Verwaltungsgericht Lüneburg
Urt. v. 22.07.2020, Az.: 3 A 114/18

Entstehung; Fälligkeit; Gebühren; Kostenüberdeckung; Niederschlagswassergebühr; Satzung

Bibliographie

Gericht
VG Lüneburg
Datum
22.07.2020
Aktenzeichen
3 A 114/18
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2020, 71937
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Wird neben der Niederschlagswassergebühr eine Gebühr für Einleitungen von Grund- und Drainagewasser in die Niederschlagswasserbeseitigungseinrichtung erhoben, ist eine getrennte Kalkulation der Gebührensätze erforderlich. Es verstößt gegen das Gebot der Periodengerechtigkeit der Kosten, die Niederschlagswassergebühr zur vollständigen Refinanzierung der Kosten der Einrichtung vorzusehen, den Gebührensatz der weiteren Einleitungsgebühr aus dem Niederschlagswassergebührensatz rechnerisch abzuleiten und erwartbare Erlöse aus der Einleitungsgebühr in nachfolgenden Kalkulationsperioden kostenmindernd zu berücksichtigen.
2. Wird die Niederschlagswasserbeseitigungseinrichtung bestimmungsgemäß durch Einleitungen von Grund- und Drainagewasser genutzt, ist der Umfang dieser Inanspruchnahme der Einrichtung durch eine prognostische Zuordnung von Kostenanteilen zu berücksichtigen.
3. Ist in einer Gebührensatzung keine Regelung zum Zeitpunkt des Entstehens der Gebührenschuld getroffen, kann die Gebührenschuld jedenfalls nicht vor Ablauf des Erhebungszeitraums entstehen. Eine Satzungsbestimmung, nach der die Gebühr zu Beginn des Erhebungszeitraums fällig wird, kann nicht in eine Bestimmung des Entstehungszeitpunktes umgedeutet werden.

Tenor:

Der Bescheid der Beklagten vom 2. Februar 2018 über die Festsetzung einer Niederschlagswassergebühr für die Jahre 2015 und 2016 und der Bescheid der Beklagten vom 2. Februar 2018 über die Festsetzung einer Niederschlagswassergebühr für die Jahre 2017 und 2018 werden aufgehoben.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich gegen die Festsetzung von Niederschlagswassergebühren durch die Beklagte für die Jahre 2015 bis 2018.

Mit Wirkung zum 1. Januar 2015 führte die Beklagte durch Änderung ihrer Abgabensatzung für die Abwasserbeseitigung (Änderungssatzung vom 27. November 2014, ABl. des Landkreises Celle Nr. 55 vom 04.12.2014, S. 568 ff.) die Erhebung einer Niederschlagswassergebühr ein. Der Gebührensatz wurde auf 0,76 EUR je m² abflusswirksame Fläche festgelegt. Durch jährliche Änderungssatzungen wurde der Gebührensatz für das Jahr 2016 wiederum auf 0,76 EUR je m² abflusswirksame Fläche und für die Jahre 2017 und 2018 jeweils auf 0,67 EUR je m² abflusswirksame Fläche festgelegt. Seit dem Jahr 2017 wird die Abwasserbeseitigung in Form des Eigenbetriebes geführt.

Die Klägerin ist Eigentümerin einer gewerblich genutzten Grundstücksfläche im Satzungsgebiet, bestehend aus vier zusammenhängenden Grundstücken (Flurstücksnummer G., Flurstücksnummer H., Flurstücksnummer I. und Flurstücksnummer J., jeweils Flur K. in der Gemarkung L.) mit der postalischen Anschrift M., N.. Von dieser gesamten Grundstücksfläche hat die Beklagte eine Fläche von 6.156 m² als überbaut bzw. befestigt und damit als abflusswirksam ermittelt.

Mit Bescheid vom 2. Februar 2018 setzte die Beklagte gegenüber der Klägerin für diese abflusswirksame Grundstücksfläche Niederschlagswassergebühren für die Jahre 2015 und 2016 mit einem Gebührensatz von 0,76 EUR/m² in Höhe von jeweils 4.678,56 EUR, insgesamt 9.357,12 EUR, fest und forderte sie zur Zahlung bis zum 5. März 2018 auf. Mit weiterem Bescheid vom 2. Februar 2018 setzte die Beklagte gegenüber der Klägerin Niederschlagswassergebühren für die Jahre 2017 und 2018 mit einem Gebührensatz von 0,67 EUR/m² in Höhe von jeweils 4.124,52 EUR, insgesamt 8.249,04 EUR, fest. Die Klägerin wurde zur Zahlung eines Teilbetrages von 5.155,65 EUR bis zum 5. März 2018 und weiterer Teilbeträge von jeweils 1.031,13 EUR bis zum 15. Mai 2018, 15. August 2018 und 15. November 2018 aufgefordert. Insgesamt beläuft sich die Höhe der festgesetzten Gebühren auf 17.606,16 EUR.

Gegen die Gebührenbescheide hat die Klägerin am 2. März 2018 Klage erhoben. Sie rügt, dass die Festlegung des Gebührensatzes in der Satzung nicht auf einer ordnungsgemäßen Gebührenkalkulation beruhe. Die Maßstabseinheiten seien nicht ausreichend erfasst worden. Es fehle eine systematische und methodisch nachvollziehbare Ermittlung der bebauten und befestigten Flächen. Durch ein Verfahren zur Selbstauskunft seien zu wenige private Flächen herausgegriffen worden, so dass für das Jahr 2015 nur etwa 1/6 der Gesamtfläche auf private Flächen entfielen. Aus anderen Kalkulationen sei jedoch bekannt, dass die öffentlichen Straßen, Wege und Plätze ca. 45 % und die privaten Flächen ca. 55 % der Gesamtfläche ausmachten. Das Ermittlungsdefizit werde durch den Anstieg der privaten Flächen in den Kalkulationen von 600.000 m² im Jahr 2015 auf 944.226 m² im Jahr 2018 deutlich, wobei die Flächenerfassung, die zu einem Anteil privater Flächen von 25,78 % geführt habe, immer noch nicht abgeschlossen sei. Soweit die öffentlichen Flächen durch ein externes Ingenieurbüro erhoben worden seien, müssten diese Arbeitsergebnisse zudem offengelegt werden.

Die von der Beklagten vorgelegte Gebührenbedarfsrechnung entspreche zudem nicht einer ordnungsgemäßen betriebswirtschaftlichen Kalkulation, da auf der Kostenseite nur die Positionen Abschreibungen, Zinsen sowie Sach- und Personalkosten erfasst seien.

Nach dem Wortlaut der Abwasserbeseitigungssatzung stelle die Beseitigung von Drainage- und Kühlwasser sowie sonstigem Wasser keine eigenständige Einrichtung dar. Daher sei diese Satzung nicht mit der Gebührensatzung kompatibel, die eine gespaltene Gebührenerhebung für Niederschlagswasser (§ 10a) und für Grund- und Drainagewasser (§ 10b) vorsehe. Kühlwasser werde wiederum nicht erfasst. Dieser Fehler setze sich auf der Ebene der Kalkulation fort, es sei nicht ersichtlich, wie eine Quersubventionierung dieser anderen Einleitungen durch die Gebühren für die Niederschlagswassereinleitung vermieden werde. Eine verursachungsgerechte Kostenaufteilung sei jedenfalls nicht erkennbar. In tatsächlicher Hinsicht sei bereits fraglich, ob das eingeleitete Drainagewasser durch Zähler überhaupt vollständig erfasst werde.

Die Klägerin beantragt,

1. den Bescheid der Beklagten vom 2. Februar 2018 über die Festsetzung einer Niederschlagswassergebühr für die Jahre 2015 und 2016 aufzuheben,

2. den Bescheid der Beklagten vom 2. Februar 2018 über die Festsetzung einer Niederschlagswassergebühr für die Jahr 2017 und 2018 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie tritt der Klage entgegen. Es sei zutreffend, dass die Veranlagung der Flächen fortschreite und die mit Einführung der Gebühr im Jahr 2015 begonnene Datenerhebung noch fortgesetzt werde. Die Ermittlung der privaten Flächen sei auf der Basis von Planunterlagen, Luftbildern und Ortsbesichtigungen der Bebauung sowie geologischer Daten über die Versickerungsfähigkeit der örtlichen Bodenstrukturen ortsteilbezogen erfolgt, und die so ermittelte Fläche sei der Gebührenkalkulation für die Veranlagungsjahre 2015 und 2016 zugrunde gelegt worden. Im Jahr 2015 sowie im Jahr 2018 sei eine Aufforderung an die Grundstückseigentümer ergangen, die baulichen Verhältnisse zur Ableitung des Niederschlagswassers zu dokumentieren und zu melden, die Mitarbeiter der Stadtentwässerung hätten vor Ort beraten und die Datenerhebung unterstützt. Ab 2017 sei ein externes Unternehmen mit der Erhebung der Objektdaten beauftragt worden, für die keine Selbstauskünfte eingegangen seien. Ab dem Veranlagungsjahr 2017 sei die Ermittlung der Bemessungsgrundlage der privaten Flächen auf Grundlage der im Rahmen der Selbstauskünfte und durch die unterstützenden Kräfte übermittelten Daten erfolgt, wobei die Daten kontinuierlich überprüft und fortgeschrieben würden. Die Strukturen gebührenrelevanter Flächen in verschiedenen Kommunen könnten nicht verglichen werden, da sie sich in ihren geologischen Bodenverhältnissen und in der technischen Ausgestaltung der Abwasserentsorgungssysteme unterschieden. Im Gebiet der Beklagten lägen viele Bereiche mit guten Versickerungsmöglichkeiten, so dass satzungsgemäß auch kein Anschlusszwang privater Flächen für den Regenwasserkanal festgelegt sei. Die Flächenermittlung für die öffentlichen Flächen sei anhand von Katasterauszügen nachvollziehbar. Die Versiegelungsflächenliste zum öffentlichen Flächenanteil werde kontinuierlich durch ein externes Ingenieurbüro fortgeschrieben. Bei den Werten, die in die Gebührenkalkulation 2015 eingeflossen seien, habe es sich um Schätzwerte gehandelt, die für die Gebührenkalkulation ab 2016 angepasst worden seien. Die zusätzlichen Erlöse aus der rückwirkenden Veranlagung würden vollständig in die Ergebnisermittlung einbezogen und gebührenmindernd berücksichtigt.

Die Ermittlung der angefallenen Kosten der jeweils abgelaufenen Gebührenperiode erfolge nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen und sei in Form einer Betriebsabrechnung dokumentiert.

Die Ableitung „sonstigen Wassers“ erfolge über die baulichen Strukturen des bestehenden Kanalsystems, je nach Einleitung in die Schmutzwasser- oder Niederschlagswasserkanalisation. Es lägen jeweils identische Kostenstrukturen wie bei der Ableitung von Schmutz- und Niederschlagswasser zugrunde, jedoch werde nicht die versiegelte Fläche, sondern die tatsächlich eingeleitete Menge als Bemessungsgrundlage herangezogen. Der Gebührensatz ergebe sich in diesen Fällen aus der Umrechnung der über eine Fläche abgeleiteten Wassermenge in den gleichwertigen Volumentarif über die Formel: „Flächenabhängige Gebühr : (Jahresmittel Niederschlag – Versickerung) = volumenabhängige Gebühr“. Im Termin zur mündlichen Verhandlung hat die Beklagte präzisiert, dass die Umrechnung nicht die Versickerung, sondern die Verdunstung berücksichtige. Die Erfassung und Abrechnung der Menge sonstigen Wassers erfolge gemäß §§ 10b, 11 der Abgabensatzung für die Abwasserbeseitigung anhand gemeldeter Zählerstände. Die Erlöse aus dieser Veranlagung würden in der Betriebsabrechnung zur jeweiligen Gebühr gebührenmindernd verrechnet. Die im Satzungsgebiet vorhandenen permanenten Einleitungen von Drainagewasser würden nicht gesondert erfasst und ermittelt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und begründet.

Die angefochtenen Gebührenbescheide vom 2. Februar 2018 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Es fehlt an einer Rechtsgrundlage für die Gebührenerhebung, die hier maßgeblichen Satzungsbestimmungen der Abwasserabgabensatzung der Beklagten sind rechtswidrig und daher unwirksam.

Gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 Niedersächsisches Kommunalabgabengesetz – NKAG – erheben die Kommunen als Gegenleistung für die Inanspruchnahme öffentlicher Einrichtungen Benutzungsgebühren, soweit nicht ein privatrechtliches Entgelt gefordert wird. Den Umfang der öffentlichen Einrichtung bestimmt der Einrichtungsträger im Rahmen seines Organisationsermessens (Nds. OVG, Urt. v. 12.11.1991 - 9 L 20/90 -, juris Rn. 20).

Die Beklagte betreibt gemäß § 1 Abs. 2 ihrer Satzung über die Abwasserbeseitigung (Abwasserbeseitigungssatzung) vom 27. November 2014 (ABl. des Landkreises Celle Nr. 55 vom 04.12.2014, S. 551 ff.) – im Folgenden: ABS – zur Beseitigung des in ihrem Entsorgungsgebiet anfallenden Abwassers jeweils eine öffentliche Einrichtung zur zentralen Schmutzwasserbeseitigung, zur zentralen Niederschlagswasserbeseitigung sowie zur Beseitigung des Inhalts von abflusslosen Sammelgruben und von Fäkalschlamm aus Kleinkläranlagen. Abwasser im Sinne der Abwasserbeseitigungssatzung ist nach § 2 Abs. 2 ABS Schmutzwasser und Niederschlagswasser:

㤠2 Begriffsbestimmungen
(1) …
(2) Abwasser im Sinne dieser Satzung ist Schmutzwasser und Niederschlagswasser.
Schmutzwasser ist

Niederschlagswasser ist
das aufgrund von Niederschlägen aus dem Bereich von bebauten und befestigten Flächen abfließende und gesammelte Wasser. Als Abwasser gilt auch jedes sonstige in die Kanalisation eingeleitete Wasser (z. B. Drainagewasser und Kühlwasser).
(3) …“

Die Trennung der öffentlichen Einrichtungen zur Schmutzwasser- und Niederschlagswasserbeseitigung wird dem Umstand gerecht, dass nach § 96 Abs. 3 Nr. 1 Niedersächsisches Wassergesetz – NWG – die Niederschlagswasserbeseitigungspflicht in erster Linie den Grundstückseigentümern obliegt und eine rechtliche Verselbständigung der unterschiedlichen Zwecken dienenden Einrichtungen daher geboten ist (vgl. Nds. OVG, Urt. v. 17.07.2012 - 9 LB 187/09 -, juris Rn. 34; Lichtenfeld in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 6 Rn. 707, Stand: März 2016).

Gemäß §§ 1 lit. b), 9 Abs. 1 der Satzung über die Erhebung von Beiträgen, Gebühren und Kostenerstattungen für die Abwasserbeseitigung (Abgabensatzung für die Abwasserbeseitigung) vom 28. September 1983 (ABl. des Landkreises Celle Nr. 19 vom 11.11.1983, S. 211 ff.) in der Fassung der Änderungssatzungen vom 27. November 2014 (ABl. des Landkreises Celle Nr. 55 vom 04.12.2014, S. 568 ff.) und vom 18. Juni 2015 (ABl. des Landkreises Celle Nr. 26 vom 25.06.2015, S. 232) – im Folgenden: AAS – erhebt die Beklagte Benutzungsgebühren für die Inanspruchnahme der zentralen öffentlichen Abwasserbeseitigungsanlagen durch Ableitung von Schmutz- oder Niederschlagswasser für die Grundstücke, die an die zentrale öffentliche Abwasserbeseitigungsanlage angeschlossen sind oder in diese entwässern. Hierbei handelt es sich um die Gegenleistung für die Inanspruchnahme einer öffentlichen Einrichtung und damit um eine Benutzungsgebühr im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 1 NKAG.

Die Erhebung und Festsetzung der Niederschlagswassergebühren durch die Beklagte ab dem 1. Januar 2015 erfolgte gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 NKAG i. V. m. §§ 9 Abs. 1, 10a, 11 Abs. 1, 12 AAS. Nach §§ 10a, 11, 12 AAS wird von dem Eigentümer oder anderen zur Nutzung eines Grundstücks dinglich Berechtigten für die zentrale Beseitigung von auf dem Grundstück anfallendem Niederschlagswasser eine Niederschlagswassergebühr erhoben und nach der Größe der abflusswirksamen Fläche berechnet. Der Gebührensatz wurde für das Jahr 2015 auf 0,76 EUR je m² abflusswirksame Fläche festgesetzt. Hinsichtlich der Folgejahre sind zudem die jährlichen Festsetzungen des Gebührensatzes in § 11 AAS durch die Änderungssatzungen vom 24. September 2015 (ABl. des Landkreises Celle Nr. 41 vom 08.10.2015, S. 381; in Kraft seit 1. Januar 2016), vom 26. Oktober 2016 (ABl. des Landkreises Celle Nr. 65 vom 14.12.2016, S. 632; in Kraft seit 1. Januar 2017) und vom 28. September 2017 (ABl. des Landkreises Celle Nr. 57 vom 16.11.2017, S. 491; in Kraft seit 1. Januar 2018) maßgeblich. Hiernach wurde der Gebührensatz für das Jahr 2016 erneut auf 0,76 EUR/m² und für die Jahre 2017 und 2018 jeweils auf 0,67 EUR/m² festgelegt.

Die Gebührenfestsetzung gegenüber der Klägerin nach Maßgabe dieser Satzungsbestimmungen ist jedoch rechtswidrig. Hinsichtlich des Gebührensatzes für das Jahr 2015 liegen formelle Fehler vor, im Übrigen beruhen die Gebührensätze in den streitgegenständlichen Jahren nicht auf einer den Anforderungen des § 5 NKAG entsprechenden Kalkulation (dazu 1.). Es fehlt zudem in der Abwasserabgabensatzung der Beklagten an einer Regelung des Zeitpunkts des Entstehens und an einer hinreichend bestimmten Regelung des Zeitpunkts der Fälligkeit der Gebührenschuld (dazu 2.).

1.

Die Festsetzung von Benutzungsgebühren setzt eine Gebührenkalkulation voraus, die der Ermittlung der zulässigen Gebührenobersatzgrenze innerhalb des Kalkulationszeitraums dient. Sie muss die rechtlichen Anforderungen, die das Niedersächsische Kommunalabgabengesetz an eine Gebührenkalkulation stellt, erfüllen. Auf der ersten Stufe sind für den Kalkulationszeitraum (§ 5 Abs. 2 Satz 2 NKAG) die ansatzfähigen Kosten der öffentlichen Einrichtung nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 NKAG zu ermitteln. Auf der zweiten Stufe sind die umlagefähigen Kosten nach Maßgabe des in der Satzung vorgesehenen gültigen Gebührenmaßstabes auf alle Benutzer der Einrichtung leistungsgerecht (§ 5 Abs. 3 NKAG) zu verteilen, wobei der voraussichtliche Umfang der Inanspruchnahme im Kalkulationszeitraum nach Maßstabseinheiten zu schätzen ist (Nds. OVG, Urt. v. 27.06.2011 - 9 LB 168/09 -, juris Rn. 21; Urt. v. 16.07.2015 - 9 LB 117/12 -, juris Rn. 26; Lichtenfeld in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 6 Rn. 727, Stand: März 2018). Aus der dem Satzungsgeber vorgelegten Gebührenkalkulation müssen sich die wesentlichen Gründe für die Festlegung des Gebührensatzes ergeben. Dies setzt voraus, dass die Kalkulation die kalkulatorischen Leitentscheidungen widerspiegelt (Nds. OVG, Urt. v. 22.06.2009 - 9 LC 409/06 -, juris Rn. 27). Da für jeden Kalkulationszeitraum in erheblichem Umfang andere Zahlen in die Kalkulation eingestellt werden, liegt es, abgesehen von extremen Ausnahmefällen, in der Natur der Sache, dass sich bei jedem Kalkulationszeitraum eine andere Gebührenobergrenze ergibt oder ergeben kann (vgl. Rosenzweig/Freese/von Waldthausen, NKAG, § 5 Rn. 162, Stand: 3.2018). Erforderlich ist insofern ein Rechenwerk, das als Ergebnis die zu beschließenden Gebührensätze ermittelt. Es müssen zumindest die zentralen Positionen dieses Rechenwerks sowie die genannten Leitentscheidungen ausgewiesen werden. Nähere Aufschlüsselungen der zentralen Positionen müssen entweder im Rechenwerk selbst ausdrücklich enthalten oder aber zumindest auf Nachfrage ohne weiteres verfügbar sein. Die Stufen der Berechnung müssen für die Mitglieder des Satzungsgebers in sich schlüssig und aus sich heraus verständlich dargestellt sein, wobei sich Einzelheiten auch erst aus Anlagen ergeben dürfen (Nds. OVG, Urt. v. 16.07.2015 - 9 LB 117/12 -, juris Rn. 26 m.w.N.).

a) Für das Jahr 2015 fehlt es bereits aus formalen Gründen an einem wirksam festgelegten Gebührensatz. Der Beschlussvorlage für die vom Rat beschlossene Satzungsänderung war eine Kalkulation der Niederschlagswassergebühr nicht beigefügt. Es ist erforderlich, dass die Gebührenkalkulation dem Rat als dem für die Beschlussfassung nach § 2 Abs. 1 Satz 1 NKAG i. V. m. § 58 Abs. 1 Nr. 5 Niedersächsisches Kommunalverfassungsgesetz – NKomVG – zuständigen Organ bei der Entscheidung über die Satzung vorgelegen hat und er sich diese zu eigen macht (vgl. Nds. OVG, Urt. v. 22.06.2009 - 9 LC 409/06 -, juris Rn. 27).

In der Beschlussvorlage Nr. BV/0236/14 „Satzung zur Änderung der Satzung der Stadt Celle über die Erhebung von Beiträgen, Gebühren und Kostenerstattungen für die Abwasserbeseitigung (Abgabensatzung für die Abwasserbeseitigung) vom 28.09.1983 in der Fassung der Änderungssatzung vom 20.12.2013“ (Anlage 1 zur Sitzungsniederschrift), die nach den entsprechenden Einträgen zur Beratungsfolge der Beschlussfassung im Fachausschuss am 1. Oktober 2014, im Verwaltungsausschuss am 11. November 2014 und im Rat am 27. November 2014 zugrunde lag, ist die Einführung der Niederschlagswassergebühr zwar erläutert worden:

„Als Besonderheit steht die Einführung einer Niederschlagswassergebühr an, die insbesondere die Änderungen in den §§ 9, 10, 11 und 16 zur Folge hat. Neu eingefügt werden die §§ 10a und 10b. Nach gründlicher Kalkulation beträgt für jeden Quadratmeter abflusswirksame Fläche die Abwassergebühr für Niederschlagswasser 0,76 €/m².“

Die der Beschlussvorlage beigefügten Anlagen 1 bis 4 enthalten jedoch keine Kalkulation dieses Gebührensatzes. Die Anlage 1 (Gebührenbedarfsberechnung [8 Seiten]) enthält die Betriebsabrechnung sowie Kalkulationen zur Schmutzwasserbeseitigung, die Anlage 2 besteht aus einer Übersicht der vorgesehenen Änderungen von Beitrags- und Gebührensätzen für die Abwasserbeseitigung, der Gebührensatz für die Niederschlagswassergebühr ist hier aufgeführt. Die Anlagen 3 und 4 enthalten die Änderungen des Satzungstextes sowie eine Synopse der betreffenden Satzungsbestimmungen.

Für die Kalkulationszeiträume 2016, 2017 und 2018 lagen dem Rat dagegen als Anlagen zur jeweiligen Beschlussvorlage Gebührenbedarfsberechnungen für die Niederschlagswasserbeseitigung vor, die sowohl Angaben zu den Maßstabseinheiten, unterteilt in private und öffentliche Flächen, als auch Angaben zu Kosten, gegliedert nach Abschreibungen, Zinsen, Sach- und Personalkosten und aufgeteilt nach der Zuordnung zu privaten und öffentlichen Flächen, sowie den jeweiligen sich daraus ergebenden Gebührensatz enthielten. Der Vertreter der Beklagten hat in der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar erläutert, dass den Mitgliedern des Rates auf Nachfragen ohne weiteres als Ergänzung detaillierte Aufschlüsselungen zu diesen Eckpunkten des Rechenwerkes hätten zur Verfügung gestellt werden können. Für die Kalkulationszeiträume 2016, 2017 und 2018 genügt dies den Anforderungen an die Offenlegung der kalkulatorischen Leitentscheidungen, die es der Vertretung ermöglicht, das ihr zustehende Satzungsermessen ordnungsgemäß auszuüben.

b) Hinsichtlich der Jahre 2015 bis 2018 leiden die Gebührenkalkulationen an materiellen Fehlern.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sind landesrechtliche Gebührenregelungen wegen eines Mangels der Gebührenkalkulation nur dann für nichtig zu erklären und darauf beruhende Verwaltungsakte aufzuheben, wenn sich Kalkulationsfehler im Ergebnis auf die Gebührenhöhe ausgewirkt haben. Danach ist die Gebührenfestsetzung erst dann rechtlich zu beanstanden, wenn sie die hierfür geltenden (landes-) rechtlichen Obergrenzen (Verbot der Kostenüberdeckung und der unangemessenen Gewinnerzielung) überschreitet (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.11.2019 - 9 CN 1.18 -, juris Rn. 32; Urt. v. 29.09.2004 - 10 C 3.04 -, juris Rn. 21). Fehler bei der Gebührenkalkulation führen auch nach der Rechtsprechung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts nicht für sich allein, sondern nur dann zu deren Unwirksamkeit, wenn sie zur Folge haben, dass der beschlossene Gebührensatz die sich bei ordnungsgemäßer Kalkulation ergebende Gebührenobersatzgrenze mehr als nur geringfügig übersteigt (vgl. Nds. OVG, Urt. v. 04.11.2002 - 9 LB 215/02 -, juris Rn. 7). Die fehlerhafte Einstellung einzelner Kostenpositionen oder die fehlerhafte Nichtberücksichtigung einzelner Teil der Maßstabseinheiten, Rechenfehler oder sonstige Fehler, die sich auf das Kalkulationsergebnis nicht auswirken können oder nicht ausgewirkt haben, sind rechtlich unbeachtlich, sofern dadurch der Gebührensatz nicht erheblich zum Nachteil der Gebührenpflichtigen beeinträchtigt ist, weil er ohnehin auf prognostischen Ansätzen beruht und eine Kalkulation naturgemäß mit Unsicherheiten behaftet ist. Bei einem versehentlichen Verstoß bei der Berechnung gegen Rechtsvorschriften bezüglich einzelner Kostenbestandteile ist der Mangel nach § 2 Abs. 1 Satz 3 NKAG entsprechend unbeachtlich, wenn dadurch die Grenze einer rechtmäßigen Kostenvorausberechnung um nicht mehr als 5 v. H. überschritten wird. Gleiches gilt auch hinsichtlich nicht bewusster Rechtsfehler auf Seite der Maßstabseinheiten der Kalkulation (vgl. Lichtenfeld in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 6 Rn. 731, Stand: März 2016). Beachtlich sind jedoch in jedem Fall methodische, das Berechnungsverfahren betreffende Kalkulationsfehler; auf diese ist die Fehlerfolgenregelung des § 2 Abs. 1 Satz 3 NKAG nicht anwendbar (vgl. Nds. OVG, Urt. v. 24.09.2013 - 9 LB 22/11 -, juris Rn. 66).

(1) Der von der Beklagten gewählte Gebührenmaßstab ist als zulässig anzusehen, die festgesetzten Gebührensätze sind jedoch rechtswidrig, da den Gebührenkalkulationen eine mangelhafte Ermittlung der zu berücksichtigenden Maßstabseinheiten zugrunde liegt.

Der nach § 2 Abs. 1 NKAG zu bestimmende Maßstab für die Abgabenerhebung regelt die Verteilung der berücksichtigungsfähigen Kosten der öffentlichen Einrichtung auf die gebührenpflichtigen Benutzer. Die verwirklichte Summe der Maßstabseinheiten stellt dabei die Bemessungsgrundlage dar (vgl. Brüning, Kommunale Gebühren, 2018, § 9 Rn. 1). Nach § 10a Abs. 1 Satz 1 AAS wird die Gebühr für die Beseitigung des Niederschlagswassers nach der sogenannten abflusswirksamen Fläche berechnet, d.h. nach der bebauten, überbauten und befestigten Grundstücksfläche, die an die zentrale Abwasserbeseitigungsanlage (Niederschlagswasseranlage) angeschlossen ist bzw. von welcher Niederschlagswasser in die zentrale Niederschlagswasseranlage gelangt. Hiernach stellt die gesamte abflusswirksame Fläche im Bereich der öffentlichen Einrichtung der Beklagten zur Niederschlagswasserbeseitigung die Bemessungsgrundlage der erhobenen Gebühr dar.

Die Größe bzw. der Umfang der abflusswirksamen Fläche stellt eine zulässige Maßstabseinheit zur Bemessung der Niederschlagswassergebühr dar. Indem die Beklagte nicht die tatsächliche Menge der eingeleiteten Niederschlagswassermenge berücksichtigt, sondern auf den Umfang der abflusswirksamen Fläche zurückgreift, hat sie einen zulässigen Wahrscheinlichkeitsmaßstab gewählt.

Nach § 5 Abs. 3 Satz 1 NKAG ist eine Gebühr nach Art und Umfang der Inanspruchnahme zu bemessen (Wirklichkeitsmaßstab). Ist die exakte Feststellung des Maßes bzw. des Umfangs der Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung technisch unmöglich, schwierig oder wirtschaftlich nicht vertretbar, ist dem Satzungsgeber gemäß § 5 Abs. 3 Satz 2 NKAG der Rückgriff auf einen Wahrscheinlichkeitsmaßstab eröffnet. Kommen mehrere Wahrscheinlichkeitsmaßstäbe in Betracht, hat der Satzungsgeber bei der Auswahl des Maßstabs dessen Wirklichkeitsnähe zu berücksichtigen (vgl. Nds. OVG, Urt. v. 16.02.1990 - 9 L 61/89 -, juris Rn. 32).

Nach diesen Grundsätzen ist die Entscheidung der Beklagten für den Wahrscheinlichkeitsmaßstab der abflusswirksamen Fläche nicht zu beanstanden. Eine Messung der tatsächlich zugeleiteten Abwassermenge zur Bestimmung des Maßes der Inanspruchnahme (Wirklichkeitsmaßstab) wäre mit technischen Schwierigkeiten und einem erheblichen Aufwand verbunden. Weiterhin besteht ein nachvollziehbarer Zusammenhang zwischen der Bemessung der Gebühr sowie Art und Umfang der Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung. Die Dimensionierung einer öffentlichen Einrichtung zur Niederschlagswasserbeseitigung muss sich an den voraussichtlich dem Kanalnetz zugeführten Niederschlagsmengen orientieren. Diese Zuflussmenge wird einerseits durch die Menge des in einer bestimmten Zeiteinheit anfallenden Niederschlages und andererseits durch die Topographie und Oberflächengestaltung der an das Kanalnetz angeschlossenen Grundstücksflächen bestimmt. Es besteht eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür, dass bei in etwa gleichen topographischen Verhältnissen von überdachten, überbauten und regenundurchlässig befestigten Grundstücksflächen mehr und schneller Niederschlagswasser der Kanalisation zufließt als von anderen Grundstückflächen, auf denen ein Teil der anfallenden Regenmenge versickern kann. Es ist daher zulässig, dass der Satzungsgeber unter Vernachlässigung anderer Parameter allein auf den Faktor abstellt, der bei starken Niederschlägen den Zufluss vermutlich am stärksten beeinflusst, nämlich die Größe der auf dem angeschlossenen Grundstück vorhandenen bebauten, überbauten und befestigten Grundstücksfläche. Im Sinne einer Wahrscheinlichkeitsaussage ist die Annahme denkbar, dass umso mehr Niederschlagswasser in die Niederschlagswasserbeseitigungsanlage gelangt und diese in umso größeren Umfang vorgehalten werden muss, je größer die abflusswirksame Fläche auf den angeschlossenen Grundstücken ist (vgl. Nds. OVG, Urt. v. 15.02.1999 - 9 L 1269/97 -, juris Rn. 3; Rosenzweig/Freese/von Waldthausen, NKAG, § 5 Rn. 585 f., Stand: 3.2018; OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 25.08.1995 - 9 A 3907/03 -, juris Rn. 11).

Der gewählte Maßstab ist auch, in den verschiedenen Fassungen des Satzungstextes in den streitgegenständlichen Gebührenjahren, als hinreichend bestimmt anzusehen. § 10a Abs. 1 AAS in der Fassung der Änderungssatzung vom 27. November 2014 (ABl. des Landkreises Celle Nr. 55 v. 04.12.2014, S. 569), in Kraft vom 1. Januar 2015 bis zum 31. Dezember 2016, lautete:

„(1) Die Gebühr für die Beseitigung des Niederschlagswassers wird nach der Größe der bebauten, überbauten und befestigten Grundstücksfläche berechnet, die an die zentrale Abwasserbeseitigungsanlage (Niederschlagswasseranlage) angeschlossen ist bzw. von der Niederschlagswasser in die zentrale Niederschlagswasseranlage gelangt (abflusswirksame Fläche). Als bebauten bzw. überbaute Grundstücksflächen gelten die Grundflächen der auf einem Grundstück befindlichen Gebäude zuzüglich eventueller Gebäudeüberstände (Draufsicht), auch wenn diese über die Grundstücksgrenze hinausgehen. Zur befestigten Grundstücksfläche zählen auch – unabhängig vom verwendeten Material – Betondecken, bituminöse Decken, Öko-Pflasterungen, Plattenbeläge, Schotterflächen etc., sofern sie nicht bereits in den bebauten/überbauten Grundstücksflächen enthalten sind. Die einzelnen Flächen werden auf volle Quadratmeter (m²) kaufmännisch gerundet.“

Durch Änderungssatzung vom 26. Oktober 2016 (ABl. des Landkreises Celle Nr. 65 v. 14.12.2016, S. 632 ff.) wurden § 10a Abs. 1 AAS Sätze 2 und 3 mit Wirkung zum 1. Januar 2017 gestrichen und § 10a Abs. 1 AAS erhielt folgende Fassung:

„(1) Die Gebühr für die Beseitigung des Niederschlagswassers wird nach der Größe der bebauten, überbauten und befestigten Grundstücksfläche berechnet, die an die zentrale Abwasserbeseitigungsanlage (Niederschlagswasseranlage) angeschlossen ist bzw. von der Niederschlagswasser in die zentrale Niederschlagswasseranlage bzw. in den öffentlichen Bereich gelangt (abflusswirksame Fläche).“

Diese Definition der Maßstabseinheiten ist, auch in der Fassung der Änderungssatzung vom 26. Oktober 2016, noch als hinreichend bestimmt anzusehen. Unter Befestigung ist jede von der natürlichen Beschaffenheit abweichende Verdichtung zu verstehen, z. B. durch Beton, Asphalt bzw. bituminösen Decken, Platten und Pflastersteine (Nds. OVG, Urt. v. 15.02.1999 - 9 L 1269/97 -, juris Rn. 3; Brüning in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 6 Rn. 389, Stand: September 2017). Mit der Verdichtung der Oberfläche sinkt deren Absorptionsfähigkeit, so dass Regenwasser nicht versickert, sondern abfließt. Unter Berücksichtigung des Zwecks der Bestimmungen kann der unbestimmte Begriff der „befestigten Grundstücksfläche“ entsprechend ausgelegt werden.

Der gewählte Maßstab der abflusswirksamen Fläche hält sich auch im Rahmen des Gleichheitsgebotes, welches gebietet, dass bei gleichen Maßstabseinheiten unter Berücksichtigung zulässiger Typisierungen und Pauschalierungen wahrscheinlich eine gleiche Inanspruchnahme der Einrichtung erfolgt (vgl. hierzu Brüning, Kommunale Gebühren, 2018, § 9 Rn. 8 ff.). Bei der hier gewählten pauschalierenden Betrachtung wird nicht unterschieden zwischen verschiedenen Befestigungsmaterialien und -arten und damit auch nicht zwischen dem unterschiedlichen Grad der Oberflächenverdichtung. Die sich daraus ergebenden Ungenauigkeiten sind jedoch im Rahmen des dem Ortsgesetzgebers zustehenden weiten Ermessensspielraums aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität hinzunehmen (vgl. Rosenzweig/Freese/von Waldthausen, NKAG § 5 Rn. 586, Stand: 3.2018; Nds. OVG, Urt. v. 15.02.1999 - 9 L 1269/97 -, juris Rn. 4). Eine Differenzierung nach dem Grad der Verdichtung durch Berücksichtigung eines Abflussbeiwertes, der ausdrückt, wieviel Regenwasser nach der Art der Befestigung regelmäßig abfließt, ist aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität nicht erforderlich (Nds. OVG, Urt. v. 24.09.1999 - 9 L 1269/97 -, juris Rn. 4; Brüning in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 6 Rn. 390, Stand: September 2017).

Grundsätzlich zutreffend hat die Beklagte das Verhältnis von privaten und öffentlichen abflusswirksamen Flächen berücksichtigt. Für die Kosten der Oberflächenentwässerung von öffentlichen Straßen, Wegen und Plätzen muss die öffentliche Hand, in der Regel der Träger der Straßenbaulast, einen verursachungsgerechten Anteil tragen. Da die Niederschlagswasserbeseitigungseinrichtung insoweit von der öffentlichen Hand selbst zu eigenen Entwässerungszwecken benutzt wird, kann die Gemeinde diese Kosten im Rahmen der Gebührenkalkulation nicht den sonstigen (privaten) Nutzern der Abwasseranlage überbürden (vgl. VG Düsseldorf, Urt. v. 28.11.2005 - 5 K 4179/02 -, juris Rn. 113). Dieser Anforderung ist im Rahmen einer öffentlichen Einrichtung Grundstücksentwässerung dadurch Rechnung zu tragen, dass die Kosten der Straßenoberflächenentwässerung als einrichtungsfremde Kosten nicht in die Kalkulation eingestellt werden dürfen, sondern von den Gesamtkosten der Niederschlagswasserbeseitigung abzuziehen sind (Nds. OVG, Beschl. v. 26.11.2008 - 9 LA 348/07 -, juris Rn. 7; vgl. Rosenzweig/Freese/ von Waldthausen, NKAG, § 5 Rn. 522, Stand: 3.2018). Dem ist die Beklagte gerecht geworden, indem sie im Rahmen einer öffentlichen Einrichtung zur Niederschlagswasserbeseitigung sowohl private abflusswirksame als auch öffentliche Verkehrsflächen ermittelt und von den Gesamtkosten der Niederschlagswasserbeseitigung, mit Ausnahme offensichtlich einmaliger zusätzlicher Personalkosten in den Kalkulationszeiträumen 2015 und 2016, die hälftig aufgeteilt wurden, nur einen Anteil entsprechend dem Flächenanteil der privaten Grundstückflächen berücksichtigt hat.

Die Gebührenkalkulationen für die streitgegenständlichen Jahre leiden jedoch unter beachtlichen Mängeln, da die Beklagte die Maßstabseinheiten als Kalkulationsgrundlage nicht hinreichend ermittelt hat. Trotz diesbezüglicher Rügen durch die Klägerin und einer entsprechenden Aufforderung durch die Kammer hat die Beklagte auch gegenüber dem Gericht nicht hinreichend nachvollziehbar erläutert, nach welcher Methode und zu welchem Zeitpunkt die in die Kalkulationen eingestellten Maßstabseinheiten ermittelt wurden und ob diese Ermittlung zu dem jeweiligen Kalkulationszeitpunkt ausreichend präzise und in dem gebotenen Umfang erfolgte.

Bei Einführung einer Sondergebühr für die Niederschlagswasserbeseitigung sind zuvor die befestigten und bebauten Flächen der Grundstücke, von denen Niederschlagswasser in die kommunale Abwasseranlage eingeleitet wird, zu ermitteln (vgl. Sächs. OVG, Urt. v. 27.03.2001 - 5 D 291/99 -, juris Rn. 46 ff.). Zu beachten ist insoweit, dass § 11 Abs. 1 Nr. 4 b) NKAG i. V. m. § 162 Abs. 1 und 2 AO zwar (nur) die Zulässigkeit von Schätzungen im Festsetzungsverfahren betrifft, nicht dagegen die Schätzung der Kalkulationsgrundlagen. Zum Zweck der Ermittlung der Maßstabseinheiten im Rahmen der Kalkulation begegnet jedoch der Ansatz von Schätzwerten im Abgabenrecht grundsätzlich ebenso wenig Bedenken wie die Heranziehung auf der Grundlage von Selbstauskünften (Brüning in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 6 Rn. 355a, Stand: September 2017; Lichtenfeld in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 6 Rn. 727, Stand: März 2018; OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 18.12.2007 - 9 A 3648/04 -, juris Rn. 42; vgl. auch BVerwG, Beschl. v. 19.12.2007 - 7 BN 6/07 -, juris Rn. 11). Nach § 11 Abs. 1 Nr. 3a NKAG i. V. m. §§ 90, 93 Abs. 1 Satz 1 AO ist es zulässig, Grundstückseigentümer aufzufordern, der Kommune die maßgeblichen Daten und etwaige Änderungen mitzuteilen.

Die Beklagte ist jedoch, auch wenn Schätzungen prinzipiell zulässig sind, ihrer Pflicht zur Ermittlung der Kalkulationsgrundlagen vor Einführung der Niederschlagswassergebühr nicht in ausreichender Weise nachgekommen. Zur Methodik und zum Umfang ihrer Ermittlungen hat sie lediglich pauschal erklärt, teilweise eigene Datenerhebungen durch Auswertung von Planunterlagen, Luftbildern sowie durch Ortsbesichtigungen durchgeführt und darauf fußend Schätzungen vorgenommen zu haben. Ab dem Jahr 2017 seien eingeholte Selbstauskünfte berücksichtigt worden, die auf Grundlage der seit dem 1. Januar 2015 nach § 10a Abs. 5 bis 7 AAS bestehenden Mitteilungspflicht der Grundstückseigentümer eingeholt wurden, ein externes Unternehmen sei mit der Erhebung der Objektdaten beauftragt worden, für die keine Selbstauskunft vorlag. Es begegnet keinen grundsätzlichen Bedenken, dass die Beklagte zur Reduzierung der mit der Erhebung der Daten für die Bemessungsgrundlage einhergehenden Kosten in dem Massenverwaltungsgeschäft auf eine Kombination verschiedener Ermittlungsmethoden zurückgegriffen hat. Es ist auch grundsätzlich nicht zu beanstanden, dass es in Einzelfällen zu Korrekturen der Werte in nachfolgenden Kalkulationsperioden kommen kann.

Die Kalkulationen leiden jedoch, jedenfalls für die Jahre 2015 und 2016, unter einem offensichtlichen Ermittlungsdefizit hinsichtlich der berücksichtigten Maßstabseinheiten. Bei Einführung der Gebühr lag offensichtlich keine ausreichende Ermittlung der Kalkulationsgrundlagen vor. Für das Jahr 2015 war die Beklagte zunächst von privaten Flächen von 600.000 m² ausgegangen, für das Jahr 2016 von 650.000 m², für das Jahr 2017 von 921.812 m² und für das Jahr 2018 von 944.226 m². Die jährliche Steigerung bei den privaten abflusswirksamen Flächen beträgt danach 8,3 v.H., 41,8 v.H. sowie 2,4 v.H. Innerhalb des streitgegenständlichen Zeitraums (2015 bis 2018) hat die Beklagte die der Kalkulation zugrunde gelegten privaten Flächen um 344.226 m² und damit um etwa 57,4 v.H. erhöht. Dass diese Steigerung auf tatsächliche Veränderungen wie eine erhöhte Bautätigkeit zurückzuführen ist, hat auch die Beklagte nicht vorgetragen; sie bestätigt vielmehr, dass dies auf die fortschreitende Erfassung bereits bei Einführung der Gebühr vorhandener abflusswirksamer Flächen zurückzuführen ist. In der mündlichen Verhandlung hat die Beklagte hierzu erläutert, dass die Schätzung privater Flächen stadtteilbezogen erfolgt sei. Hinsichtlich des Altstadtbereiches ist die von der Beklagten insoweit benannte Annahme einer nahezu 100 %igen Versiegelungsquote ohne weiteres plausibel, für anderen Flächen fehlen jedoch entsprechende Angaben, so dass es im Hinblick auf die dargestellten Abweichungen für das Gericht nicht nachvollziehbar ist, dass eine sachgerechte Schätzung erfolgt ist.

Dass der Umfang der in den Kalkulationen berücksichtigten abflusswirksamen Fläche insgesamt in den Jahren 2015 bis 2018 lediglich von 3.548.000 m² auf 3.662.564 m² und damit um 114.564 m² (3,2 v.H.) erhöht wurde, liegt an einer entsprechenden Verringerung des Umfangs der öffentlichen (Verkehrs-) Flächen. Auch dieser Anpassung hinsichtlich der öffentlichen Flächen liegen jedoch keine tatsächlichen Änderungen zugrunde, sondern die Beklagte hat ihre Schätzungen im Laufe der Jahre ebenfalls korrigiert. Aus welchem Grund dies erforderlich war, obwohl der Umfang der öffentlichen Flächen nach dem Vorbringen der Beklagten selbst anhand von Katasterauszügen nachvollziehbar sei, ist nicht ersichtlich. Diese Katasterdaten lagen der Beklagten bereits vor Einführung der Niederschlagswassergebühr vor. Erst mit Stand vom 31. Dezember 2015 wurde jedoch durch die Beklagte eine Versiegelungsflächenliste für die öffentlichen Flächen (Verkehrsflächen, ohne sonstige Grundstücksflächen öffentlicher Einrichtungen) erstellt, die der Kalkulation ab dem Gebührenjahr 2017 zugrunde gelegt wurde.

Auch wenn hinsichtlich der Niederschlagswasserbeseitigung kein Anschluss- und Benutzungszwang vorliegt, ist es nicht erkennbar, aus welchem Grund der Beklagten offenbar eine sachlich nachvollziehbare Schätzung weder der privaten Flächen noch der öffentlichen Flächen möglich war.

Bei einer Erfassung der privaten und öffentlichen Grundstücksflächen in dem Umfang, in welchem sie für das Gebührenjahr 2018 der Kalkulation zugrunde gelegt wurden (944.226 m² bzw. 2.718.338 m²) bereits in den Jahren 2015 und 2016, hätte sich dies auch maßgeblich auf die Gebührenhöhe ausgewirkt. Bei Berücksichtigung der kalkulierten Kosten aus der im gerichtlichen Verfahren vorgelegten Gebührenbedarfsberechnung 2015 (Bl. 30 f. der Gerichtsakte) mit Gesamtkosten von 2.427.702 EUR (davon 50 % von 135.100 EUR zusätzliche Personalkosten sowie nach Relation der Maßstabseinheiten 25,78 % von 2.292.602 EUR Abschreibungen, Zinsen und Sach- und Personalkosten) hätte dies zu einem Gebührensatz von 0,70 EUR/m² (0,6975 EUR/m²) geführt. Der Gebührensatz von 0,76 EUR/m² stellt daher eine Abweichung von + 8,57 % dar. Für die Kalkulationsperiode 2016 ergäbe sich unter Berücksichtigung der Kosten aus der Gebührenbedarfsberechnung 2016 (Bl. 33 f. der Gerichtsakte) mit Gesamtkosten von 2.376.679 EUR (davon 50 % von 127.100 EUR zusätzliche Personalkosten sowie nach Relation der Maßstabseinheiten 25,78 % von 2.249.579 EUR Abschreibungen, Zinsen und Sach- und Personalkosten) ein Gebührensatz von 0,68 EUR/m² (0,6815 EUR/m²). Demgegenüber stellt der Gebührensatz von 0,76 EUR/m² eine Abweichung von + 11,76 % dar. Dass die durch Nachveranlagungen zu dem erhöhten Gebührensatz von 0,76 EUR/m² erzielten und die kalkulierten Kosten damit übersteigenden Gebühreneinnahmen in späteren Kalkulationsperioden ausgeglichen werden, ergibt sich aus der Verpflichtung zum Ausgleich von Überdeckungen (Kostenüberschreitungsverbot), führt jedoch nicht zu einer – nachträglichen – Rechtfertigung der fehlerhaften Gebührenkalkulation.

Inwieweit dieses Ermittlungsdefizit in den weiteren streitgegenständlichen Kalkulationsperioden 2017 und 2018 ausgeräumt wurde und eine wirklichkeitsnähere Schätzung der Maßstabseinheiten erfolgt ist, kann durch das Gericht nicht festgestellt werden. Die Beklagte hat insoweit die erheblichen Einwendungen der Klägerin nicht ausgeräumt, sie hat auch auf die Aufklärungsverfügung des Gerichts hierzu keinerlei aussagekräftige Unterlagen vorgelegt und nicht nachvollziehbar dargetan, dass die Maßstabseinheiten bei Aufstellung der jeweiligen Kalkulationen abschließend oder annähernd abschließend erfasst gewesen wären.

(2) Die Gebührenkalkulationen sind überdies rechtswidrig im Hinblick auf das Verhältnis der Niederschlagswassergebühr zu Einleitungen von Grund- und Drainagewasser und den Einleitungsgebühren gemäß der Abwasserabgabensatzung der Beklagten. Es fehlt an der für eine rechtmäßige Kalkulation der Gebühren erforderlichen Ermittlung der jeweiligen Kosten, die für die Einleitung von Niederschlagswasser und der Einleitung von Grund- und Drainagewasser anfallen. Dies ergibt sich aus Folgendem:

Die Beklagte betreibt eine öffentliche Einrichtung zur Beseitigung von Niederschlagswasser, welche sowohl der Beseitigung von Niederschlagswasser als auch der Beseitigung von sonstigem in die Kanalisation eingeleitetem Wasser, z. B. Drainagewasser, dient (§ 1 Abs. 2 i. V. m. § 2 Abs. 2 ABS). Gemäß § 10b Abs. 1 AAS in der Fassung der Änderungssatzung vom 27. November 2014 (ABl. des Landkreises Celle Nr. 55 vom 04.12.2014, S. 568 ff.) erhebt die Beklagte neben der Niederschlagswassergebühr Gebühren für die Einleitung in die öffentlichen Abwasseranlagen aus Grundwassersanierungen oder aus Wasserhaltungen:

„§ 10b Gebührenmaßstab für die Einleitung von Grund- und Drainagewasser
(1) Für die Einleitung von Wassermengen aus Grundwassersanierungen oder aus Wasserhaltungen werden Gebühren erhoben. Die Gebühren werden nach den Wassermengen berechnet, die in die öffentlichen Abwasseranlagen gelangen. Als in die öffentliche Abwasseranlage gelangt, gilt die durch geeichte Messeinrichtungen, die dem Volumenstrom angepasst sind, festgestellte Wassermenge. Berechnungseinheit für die Gebühr ist ein Kubikmeter (m³) Wassermenge. § 10 Abs. 4 gilt entsprechend.
(2) …“

Nach § 10b Abs. 1 Satz 5 i. V. m. § 10 Abs. 4 AAS muss der Gebührenpflichtige die eingeleiteten Mengen durch Wasserzähler nachweisen, die er auf seine Kosten durch einen Beauftragten der Beklagten einbauen lassen muss.

Einen eigenen Gebührensatz hatte die Beklagte für die nach § 10b AAS zu erhebende Gebühr zunächst nicht bestimmt. Erst mit Wirkung ab dem 1. Januar 2017 setzte die Beklagte einen Gebührensatz für die Einleitung von Grund- und Drainagewasser in die Niederschlagswasserkanalisation fest. Dieser betrug in den Jahren 2017 und 2018 gemäß § 11 Abs. 1 AAS jeweils 1,37 EUR je Kubikmeter (Änderungssatzung vom 26. Oktober 2016, ABl. des Landkreises Celle Nr. 65 vom 14.12.2016, S. 632; Änderungssatzung vom 28. September 2017, ABl. des Landkreises Celle Nr. 57 vom 16.11.2017, S. 491). Zudem wurde mit Wirkung zum 1. Januar 2017 die Vorschrift des § 11 Abs. 1 AAS „Gebührensätze“ in Satz 2 um folgende Regelung ergänzt:

„Die Berechnung der Gebühr für die eingeleitete Menge Grund- und Drainagewasser in die Niederschlagswasserkanalisation erfolgt analog § 11 Abs. 5 Satz 2 bezogen auf den Niederschlagswassergebührensatz.“

Der in Bezug genommene § 11 Abs. 5 AAS lautet in der bis zum 31. Dezember 2016 geltenden Fassung der Änderungssatzung vom 20. Dezember 2013 (ABl. des Landkreises Celle Nr. 54 vom 23.12.2013, S. 439):

„(5) Einleitung von Oberflächenwasser in den Schmutzwasserkanal:
Ist verschmutztes Oberflächenwasser von Grundstücken wegen seiner Belastung in die zentrale Abwasserbeseitigungsanlage – auch über Abscheider – einzuleiten, wird eine Abwasserbeseitigungsgebühr nach dem Gebührensatz des § 11 Absatz 1 je angefangenem Kubikmeter des eingeleiteten Oberflächenwassers erhoben.
Die Abwassergebühr wird in diesen Fällen nach der überbauten und befestigten Fläche berechnet, von der Niederschlagswasser in den Schmutzwasserkanal gelangt. Die Gebühr wird nach folgender Formel berechnet: durchschnittliche Jahresniederschlagsmenge pro m² abzüglich 30 % Verdunstung x überbaute und befestigte Fläche x Gebührensatz gem. § 11 Absatz 1.“

Mit Wirkung zum 1. Januar 2017 wurde § 11 Abs. 5 Satz 3 AAS durch Änderungssatzung vom 26. Oktober 2016 (Abl. des Landkreises Celle Nr. 65 vom 14.12.2016, S. 633) geändert, indem die Formulierung „Gebührensatz gem. § 11 Absatz 1“ durch „Gebührensatz Schmutzwasser gem. § 11 Absatz 1“ ersetzt wurde.

Der in § 10b Abs. 1 Satz 4 AAS enthaltene Verweis auf § 10 Abs. 4 AAS (Messung durch Wasserzähler) blieb neben dieser Regelung erhalten.

Die Beklagte hat durch die Festlegung jeweils eines eigenen Gebührenmaßstabes für die Beseitigung von Niederschlagswasser und für die Einleitung von Grund- und Drainagewasser sowie jeweils eines eigenen Gebührensatzes hierfür jedenfalls für 2017 und 2018 zwei unterschiedliche Gebühren für die Inanspruchnahme der einheitlichen öffentlichen Einrichtung zur Niederschlagswasserbeseitigung geschaffen. Es ist grundsätzlich zulässig, anstelle einer Einheitsgebühr für die Inanspruchnahme einer einheitlichen öffentlichen Einrichtung auch Sondergebühren für die Nutzung von Teilleistungen zu erheben (Schulte/Wiesemann in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 6 Rn. 209, Stand: September 2004).

In dem Fall, dass Sondergebühren für die Benutzung einer einheitlichen öffentlichen Einrichtung erhoben werden, ist jedoch eine eigenständige Kalkulation jeder Gebühr mit entsprechender sachgerechter Aufteilung der Kosten und unter Ansatz der jeweiligen Maßstabseinheiten erforderlich (Nds. OVG, Urt. v. 17.07.2012 - 9 LB 187/09 -, juris Rn. 57; Schulte/Wiesemann in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 6 Rn. 211a, 211b, Stand: September 2002). Bei der Kalkulation der Niederschlagswassergebühr muss ohnehin, unabhängig davon, ob für die Einleitung von Grund- und Drainagewasser tatsächlich eine eigenständige Gebühr erhoben wird, berücksichtigt werden, ob die Niederschlagswasserbeseitigungseinrichtung bestimmungsgemäß auch durch sonstige Einleitungen genutzt wird. Es muss ermittelt werden, wie groß die Menge des eingeleiteten „sonstigen Wassers“ voraussichtlich sein wird und welchen Anteil diese Menge am gesamten in die Niederschlagswasserkanäle gelangten Abwasser hat. Sodann muss ein diesem Anteil entsprechender Teil der Kosten, die für Niederschlagswasserkanäle prognostiziert werden, errechnet und allein dem „sonstigen Wasser“ zugeordnet werden (Nds. OVG, Urt. v. 24.09.2013 - 9 LB 22/11 -, juris Rn. 65). Dagegen ist Grundwasser, welches als sogenanntes Fremdwasser, etwa über poröse Schächte oder bei Schlagregen über notwendige Lüftungsöffnungen, eindringt oder welches satzungswidrig eingeleitet wird, grundsätzlich nicht zu berücksichtigen. Die Kosten für die Beseitigung dieses Fremdwassers, die keinem Benutzer zugeordnet werden können, können als betriebsbedingte Kosten auf alle Benutzer der Abwasserbeseitigungseinrichtung umgelegt werden. Jedenfalls soweit die Kosten dieser Fehlnutzung geringfügig sind und nicht auf einer unwirtschaftlichen Betriebsführung beruhen, stehen sie als Kosten für betriebliche Erschwernisse im Zusammenhang mit dem Betrieb der Abwasserbeseitigungseinrichtung, weil sich das Eindringen technisch nicht gänzlich vermeiden lässt (Nds. OVG, Urt. v. 24.03.2014 - 9 LC 191/11 -, juris Rn. 43; Rosenzweig/Freese/von Waldthausen, NKAG, § 5 Rn. 505 ff., Stand: 3.2018).

Entgegen den vorgenannten Anforderungen hat die Beklagte nur eine Kalkulation des Gebührensatzes für die Niederschlagswasserbeseitigung erstellt und in dieser soweit ersichtlich die Kosten der öffentlichen Niederschlagswasserbeseitigungseinrichtung vollständig einbezogen. Die Beklagte hat bei dieser Kalkulation der Niederschlagswassergebühr die Inanspruchnahme der Niederschlagswasserbeseitigungseinrichtung durch bestimmungsgemäße Einleitung von Grund- und Drainagewasser nicht berücksichtigt und keine Aufteilung der Kosten der Einrichtung im Hinblick auf die verschiedenen Benutzungsarten vorgenommen, d.h. sie hat keinen Kostenanteil für die Beseitigung von zu erwartenden Grund- und Drainagewassereinleitungen abgezogen. Es fand weder eine Prognose der Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung auf der Grundlage abgelesener Messeinheiten (§ 10 Abs. 4 AAS) noch nach Ermittlung flächenbezogener Ausgangswerte (§ 11 Abs. 5 Satz 2 AAS) statt. Die Kosten der öffentlichen Einrichtung wurden – bezogen auf den jeweiligen Kalkulationszeitraum – prognostisch allein der Niederschlagswasserbeseitigung zugeordnet. Die fehlende Aufteilung der Kosten der öffentlichen Einrichtung und das Unterlassen der Zuordnung von Kostenanteilen zur Beseitigung von Grund- und Drainagewasser wirkt sich auch auf die Höhe der Niederschlagswassergebühr aus. Die durch die Gebührenpflichtigen der Niederschlagswassergebühr zu refinanzierenden Kosten würden bei einer Kostenaufteilung sinken.

Im Übrigen begegnet die Methodik der Gebührensatzermittlung für die Grund- und Drainagewassergebühr für die Jahre 2017 und 2018 durchgreifenden Bedenken. Dies wirkt sich auch auf die Rechtmäßigkeit der Kalkulation der Niederschlagswassergebühr aus.

Nach § 11 Abs. 1 Satz 2 AAS erfolgt die Berechnung der Gebühr für die eingeleitete Menge Grund- und Drainagewasser in die Niederschlagswasserkanalisation analog § 11 Abs. 5 Satz 2 AAS bezogen auf den Niederschlagswassergebührensatz. Bei dem Verweis auf § 11 Abs. 5 Satz 2 AAS handelt es sich offensichtlich um ein redaktionelles Versehen, da die Gebühr für die Einleitung von Grund- und Drainagewasser je m³ eingeleitete Menge erhoben wird, der in Bezug genommene § 11 Abs. 5 Satz 2 AAS jedoch die Berechnung der Abwassergebühr nach der überbauten und befestigten Fläche regelt. Der Verweis dürfte sich vielmehr auf die Regelung in § 11 Abs. 5 Satz 3 AAS beziehen, so dass sich der in § 11 Abs. 1 AAS festgesetzte Gebührensatz für die Einleitung von Grund- und Drainagewasser je m³ bei Einleitung in die Niederschlagswasserkanalisation als Volumentarif über die Formel „flächenabhängige Gebühr : Jahresmittel Niederschlag abzüglich Verdunstung“ ergibt (vgl. Vermerk des Leiters Verwaltung Stadtentwässerung vom 10. September 2019, Bl. 48 f. der Gerichtsakte, sowie die Erläuterungen der Beklagten in der mündlichen Verhandlung).

Bei der Ableitung des Satzes einer (Sonder-)Gebühr aus dem Gebührensatz einer anderen Gebühr für die Nutzung derselben öffentlichen Einrichtung, bei welchem die gesamten prognostizierten Kosten dieser Einrichtung bereits berücksichtigt wurden, kommt es jedoch zu einer geplanten Kostenüberdeckung für die öffentliche Einrichtung in diesem Kalkulationszeitraum. Dies stellt keine prognosebedingte Abweichung mehr dar. Unter Beachtung des Kostenüberschreitungsverbotes (vgl. Rosenzweig/Freese/von Waldthausen, NKAG, § 5 Rn. 109, Stand:3.2018) müsste die prognostizierte Erhebung der Grund- und Drainagewassergebühr nach dem für diese Gebühr satzungsmäßig festgelegten Gebührensatz wiederum zu einer Reduzierung des bereits kalkulierten Gebührensatzes der Niederschlagswassergebühr führen. Dieser Widerspruch lässt sich jedoch nicht auflösen, ohne dass die Beklagte den prognostizierten Umfang der Inanspruchnahme durch Grund- und Drainagewassereinleitungen kalkulatorisch berücksichtigt.

Die Beklagte ist diesem methodischen Problem in anderer Weise begegnet, die jedoch ebenfalls rechtlichen Bedenken begegnet. Im Rahmen der Gebührenbedarfsrechnung für den Kalkulationszeitraum 2018 hat die Beklagte bei der Kostenermittlung einmalig einen Betrag von 10.000 EUR als „Erlöse Einleitung Grund- und Drainagewasser“ kostenmindernd berücksichtigt. Nach den Erläuterungen in der mündlichen Verhandlung stammen diese Erlöse aus einem vorhergehenden Kalkulationszeitraum und es soll bestimmungsgemäß so verfahren werden, dass Erlöse aus der Grund- und Drainagewassergebühr jeweils in nachfolgenden Kalkulationsperioden kostenmindernd verrechnet werden. Zum einen ist bereits nicht ersichtlich, nach welchem Maßstab und Gebührensatz diese Erlöse erzielt wurden und ob damit eine Aufteilung von Kosten nach sachgerechten Kriterien erfolgt ist oder erfolgen konnte. Zum anderen ist zu berücksichtigen, dass bei der Vorgehensweise der Beklagten planmäßige Überdeckungen lediglich nachträglich ausgeglichen werden. Einen periodenübergreifenden Ausgleich von Über- oder Unterdeckungen hat der Gesetzgeber nach § 5 Abs. 2 Satz 3 NKAG jedoch nur für prognosebedingte Abweichungen aufgrund der mit jeder Prognose verbundenen Unwägbarkeiten vorgesehen (vgl. Rosenzweig/Freese/von Waldthausen, NKAG, § 5 Rn. 190, 195, Stand: 3.2018). Geplante Überdeckungen führen dagegen wegen des Verstoßes gegen das Gebot der Periodengerechtigkeit der Kosten (vgl. Brüning in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 5 Rn. 92 ff., Stand: September 2014) zur Nichtigkeit der Gebührensatzregelung (Brüning in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 5 Rn. 104, Stand: September 2018).

Bei der Kalkulation des Gebührensatzes für die Einleitung von Niederschlagswasser liegt damit ein methodischer Fehler vor, der zur Unwirksamkeit des Gebührensatzes führt. Es kommt nicht darauf an, ob die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 Satz 3 NKAG erfüllt sind, wonach eine Fehlerkorrektur nur bei Überschreiten einer Toleranzgrenze von 5 v.H. erfolgt, da diese nur auf versehentliche Kalkulationsfehler (vgl. hierzu Rosenzweig/Freese/von Waldthausen, NKAG, § 2 Rn. 67 ff., Stand: 11.2018) Anwendung findet (Nds. OVG, Urt. v. 24.09.2013 - 9 LB 22/11 -, juris Rn. 66).

2.

Die Gebührenbescheide der Beklagten sind überdies bereits deshalb rechtswidrig, weil die Abwasserabgabensatzung der Beklagten entgegen § 2 Abs. 1 Satz 2 NKAG keine Regelung zum Zeitpunkt des Entstehens und keine hinreichend bestimmte Regelung zum Zeitpunkt der Fälligkeit der Gebührenschuld trifft. Dies führt nach dem Rechtsgedanken des § 139 BGB (vgl. Nds. OVG, Urt. v. 30.11.2009 - 9 LB 415/07 -, juris Rn. 29) nicht zu einer Gesamtunwirksamkeit der Abgabensatzung, aber jedenfalls dazu, dass eine Gebührenschuld – selbst wenn die Bestimmung des Gebührensatzes nicht unter den dargestellten Mängeln litte – nicht entstehen kann und die gegenüber der Klägerin festgesetzte Gebühr daher noch nicht entstanden ist.

a) Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2 NKAG soll die Abgabensatzung unter anderem die Entstehung der Abgabenschuld bestimmen. Eine ausdrückliche Regelung dieses Punktes ist notwendiger Bestandteil der Gebührensatzung, da kein hinreichender sachlicher Grund besteht (vgl. hierzu Begründung zum Gesetzentwurf vom 28.06.2006, LT-Drs. 15/3000, S. 14), der im vorliegenden Fall eine Abweichung erforderte. An einer solchen Regelung für die Niederschlagswassergebühr fehlt es in der Abgabensatzung der Beklagten.

Bei einer dauernden Inanspruchnahme einer öffentlichen Einrichtung ist zunächst die Festlegung eines Zeitintervalls, für welches die Gebühr für die Benutzung dieser Einrichtung jeweils anfallen und entstehen soll, notwendig (vgl. Lichtenfeld in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 6 Rn. 721a, Stand: März 2019). Die Beklagte hat dementsprechend in nicht zu beanstandender Weise in § 14 Abs. 1 Satz 1 AAS das Kalenderjahr als Erhebungszeitraum für die Abwassergebühren bestimmt.

Um den Zeitpunkt des Entstehens für den jeweiligen Erhebungszeitraum zu fixieren und damit Zweifel auszuräumen, unter welchen Voraussetzungen die Abgabenforderung entsteht (vgl. Rosenzweig/Freese/von Waldthausen, NKAG, § 2 Rn. 52, Stand: 11.2018), soll darüber hinaus gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2 NKAG auch dieser Entstehungszeitpunkt in der Satzung konkret bestimmt werden. Jedenfalls dann, wenn die Gebührenschuld vor Ende des Erhebungszeitraumes entstehen soll (antizipierte Gebühr), bedarf es einer ausdrücklichen Regelung des Entstehungszeitpunktes in der Gebührensatzung (Nds. OVG, Beschl. v. 20.03.1997 - 9 L 2554/95 -, juris Rn. 3; anders für monatliche Kindergartengebühren: Nds. OVG, Urt. v. 15.09.1997 - 9 L 4663/95 -, juris Rn.27; Urt. v. 23.11.1994 - 9 L 2038/94 -, juris Rn. 23). Es kann vorliegend dahinstehen, ob eine Bestimmung des Zeitpunkts des Entstehens der Benutzungsgebühr auch dann notwendig ist, wenn dieser am Ende des Erhebungszeitraumes liegt und der Gebührentatbestand somit mit der abgeschlossenen Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung im Sinne von § 11 Abs. 1 Nr. 2b NKAG i. V. m. § 38 Abgabenordnung – AO – verwirklicht ist (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 15.04.1993 - 9 M 5550/92 -, juris Rn. 2; Rosenzweig/Freese/von Waldthausen, NKAG, § 5 Rn. 55, Stand: 3.2018). Denn nach den Satzungsbestimmungen der Beklagten soll die Gebührenforderung bereits vor Ende des Erhebungszeitraumes fällig werden. Fällig werden kann aber nur eine bereits entstandene Abgabenschuld, so dass bei vorgezogener Fälligkeit auch das Entstehen der Gebührenschuld vor Ablauf des Erhebungszeitraums zwingend notwendig ist (Nds. OVG, Beschl. v. 18.12.2006 - 9 LA 158/03 -, juris Rn. 4; Beschl. v. 15.04.1993 - 9 M 5550/92 -, juris Rn. 2). Andernfalls könnten vor Ablauf des Erhebungszeitraums nur (vorläufige) Abschlagszahlungen festgesetzt werden (vgl. Lichtenfeld in: Driehhaus, Kommunalabgabenrecht, § 6 Rn. 769, Stand: März 2014).

Die Abgabensatzung der Beklagten trifft Bestimmungen zur Fälligkeit vor Ende des Erhebungszeitraumes in § 14 sowie in § 15 Abs. 5 und 6 AAS in der Fassung der Änderungssatzung vom 18. Juni 2015 (rückwirkend in Kraft getreten zum 1. Januar 2015, ABl. des Landkreises Celle Nr. 26 vom 25.06.2015, S. 232):

„§ 14 Erhebungszeitraum und Entstehen der jährlichen Gebührenpflicht

(1) Erhebungszeitraum ist das Kalenderjahr. Die Niederschlagswassergebühr wird mit Beginn des Kalenderjahres fällig, die Schmutzwassergebühr mit Ablauf des Kalenderjahres.

(2) Soweit die Gebühr nach den durch Wassermesser ermittelten Wassermengen erhoben wird (§ 10 Abs. 2a), gilt die Ableseperiode für den Wasserverbrauch als Erhebungszeitraum.

§ 15 Veranlagung und Fälligkeit

(5) Die Niederschlagswassergebühr kann mit anderen Grundstücksabgaben erhoben werden. Sie wird am 15.02.; 15.05.; 15.08. und am 15.11. zu je einem Viertel des Jahresbetrages fällig. Entsteht oder ändert sich die Gebührenpflicht im Laufe des Kalendervierteljahres, so ist die für dieses Kalendervierteljahr zu entrichtende Gebühr innerhalb eines Monats nach Heranziehung zu entrichten.

(6) Auf Antrag kann die Zahlung der Niederschlagswassergebühr in einem Betrag mit Fälligkeit 01. Juli eines Jahres erfolgen. Ferner wird die Niederschlagswassergebühr für Kleinbeträge bis 50,00 € als Jahresgebühr zum 01. Juli eines Jahres fällig. In diesen Fällen sind schon die Gebühren bei Gebührenänderungen nach dem 01. Juli innerhalb eines Monats nach Heranziehung zu leisten.“

Zwar sind die in der Satzung bestimmten Zeitpunkte für den Eintritt der Fälligkeit der Niederschlagswassergebühr dem Wortlaut nach bereits widersprüchlich, da einerseits auf den Beginn des Erhebungszeitraums und andererseits auf vierteljährliche Zeitpunkte abgestellt wird. Es wird jedoch jedenfalls ein Entstehen der Gebührenschuld vor Ende des Erhebungszeitraums, d.h. des Kalenderjahres, vorausgesetzt.

Aus diesem Grund fehlt eine Regelung zur Vorverlegung des Entstehungszeitpunktes der Niederschlagswassergebühr in der Satzung. Weder treffen §§ 14, 15 AAS – entgegen der Angabe in der Überschrift des § 14 AAS – eine Regelung zum Entstehungszeitpunkt der Gebührenschuld, noch lässt sie sich anderen Normen der Satzung entnehmen. In § 13 „Entstehen und Dauer der gebührenpflichtigen Inanspruchnahme“ sind Bestimmungen zu Beginn und Ende der gebührenpflichtigen Inanspruchnahme der Abwasserbeseitigungseinrichtungen enthalten, die die abstrakte Gebührenpflicht betreffen und damit von einer Regelung zum Zeitpunkt des Entstehens der Gebührenschuld für den einzelnen Erhebungszeitraum zu unterscheiden sind.

Eine Regelung zum Zeitpunkt der Entstehung der Gebührenschuld kann den Normen der Gebührensatzung, insbesondere § 14 AAS, auch nicht im Wege der Auslegung entnommen werden. Im Hinblick darauf, dass die Satzung neben einer Regelung zum Erhebungszeitraum mehrere, unterschiedliche Zeitpunkte festlegende und sich daher widersprechende Bestimmungen zur Fälligkeit der Gebührenschuld enthält, ist es denkbar, dass die Beklagte mit einer dieser Regelungen, nämlich § 14 Abs. 1 Satz 2 AAS, eine Normierung des Entstehungszeitpunktes beabsichtigte.

Eine derartige Auslegung des § 14 Abs. 1 Satz 2 AAS ist jedoch nicht möglich. Der eindeutige Wortlaut der Satzungsbestimmung mit der Verwendung des Begriffes der „Fälligkeit“ sowie die unterschiedlichen normativen Bedeutungen des Entstehens der Gebührenschuld einerseits und der Fälligkeit der Gebührenforderung andererseits stehen einer derartigen Auslegung und Interpretation entgegen (vgl. zum Wortlaut und dem erkennbaren Willen des Gesetzgebers als Grenze der Auslegung: BVerwG, Urt. v. 20.02.2020 - 1 C 19/19 -, juris Rn. 45; BVerfG, Beschl. v. 25.01.2011 - 1 BvR 918/10 -, juris Rn. 53). Die Fälligkeit einer Forderung kann mit ihrer Entstehung zeitlich zusammenfallen, dies ist jedoch nicht zwingend. Der Zeitpunkt des Entstehens der Gebührenschuld ist nach der Vorstellung des Landesgesetzgebers jedenfalls unabhängig von der Bestimmung des Zahlungszeitpunktes, etwa entsprechend § 5 Abs. 5 Satz 3 NKAG, durch den Satzungsgeber zu regeln (vgl. Begründung zum Gesetzentwurf v. 31.10.1991, LT-Drs. 12/2275, S. 28). Der Rahmen des Gebrauchs des Begriffs „Fälligkeit“ mag im Bereich der Alltagssprache weiter zu ziehen sein, bei der Verwendung in einer Abgabensatzung ist jedoch der Bestimmtheitsgrundsatz zu beachten, der vom Normgeber verlangt, die Rechtsvorschriften so genau zu fassen, wie dies nach der Eigenart der zu regelnden Sachverhalte mit Rücksicht auf den Normzweck möglich ist (vgl. Rosenzweig/Freese/von Waldthausen, NKAG, § 4 Rn. 53, Stand. 11.2018). Nach dem auf dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) beruhenden und insbesondere im Abgabenrecht bedeutsamen verfassungsrechtlichen Gebot der Normenklarheit und -bestimmtheit müssen Abgaben begründende Tatbestände so geregelt sein, dass der Abgabepflichtige die auf ihn entfallende Abgabenlast im Voraus bestimmen kann. Die bloße Auslegungsbedürftigkeit einer Vorschrift oder die Verwendung eines unbestimmten Rechtsbegriffes nimmt der Vorschrift zwar nicht die notwendige Bestimmtheit (vgl. BVerfG, Beschl. v. 18.05.1988 - 2 BvR 579/84 -, juris Rn. 27). Dem Norminhalt muss jedoch eine eindeutige, unmissverständliche und ohne weiteres nachvollziehbare Regelungsaussage entnommen werden können, die insbesondere nicht in sich widersprüchlich sein darf (Nds. OVG, Urt. v. 26.01.2015 - 9 KN 309/13 -, juris Rn. 34). Die Rechtslage muss für den Betroffenen erkennbar sein und er muss sein Verhalten danach ausrichten können (vgl. Rosenzweig/Freese/von Waldthausen, NKAG, § 4 Rn. 54 m.w.N., Stand: 11.2018). Der Grad der von Verfassungs wegen geforderten Bestimmtheit einer Norm hängt insoweit sowohl von der Eigenart des geregelten Sachverhalts und den jeweiligen (Grundrechts-) Auswirkungen der Regelung für die Betroffenen als auch von der Art und Intensität des zugelassenen behördlichen Eingriffs ab; in Bezug auf Gebührensatzungen muss der Gebührenschuldner die Höhe der zu erwartenden Gebührenlast anhand der normativen Festlegungen im Wesentlichen abschätzen können. (Nds. OVG, Urt. v. 20.11.2014 - 13 LB 54/12 -, juris Rn. 78).

Diesen Anforderungen würde eine Auslegung des Begriffes der „Fälligkeit“ in § 14 Abs. 1 Satz 2 AAS mit der Bedeutung des „Entstehens“ der Gebührenschuld nicht gerecht werden.

Der Begriff der „Fälligkeit“ ist im Niedersächsischen Kommunalabgabengesetz nicht definiert; hierunter wird jedoch allgemein der Zeitpunkt verstanden, ab dem der Gläubiger die Leistung vom Schuldner verlangen kann (vgl. Nds. OVG, Urt. v. 14.03.1989 - 9 A 57/88 -, juris Rn. 19; Holtbrügge in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 2 Rn. 97, Stand: September 2011). Dies ergibt sich auch aus § 271 BGB (vgl. Hau/Poseck in: BeckOK BGB, § 271 Rn. 2, Stand: 01.05.2020), der im öffentlichen Recht entsprechend anwendbar ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 28.10.1981 - 8 C 4/81 -, juris Rn. 24). Die Vorschrift des § 220 AO, auf den § 11 NKAG hinsichtlich der kommunalen Abgaben allerdings nicht verweist, verwendet den Begriff der „Fälligkeit“ ebenfalls mit der genannten Bedeutung (vgl. Loose in: Tipke/Kruse, Abgabenordnung, § 220 Rn. 1, Stand: Februar 2019).

Von der Fälligkeit ist im Abgabenrecht der Zeitpunkt des Entstehens einer Forderung zu unterscheiden. Das Entstehen einer Abgabenforderung ist Voraussetzung für ihre Festsetzung (Drüen in: Tipke/Kruse, Abgabenordnung, § 38 Rn. 10, Stand: Februar 2011). Ab diesem Zeitpunkt kann die Forderung daher durch Bescheid geltend gemacht werden, ohne dass bereits Fälligkeit eingetreten sein muss und sofort Zahlung verlangt werden kann (vgl. Holtbrügge in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 2 Rn. 96 f., Stand: September 2011). Vor der Entstehung kann die Abgabenforderung nicht erfüllt werden und sie kann nicht fällig werden (Drüen in: Tipke/Kruse, Abgabenordnung, § 38 Rn. 12, Stand: Februar 2011). Zu beachten ist, dass der Zeitpunkt des Entstehens entscheidend für die Frage ist, ob tatsächliche und rechtliche Veränderungen die Höhe der Gebührenforderung beeinflussen können (vgl. Rosenzweig/Freese/von Waldthausen, NKAG, § 5 Rn. 57, Stand: 3.2018; VG Stade, Urt. v. 17.04.2002 - 1 A 1591/00 -, juris Rn. 14); ist die Gebühr bereits zu Beginn des Erhebungszeitraums entstanden, führen Veränderungen rechtlicher oder tatsächlicher Natur während des Erhebungszeitraums nicht zu einer Änderung der Gebührenschuld (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 18.12.2006 - 9 LA 158/03 -, juris Rn. 5; VG Göttingen, Urt. v. 23.02.2011 - 3 A 170/09 -, juris Rn. 13).

Da der Begriff des Entstehens der Gebührenschuld einerseits und der Begriff der Fälligkeit andererseits mit der dargestellten spezifischen Bedeutung verwendet werden, würde eine Auslegung des § 14 Abs. 1 Satz 2 AAS entgegen dem Wortlaut das Gebot der Normenklarheit und -bestimmtheit verletzen. Auch wenn eine satzungsmäßige Festlegung des Inhalts, dass die Gebührenforderung am Anfang des Erhebungszeitraumes entstehen soll, zulässig und im Gefüge der übrigen Satzungsbestimmungen möglicherweise sinnvoll gewesen wäre, wäre mit einer entsprechenden Auslegung gegen den Wortlaut der Vorschrift der noch zulässige Bereich der Norminterpretation verlassen.

Einer derartigen über den Wortlaut hinausgehenden Auslegung steht zudem bereits entgegen, dass die Beklagte mit einer Satzungsänderung zum 1. Januar 2015 (Änderungssatzung vom 16. Juni 2015, ABl. des Landkreises Celle Nr. 26 vom 25.06.2015, S. 232) die zunächst in § 14 Abs. 1 Satz 2 AAS enthaltene Regelung des Entstehens der Gebührenschuld ausdrücklich aufgegeben und durch die zitierte Fälligkeitsregelung ersetzt hat. In der bis zum 31. Dezember 2014 geltenden Fassung lautete die Vorschrift des § 14 Abs. 1 AAS (ABl. des Landkreises Celle Nr. 16 vom 06.12.1995, S. 234):

„§ 14 Erhebungszeitraum und Entstehen der jährlichen Gebührenpflicht

(1) Erhebungszeitraum ist das Kalenderjahr, mit dessen Ablauf die Gebührenschuld entsteht.“

Auch der Begründung der Beschlussvorlage zu der Änderungssatzung vom 16. Juni 2015, die zur Änderung des § 14 AAS geführt hat, ist nicht zu entnehmen, dass die Beklagte eine Regelung zum Entstehen der Gebührenschuld treffen wollte. Im erläuternden Teil der Beschlussvorlage ist ausdrücklich die Fälligkeit als Regelungsgegenstand bezeichnet (Beschlussvorlage Nr. 179/15 des Rates des Beklagten zur Satzung zur Änderung der Satzung der Stadt Celle über die Erhebung von Beiträgen, Gebühren und Kostenerstattungen für die Abwasserbeseitigung (Abgabensatzung für die Abwasserbeseitigung) vom 28.09.1983 in der Fassung der Änderungssatzung vom 27.11.2014, abrufbar über das Ratsinformationssystem der Beklagten, vgl. Anlage 3 zur Sitzungsniederschrift).

b) Die Abwasserabgabensatzung ist darüber hinaus mangels wirksamer Fälligkeitsbestimmungen für die Niederschlagswassergebühr teilweise unwirksam.

Neben der Entstehung soll gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2 NKAG auch der Zeitpunkt der Fälligkeit der Gebührenschuld satzungsmäßig bestimmt werden. Da § 11 NKAG nicht auf § 220 AO verweist, der eine gesetzliche Regelung der Fälligkeit von Abgabenforderungen enthält, ist eine Bestimmung zur Fälligkeit der Gebührenschuld in jedem Fall erforderlich (vgl. Rosenzweig/Freese/von Waldthausen, NKAG, § 2 Rn. 55, § 11 Rn. 145, Stand: 11.2018). Ohne wirksame Fälligkeitsregelung ist die Satzung insoweit nichtig (vgl. Holtbrügge in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 2 Rn. 97, Stand: September 2011).

Die Regelugen der §§ 14, 15 AAS enthalten wie dargestellt widersprüchliche Regelungen zum Zeitpunkt der Fälligkeit. Es fehlt daher an einer dem rechtsstaatlichen Gebot der Normenklarheit und -bestimmtheit entsprechenden Satzungsnorm. Der Gesamtheit der Regelungen kann zwar entnommen werden, dass die Fälligkeit bereits während des Erhebungszeitraums eintreten soll. Eine eindeutige Regelung hat die Beklagte in der Abwasserabgabensatzung jedoch nicht getroffen. Im Hinblick auf den Bestimmtheitsgrundsatz spricht daher Überwiegendes dafür, dass der Fälligkeitszeitpunkt auch nicht im Wege der Auslegung durch Außerachtlassen der Satzungsbestimmung des § 14 Abs. 1 Satz 2 AAS und „Reduzierung“ auf die späteren, in § 15 Abs. 5 AAS bestimmten vierteljährlichen Zeitpunkte, ermittelt werden kann.

3.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 709 Satz 2, 711 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Berufung gemäß § 124a Abs. 1 i. V. m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder 4 VwGO durch das Verwaltungsgericht liegen nicht vor.