ein Anspruch auf Teilnahme an einer zweiten Wiederholungsprüfung im Fach Entwicklungspsychologie im Rahmen der Diplomvorprüfung im Studiengang Psychologie nicht zusteht. Der Senat macht sich die Begründung des angefochtenen Urteils zu eigen und verweist auf sie (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO analog). Der Kläger hat im Zulassungsverfahren keine gewichtigen, gegen die Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung sprechenden Gründe aufgezeigt, aus denen sich ergibt, dass ein Erfolg der erstrebten Berufung mindestens ebenso wahrscheinlich ist wie ein Misserfolg.

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Mit Rücksicht auf das Vorbringen des Klägers im Zulassungsantrag ist Folgendes hervorzuheben bzw. zu ergänzen:

6

Das Verwaltungsgericht ist zutreffend zu der Einschätzung gelangt, dass dem Diplomprüfungsausschuss Psychologie der Beklagten bei der nach § 13 Abs. 3 der Diplomprüfungsordnung für den Studiengang Psychologie (DPO) vom 10. Mai 1982 (Nds. MBl. S. 583) zu treffenden Entscheidung über die Zulässigkeit einer zweiten Wiederholung einer Fachprüfung hinsichtlich der Frage, ob die bisherigen Leistungen des Studenten erkennen lassen, dass die Erreichung des Studienziels nicht ausgeschlossen ist, ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zusteht. Denn bei der Entscheidung einer Behörde, ein Zulassungsgesuch zu einer Wiederholungsprüfung abzulehnen, handelt es sich um einen Verwaltungsakt mit prüfungsspezifischen Wertungen, der deren Beurteilungsspielraum unterliegt (vgl. VGH Kassel, Urt. v. 05.01.1998 - 8 ZU 2561/97 -, NVwZ-RR 1998, 446 [OVG Rheinland-Pfalz 14.02.1997 - 2 B 10068/97] (Ls), VGH München, Beschl. v. 08.03.1993 - 3 CE 93.00620 -, zitiert nach Juris; Zimmerling/Brehm, Prüfungsrecht, 2. Aufl. 2001, § 34 RdNr. 531).

7

Die von dem Kläger angegriffene Entscheidung des Diplomprüfungsausschusses Psychologie der Beklagten leidet nicht an einem gerichtlich überprüfbaren Fehler.

8

Eine solche Entscheidung mit Beurteilungsspielraum ist lediglich dahingehend gerichtlich überprüfbar, ob das Verfahren ordnungsgemäß durchgeführt worden ist, ob die Prüfer von falschen Tatsachen ausgegangen sind, ob sie allgemein anerkannte Bewertungsmaßstäbe nicht beachtet haben, ob sie sich von sachfremden Erwägungen haben leiten lassen und ob die Entscheidung unter keinem erdenklichen wissenschaftlichen oder pädagogischen Gesichtspunkt gerechtfertigt sein kann und daher willkürlich ist (vgl. Niehues, Schul- und Prüfungsrecht, Bd. 2, 3. Aufl. 1994, RdNr. 399 m.w.N.).

9

Derartige Fehler sind – wie das Verwaltungsgericht zutreffend angenommen hat – hier nicht ersichtlich. Insbesondere ist die Entscheidung des Verwaltungsgerichts nicht hinsichtlich seiner Ausführungen zum Regel-/Ausnahme-Verhältnis im Rahmen des § 13 Abs. 3 DPO zu beanstanden. Es handelt sich um eine eng auszulegende Ausnahmevorschrift. Eine zweite Wiederholungsprüfung ist danach nicht schon dann zu gewähren, wenn noch die theoretische oder bloß rechnerische Möglichkeit besteht, dass die Prüfung insgesamt noch bestanden werden kann. Die Vorschrift des § 13 Abs. 3 DPO stellt vielmehr eine Härtefallregelung dar, die gerade die Einhaltung des Grundsatzes der Chancengleichheit gemäß Art. 3 Abs. 1 GG sicherstellen soll. Denn es ist grundsätzlich lediglich geboten, einem Prüfling eine einmalige Wiederholungsmöglichkeit zu bieten (vgl. Niehus, a.a.O, RdNr. 304).

10

Der Kläger hat keine Gründe vorgetragen, aus denen in seinem Fall eine besondere Härte anzunehmen wäre, die das Vorliegen eines Ausnahmefalles indizieren würde. Er kann sich insbesondere nicht auf die Argumentation zurückziehen, er habe sich deswegen nicht auf die Prüfungen vorbereitet, weil er zunächst den Ausgang der von ihm geführten Rechtsstreitigkeiten habe abwarten wollen. Der Umstand, dass nach dem eigenen Vortrag des Klägers sein letztmaliger Besuch einer universitären Veranstaltung auf den Februar 1996 datiert, sein Kontakt mit der Beklagten sich im Übrigen aber auf gerichtliche Auseinandersetzungen beschränkt hat, zeigt, dass der Kläger sein Studium faktisch nicht mehr betrieben hat.

11

Soweit der Kläger meint, die ablehnende Entscheidung des Diplomprüfungsausschusses Psychologie der Beklagten resultiere aus seinen vorhergehenden gerichtlichen Auseinandersetzungen mit der Beklagten, was deren Entscheidung willkürlich erscheinen lasse, ist dies tatsächlich falsch. Dies belegen die Stellungnahmen der Prüfer Prof. Dr.  B. vom 21. Dezember 2000 und Prof. Dr.  C. vom 9. Januar 2001, denen die Beklagte Gelegenheit gegeben hat, zu dem Begehren des Klägers Stellung zu nehmen. Der Kläger muss sich abgesehen davon die extrem lange Dauer seines Studiums, das er im Sommersemester 1986 aufgenommen hat, entgegenhalten lassen. Gerade solange die von ihm geführten Rechtsstreitigkeiten angedauert hatten, hätte er durch Teilnahme an Lehrveranstaltungen und die Erbringung aktueller Leistungsnachweise zeigen können, dass er in der Lage war, das Studienziel noch zu erreichen. Auf Grund der von ihm beigebrachten Prüfungsleistungen aus den Jahren 1991 bis 1995 ließ sich diesbezüglich aber nach dem Urteil der Prüfungskommission keine positive Prognose ableiten.

12

Soweit der Kläger darauf verweist, der Grundsatz der Chancengleichheit sei verletzt, da andere Studenten zu einer zweiten Wiederholungsprüfung zugelassen worden seien, missachtet er, dass sich hieraus keine Ansprüche auf eine generelle Zulassung herleiten lassen, da die Beklagte insofern jeweils zu einer Einzelfallprüfung angehalten ist, ob die besonderen Voraussetzungen vorliegen. Der Kläger hat allenfalls einen Anspruch auf ordnungsgemäße Prüfung der durch § 13 Abs. 3 DPO gestellten Anforderungen. Insofern ist bei allen Antragstellern der gleiche Prognosemaßstab anzulegen. Diesbezüglich sind jedoch keine Verstöße seitens der Beklagten festzustellen.

13

2. Die Voraussetzungen des geltend gemachten Zulassungsgrundes des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO liegen ebenfalls nicht vor.

14

Besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten weist eine Rechtssache dann auf, wenn sie voraussichtlich in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht größere, das heißt überdurchschnittliche, das normale Maß nicht unerheblich überschreitende Schwierigkeiten verursacht (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 13. Aufl. 2003, § 124 RdNr. 9, m.w.N.). Die besonderen Schwierigkeiten müssen sich auf Fragen beziehen, die für den konkreten Fall und das konkrete Verfahren entscheidungserheblich sind (vgl. Kopp/Schenke, a.a.O.).

15

Die Rechtssache weist entgegen der Auffassung des Klägers nicht deshalb besondere rechtliche Schwierigkeiten auf, weil es um die Auslegung des § 13 Abs. 3 DPO geht. Die Ausführungen zum Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zeigen, dass die rechtlichen Probleme, die der Fall aufwirft, überschaubar sind und keine überdurchschnittlichen, das normale Maß nicht unerheblich überschreitenden Schwierigkeiten verursachen. Die Regelung des § 13 Abs. 3 DPO ist inhaltlich mit Vorschriften, die in sonstigen Prüfungsordnungen enthalten sind, vergleichbar. Der Umstand, das speziell zu der hier maßgeblichen Diplomprüfungsordnung keine Kommentarliteratur vorhanden ist, erschwert die Rechtsfindung nicht in besonderem Maße.

16

3. Die Berufung ist auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) zuzulassen.

17

Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine tatsächliche oder rechtliche Frage von allgemeiner fallübergreifender Bedeutung aufwirft, die im Berufungsrechtszug entscheidungserheblich ist und im Interesse der Rechtseinheit geklärt werden muss. Die in diesem Sinne zu verstehende grundsätzliche Bedeutung muss durch Anführung mindestens einer konkreten, sich aus dem Verwaltungsrechtsstreit ergebenden Frage, die für die Entscheidung des Berufungsgerichts erheblich sein wird, und durch die Angabe des Grundes, der die Anerkennung der grundsätzlichen Bedeutung rechtfertigen soll, dargelegt werden (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 19.04.2004, a.a.O.).

18

Diesen Anforderungen genügt das Vorbringen des Klägers nicht.

19

Die von dem Kläger aufgeworfene Frage, wie § 13 Abs. 3 DPO auszulegen ist, ist – wie sich aus den Ausführungen zum Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ergibt – bereits hinreichend geklärt. An einer die Berufungszulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung rechtfertigenden Klärungsbedürftigkeit einer Rechtsfrage fehlt es jedoch, wenn sich – wie hier – die als vermeintlich grundsätzlich bedeutsam bezeichnete Rechtsfrage auf der Grundlage der zu prüfenden Vorschriften oder bereits vorliegender höchstrichterlicher Rechtsprechung ohne weiteres beantworten lässt (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 19.04.2004, a.a.O.; vgl. zur Revisionszulassung BVerwG, Beschl. v. 27.08.1996 – 8 B 165.96 -, Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 13).

20

4. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Berufung gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO sind schließlich ebenfalls nicht erfüllt.

21

Der Kläger rügt, das Verwaltungsgericht sei nicht auf sein Vorbringen eingegangen, die Beklagte habe unter Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG alle anderen Studenten zu einer zweiten Wiederholungsprüfung zugelassen. Dieses Vorbringen rechtfertigt nicht die Zulassung der Berufung gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO. Denn der vorgenannte Zulassungsgrund setzt die Rechtserheblichkeit des geltend gemachten Verfahrensmangels voraus. Die angefochtene Entscheidung muss auf dem Verfahrensmangel beruhen können (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 19.04.2004, a.a.O.). Das ist hier nicht der Fall. Denn es kommt vorliegend nicht darauf an, ob die Beklagte – wie der Kläger vorträgt – alle anderen Studenten zu einer zweiten Wiederholungsprüfung zugelassen hat, da die Beklagte – wie schon zu § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ausgeführt wurde – im jeweiligen Einzelfall zu prüfen hatte, ob die besonderen Voraussetzungen des § 13 Abs. 3 DPO vorgelegen haben.

22

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwertes aus § 13 Abs. 1 Satz 2 GKG (vgl. dazu Nr. 35.4 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, DVBl. 1996, 605, 609).

23

Dieser Beschluss ist gemäß §§ 152 Abs. 1 VwGO, 25 Abs. 3 Satz 2 GKG unanfechtbar.