Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 15.04.1993, Az.: 9 M 5550/92
Abfallentsorgung; Entstehungszeitpunkt (Abgabenschulden); Erhebungszeitraum; Gebührenfestsetzung
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 15.04.1993
- Aktenzeichen
- 9 M 5550/92
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 1993, 24669
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:1993:0415.9M5550.92.0A
Rechtsgrundlagen
- NKAG 11 I Nr 2b
- NKAG 5 I
Amtlicher Leitsatz
Eine Gebührenfestsetzung vor Ende des Erhebungszeitraumes ist bei regelmäßig wiederkehrender (Dauer-)Benutzung einer öffentlichen Einrichtung ausgeschlossen, es sei denn, eine ortsrechtliche Regelung bestimmt einen vorgezogenen Zeitpunkt des Entstehens der Gebührenpflicht.
Tatbestand:
Sachverhalt:
Die Antragsteller wendeten sich gegen ihre Heranziehung zu Gebühren für die Abfallentsorgung für das Jahr 1992. Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren haben sie Anfechtungsklage erhoben und die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage beantragt. Das VG hat den Antrag abgelehnt. Mit ihrer Beschwerde haben die Antragsteller u.a. geltend gemacht, das Ortsrecht der Antragsgegnerin sei fehlerhaft, weil es keine Anreize zur Abfallvermeidung enthalte. Die Beschwerde hatte Erfolg.
Gründe
Aus den Gründen:
Zwar hat das VG zu Recht entschieden, daß der Gebührenmaßstab in der Abfallgebührensatzung der Antragsgegnerin vom 14.6.1988 in der Fassung der Änderungssatzung vom 13.12.1991 - AGS - entgegen der Ansicht der Antragsteller keinen rechtlichen Bedenken begegnet. Obwohl die (von den Antragstellern offenbar schon weitgehend praktizierte) Abfallvermeidung nach § 3 a Abs. 2 Satz 2 des Nds. Abfallgesetzes in der Fassung vom 7.11.1991 durch entsprechend gestaltete Abfallgebühren gefördert werden soll, ist das kommunale Ortsrecht dem erst bis zum 31.12.1993 anzupassen (§ 30 Abs. 4 des Gesetzes). Derzeit ist die der angefochtenen Gebührenerhebung zugrundeliegende Regelung der Abfallgebührensatzung der Antragsgegnerin mithin nicht zu beanstanden.
Die Abfallgebührenbescheide der Antragsgegnerin begegnen aber formellen Bedenken: Die Gebührenfestsetzung schon im Februar 1992 für das gesamte Jahr 1992 entspricht auch der jetzt geltenden Rechtslage nicht. Vielmehr setzt die Festsetzung einer Benutzungsgebühr gem. § 5 Abs. 1 Satz 1 NKAG die abgeschlossene Inanspruchnahme einer öffentlichen Einrichtung voraus. Davon kann bei regelmäßig wiederkehrender (Dauer-)Benutzung erst nach Ende des Erhebungszeitraumes und damit nach Verwirklichung des Gebührentatbestandes (§ 11 Abs. 1 Nr. 2 b NKAG i.V.m. § 38 AO) die Rede sein. Weil erst damit die sachliche Gebührenpflicht entstehen kann, ist vorher eine Gebührenfestsetzung grundsätzlich ausgeschlossen (vgl. Urt. d. Sen. dng 1991,29 und NSt-N 1992, 47). Diesen rechtlichen Bedenken ist im Zuge der Novellierung des NKAG durch das Änderungsgesetz vom 17.12.1991 (Nieders. GVBl. S. 363) Rechnung getragen worden, indem durch § 5 Abs. 5 Satz 3 NKAG n. F. eine Ermächtigungsgrundlage für die vorzeitige Gebührenerhebung bei einer wiederkehrenden Inanspruchnahme einer öffentlichen Einrichtung wie etwa der Abfallentsorgung (vgl. dazu Lichtenfeld, in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand: Sept. 1992, § 6 Rn. 769) geschaffen worden ist. Dem Vorschlag der kommunalen Spitzenverbände, durch die zu schaffende Regelung auch den Entstehungszeitpunkt der Gebühren zu erfassen, wurde aber nicht entsprochen und statt dessen eine diesbezügliche Regelung der jeweiligen Abgabensatzung überlassen (LT-Drucks. 1212275, S.17). Die durch das Änderungsgesetz vom 17.12.1991 eingefügte Regelung in § 5 Abs. 5 Satz 3 NKAG n.F. betrifft daher ausdrücklich nur den Fälligkeitszeitpunkt der wiederkehrenden grundstücksbezogenen Gebühren. Die Gebührenerhebung setzt mithin weiterhin eine besondere ortsrechtliche Regelung über den - vorgezogenen - Zeitpunkt des Entstehens der Gebührenpflicht voraus. Denn fällig kann nur eine Abgabenschuld werden, die bereits entstanden ist.
Eine entsprechende Bestimmung ist in den §§ 4 ff. AGS der Antragsgegnerin nicht enthalten. Vielmehr regeln diese Bestimmungen lediglich den Beginn und das Ende der gebührenpflichtigen Inanspruchnahme und die Fälligkeit der Abfallbeseitigungsgebühr mit dem Zugang des Abgabenbescheides. Auch in §§ 4 f. AGS ist eine Regelung zur vorzeitigen Entstehung der jährlichen Gebührenpflicht - etwa zu Beginn des Erhebungsjahres - nicht zu erblicken. Die Verwendung dieses Begriffs etwa in § 5 Abs. 2 AGS steht in einem anderen Zusammenhang und enthält deshalb nicht die fehlende Regelung. Eine "Heilung" dieses Fehlers der Gebührenerhebung scheidet hier aus, weil der Widerspruchsbescheid schon am 28.4.1992 und damit ebenfalls vor Ende des Erhebungszeitraumes, dem Kalenderjahr 1992 (vgl. § 2 Abs. 2 für die Beseitigung des Haushaltsabfalls), erlassen wurde.